König Johann / Titus Andronicus - Friedrich Dürrenmatt - E-Book

König Johann / Titus Andronicus E-Book

Friedrich Dürrenmatt

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Beschreibung

»Die Bearbeitung des Shakespeare-Dramas König Johann ist unter Friedrich Dürrenmatts Hand ein sehr eigenständiges Werk geworden: Neu gespiegelt in der Einbildungskraft des modernen Autors, wird die barocke Bilderwelt transparent für Bezüge zu unserer Gegenwart. Das kompliziert verschlungene Originalwerk wandelt sich von einer dramatisierten Chronik zum Gleichnis: zur Komödie der Politik.«

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Friedrich Dürrenmatt

König Johann | Titus Andronicus

Shakespeare-Umarbeitungen

Diogenes

Allgemeine Anmerkung zu der Endfassung 1980 meiner Komödien

Es ging mir, im Gegensatz zu den verschiedenen Fassungen, die vorher einzeln im Arche-Verlag erschienen sind, bei den Fassungen für die Werkausgabe nicht darum, die theatergerechten, das heißt die gestrichenen Fassungen herauszugeben, sondern die literarisch gültigen. Literatur und Theater sind zwei verschiedene Welten: Außer den Komödien, die ich nur für die Theater schrieb, Play Strindberg und Porträt eines Planeten, die Übungsstücke für Schauspieler darstellen und die ich als Regisseur schrieb, gebe ich im Folgenden – die ersten Stücke tastete ich nicht an – die dichterische Fassung wieder, eine Zusammenfassung verschiedener Versionen.

F.D.

König Johann

nach Shakespeare

Personen

Johann Plantagenet, König von England

Königin Eleonore, seine Mutter

Isabelle von Angoulême, seine Gemahlin

Blanka von Kastilien, seine Nichte

Konstanze, seine Schwägerin

Arthur Plantagenet, Herzog von Bretagne, sein Neffe

Der Bastard Philipp Faulconbridge, später Sir Richard Plantagenet, natürlicher Sohn des Richard Löwenherz, Johanns Bruder

Lady Faulconbridge, dessen Mutter

Robert Faulconbridge, dessen Bruder

Philipp II., König von Frankreich

Louis, Dauphin von Frankreich

Leopold, Herzog von Österreich

Pandulpho, Kardinal von Mailand, Legat des Papstes Innozenz III.

Graf von Pembroke, Johanns Minister

Chatillon, Philipps Gesandter

Lord Bigot

Lord Essex

Lord Salisbury

Erster Bürger von Angers

Englischer Herold

Französischer Herold

Erster Henker Johanns

Zweiter Henker Johanns

Henker Philipps

Wache Philipps

Bürger, Soldaten, Mönche usw.

Geschrieben 1968

Uraufführung im Basler Theater (Stadttheater) am 18. September 1968

Erster Aufzug

Erste Szene1

Northampton. Ein Staatszimmer im Palast.

König Johann, Königin Eleonore, Blanka, Pembroke, Chatillon.

KÖNIG JOHANN

Nun, Chatillon, sag, was will Frankreich uns?

CHATILLON

So redet Frankreichs König nach dem Gruß

Durch meinen Vortrag zu der Majestät,

Erborgten Majestät von England hier.

ELEONORE

Erborgten Majestät? – seltsamer Anfang.

KÖNIG JOHANN

Still, gute Mutter, hört die Botschaft an.

CHATILLON

Philipp von Frankreich sieht das Recht verletzt.

Drei Brüder starben dir, vor dir geboren:

Der erste Heinrich, Gottfried dann und endlich

Der edle Richard Löwenherz.

ELEONORE

Wir wissen.

Wir haben sie geboren. Laßt den Unsinn.

KÖNIG JOHANN

Still, gute Mutter. Chatillon, fahr fort.

CHATILLON

Philipp von Frankreich fordert an im Namen

Arthur Plantagenets, des Sohnes deines

Ums Reich geprellten ältern Bruders Gottfried,

Dies schöne Eiland samt den Ländereien

Von Irland, Poitiers, Anjou, Touraine, Maine.

ELEONORE

Arthur Plantagenet? Der kleine Arthur,

Kaum lernt er gehen, kaum ist er entwöhnt,

In Windeln noch, erhebt so großen Anspruch?

KÖNIG JOHANN

Still, gute Mutter. Chatillon, sprich weiter.

CHATILLON

Frankreich befiehlt: Gib frei das Erbe Arthurs,

Von dir geraubt und rechtlos ausgeplündert,

Damit dein Neffe es aus deiner Hand

Empfange als dein königlicher Herr.

KÖNIG JOHANN

Und wenn wir dieses weigern, was erfolgt?

CHATILLON

Krieg.

KÖNIG JOHANN

Wir haben Krieg für Krieg und Blut für Blut,

Zwang wider Zwang. Wir treffen in zwei Monden

Mit unserer Armee in Anjou ein

Vor Englands Stadt Angers, erwarten Frankreich.

Antworte Philipp das, und nun hinweg.

Gebt ehrliches Geleit ihm auf den Weg.

Besorg’s, getreuer Pembroke – Chatillon, leb wohl.

Pembroke geleitet Chatillon hinaus.

ELEONORE

Mein lieber Sohn, das war vorauszusehen.

Ich kenn den Ehrgeiz meiner Schwiegertochter

Konstanze von Bretagne. Mein Enkel Arthur

Soll Englands König sein, nicht du. Drum hetzt

Sie Frankreich und die ganze Welt auf uns.

Das Weib mit ihrem Söhnlein ist gefährlich.

KÖNIG JOHANN

Uns schirmt, was ich besitze und mein Recht.

ELEONORE

Uns schirmt, was du besitzest, nicht dein Recht,

Sonst müßt es übel gehn mit dir und mir,

Denn Recht hat Arthur ebenso wie du.

Warum so schroff mit diesem Chatillon?

Warum so schnell? Es wäre leicht gewesen,

Durch freundliche Vermittlung auszugleichen,

Was die Verwaltung zweier Reiche nun

In einen Krieg verstrickt, der schrecklich kostet.

KÖNIG JOHANN

Die Klöster und Abteien sollen zahlen

Die Kosten dieses Kriegs.

ELEONORE

Das kostet uns

Die Freundschaft Roms.

KÖNIG JOHANN

Es koste sie. Mich kostet

Der Krieg die Ehre und mein Land, fällt mir

Der Sieg nicht zu. Ich muß darauf bestehen,

Daß Frankreich mich als König anerkennt

Und nicht Arthur, ich brauche diesen Krieg,

Und wenn nicht einen Krieg, so doch den Sieg

Der Politik auf meine Drohung hin:

Denn bin ich vor Angers, lenkt vielleicht Frankreich,

Beeindruckt, doch noch ein. Ich muß es wagen.

Durch meines Bruders Richard genial

Verschlampte Heldenwirtschaft kam

Das Land in Unordnung. Der Adel murrt.

Er liebt nicht meine starke Hand. Er will

Die Freiheit, England auszuplündern,

Für sich allein, drum neigt er Arthur zu.

Die Kirche sucht mich zu erpressen, pocht

Auf ihre Pfründe, und des Himmels Gnade

Fließt bloß für bares Geld. Das Volk ist dumpf.

Gesund ist nur das Heer, und diese Waffe,

Bevor sie rostet, muß ich brauchen. Krieg

Den Lords wär Bruderkrieg, er schwächte mich,

Doch Krieg mit Frankreich eint die Nation

Und zwingt den Adel sich zu unterwerfen.

Pembroke kommt zurück.

PEMBROKE

Mein Fürst, hier ist der wunderlichste Streit

Vom Land vor Euren Richterstuhl gebracht,

Wovon ich je gehört. Bring ich die Leute?

KÖNIG JOHANN

Ihr Stand?

PEMBROKE

Landadliges Pack, Hoheit.

KÖNIG JOHANN

Schick sie fort.

ELEONORE

Bring sie her.

Komm, lieber Sohn, und setz dich wieder.

Ein Sheriff bringt den Bastard und Robert Faulconbridge.

KÖNIG JOHANN

Wer seid ihr beide?

BASTARD

Ich euer treuer Knecht, ein Edelmann

Aus Northamptonshire, und, nach meiner Mutter,

Der älteste Sohn des Robert Faulconbridge,

Den Richard Löwenherz zum Ritter schlug:

Nicht unbegreiflich, langsam schwant es mir.

KÖNIG JOHANN

Und du?

ROBERT

Der Erbe und der Sohn desselben Faulconbridge.

KÖNIG JOHANN

Ist das der ältere, der Erbe du,

So scheint’s, ihr seid von einer Mutter nicht.

BASTARD

Gewiß von einer Mutter, Majestät,

Das weiß man, ob wir auch von einem Vater,

Die Kenntnis dieses delikaten Punktes

Macht mit dem Himmel aus und meiner Mutter;

Ich zweifle dran, wie jeder Sohn es darf.

ELEONORE

Du schändest deine Mutter, grober Kerl.

BASTARD

Ich, Königin? Ich schände nicht, die mich

Gebar, noch schändet meine Mutter mich,

Mein feiner Bruder fühlt geschändet sich

Durch meine Mutter, die auch seine ist,

Und wenn er es beweist, so prellt er mich

Um mindestens fünfhundert Pfund im Jahr.

Gott schütz mein Land und meiner Mutter Ehre!

KÖNIG JOHANN

Und uns vor deiner Narrheit, Amen. Warum

Denn fordert nun der Jüngere dein Erbe?

BASTARD

Ihm schwant’s auch langsam, was mir langsam schwant.

Vergleicht nur die Gesichter, richtet selbst.

Gesetzt, der alte Herr, Sir Robert, zeugte uns,

Und diese Mißgeburt dem Vater gleicht:

Fällt auf die Knie.

O alter Robert, Vater! Siehe mich

Dem Himmel danken, denn ich gleich dir nicht!

KÖNIG JOHANN

Ein toller Wirrkopf schießt da aus dem Mist.

ELEONORE

Merkwürdig. Er gleicht meinem Sohne Richard.

KÖNIG JOHANN

Jetzt du, der andre Kerl, tritt vor und sprich:

Was forderst du des ältern Bruders Land?

ROBERT

Mein Fürst, kaum war mein Vater Faulconbridge

Mit meiner Mutter frisch getraut, als Euer

Erst jüngst verstorbner Bruder König Richard

Sir Robert plötzlich brauchte –

BASTARD

Ei, Herr, damit gewinnt Ihr nicht mein Land!

Erzählt uns, wie der Held in fernen Kriegen

Und fremden Ehebetten, Richard Löwenherz,

Die plötzlich brauchte, welche meine Mutter wurde.

ROBERT

Der König, plötzlich, schickte meinen Vater

Nach Deutschland, mit dem Kaiser zu verhandeln

Sechs Monde lang in wichtigen Geschäften.

Schief ging es aus, mein Vater war kein Diplomat.

Dem König war es einerlei. Er hatte

Sein Ziel erreicht, er nutzte flugs die Strecke

Von See und Land, die meine Eltern trennte,

Das frisch getraute Paar, verbrachte heimlich

In meines Vaters Hause Nacht um Nacht,

Und dieser muntre Herr da war erzeugt!

Wie solches möglich, schäm ich mich zu sagen.

Doch wahr ist wahr. Sir Robert selbst, im Sterben,

Trug mich als Erben ein ins Testament:

»Der, deiner Mutter Sohn, ist meiner nicht.

Und wenn er’s ist, so kam er in die Welt

An zwanzig Wochen vor der rechten Zeit;

An dieses Wunder, Gott, das meine fromme Frau

Und deine Pfaffen mich da glauben machten,

Vermag ich, todesmatt, nicht mehr zu glauben!«

So sprach mein armer Vater und verschied.

Drum gönnt mir jetzt, was mein ist, König Johann,

Des Vaters Land nach meines Vaters Willen.

KÖNIG JOHANN

Das Urteil. Euer Bruder ist ein echtes Kind:

Des Vaters Weib gebar ihn in der Ehe.

Und wenn sie ihn betrog, ist’s ihre Schuld,

Worauf es alle Männer wagen müssen,

Die Weiber nehmen. Sagt mir, wenn mein Bruder,

Der, wie Ihr sprecht, sich diesen Sohn erschaffen,

Von Eurem Vater ihn gefordert hätte:

Sir Robert, Freund, sein Kalb von seiner Kuh,

Konnt er behaupten gegen alle Welt.

Das ist Gesetz! War er von meinem Bruder,

So konnt ihn der nicht fordern, Euer Vater

Ihn nicht verleugnen, war er auch nicht sein.

Kurz, meiner Mutter Sohn zeugt Eures Vaters Erben,

Dem Erben kommt das Land des Vaters zu.

BASTARD

Mein Bruder, den Prozeß hab ich gewonnen.

ROBERT

Hat meines Vaters Wille keine Kraft,

Das Kind, das nicht das seine, zu enterben,

Darf ungestraft ein König meinen Vater,

Der doch auch adlig ist, mit Hörnern schmücken

Und ungestraft darauf ein zweiter König

Das Land mir stehlen, weil’s ihm so beliebt:

Dann herrscht in England Ungerechtigkeit.

ELEONORE

He, erster Sohn der Lady Faulconbridge.

BASTARD

Königin?

ELEONORE

Wie heißt du?

BASTARD

Philipp, nach einem Faß von Sohn genannt,

Von einer Tonne Frau, Sir Roberts Schwester.

ELEONORE

Blanka, komm her.

Blanka tritt neben die Königin.

BLANKA

Großmutter?

ELEONORE

Kind, gefällt

Dir dieser junge Bursche?

BLANKA

Er gefällt mir.

ELEONORE

Gar sehr?

BLANKA

Gar sehr, Großmutter.

ELEONORE

Brav mein Kind.

Du aber, junger Faulconbridge, hör zu.

Wir brauchen Männer. Männer für den Krieg.

Du rühmst dich eines Siegs, den deine Mutter

In ihrem Bett entschied. Wohlan denn, wähle:

Was willst du lieber sein, ein Faulconbridge,

Ein reicher Herrscher über Kraut und Rüben,

Vermistet, ohne Bildung, ruhmlos, oder

Von meinem Sohn ein anerkannter Sohn,

Plantagenet wie wir. Dein Los: Wahrscheinlich

Der Tod, der Untergang. Vielleicht der Aufstieg,

Vielleicht noch mehr. Doch Ruhm ist dir gewiß.

Der Bastard kniet.

BASTARD

O Königin, dein Enkel hat gewählt.

Gab mir mein Vater Adel, gebe ich mein Land.

Gesegnet schienen Sonne oder Sterne,

Als man mich zeugte in Sir Roberts Ferne!

ELEONORE

Du bist so kühn wie jener, der dich schuf.

BASTARD

Madame, ich bin ein Wurf aus Eurem Stall.

ELEONORE

Schlag ihn zum Ritter, Johann, es rentiert sich.

König Johann schlägt den Bastard zum Ritter.

KÖNIG JOHANN

Als Philipp kniest du jetzt, erhebe dich erhöht.

Steh auf, Sir Richard und Plantagenet.

Der Bastard erhebt sich.

KÖNIG JOHANN

Sir Faulconbridge, Ihr habt, was Ihr begehrt.

Das Land ist Euer. Laßt Euch nicht mehr sehn.

Robert ab.

KÖNIG JOHANN

Den Arm, verehrte Mutter, gehn wir speisen.

König Johann, Eleonore und Pembroke ab.

BLANKA

Verzeiht, Sir Richard. Ich gestand, daß Ihr

Mir sehr gefällt. Warum nicht? Ich bin reich,

Besitze Anjou und Touraine. Johann

Verwaltet sie, er gäb mich ungern frei.

Wer mich will, der wagt viel. Ich wage mehr:

Ich wag die Hoffnung, daß Ihr alles wagt.

Blanka ab.

BASTARD

Die Lady amüsiert sich gut mit mir.

Sie denkt ans Bett; ich denke, was mir blüht:

Um einen Schritt zur Ehre besser nun,

Doch schlimmer um viel tausend Schritte Lands,

Kann ich zur Dame jede Kuhmagd machen,

Mit der ich schlief, wie’s eben kam im Heu,

Und umgekehrt zur Kuhmagd jede Dame;

Und kommt der Stallknecht her, mit dem ich jüngst

Die Nächte durchsoff, muß er höflich grüßen:

»Habt guten Tag, Sir Richard!«, »Dank, Gesell!«

Grüß ich zurück, weil’s vornehm ist, statt ihm

Mit einem Tritt den Hintern zu versohlen.

Kommt drauf ein Reisender herbeigelümmelt,

An meiner Gnaden Tisch die Zähne stochernd,

Und ist mein ritterlicher Magen voll,

So trink ich ihm manierlich zu, befrage

Den Schönbart aus der Fremde: »Bester Herr«,

– so auf den Arm mich stützend fang ich an –

»Ich möcht Euch bitten« – das ist Frage nun,

Und schon kommt Antwort wie aus einem Abc-Buch.

Und so, eh Antwort weiß, was Frage will,

Bloß mit dem Hin- und Herkomplimentieren,

Vom Schwatzen von den Alpen und dem Flusse Po,

Von fremden Pferden, Hunden, fremden Puffs,

Erschwinglich und mit Damen für den Adel,

Zieht es sich bis zur Abendmahlzeit hin.

Das ist hochadlige Gesellschaft nun,

Die strebenden Gemütern ziemt, gleich mir.

Doch wen die Mode nicht gedrechselt hat,

Der bleibt ein Bastard, auch wenn er geadelt.

Drum will ich, Bastard, auch ein Bastard bleiben!

Das Spiel mitspielend, das ich wählte,

Nach außen adlig, ganz ein echter Ritter,

Weiß doch mein Sinn, daß alles Hurerei,

Was diese noble Welt in Ehren treibt.

Verstellend mich, um mich nicht zu belügen,

Bleib ich, die Welt belügend, mir so treu,

Erklettere mit kühnen Heldentaten

Der Ehre Hühnerleiter voller Dreck.

Lady Faulconbridge tritt auf.

LADY FAULCONBRIDGE

Philipp!

BASTARD

Auch die noch! Meine Mutter! Donnerwetter!

Im Reitkleid und verschwitzt. Nun, gute Frau,

Was galoppierst du denn an diesen Hof?

LADY FAULCONBRIDGE

Wo ist mein zweiter Sohn, der meine Ehre

Vor König Johanns Thron besudeln will,

Um dich um deine Äcker zu betrügen?

BASTARD

Mein Bruder Robert? Alten Roberts Sohn?

Den Riesensohn von einem Riesenvater?

Ist es Sir Roberts Sohn, den du hier suchst?

LADY FAULCONBRIDGE

Sir Roberts Sohn! Du unverschämter Bube,

Sir Roberts Sohn! Was höhnest du Sir Robert?

Er ist Sir Roberts Sohn, du bist es auch.

BASTARD

Sir Roberts Sohn ist fort, Sir Roberts Sohn

Gewann Prozeß und Land, ich bin verarmt.

LADY FAULCONBRIDGE

Bekam dein Bruder recht, ist meine Ehre hin.

BASTARD

Nicht hin, im Gegenteil. Sie leuchtet frei

Und nicht mehr unter einem Bauernschemel.

LADY FAULCONBRIDGE

Philipp!

BASTARD

Sir Richard, wenn ich bitten darf.

LADY FAULCONBRIDGE

Sir Richard?

BASTARD

Der König

Schlug mich zum Ritter, hochgeehrte Mutter.

LADY FAULCONBRIDGE

Wie soll ich das verstehen? Soll das heißen –

BASTARD

Soll heißen, daß wir dich verstehen, Mutter.

Sir Robert konnte etwas: Schweine mästen,

Karfreitags essen und doch Fasten halten.

Er konnte Zoten reißen, unter Röcke greifen

Und beten auch wie du. Doch konnte er mich zeugen?

Nein, Mutter, dazu war er nicht imstande.

Nie half Sir Robert meinen Leib zu machen,

Dies Bein, den Arm, die Schultern, diesen Kopf,

Du weißt es, deine Ehre weiß es auch:

Sir Roberts Sohn, der bin ich nie gewesen.

Ich gab mein Erbe auf, mein Land, mein Geld,

Den Namen und die ehrliche Geburt,

Entsagte all dem wie dem Teufel selbst,

Drum, gute Mutter, nenn mir meinen Vater,

Nur du kennst das Geheimnis und ganz England.

LADY FAULCONBRIDGE

Mein Sohn, ich kann es nicht –

BASTARD

Courage, Mutter.

LADY FAULCONBRIDGE

Dich zeugte König Richard Löwenherz.

Durch lange, heiße Zumutung verführt,

Nahm ich ihn auf in meines Gatten Bett.

Ich bete Tag und Nacht für dich und mich.

Du bist die Frucht von sträflichem Vergehn,

Dem ich, bedrängt, nicht konnte widerstehn.

BASTARD

Sir Robert hin, Sir Robert her, der lahme Kater,

Du bist mit einem Löwen in dein Bett gestiegen

Und machtest mich, statt ehrbar, mit Vergnügen.

Von Herzen, Mutter, dank ich dir für meinen Vater!

Kehr wieder heim nach Faulconbridge und bete weiter,

Doch nicht für dich und mich, für dieses arme Land:

Dich, Mutter, brauchte man zur Lust, den Sohn

Braucht man zum Krieg, doch was die Großen brauchen,

Sie werfen’s fort, kaum haben sie’s gebraucht,

Wie alte Kleider. Mutter, packt Euch! Geht!

Die schöne Lady Blanka wartet meiner,

Ich muß zu ihr ins Bett, mein Dienst beginnt!

Lady Faulconbridge ab.

Zweiter Aufzug

Erste Szene2

Frankreich. Vor den Mauern von Angers.

In der Mitte der Bühne ein Verhandlungstisch.

König Philipp, Dauphin Louis, Isabelle, Konstanze, Arthur und Chatillon treten auf.

KÖNIG PHILIPP

Zur Lage. Österreich, mit uns verbündet,

Ist eingetroffen, England vor Angers.

Als Antwort auf die Politik, die langsam,

Bald hart, bald weich, sich einen Ausweg sucht,

Erfolgt die überstürzte Landung Johanns.

Wir sind im Recht, doch nicht in Übermacht,

England in Übermacht, doch nicht im Recht.

Bevor der Kampf beginnt, sind eingeladen

Die feindlichen Parteien zu verhandeln.

Vielleicht kann so der Krieg vermieden werden,

Vielleicht sieht Johann seinen Irrtum ein,

Vielleicht geschieht ein Wunder, hoffen wir,

Denn dieser Krieg käm mir zu früh. Verschuldet,

Provinzen rebellieren, schlechte Ernte,

Viel Pech mit teuren Weibern; Österreichs Zug

Hieher ist nur ein Vorwand, unser Land

Zu plündern.

LOUIS

Herzog Leopold von Österreich.

Österreich tritt auf.

KÖNIG PHILIPP

Willkommen vor Angers, mein Österreich.

ÖSTERREICH

Philipp von Frankreich, grüß dich Gott. Mein Dauphin

Und meine Damen, grüß euch Gott.

KÖNIG PHILIPP

Arthur,

Dein edler Onkel Richard Löwenherz

Kam früh ins Grab durch diesen edlen Herzog,

Weil mit der Herzogin dein edler Onkel –

Doch das verstehst du noch nicht, liebes Kind.

Kurz, deinem Onkel war der Herzog böse.

Und nun ist alles wieder gut. Der Herzog,

Auf unser Drängen, kommt mit einem Heer

Von Schweizern und Tirolern anmarschiert,

Um dich zu schützen, für dein Recht zu kämpfen

Und deines unnatürlich schnöden Onkels,

Johanns von England, Anmaßung zu dämpfen.

Umarm ihn, lieb ihn, heiß ihn hier willkommen.

ARTHUR

Gott wird Euch meines lieben Onkels Tod vergeben,

Weil Ihr mir gegen meinen bösen Onkel helft.

LOUIS

Ein edles Kind. Wer stünde ihm nicht bei.

ÖSTERREICH

Ich küsse dich auf beide Backen, Bub.

Verfuhr ich auch mit deinem lieben Onkel

Im Jähzorn halt ein bissel allzu streng,

Ich trage ihm nichts nach, denn tot ist tot,

Vergeben und vergessen, liebes Kind.

Ich will zur Heimat nimmer kehren, bis

Ich deinen andern Onkel, deinen Schurkenonkel,

Den Johann, von der Lumpeninsel fege

Ins Meer und bis dich England König heißt.

KÖNIG PHILIPP

Da kommt Johann. Ich freu mich, ihn zu sehen.

Wir sind dieselbe Rasse, wenn auch Feinde.

Um unsre Zwistigkeiten auszufechten,

Gibt’s unsre Völker, gibt’s die beiden Heere;

Doch uns, die wir einander hart bedrängen,

Trennt nur Geschäft, nicht Haß. Empfangen wir ihn herzlich.

König Johann, Eleonore, Blanka treten auf, ebenso der Bastard und Pembroke, die im Hintergrund bleiben.

KÖNIG PHILIPP

Johann!

KÖNIG JOHANN

Philipp!

Herzliche Begrüßung des Hochadels untereinander, Umarmungen, Küsse.

KONSTANZE

Großmutter!

ELEONORE

Konstanzchen! Arthurchen!

ISABELLE

Blanka!

BLANKA

Isabelle!

KÖNIG JOHANN

Mein Dauphin! Edler Österreich!

KÖNIG PHILIPP

Familien von England und von Frankreich,

Gegrüßt! Nehmt Platz, Plantagenets, setzt euch,

Ihr Capets. Die Verhandlung ist eröffnet!

Johann und Philipp setzen sich einander gegenüber, Pembroke und Chatillon mit dem Rücken gegen das Publikum an den Verhandlungstisch.

KÖNIG JOHANN

Mit Frankreich Krieg, wenn es den Krieg begehrt.

KÖNIG PHILIPP

Mit England Frieden, wenn es Frieden wünscht.

KÖNIG JOHANN

Rede!

KÖNIG PHILIPP

Wir lieben England, und wir stürzen uns

In große Kosten bloß um Englands willen,

Sind Waffen doch in diesem Jahre teurer.

Das hättest du uns leicht ersparen können,

Wenn du, wie wir, dein England liebtest. Doch

Was tust du? Du verdrängst den echten König,

Du wirfst die Folge der Regentschaft um,

Du höhnst den Staat und raubst der Krone Tugend.

Schau hier das Antlitz deines Bruders Gottfried!

Die Stirn, die Augen sind nach ihm geformt,

Der kleine Auszug da enthält das Ganze.

Dies ist sein Sohn, England war Gottfrieds Recht,

Und Gottfrieds Recht ist Arthurs erblich Recht.

Drum, wenn du England liebst, gib England her.

KÖNIG JOHANN

Was unser Recht ist, geben wir nicht hin.

Es krönte uns zum König über England

Der König Richard, unser Bruder, diesen

Zum König krönte unser Vater Heinrich

Der Zweite, selbst ein König. Krönend ein

Plantagenet den andern, wurde so

Die Folge der Regentschaft nie gestört.

Von wem drum, Frankreich, stammt dir deine Vollmacht

Ein Recht zu fordern, das ich nicht verletzte?

König Philipp und Chatillon beraten sich kurz.

KÖNIG PHILIPP

Von Gott!

Der setzte mich zum Vormund diesem Knaben.

Aus seiner Vollmacht zeih ich dich des Unrechts,

Mit seiner Hilfe hoff ich es zu strafen.

KÖNIG JOHANN

Wer unrecht hat, beruft sich stets auf Gott.

KÖNIG PHILIPP

Wer unrecht hat, der fürchte sich vor Gott.

ELEONORE

Dann zittere, du ungerechtes Frankreich.

KONSTANZE

Wenn jemand zittern sollte, bist es du.

ELEONORE

Konstanze, Liebling, laß den Ehrgeiz endlich.

Dein Bastard ist kein König, sieh das ein.

KONSTANZE

Mein Sohn ein Bastard! Liebe Schwiegermama,

Mein Bett war immer meinem Gatten treu,

Ob deines auch so treu, bezweifle ich.

ELEONORE

Die Mutter schmäht den Vater ihres Kindes.

KONSTANZE

Du schmähst den Enkel, männertolle Oma.

BLANKA

Für deinen Sohn willst du mein Erbe stehlen,

Touraine und Anjou, sie gehören mir.

KONSTANZE

Gehören Arthur. Dir gehört der Stallknecht,

Der dich beschläft, gib dich mit ihm zufrieden.

ELEONORE

Lagerhure.

KONSTANZE

Kupplerin.

ÖSTERREICH

Schandweib, Luder, Atheistin!

BASTARD

Tiroler.

ÖSTERREICH

Zum Teufel, wer ist dieser blonde Strizzi?

BASTARD

Durch einen Teufelskerl das Gegenteil

Von Eurer Hoheit. Denn der Erstbesteiger

Der schönsten Mädchen aller schönen Länder,

Der, hoppla, Euer Weib bestieg, bestieg

Auch, hoppla, meine Mutter. Hahnrei Ihr

Und Bastard ich, gibt eine Rechnung, Kleiner,

Für einen Zweikampf: Was denn besser sei,

Des Hahnreis stets entehrte Ehre oder

Die Ehre eines ehrenlosen Bastards.

KÖNIG PHILIPP

Ihr Narren und ihr Weiber, laßt das Streiten.

Stille.

KÖNIG PHILIPP

Zur Frage! König Johann, trittst du ab,

Im Namen deines Neffen Arthur, England

Samt Irland, Poitiers, Anjou, Touraine, Maine,

Legst du die Waffen nieder?

KÖNIG JOHANN

Niemals!

Getreuer Pembroke.

PEMBROKE

Sir?

KÖNIG JOHANN

Stell das Heer zur Schlacht bereit.

Pembroke ab.

KÖNIG PHILIPP

Chatillon, du auch.

Chatillon ab.

KÖNIG JOHANN

Bevor der Krieg beginnt,

Bitt ich Arthur von Bretagne um Gehör.

Der Knabe trete vor, ich bin sein Onkel.

Die Könige erheben sich.

ARTHUR

Du bist mein böser, nicht mein lieber Onkel.

Mein lieber Onkel war der König Richard.

KÖNIG JOHANN

Dein lieber Onkel Richard Löwenherz, mein Neffe,

War deines Vaters Feind, ich deines Vaters Freund.

An meiner Seite focht dein Vater gegen

Den lieben Onkel Richard, denn es hatte

Dein lieber Onkel Richard sich verbunden

Mit diesem Philipp da von Frankreich, um

Den alten König Heinrich zu entmachten,

Den eigenen Vater, dem dein treuer Vater

Und ich gehorsam waren. In der Schlacht

Dein Vater fiel durch deinen lieben Onkel,

Er starb, durchbohrt von deinem lieben Onkel,

Von Richard Löwenherz. Dein Vater, Kind,

In meinen Armen ist er mir verblutet.

ARTHUR