0,99 €
Konvergenz – Erkenntnis von Paul Rottensteiner Wissenschaft trifft auf Mythos. Glauben auf Zweifel. Dunkle Mächte erwachen. Alte Wahrheiten brechen auf. Doch das Ende hat längst begonnen. In den Schatten Londons formiert sich eine Bedrohung, die älter ist als die Menschheit. Pater Thomas Marlowe, vom Glauben erschüttert, und die schlagfertige Studentin Sophia Bloom werden in einen Strudel aus übernatürlichen Ereignissen gerissen – gemeinsam mit einer geheimnisvollen Frau, deren silbernes Haar so unnatürlich wirkt wie die Kräfte, die sie entfesseln kann. Ein Exorzismus, der völlig aus dem Ruder läuft, zieht zwei ungleiche Teams in einen Strudel aus verborgenen Mythen und uralten Mächten. Eine Verschwörung zwischen Engeln und Dämonen bahnt sich an – und sie könnte in eine Apokalypse münden, die alles vernichtet. Doch sind sie wirklich das, wofür wir sie halten? Was, wenn der Krieg zwischen Licht und Dunkelheit nur eine fehlinterpretierte Geschichte war? „Konvergenz – Erkenntnis“ ist der erste Band einer düsteren Urban/Dark-Fantasy-Reihe über uralte Mächte, menschliche Helden und eine Welt am Rand des Untergangs. Für Fans von Geheimnissen, Mythen und epischen Enthüllungen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
KonvergenzErkenntnis
Ein Urban/Dark Fantasy Roman
Impressum Paul Rottensteiner C/o Block Services Stuttgarter Str. 106 70736 Fellbach
Autor: Paul Rottensteiner E-Mail: [email protected] Website: www.prottenwelten.com Verlag: Prottenwelten (Self-Publishing)
Titel des Buches: Konvergenz – Erkenntnis Copyright: © 2025, Paul Rottensteiner
ISBNs: • eBook (Tolino Media): 9783819420702
Vertrieb: • eBook: Über Tolino Media,
Alle Rechte vorbehalten: Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Autors in irgendeiner Form reproduziert oder verbreitet werden. Haftungsausschluss: Dieses Werk ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Erinnert euch...
„Es gab eine Zeit, in der die Welt noch intakt war. Eine Zeit, in der wir glaubten, der Fortschritt würde uns näher zusammenbringen – doch stattdessen wuchsen die Abgründe nur tiefer.
Die Menschheit hielt sich für unbesiegbar. Für Herren des Schicksals. Doch Schicksal ist eine trügerische Sache – und wir begriffen erst, was es bedeutet, als es zu spät war.
Dies ist die Geschichte dessen, was war – und dessen, was wir zu verhindern versuchten. Sie muss erzählt werden und darf nie vergessen werden. Denn die Vergangenheit lässt sich nicht einfach auslöschen. Sie bleibt. In Erinnerungen, in Narben, in den Ruinen der Welt.
Manche Kapitel kenne ich nur aus den Berichten jener, die sie überlebt haben. Aus Notizen, aus Aufzeichnungen, aus Erzählungen, die über die Jahre weitergegeben wurden. Ich habe sie gesammelt, zusammengefügt, um das Bild so vollständig wie möglich zu machen.
Ich habe gesehen, wie Licht und Dunkelheit miteinander rangen. Wie sich der Himmel auftat und die Erde zerbrach. Wie geliebt, gekämpft und verloren wurde – und wie manche trotzdem weiterkämpften.
Ob sich noch jemand an jene erinnert, die gefallen sind? Sie dürfen nie vergessen werden. Alles, was geschehen ist, darf nicht verloren gehen.
Deshalb erzähle ich sie euch. Tragt sie weiter. Damit wir nicht vergessen.“
„Alles begann mit einem Mann, allein auf einer Straße.“
Der Abend lag in stiller Ruhe, und die Straßen Londons erstreckten sich friedlich unter dem grauen, dunstigen Himmel. Eine wankende Gestalt mühte sich durch die feuchten Gassen.
Seit Tagen ging es ihm immer schlechter. Es hatte vor einer Woche begonnen – oder war es länger her? Die Zeit zerrann, ließ sich nicht mehr greifen. Zu Hause war er plötzlich zusammengebrochen, einfach so. Das Bewusstsein hatte ihn verlassen. Als er am nächsten Morgen aufwachte, ging er gleich zum Arzt, der ziemlich ratlos war – nichts Greifbares, nichts Messbares. Und doch wurde es täglich schlimmer.
Er hatte Aussetzer. Wachte an fremden Orten auf und wusste nicht, wie er dorthin gekommen war. Zeit, die spurlos verschwunden war. Dann kam das Flüstern in seinem Kopf. Gedanken, die nicht mehr nur seine eigenen waren. Ein Echo seiner selbst, das ihm Dinge zuflüsterte, die er nicht verstehen konnte.
Er wollte heute zum Arzt. Wollte endlich Antworten. Doch da war es wieder – ein Blackout.
Jetzt stand er hier. Nasse Pflastersteine unter seinen Füßen. Eine Straße, die ihm fremd war. Jeder Schritt fühlte sich an, als würde er durch zähen Schlamm waten, als wenn sein eigener Körper gegen ihn arbeiten würde. Alles um ihn herum verwischte sich; die Welt wurde zu einem Nebel aus verzerrten Silhouetten und flackerndem Licht.
Er spürte, wie seine Schritte immer schwerfälliger wurden. Sein Gleichgewicht verlor sich, und für einen Moment taumelte er, ehe er sich gegen eine Wand lehnte. Die feuchte Kälte kroch seine Handflächen hinauf, während diese über die rauen Ziegel glitten. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er, seine wirbelnden Gedanken zu ordnen.
„Das war – anders geplant“, schoss es ihm durch den Kopf, klar und prägnant – doch er war nicht fähig nachzuvollziehen, warum. Ein Gefühl von Macht und Kontrolle, ein fremdes Echo in seinem Inneren, drängte sich zwischen seine eigenen Gedanken.
„Anders? War das er? Oder–?“
Ein Gefühl der Verwirrung überkam ihn, es schien eine fremde Macht von ihm Besitz ergreifen zu wollen. Wer war derjenige, der hier urteilte?„Nein – nicht so – das war nicht so gedacht.“Die Worte schienen aus einer tiefen Ecke seiner Seele zu kommen, klangen fast fremd und doch waren sie seine eigenen. Seine Verzweiflung wuchs, während er das Gefühl hatte, auf ein Ziel zuzugehen, das er nicht klarsehen konnte. Schattenhafte Umrisse zeichneten sich in der Ferne ab, verzerrt vom Nebel und dem trüben Schein der Laternen.
Eine Person, schwankend und nach Alkohol riechend, kam ihm entgegen und blieb kurz stehen. „Was ist los mit dir, Mann? Bist du besoffen? Den Fusel hätt’ ich auch gern!“ Er lachte und torkelte weiter, seine Worte hallten in den Gedanken der Gestalt nach wie ein ferner, schwer greifbarer Klang.
Das Paar, dem er kurz darauf begegnete, schenkte ihm kaum Beachtung, warf ihm nur einen flüchtigen, irritierten Blick zu, bevor es mit eiligen Schritten weiterlief. Die ganze Szene wirkte wie in einem Traum, als befände er sich in einer Sphäre zwischen zwei Welten, umgeben von Schatten, die ebenso fern wie nah erschienen.
Sein Kopf schmerzte, die Erinnerungen und die Gedanken seines eigenen Selbst vermischten sich. Verzweifelt versuchte er, sich zu sammeln, doch immer wieder entglitt ihm der Griff. Eine Idee schob sich an die Oberfläche, ungebeten, dunkel und schattenhaft, als wäre es die Denkweise eines Fremden:„Vielleicht – vielleicht benötige ich Hilfe.“
Er schleppte sich durch die Straßen, während die Stimmen in seinem Kopf ein stetiges, drängendes Murmeln bildeten, das unaufhörlich durch sein Bewusstsein strömte. Die Grenzen zwischen den düsteren Fragen und den Schatten der Realität seines Inneren selbst verschwammen zunehmend. „Da ist etwas schiefgelaufen – aber was?“Der Gedanke pochte dumpf in seinem Kopf.„Warum – warum bin ich hier?“
Bruchstücke eines Auftrags schoben sich ihm in den Geist, verschwommen und flüchtig.„Sie hatten mich mit einer Aufgabe betraut – oder nicht?“Die Worte schienen ihm zu entgleiten, er versuchte, sie zu greifen.„Ein Auftrag – was für ein Auftrag? Wovon rede ich?“
Er stolperte durch die Dunkelheit, und sein Blick fiel auf den kleinen Park am Ende der Straße. Bäume warfen groteske Schatten über den Boden, als er den Rasen betrat und an einer verfallenen Bank haltmachte. Ein leises Lachen erklang hinter ihm, und er drehte sich um. Zwei junge Männer standen da, mit grinsenden Gesichtern und kalten Augen, ihre Hände tief in den Taschen. „Na, Alter, bist du schon voll drauf?“, fragte einer von ihnen, ein dürrer Kerl mit strähnigem Haar. „Hätt’ Stoff für dich, wenn du was brauchst.“
Er versuchte, die Gestalt scharf zu sehen, doch alles verschwamm vor seinen Augen. Er spürte einen stechenden Schmerz im Gesicht, eine Faust traf ihn hart am Kiefer. Er keuchte, sackte zusammen und merkte, wie seine Taschen durchwühlt wurden. Ein dumpfer Schmerz durchzog seinen Rumpf, der Fuß eines der Angreifer bohrte sich in seinen Magen. Die Welt drehte sich um ihn, die beiden ließen seinen schmerzenden Körper fluchend zurück und verschwanden im Dunkeln.
Er lag eine Weile benommen da, starrte auf den wolkenverhangenen Himmel und versuchte, sich zu konzentrieren.„Da war ein Auftrag – etwas Wichtiges. Was ist– nur passiert?“Ein tiefer, bitterer Gedanke schob sich in sein Bewusstsein, ein dunkles Flüstern.„Ich brauche – Hilfe – aber nicht von jedem – nein, nur von einem Nachkommen – ein Nachfahre? Was oder wer ist ein Nachfahre?“
Langsam zog er sich wieder hoch und schleppte sich weiter. Die Nacht lag wie ein schwerer Schleier über der Stadt, doch in der Ferne erblickte er die Umrisse einer kleinen Kapelle, die sich gegen den dunstigen Himmel abzeichnete. Seine Schritte führten ihn zum Eingang, und ein sarkastisches Lächeln huschte über sein Gesicht. Ein Plan in seinem Kopf nahm Gestalt an, nur um gleich darauf wieder im Nebel zu verschwinden.
Er stieß die Tür auf und taumelte hinein. Der Schein einer einzelnen Kerze flackerte am Altar, und seine Knie gaben nach. Er sank zu Boden. Sein Blick verschwamm, und das Letzte, was er sah, war eine Gestalt, die sich über ihn beugte – eine Frau in einfacher, dunkler Kleidung, ihre Augen erfüllt von Sorge. „Was ist mit Ihnen?“, flüsterte sie und legte eine Hand auf seine Stirn. „Oh Herr, ich erbitte deine Hilfe für diesen Mann.“
Dann fiel alles in Dunkelheit, und er verlor das Bewusstsein.
Die Stadt lag in einem alles verschlingenden Nebel. Ein Mann mittleren Alters schritt zielstrebig auf ein unscheinbares, aber für London typisches Backsteinhaus zu. Die Fassade zeigte dunkelrote Ziegel, verwittert und mit Spuren von Ruß, wie es viele Häuser in dieser Stadt trugen.
Ein kleines schmiedeeisernes Geländer säumte die wenigen Stufen zur Eingangstür, und das Holz der Tür war von zahlreichen Kratzern und Schrammen gezeichnet, als hätte die Zeit selbst hier ihre Spuren hinterlassen. Nur eine Außenlaterne neben der Tür flackerte gelegentlich und beleuchtete den schmalen, dunklen Eingang.
Dunkel gekleidet trug der Mann den schlichten weißen Priesterkragen über einem sauberen, schwarzen Hemd, dazu eine dunkelgraue Hose und glänzend polierte Schuhe. Eine große Tasche hing locker an seiner Schulter, und unter dem Kragen blitzte eine schlichte Kette hervor, deren Anhänger verborgen blieb.
Sein Gesicht war angespannt und entschlossen. Die dunkelbraunen Haare, durchzogen von grauen Strähnen, waren akkurat zur Seite gekämmt. Trotz seines jungen Alters von Anfang 40 zeigten sich deutliche silberne Stellen, was ihm eine reife, erfahrene Ausstrahlung verlieh. Sein getrimmter Vollbart verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Die weichen Linien seiner Gesichtszüge strahlten dennoch Güte aus, und seine Augen – freundlich und doch durchdrungen von einer inneren Stärke – spiegelten den Ernst eines Mannes wider, der sich seiner Verantwortung bewusst war. Groß und schlank bewegte er sich mit der Gelassenheit eines Menschen, der viele Türen wie diese schon geöffnet hatte, stets bereit, dem, was ihn dahinter erwartete, entschlossen entgegenzutreten.
Er hob die Hand und klopfte leise an die Tür. Nach einem Moment öffnete sie sich zögernd, und eine Frau trat hervor. Ihr blasses Gesicht war von Müdigkeit gezeichnet, ihre Schultern hingen schwer von der Last des Tages. Sie lehnte sich leicht gegen den Türrahmen, offenbar auf die Stabilität der Tür angewiesen. Ihr blondes Haar fiel strähnig und ungepflegt über ihre Schultern, ein stilles Zeugnis langer, entbehrungsreicher Tage.
„Sind Sie der Priester?“ Ihre Stimme zitterte leicht, und sie schaute ihn mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung an.
„Ja, ich bin Pater Marlowe“, antwortete er ruhig und reichte ihr die Hand.
„Evelyn Harrison“, stellte sie sich vor und ließ ihn eintreten. „Danke, dass Sie kommen konnten.“
Der Priester folgte ihr durch den schmalen Flur, der leicht düster wirkte, mit vergilbten Tapeten in einem matten Beige und Familienfotos an den Wänden, die schief hingen und schon bessere Tage gesehen hatten. Unter einem kleinen Wandtisch aus dunklem Holz lagen ein paar unordentlich abgestellte Schuhe, und eine Stehlampe in der Ecke verbreitete ein warmes Licht.
Im Wohnzimmer angekommen, fiel ihm sofort die bedrückende Stille des Raums auf. Die Vorhänge waren zugezogen und ließen nur wenig Licht herein. Die Möbel, vorwiegend aus dunklem Holz, wirkten alt, aber gepflegt. Ein großes, leicht abgenutztes Sofa stand zentral auf einem beigefarbenen Teppich, flankiert von einem niedrigen Couchtisch und einem Sessel mit abgegriffenen Armlehnen. Das Zimmer roch leicht nach Tee und abgestandener Luft, eine Mischung, die Ruhe, aber eine gewisse Beklemmung ausstrahlte. In der Ecke stand ein kleines Regal, das Bücher und Kinderspielzeug beherbergte.
Vier Personen im Zimmer verfolgten jede Bewegung des Priesters mit gespannter Aufmerksamkeit. Ihre Blicke hafteten an ihm, suchten in seinem Auftreten Antworten oder einen Hauch von Hoffnung.
„Das sind unsere Kinder“, erklärte Evelyn leise und zeigte auf die beiden. „Das ist meine Tochter, Emily.“
Das Mädchen, etwa 13 Jahre alt, hatte langes, braunes Haar, das glanzlos über ihre Schultern fiel. Sie war schmal gebaut und saß mit verschränkten Armen auf dem Sofa, als wolle sie sich selbst schützen. Ihre Augen schauten ihn misstrauisch an. Ihre Gesichtszüge waren kantig und wirkten für ihr junges Alter ungewöhnlich ernst, mit schmalen Lippen, die sie fest aneinanderpresste.
„Und das hier ist Leon“, fügte sie hinzu und deutete auf den kleinen Jungen, der kaum fünf Jahre alt war.
Leon hatte einen runden, kindlichen Gesichtsausdruck und große, braune Augen, die unsicher zwischen dem Geistlichen und seinem Stofftier hin und her huschten. Die hellen, blonden Locken waren wild und ungeordnet. Er umklammerte fest den alten, abgenutzten Stoffbären. Trotzig hielt er ihn dem Priester entgegen, als wollte er sagen: „Bis hierher und nicht weiter.“
Neben den Kindern stand ein Mann, der sich selbst als James Carter vorstellte.
„Mein Bruder“, vollendete Evelyn ruhig.
Der hochgewachsene Mann besaß ein markantes Gesicht, kurz geschorenes, dunkelbraunes Haar und einen durchdringenden, skeptischen Blick. Sein Ausdruck strahlte kühle Wachsamkeit aus, während seine Haltung eine subtile Anspannung verriet – die stille Bereitschaft, jederzeit einzugreifen, lag förmlich in der Luft. Seine Augen musterten den Priester ungeduldig.
„Etwas stimmt hier nicht. Ich habe kein gutes Gefühl dabei.“
Die Frau an seiner Seite boxte ihm fast unbemerkt in die Hüfte. „James, bitte.“ Sie lächelte verlegen.
„Und das ist seine Frau, Carol“, fügte Evelyn hinzu.
Der Pater sah den skeptischen Bruder direkt an. „Ich bin nur hier, um zu helfen.“
Er sagte es gefasst und wandte seinen Blick zu Evelyn. Doch in seinen Gedanken kehrte er zu dem Tag vor zwei Wochen zurück, als er das erste Mal von diesem ungewöhnlichen Fall gehört hatte –
Zwei Wochen zuvor
In einem ruhigen Café im Herzen Londons saß Thomas Marlowe einem Mann gegenüber. Dr. Peter Langshore war ein alter Freund, den er schon seit Jahren kannte. Ein angesehener Neurologe und Psychiater, Mitte 40, mit einem scharf geschnittenen Gesicht und wachsamen Augen hinter einer randlosen Brille. Langshore war bekannt dafür, Fälle zu übernehmen, die andere Mediziner längst aufgegeben hatten. Sein leicht exzentrisches Auftreten und eine Spur Zerstreutheit verkörperten den unkonventionellen, brillanten Psychiater. Doch es war seine ruhige, klare Stimme, die eine bemerkenswerte Wirkung hatte – sie konnte beruhigen und gleichzeitig den Eindruck erwecken, dass er jede Störung mit analytischer Präzision durchdringen würde.
„Tom“, begann Langshore und lehnte sich vor, die Finger ineinander verschränkt, „einen solchen Fall habe ich schon lange nicht mehr gehabt. Ich habe den Patienten auf jegliche erdenkliche medizinische und neurologische Ursachen untersucht. Blutuntersuchungen, toxikologische Tests, alles ist in Ordnung. Keine Hinweise auf eine Gehirnentzündung oder schwere psychische Störungen wie eine dissoziative Identitätsstörung. Diverse Traumata wurden auch ausgeschlossen.“
Er hielt kurz inne und ließ seine Worte wirken. „Und offen gesagt – ich glaube, hier steckt mehr dahinter.“
Der Priester musterte ihn aufmerksam. „Peter, du weißt, dass ich solchen Fällen nur unter bestimmten Bedingungen nachgehe. Wenn keine natürlichen Erklärungen mehr bleiben – das sind ernste Schlüsse.“
Der Arzt nickte, ohne die Ruhe zu verlieren. „Genau deshalb wollte ich, dass du die Familie triffst und dir selbst ein Bild machst. Seine Symptome sind unberechenbar – und ungewöhnlich.“
Langshore hielt inne und schien die richtigen Worte abzuwägen. „Mr. Harrison spricht oft von sich selbst in der dritten Person, als sei er nur ein Beobachter seines Lebens. An manchen Tagen nennt er sich ‚wir‘, an anderen wirkt es, als habe er keine Ahnung, wer er überhaupt ist. Es scheint, als dränge etwas Fremdes in ihm nach Kontrolle.“
Thomas runzelte die Stirn. „Und es gibt keine medizinische Erklärung? Kein Trauma oder neurologischen Defizite?“
„Nichts. Weder im EEG noch in der Bildgebung. Alles sieht normal aus.“ Der Arzt lehnte sich zurück und zog vorübergehend seine Brille ab. „Thomas, die Familie ist verzweifelt. Die Harrison-Kinder meiden ihn, weil er sie kaum erkennt und manchmal sogar aggressiv wird. Evelyn, seine Frau, ist völlig erschöpft und weiß nicht mehr weiter. Es gibt nichts, was ich als Neurologe noch tun könnte.“
Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach. „Und du weißt, dass ich mich nicht einfach so an dich wende. Wir haben schon ein paar Mal bei solchen Fällen zusammengearbeitet, und mein Verdacht hat sich bisher fast immer bestätigt – ich brauche dich und dein Fachwissen.“ Langshore hielt Marlowes Blick stand und sprach leise, aber eindringlich. „Deshalb bitte ich dich darum, diesen Fall ernst zu nehmen.“
Der Priester sah nachdenklich in seine Tasse. „Ich werde mich des Falls annehmen“, sagte er schließlich und nickte, während er innerlich zu einer Entscheidung gelangte. „Aber du weißt, dass ich dafür die Erlaubnis meines Ordens einholen muss. Ich werde mich sofort mit ihnen in Verbindung setzen und sehen, ob ich eine Genehmigung für einen Exorzismus bekomme.“
Der Arzt atmete erleichtert aus und nickte. „Das ist alles, worum ich bitte.“
Eine Woche zuvor
Nach dem Treffen mit seinem Freund saß Pater Thomas Marlowe in einem schlichten, aber geschmackvoll eingerichteten Büro des Ordens. Die Fenster waren halb verhangen, sodass das weiche Licht des frühen Abends auf den großen, dunklen Holztisch fiel, der im Zentrum des Raumes stand. Die Wände waren in warmen Tönen gestrichen und zierten sorgfältig ausgewählte religiöse Kunstwerke – Szenen aus der Bibel und Porträts heiliger Persönlichkeiten. Zwischen den Gemälden standen hohe, moderne Regale aus dunklem Holz, gefüllt mit alten und neuen Büchern, teils abgenutzt, teils in glänzenden Einbänden. Es herrschte eine leise Atmosphäre der Würde und Konzentration.
Gegenüber von Marlowe saß Pater Johannes, der Ordensvorstand, ein Mann von beeindruckender Statur und Autorität. Sein Blick blieb ruhig und prüfend auf den Priester gerichtet. Hinter ihm hing ein großes Kreuz, schlicht, aber kraftvoll, das den Raum wie ein stiller Beobachter dominierte. Neben dem Tisch stand eine kleine, moderne Stehlampe, die die Ecken der Räumlichkeit in ein warmes Licht tauchte, ohne die Schwere der Umgebung zu verlieren.
„Bruder Thomas“, begann er mit seiner ruhigen, sonoren Stimme, „dieser Fall scheint dich sehr zu beschäftigen. Dr. Langshore hat sich direkt an dich gewandt?“
Der Geistliche nickte langsam und wählte seine Worte mit Bedacht. „Ja, er hat mich gebeten, die Familie zu treffen. Ich möchte den Fall untersuchen, weil es Hinweise gibt, dass hier etwas Ungewöhnliches vor sich geht. Der Patient, ein kürzlich ernannter Polizeichef von South Bank in London, zeigt Symptome, die weit über eine übliche neurologische oder psychische Erkrankung hinausgehen. Er ist sicher, dass es keine medizinische Erklärung gibt, und das bedeutet viel, denn er ist nicht jemand, der solche Schlussfolgerungen leichtfertig zieht.“
Pater Johannes verschränkte die Finger und sah ihn mit einem scharfen Blick an. „Dr. Langshore ist uns gut bekannt und hat bereits in der Vergangenheit mit uns zusammengearbeitet. Seine Einschätzungen waren oft entscheidend. Was genau macht diesen Fall deiner Meinung nach so schwerwiegend?“
Der Priester fuhr langsam fort und überlegte seine Worte sorgfältig. „Es sind nicht nur seine verwirrenden Aussagen und das Sprechen in der dritten Person. Er berichtet, dass der Patient in verschiedenen Sprachen spricht, darunter Latein, Französisch und Dialekte, die er selbst nicht kennt oder einordnen kann. Die Familie hat außerdem beunruhigende Situationen erlebt, in denen er Dinge aus der Vergangenheit anderer Personen preisgab – Geheimnisse, die selbst enge Angehörige überraschten.“
Die Miene seines Vorgesetzten blieb ernst, und Marlowe sah eine Spur von Sorge in seinen Augen. „Und schließlich hat der Patient in einigen Momenten eine ungewöhnliche körperliche Stärke gezeigt. Die Familie beschreibt, wie er schwere Möbelstücke verschieben kann, die normalerweise außerhalb seiner Kraft liegen. Er scheint auch völlig andere Verhaltensweisen zu zeigen als in seinem gewöhnlichen Zustand. Die Frau fühlt sich hilflos, als lebte sie mit einem Fremden.“
Pater Johannes nickte langsam und ließ die Informationen auf sich wirken. „Ein Mann in solch einer Position, der an den eigenen Sinnen zu zweifeln beginnt und diese Anzeichen zeigt – das ist in der Tat besorgniserregend.“
„Peter – Dr. Langshore hat alle Möglichkeiten untersucht: toxikologische Analysen, EEG, neurologische Tests, Bildgebung – kein Befund“, erklärte Marlowe dieses Mal eindringlicher. „Wenn er mir rät, weiterzugehen, dann weiß ich, dass der Fall mehr ist und nicht nur ein medizinisches Rätsel.“
Sein Vorgesetzter schloss kurz die Augen und atmete tief durch, scheinbar bemüht, die Schwere der Entscheidung abzuwägen. „Gut. Ich werde dir die Erlaubnis erteilen, mit dem Exorzismus zu beginnen, falls du nach deiner Untersuchung zu dem Schluss kommst, dass er notwendig ist. Aber du wirst vorsichtig sein und die Vorgaben strikt befolgen. Die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist ebenso wichtig wie das Heil seiner Seele. Dr. Langshore muss dabei sein, um diesen Aspekt zu überwachen – wir dürfen uns keinen weiteren Fall leisten, wie er damals in den Medien kursierte.“
Er zögerte, als würde ihn die Erinnerung an das schattenhafte Thema noch immer belasten. „Wie bei der jungen Frau in Klingenberg am Main.“
Marlowe nickte. „Verstehe, Pater Johannes. Ich bin mir der Gefahren bewusst.“
Er sprach ruhig, ohne Überheblichkeit, doch mit der leisen Bestimmtheit eines Mannes, der diesen Weg schon oft beschritten hatte. „Ich habe ähnliche Fälle betreut.“
Er hielt kurz inne, suchte nach den passenden Worten. „Diese Gratwanderung bereits gemeistert. Dieses Mal werde ich ebenso vorsichtig sein. Es ist nie leicht, aber genau deshalb bin ich hier.“
Sein Vorgesetzter blickte ihn tief und prüfend an, als ob er die Worte seines Gegenübers abwägen würde. Dann nickte er fast unmerklich, um Pater Marlowe zu zeigen, dass er ihm vertraute und hinter ihm stand.
Heute
Der Pater stand mit Evelyn Harrison und ihrer Familie im Wohnraum, als ein leises Klopfen an der Haustür erklang. Ihr Bruder James erhob sich und ging zur Tür. Kurz darauf hörte man ihn sagen: „Guten Abend, Herr Doktor.“
Dr. Langshore betrat das Wohnzimmer an der Seite von James, mit einem großen schwarzen Koffer in der Hand. Evelyn warf ihrem Bruder und dessen Frau einen bittenden Blick zu. Verstehend nickte die Tante und nahm die Kinder an die Hand, um sie nach draußen zu bringen. Doch die reagierten trotzig, sichtbar beunruhigt.
„Mama – wir wollen nicht weg“, sagte die ältere Tochter leise und klammerte sich an die Seite ihrer Mutter.
Evelyn kniete sich zu den Kindern herunter und sprach beruhigend auf sie ein. „Es wird alles gut werden. Geht ein wenig in den Park, ja? Ihr werdet sehen, wenn ihr zurückkommt, ist alles wieder in Ordnung.“
Nach kurzem Zögern willigten die Kinder ein und ließen sich von ihrer Tante hinausführen. James zögerte jedoch.
„Ich würde gern hierbleiben, Evelyn. Falls du jemanden brauchst – ich möchte dir zur Seite stehen.“
Evelyn schüttelte den Kopf. „Es ist schon in Ordnung – gehst du mit den Kindern.“
Marlowe sah kurz zu Evelyn und dann zu ihrem Bruder. „Ein unterstützender Rückhalt würde helfen. Wenn Sie bleiben, wird es für Evelyn ein Trost sein.“
Sie warf ihm einen kurzen, dankbaren Blick zu und nickte. James blieb an ihrer Seite und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. Beide sahen den Priester dankend an. Evelyn atmete tief durch. Die Eingangstür schloss sich, und sie wandte sich wieder dem Pater und Dr. Langshore zu. Sie waren nun allein.
Der Priester richtete seine Aufmerksamkeit auf den Arzt, der kurz zu Evelyn nickte und dann sagte: „Ich habe alles Wichtige dabei.“ Er klopfte auf die Tasche. „Ein Blutdruckmessgerät, ein Monitor für Herzschlag und Puls, ein Set für die Sauerstoffsättigung. Dazu ein paar Beruhigungsmittel für den Notfall.“
Langshore begann, seine Utensilien vorzubereiten. Marlowe kümmerte sich währenddessen um Evelyn, die zusehends nervöser wurde. Schließlich hob sie den Blick, ihre Stimme war leise und brüchig: „Er ist nicht – er ist nicht mehr derselbe. Manchmal erkennt er mich nicht einmal, spricht mit mir, als wäre ich eine Fremde. Seine Augen – da ist etwas in ihnen, das mir völlig unvertraut ist.“
Der Priester nickte, seine Haltung ernst und verständnisvoll. „Ich verstehe. Es ist hilfreich, dass Sie mir das mitteilen. Je mehr wir wissen, desto besser kann ich helfen.“
James, der aufmerksam zugehört hatte, räusperte sich leise und trat einen Schritt vor. Man merkte, dass es ihm schwerfiel, sich zu öffnen. „Es ist nicht nur das“, fügte er hinzu, seine Stimme gedämpft und ernst. „In den vergangenen Tagen wusste er über viele Dinge Bescheid – über mich, meine Schwester und andere – die er eigentlich nicht wissen konnte.“
Marlowe und Dr. Langshore sahen ihn aufmerksam an. „Was meinen Sie damit?“, fragte der Pater ruhig.
James’ Blick wanderte kurz zur Tür, als wolle er sicherstellen, dass die Kinder außer Hörweite waren, bevor er weitersprach. „Er hat Erinnerungen aus unserer Kindheit erwähnt, private Sachen, die nur meiner Schwester und mir bekannt sind. Geheimnisse aus dem Privatleben meiner Frau und mir.“
Er stockte kurz. „Intime Sachen. Es ist, als spräche jemand anderes durch ihn. Außerdem – sein Verhalten schwankt. Er liegt für Stunden scheinbar schlafend da, dann ohne Vorwarnung wird er aggressiv. Die Kraft, die er an den Tag legt, ist beängstigend.“
Der Priester nickte langsam, und Dr. Langshore legte beruhigend eine Hand auf Evelyns Schulter. „Das sind wichtige Hinweise, James. Das hilft uns sehr.“
Die Augen der Frau füllten sich mit Tränen, und sie griff nach der Hand ihres Bruders, die sie fest umschloss. „Es ist, als hätte ich meinen Mann verloren, aber er ist doch hier.“
Marlowe sah die beiden mitfühlend an.
„Wir werden alles Menschenmögliche tun, um ihn zurückzubringen. Gemeinsam schaffen wir das.“
In diesem Moment durchbrach ein lautes Krachen die Stille, gefolgt von einem dumpfen Schlag, als wäre etwas Schweres im Schlafzimmer zu Boden gefallen. Die Geschwister und die beiden Männer zuckten zusammen. Evelyns Hand klammerte sich fester an die von James, und ihre Augen weiteten sich vor Schreck. Der Arzt und der Pater warfen einander einen alarmierten Blick zu.
Marlowe atmete tief durch und nickte entschlossen. „Wir sollten beginnen.“
Er richtete sich auf und deutete dem Arzt, ihm zu folgen. Zielstrebig ging er zur Schlafzimmertür. Die Luft schien sich förmlich zu verdichten, und er spürte, wie sich jeder Muskel in seinem Körper anspannte.
Dr. Langshore, der ihm folgte, murmelte so leise, dass es nur für den Priester hörbar war: „Ich glaube, ich mag nicht mehr.“
Er hielt inne und sah zu seinem Freund, der ihm ein verunglücktes Lächeln zuwarf. Trotz der Anspannung konnte er sich ein schwaches Grinsen nicht verkneifen und nickte kurz.
Marlowe unterdrückte seine eigene Unruhe, legte eine Hand auf die Klinke und drehte sich noch einmal zu Evelyn und James um. Sein beruhigender Blick sollte ihnen Mut machen. Dann öffnete er die Tür und trat langsam ein.
Das Zimmer war spärlich beleuchtet, die Vorhänge halb zugezogen, sodass nur wenig Licht hereinfiel. Die stickige Luft schien zu vibrieren, erfüllt von einer unbestimmten Schwere. Ein großer, alter Schrank stand an der Wand, daneben ein breites Fenster, das die schemenhaften Stadtlichter Londons ins Zimmer warf.
Im Zentrum des Raumes lag Evelyns Mann auf dem Ehebett. Seine Haut wirkte blass, beinahe kränklich, und ein dünner Schweißfilm glänzte auf seiner Stirn und seinen Schläfen. Er schien von Fieber geplagt. Dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen geschlossenen Augen ab, und seine fettigen, zerzausten Haare klebten am Kopf. Die Hände krallten sich fest in die Bettdecke, als versuche er verzweifelt, etwas in sich zu bändigen. Sein angespanntes Gesicht und die verkrampfte Haltung seines Körpers verrieten, dass er in einem ständigen inneren Kampf gefangen war.
Der Arzt stellte seine Tasche auf einen kleinen Tisch am Bett und begann sorgfältig, seine Geräte vorzubereiten. Während er die Kabel und Monitore anschloss, beugte er sich leicht vor und sprach leise: „Ganz ruhig, Michael – das hier wird nicht lange dauern. Ich passe auf Sie auf.“
Seine Stimme war ruhig und beruhigend, als versuchte er, den scheinbar nicht ansprechbaren Patienten zu erreichen.
Der Geistliche begann, seine Utensilien bereitzulegen. Er ergriff die Bibel und platzierte sie auf der Kommode am Fußende des Bettes. Dann nahm er seine violette Stola, ein traditionelles Zeichen des priesterlichen Dienstes, und legte sie sich um den Hals. Neben der Bibel fand eine kleine Ampulle ihren Platz. Weihwasser und Kruzifix behielt er in der Hand. Kurz hielt er inne, um sich zu sammeln.
Schließlich glitt sein Blick zu seinem Ring, einem schlichten, alten Familienerbstück aus Silber mit einer leichten Patina, die die Spuren der Zeit zeigte. Der Rand war fein mit einem Wellenmuster verziert, und auf der Innenseite war eine lateinische Inschrift eingraviert: „Ex hereditate ad hereditatem.“ Die Worte bedeuteten: Von Erbe zu Erbe.
Auf der Außenseite befand sich eine komplexe Gravur, bestehend aus verschlungenen Linien und einem Symbol, das auf den ersten Blick mystisch und bedeutungsvoll wirkte. Es schien etwas Altes und Geheimnisvolles darzustellen, als ob es eine tiefe spirituelle Bedeutung verbarg. Niemand wusste genau, was das Symbol bedeutete.
Marlowe drehte den Ring unbewusst an seinem Finger – eine stille Geste, die ihm innere Ruhe gab. Es fühlte sich an, als wäre der Ring ein Anker, ein Erbe, das ihn stützte und mit den Erfahrungen derer verband, die ihn zuvor getragen hatten.
Der Priester atmete tief ein. Seine Augen ruhten kurz auf Michaels daliegendem Körper, bevor er zu seinem Freund sah, der die letzten Einstellungen am Monitor vornahm. Die Geräte summten, ein rhythmisches Piepen erfüllte den Raum und durchbrach für einen Moment das unheilvolle Schweigen.
Marlowe stand ruhig am Bett, zog tief die Luft ein und hob die Bibel mit festem Griff. Mit entschlossener Haltung schlug er sie an der Stelle auf, die er schon so oft verwendet hatte. Seine Stimme erhob sich ruhig, aber bestimmt, und der erste lateinische Vers brach das unheimliche Schweigen: „Exorcizo te, omnis immundus spiritus.“
Der Körper auf dem Bett zuckte kaum merklich, und Dr. Langshore beugte sich mit wachsamem Blick über die Anzeigen. „Sein Puls steigt“, murmelte er und notierte die Werte.
Das monotone Piepen der Geräte wurde schneller, als hätte Michaels Körper begonnen, auf die Präsenz der Gebete zu reagieren.
Der Pater spürte einen feinen Schweißfilm auf seiner Stirn und sah kurz zu dem Ring an seinem Finger. Er drehte ihn instinktiv. Die Anspannung in ihm wuchs. Die Worte kamen fließend über die Lippen, und die Stimmung im Zimmer verdichtete sich weiter, getragen von einer unsichtbaren Kraft, die das Gesagte durch den Raum trug und auf den Körper vor ihm einwirkte.
Plötzlich erschütterte ein tiefes, unheimliches Knurren den Raum. Michaels Gesicht verzog sich zu einer Fratze, die Augen öffneten sich halb, und ein kaltes, unerklärliches hellblaues Glimmen blitzte darin auf. Der Arzt hielt kurz den Atem an und notierte den Anstieg der Vitalwerte.
Marlowes’ Stimme blieb fest, doch sein Herzschlag beschleunigte sich. „Paternoster, qui es in caelis –“ Er hielt die Bibel vor sich, während er das Kreuzzeichen machte und das Kruzifix auf den Patienten richtete. Die Atmosphäre schien schwerer und düsterer zu werden, und ein Knistern erfüllte den Raum. Michael drückte seinen Körper stärker gegen die Bettdecke, als würde eine unsichtbare Kraft ihn nach unten ziehen.
Der Priester verstärkte seinen Griff um das Kreuz, das leicht in seiner Hand zitterte. Er stimmte eine weitere Passage an. „In nomine Patris, et Filii, et Spiritus Sancti“ Seine Stimme hallte im stickigen Raum wider, und jeder Satz schien wie ein unsichtbarer Schlag zu sein, der den Körper im Bett traf und ihn versuchte wachzurütteln.
Das Gesicht des Mannes verzerrte sich zu einer grausigen Maske. Es war nicht Michael, der kämpfte – sondern eine fremde, dunkle Präsenz, die in ihm tobte und sich gegen die Worte aufbäumte. Sein wahres Selbst schien tief in seinem Inneren begraben zu sein, gefangen. Die Entität, die ihn beherrschte, übernahm zunehmend die Kontrolle.
Plötzlich zuckte seine Hand nach oben, die Finger verkrampften sich, er versuchte den Exorzisten zu erreichen. Der Arzt warf einen alarmierten Blick auf die Anzeigen, die wilden Schwankungen zeigten. „Thomas – seine Werte sind am Limit“, warnte er leise.
Der Priester ließ sich nicht beirren, hielt seinen Blick fest auf das verzerrte Gesicht von Michael gerichtet. „Ego te absolvo a peccatis tuis“, rief er, seine Stimme war kraftvoll und bestimmend, und für einen Augenblick schien der Raum zu erzittern.
Ein tiefes, bösartiges Lachen drang aus der Kehle des Mannes, fremdartig und eiskalt. Es kroch den beiden bis ins Mark und ließ sie unwillkürlich erstarren.
Die Augen des Mannes öffneten sich. Sie funkelten bedrohlich, und ein leises, zischendes Flüstern entwich seinen Lippen. „An dir ist etwas anders – ich rieche es förmlich. Wer bist du?“ Die Stimme klang verzerrt und spöttisch, dunkel und gefährlich.
Marlowe hielt inne, seine Augen verengten sich, doch sein Blick blieb fest auf die Bibel gerichtet. Er versuchte, die fast schon hypnotisch wirkenden Worte zu ignorieren. „Wer immer du bist – du hast hier keinen Platz.“
Das Wesen verzog den Mund zu einem schmalen Grinsen. „Oh, ich bin weit mehr, als du ahnst, Pfaffe. Ihr Menschen seid – verloren. Ich bin einer von vielen und wir werden euer Verderben sein.“
Ein kaltes Glitzern trat in Michaels Augen, und die Stimme flüsterte leise: „Ich gehöre hierher – der Meister braucht mich, und er wird nicht enttäuscht.“
Der Priester nahm einen festen Stand ein, die Bibel und das Kruzifix in den Händen haltend, sah er dem Wesen mit kaltem Blick entgegen. „Deine Zeit in diesem Mann ist abgelaufen. Du hast hier auf dieser Erde nichts zu suchen. Verlasse Michaels Körper“, sagte er, seine Stimme war durchdrungen von Entschlossenheit.
Die Manifestation lachte wieder, tief und leise, als würde sie die Bedrohung belustigen. „Ach, Priester –“ zischte sie spöttisch, „du sprichst von dieser Erde, als ob sie nur euch gehört. Aber wir waren schon hier, da habt ihr noch in Höhlen gehaust. Glaubst du wirklich, du verstehst, was ich bin? Wer ich bin? Wer wir sind?“
Michaels Gesicht verzog sich zu einem unheilvollen Lächeln, und das Wesen in ihm schien in einem Anflug von Verachtung die Augen zu verdrehen. „Ich verstehe genug“, erwiderte Marlowe kühl, sein Blick blieb ruhig, auch wenn sein Herzschlag sich beschleunigte.
Die Existenz schnaubte, der Klang kam wie ein bedrohliches Grollen tief aus Michaels Kehle. „Ihr habt keine Vorstellung davon, wie gefangen und unbedeutend eure winzigen Leben sind. Ihr seid ein Mittel zum Zweck, nichts weiter.“ Sie beugte sich leicht nach vorn, Michaels Augen verengten sich. „Ich brauche ihn nicht – nicht so, wie ihr meint. Aber er ist ein Zugang. Mein Weg – eine Pforte in eure Welt.“
Der Priester spürte die Anspannung in der Luft stärker werden, aber er ließ sich nicht abschrecken. „Ich versperre dir diese Pforte, geh zurück, dorthin, wo du herkommst. Michael gehört hierhin – du nicht.“
Ein grimmiges Grinsen erschien auf dem Gesicht des Mannes im Bett, kalt und gnadenlos. „Ihr seid so überzeugt, von der Kontrolle, die ihr zu haben glaubt. So sicher, dass ihr die Fäden in der Hand haltet. Sag mir, Priester – was wirst du tun, falls die Stricke reißen? Wenn du realisierst, dass die Macht, die ihr zu haben meint, nur Schall und Rauch ist.“
Marlowes’ Herz hämmerte, doch er ließ sich nicht beirren. Die Worte der Wesenheit schienen kaum in sein Bewusstsein zu dringen. Sein Verstand blendete alles um ihn herum aus. Er hob die Bibel erneut an und setzte das Gebet in festem, klarem Tonfall fort. „Vade retro satana –“
Seine Stimme gewann an Stärke, das Kruzifix schien in seinem Griff zu strahlen, und die Atmosphäre im Raum wurde dichter und schwerer. Ein verzehrtes Lächeln huschte über Michaels Gesicht, und die Entität sprach leise, fast beiläufig, während sich ihr Blick verengte. „Qarov rab minan –“
Die Worte hatten eine seltsame Resonanz, und obwohl der Pater sie hörte, glitten sie fast unbemerkt an ihm vorbei, wie ein flüchtiges Echo. Doch bevor er erneut ansetzen konnte, um die Gebete zu verstärken, schien sein Ring plötzlich warm zu werden. Das vertraute Silber pulsierte leicht. Eine Welle von Entschlossenheit durchströmte Thomas, und seine Worte wurden kraftvoller.
Michaels Körper begann zu zittern, das Gesicht verzog sich zu einer Grimasse, und ein tiefer, düsterer, aber überraschter Laut brach aus seiner Kehle. „Das kann nicht sein – Es ist unmöglich.“
Plötzlich öffneten sich Michaels Augen, und ein grelles hellblaues Licht kam daraus hervor. Mit einer letzten Anstrengung spuckte die Existenz die Worte aus: „we-la ta’akvuneyh.“
Eine leichte Druckwelle war zu spüren, die von seinem Körper ausging. Sie riss kleinere Gegenstände mit sich und schleuderte sie gegen die Wände des Zimmers, bevor die Energie allmählich verebbte. Das grelle Licht in Michaels Augen erlosch, und sein Körper sank kraftlos auf das Bett zurück. Die Monitore beruhigten sich, und ein unheimliches Schweigen legte sich über den Raum.
Dr. Langshore, der die Worte gehört hatte, sah verwirrt zu seinem Freund. Marlowe schaute auf den Ring an seinem Finger, der wieder in seiner vertrauten, kühlen Stille ruhte. Er schüttelte den Kopf, er war sich nicht sicher, was er da gefühlt hatte. Die letzten Worte der Wesenheit, das subtile Drohen und die fremde Sprache, vergruben sich unbewusst tief in seinem Inneren.
Im stillen Schlafzimmer verharrten die beiden Freunde, keuchend, als hätten sie gerade einen Marathon hinter sich gebracht. Der Raum war erfüllt von einer seltsamen Ruhe, die die Luft wie Blei wirken ließ. Michael lag regungslos auf dem Bett, sein Gesicht war friedlich. Die dunkle Präsenz schien endgültig gewichen zu sein. Die Monitore zeigten nun stabile Werte, doch die Anspannung in der Luft hielt die beiden Männer in ihrem Bann.
Der Priester bemerkte eine rote Flüssigkeit, die langsam über die Schläfe des Neurologen sickerte. Er deutete auf die Wunde und sagte besorgt: „Peter – du blutest.“
Der Arzt hob eine Hand, um die Stelle zu ertasten, und ein leichtes Lächeln glitt über seine Lippen. „Nur eine kleine Wunde“, murmelte er, aber die Erschöpfung lag deutlich in seiner Stimme. „Ich habe Schlimmeres überstanden.“
Marlowe nickte langsam, die Muskeln in seinem eigenen Körper schmerzten, als ob jede Faser seiner Seele gegen etwas Urzeitliches gekämpft hätte. Noch einmal schloss er für einen Moment die Augen, holte tief Luft und legte schließlich die Hand auf die Türklinke. „Lass uns Evelyn und James Bescheid geben.“
Er öffnete die Tür. Draußen stand die Ehefrau, ihre Hände waren vor der Brust gefaltet, ihre Augen glasig und voller Angst. Ihr Bruder neben ihr hielt sie fest im Arm, beide wirkten angespannt, als stünden sie kurz davor, selbst in die Knie gezwungen zu werden.
Die Frau trat einen Schritt vor, ihre Stimme war kaum hörbar, nur ein Flüstern. „Wie – wie geht es ihm?“
Der Pater rang sich ein beruhigendes Lächeln ab. „Er ruht jetzt. Die Erscheinung ist fort.“
Neben ihm nickte der Arzt schwach, seine Hand immer noch an die leicht blutende Wunde gelegt. „Er wird sich erholen, aber es wird Zeit benötigen.“
Die Geschwister sahen einander an, die Anspannung und Erleichterung ließen sie sichtbar erschöpft zusammensinken. „Dürfen wir zu ihm?“, fragte James mit heiserer Stimme, während seine Hand beruhigend Evelyns Arm streichelte.
Marlowe nickte ihnen zu.
Die beiden traten leise ins Zimmer, als ob ein lautes Geräusch Michael wieder in einen dunklen Albtraum stoßen könnte. Ihr Blick wanderte ungläubig über das vertraute Gesicht ihres Mannes, das nun friedlich und entspannt wirkte. Sie setzte sich vorsichtig an die Bettkante und nahm sanft seine Hand in ihre. Ein leichtes Zittern durchlief ihre Finger, während sie über seine Haut strichen, als wollte sie sich vergewissern, dass er wirklich hier war, bei ihr.
James blieb an der Tür stehen, die Hände fest ineinander verschränkt, und beobachtete die Szene mit gerunzelter Stirn. „Glaubst du, dass er – ganz zurück ist?“, fragte er leise und richtete seine Frage gleichermaßen an Evelyn und den Pater, der still im Hintergrund verharrte.
Marlowe trat näher, seine tiefe Erschöpfung für einen Moment einer sanften Zuversicht weichend. „Es wird einige Zeit dauern, aber ich gehe davon aus, dass er geheilt ist. Solche Begegnungen hinterlassen Spuren, doch das, was ihn besetzt hatte, ist verschwunden.“
Dr. Langshore, der den beiden gefolgt war, legte eine Hand beruhigend auf Evelyns Schulter. „Seine Vitalzeichen sind stabil. Es wäre das Beste, ihm etwas Ruhe zu gönnen. Sein Körper benötigt Zeit, um sich von der Belastung zu erholen.“
Sie nickte und strich zärtlich über die Hand ihres Mannes und flüsterte kaum hörbar: „Wir sind hier – bei dir.“
In diesem Moment schien eine sanfte Stille den Raum zu füllen, eine Art Frieden, der lange nicht mehr hier geherrscht hatte. Evelyn, James, Marlowe und Langshore verharrten gemeinsam, die Anspannung in ihren Gesichtern begann allmählich zu weichen. Für diesen Augenblick war alles in Balance.
Die friedliche Stille im Zimmer wurde jäh unterbrochen. Die Haustür ging leise auf, und kleine Schritte polterten hastig die Treppen hinauf. Evelyn hob den Kopf, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Emily und Leon stürmten ins Zimmer. Die Kinder blieben für einen Moment stehen, überwältigt und unsicher, doch als sie das vertraute Gesicht ihres Vaters sahen, rannten sie zu ihm.
„Papa!“ Das Mädchen flüsterte das Wort aus Angst, ein lauterer Ton könnte ihn wieder fortjagen. Sie klammerte sich an seine Hand, während ihr Bruder sich neben sie setzte und seinen Vater mit großem, sorgenvollem Blick ansah.
Langsam regte sich Michael, die Augenlider flatterten, und mit einem tiefen, rauen Atemzug öffnete er die Augen. Verwirrung spiegelte sich in seinem Blick, als er die Gesichter seiner Familie sah, die ihn umringten. „Was – ist passiert?“, murmelte er erschöpft und schien sich kaum zu erinnern.
Evelyn lächelte unter Tränen und strich ihm sanft durchs Haar. „Du bist wieder bei uns, das ist alles, was zählt.“
James legte beruhigend die Hand auf die Schulter seiner Schwester, während Carol an seine Seite trat und seiner Schwägerin einen sanften, unterstützenden Blick zuwarf. Die Kinder drängten sich enger an ihren Vater, als könnten sie ihn auf diese Weise vor allen dunklen Mächten der Welt beschützen.
Thomas Marlowe und Peter Langshore zogen sich still in den Flur zurück, respektvoll beobachtend, wie die Familie sich um Michael kümmerte. Die Erleichterung stand beiden ins Gesicht geschrieben, und ohne ein weiteres Wort schritten sie die Treppen hinunter und verließen das Haus. Die Gerätschaften konnten sie ein anderes Mal abholen.
Draußen atmeten die beiden die frische Nachtluft ein, die ihre Sinne beruhigte. Der Arzt lehnte sich mit einem schwächlichen Lächeln an die Hauswand und nickte in Richtung einer kleinen Bar an der Straßenecke. „Ein Bier? Genau das Richtige, findest du nicht?“
Der Priester schmunzelte und nickte zustimmend. „Nach dieser Nacht – ja, das wäre wohl das Mindeste.“
Schulter an Schulter gingen die beiden den Gehweg entlang, während der letzte Hauch von Spannung hinter ihnen im Haus verwehte.
Die kleine Bar an der Ecke war in sanftes, goldenes Licht getaucht, das die Holztische und die alten, lederbezogenen Stühle in ein einladendes, fast heimeliges Ambiente hüllte. Langshore ging zur Theke, bestellte zwei Bier und kehrte mit den Gläsern in der Hand zum Tisch zurück, wo sein Freund bereits auf ihn wartete.
Der Arzt stellte die Getränke ab, er atmete tief ein und ließ sich erschöpft auf den Sessel fallen. Marlowe hob sein Glas und nahm einen Schluck, lehnte sich dann in seinem Stuhl zurück, während sein Freund schweigend seine Wunde an der Stirn abtastete.
Der Pater zeigte auf die leicht angeschwollene Stelle: „Wann ist das denn passiert?“
Der Arzt hatte sein eigenes Glas kaum angerührt und wirkte in Gedanken versunken. Schließlich brach er die Stille. „Das? Keine Ahnung. Sag mal – was genau hat diese – Entität zum Schluss gesagt?“
Dann hob er den Blick, seine Stirn zeigte Sorgenfalten. „Das war nicht englisch, oder? Klang wie eine alte Sprache.“
Der Priester seufzte leise und umkreiste den Glasrand mit seinen Fingern, als würden die Bewegungen ihm beim Nachdenken helfen. „Aramäisch“, murmelte er, mehr zu sich selbst als zu seinem Freund. „Ich habe darüber nachgedacht, was die Worte bedeuteten. Aramäisch ist nicht gerade meine Stärke.“
Der Arzt nickte, während Marlowe seine Gedanken zu ordnen schien. „Er sagte etwas wie – ‘we-la ta'akvuneyh’.“ Er sprach die Worte mit einem Hauch von Unsicherheit aus. „Das bedeutet mehr oder weniger: ‚Ihr werdet es nicht aufhalten.‘“
Langshore starrte ihn für einen Moment an, er zog seine Augenbrauen zusammen. „‚Ihr werdet es nicht aufhalten‘? Was bedeutet das?“
Sein Blick wanderte über das Glas hinweg, und die Fragen lagen unausgesprochen in der Luft. Der Priester zuckte mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck. „Keine Ahnung, ich würde dir gern mehr sagen. Doch da war noch etwas anderes – das er gesagt hat.“
Er stellte das Glas auf den Tisch und fuhr sich mit einer Hand über die Stirn. „Er sagte: ‚Qarov rab minan‘. Ich bin mir nicht sicher, aber es bedeutet so etwas wie: ‚Es kommen mehr von uns.‘“
Der Neurologe starrte ihn fassungslos an. „‚Es kommen mehr von uns‘ – was zum Teufel meinte er damit?“
Der Pater legte die Hände auf den Tisch, als wolle er sich selbst beruhigen, und hob die Schultern. „Es könnte vieles bedeuten, aber eines ist sicher: Wir beide haben schon einige Exorzismen erlebt. Ich habe jedoch noch nie gesehen, dass sich ein Wesen so verhielt wie dieses. Es war anders – klarer, fokussierter.“
Er nahm einen tiefen Schluck, als ob das Bier die Schwere seiner Gedanken lindern könnte. Langshore nickte, sein Blick blieb weiter fest auf seinen Freund gerichtet.
Der Geistliche seufzte, nahm einen kräftigen Schluck, stellte sein Glas ab und schüttelte leicht den Kopf. „Ja“, sagte er, als wolle er sich selbst bestätigen. „Das war nicht wie sonst. Normalerweise greifen sie zu Beleidigungen und versuchen, persönliche psychologische Schwächen auszunutzen. Sie beschimpfen die Anwesenden und wollen in ihre Köpfe eindringen, um sie zu erschüttern und einzuschüchtern.“
Er hielt kurz inne und suchte nach den richtigen Worten. „Aber diese Erscheinung, sie hat das alles nicht getan. Keine Beleidigungen, keine Ausbrüche. Sie schien direkt und zielgerichtet – als ob sie ganz bewusst auf einen Austausch aus war.“
Der Arzt nahm einen Schluck und sah ihn nachdenklich an. „Das klingt seltsam und besorgniserregend – gelinde gesagt und sehr beunruhigend.“
Der Pater nickte langsam, seine Finger kreisten zittrig um das Glas. „Vielleicht war es eine Warnung, eine Art Botschaft. Meine Meinung? Was immer es war – es hat sich mehr wie ein Austausch, ein Gespräch angefühlt, nicht wie der übliche Kampf. Ich weiß auch nicht, was das Ziel dieser scheinbaren Kommunikation war.“
„Zu viele Fragen für heute. Oder?“, unterbrach sein Freund seine lauten Gedanken, die dabei waren, in einer Spirale zu verschwinden.
Langshore hob sein Glas, und Marlowe drückte seines dagegen.