Königin von Hamburg - Max Kommerell - E-Book

Königin von Hamburg E-Book

Max Kommerell

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Beschreibung

In den Hamburger Kaufmannsfamilien um die Jahrhundertwende läuft alles in geregelten Bahnen ab. Seit Kindestagen scheint der Reedersohn Karl Wiggers der Nachbarstochter Ute versprochen zu sein. Als Ute an der Hochzeit von Freunden nicht an der Seite von Karl teilnehmen kann, lernt er die Rheinländerin Minna kennen. Und mit einem Mal stellt sich die Frage, wer denn nun die Königin von Hamburg werden wird.-

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Seitenzahl: 35

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Max Kommerell

Jugend ohne Goethe

Saga

Wer von Jugend redet, redet gern als ob er sie gepachtet hätte. Er redet von etwas Weitem, durchaus Geteiltem leicht so, als hätte dies gerade ihm sein ganzes Gesicht zugedreht. Oft überblickt der also Redende massenmäßig einen großen Teil der Jugend während sich ihm die Besten entzogen, oder hat er als überragend Einsamer überhaupt niemand der ihn hört und versteht, und füllt in den Begriff »Jugend« nicht mehr als seinen Wunsch. Dem gegenüber möchte ich sagen, daß ich von ganz bestimmten Erfahrungen ausgehe, mir dabei der Beschränktheit dieses Ausschnitts bewußt bin, aber insofern von ihm zu reden wage, als diese Erfahrungen in ihrer Einzelheit dennoch etwas Allgemeines, einen Zustand vertreten. Ich lasse aus die im sittenhaften und staatlichen Sinn rückgewandte Jugend, obwohl sie als Gegenwirkung jetzt wieder bedeutsam wird. Ich lasse aus die vom Zweck beherrschte Jugend des Fortschritts und der erfolgsichernden Ertüchtigung. Weder diese noch jene hat ein dichterisches Erlebnis. Im Sinn habe ich vielmehr die Jugend, die sich selbst als die Umkehrung zu den bürgerlichen Lebensformen und Lebenswerten begriff, und die sich zwischen 1900 und jetzt in der Jugendbewegung sammelte, um nicht zu sagen zerstreute, ferner eine engere, von heutiger Dichtung stark ergriffene Jugend, und als Drittes jene Suchenden, die zu scheu und mit sich selbst zu sparsam um sich irgend einzureihen aber stark genug um die Einsamkeit auszuhalten, dem Überblick entzogen sind, und die vielleicht ein Jahrzehnt später dem Aufbau unsrer Bildung eine wesentliche Kraft leihen. – Würde ich die undichterische Jugend mit einbegreifen, so müßte mein Leitwort sein: Jugend ohne Dichtung, nicht: Jugend ohne Goethe.

Die Erfahrung selbst, daß Goethe in der Seele der geistig wachen Jugend eine lebendige Macht zu sein aufhört, kann ich hier nicht erweisen wollen. Sie drängte sich mir auf – unabhängig davon ob er gelesen wird oder nicht. Beunruhigend ist diese Erfahrung nur dort, wo an sich Geistes genug wäre, Goethe zu erleben – wo Goethe fehlt, weil der Geist überhaupt fehlt, da fehle Goethe immerhin!

I

Jugendbewegung – auch für den der bitter bemerkt hat, wieviel gutes Blut sie verschwendete und wie wenig sie von ihren Versprechungen einlöste, hat sie so viel Deutsches, daß man uns geradezu als das Volk bezeichnen möchte, das eine Jugendbewegung hat. Oder – um weiter zu dringen – das immer Jugendbewegung hatte und haben wird, wenn wir darunter ein eigenes geistiges Handeln noch unerwachsener Menschen verstehen. Denn Klopstock hat um die Mitte des 18. Jahrhunderts aus der Gemeinschaft der »Beiträger« heraus mit vierundzwanzig Jahren unsere hymnische Dichtung begründet. Im Straßburger Krankenzimmer Herders erweckte ein Jüngling von 26 Jahren einen anderen von 21 Jahren, und dieser dann seine Geistes- und Altersgenossen. Schiller war wenig mehr als 20, als er unter dem doppelten Druck der Erziehung und des Jahrhunderts den Aufruhr heilig sprach und Gleichaltrigen auf dem Bopser die Räuber vorlas. Er wirkt fort in den drei Stiftlern die heimlich das hen kai pan bekannten und den Freiheitsbaum umtanzten: Hölderlin, Hegel und Schelling. Und die nach der Klassik folgenreichste Geisterbewegung von gewollt jugendlicher Art wurde durch zwei Jünglinge, Friedrich Schlegel und Novalis, eingeleitet. Wenn alle diese Bewegungen fruchtbar waren, weil jeweils ein selbst junger Genius die noch schmelzbare Jugend um sich her ergriff, so ist damit schon der entscheidende Unterschied zu heute genannt: Damals war die Jugend bestimmt durch das Vorhandensein eines Führers, heute ist sie es durch den Schrei nach ihm. Erst unsere Jugendbewegung hat mit dem Namen zugleich das rührend Hilflose, notwendig Untergehende – hat die Form und den Ausgang des Kinderkreuzzugs.