Krawall um Krahwin - Viola Hilsenbeck - E-Book

Krawall um Krahwin E-Book

Viola Hilsenbeck

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

»Das Donnerwetter wird über uns kommen«, sprach die Eule. »Ich bin durch einen Knall aufgewacht. Nur leise und in der Ferne. So fängt es an, jedes Jahr.« Krahwin ist in Gefahr. Ein Klumpen aus Feuer rast auf ihn zu und schmettert ihn von seinem Ast. Dabei war der Anführer des kleinen Krähenschwarms gerade in wichtiger Mission unterwegs. Wie soll sein Kumpel Jakob es nun schaffen, mitten im Winter Nahrung für alle zu beschaffen und damit seine Liebste zu beeindrucken? Zum Glück bekommen beide unerwartet Hilfe von einer russischen Krähe und zwei schrägen Typen ... Die aufregende Fortsetzung des Krähenromans »Flieg, Krahwin! Flieg!«

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 170

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Viola Hilsenbeck wurde 1971 geboren und wuchs in einem kleinen Dorf in der Hallertau, Landkreis Freising, auf. Nach ihrer beruflichen Ausbildung (Grundschullehrerin und Krankenschwester) zog sie wieder zurück in die „Wirtsvilla“, ihr Elternhaus, wo sie gerne im Garten schreibt, liest oder die Vögel beobachtet. Sie lebt dort zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Tochter, einem Hund, zwei Katzen, neun Wachteln und zahllosen Wildtieren, die sich im Garten tummeln.

Mit ihren Krahwin-Romanen verbindet sie ihre Leidenschaften Natur, Kinder und Schreiben und erhebt ihre Stimme für die Rabenvögel. Für ihren Helden „Krahwin“ stand eine kleine Krähe Pate, die im Wirtsvilla-Garten aufgezogen wurde. Die Geschichte seiner Kindheit schildert sie in Band 1 der Krahwin-Reihe „Flieg, Krahwin! Flieg!“. Ihr erster Roman begeisterte kleine und große Naturfreunde. Da sich weder Leser noch Autorin mit dem Gedanken anfreunden wollten, sich schon so schnell von Krahwin und seinen gefiederten Freunden zu trennen, entstand der Folgeroman „Krawall um Krahwin“.

Weitere Informationen: www.violahilsenbeck.de

Foto: Tanja Hall

Ute Sinram, geboren 1966, lebt in Hamburg. Zu ihren Leidenschaften gehören seit jeher die Literatur, die Malerei und die Musik. Dreißig Jahre arbeitete sie hinter, neben und auf der Bühne, zuletzt als Requisiteurin und Technikerin. Zur Zeit schult sie zur Bootsbauerin um. „Flieg, Krahwin! Flieg!“ war ihre erste Arbeit als Illustratorin, die sie mit „Krahwin 2“ fortsetzt.

Über das Buch

Krähe Krahwin ist mit seinen Freunden und seinen beiden Brüdern unterwegs, um ein altes Versprechen einzulösen.

Seine Gedanken sind voller Sorgen. Verbissen grübelt er darüber nach, wie sein Schwarm stark und unverwundbar werden kann. Dass Menschen auch gefährlich sein können, hat er schon erlebt. Alle Krähen müssen sich ab sofort gut benehmen.

Doch seine Freunde spielen da nicht mit. Die Jungkrähen haben nur Unsinn im Kopf, Socke liebt ihre Freiheit und Jakob zieht es vor, mit Mädchen-Jakob zu streiten.

Krahwin wird immer gereizter, bis er eines Tages seine Freunde vor den Kopf stößt.

Er kann die Sache nicht wieder ins Reine bringen, denn die tödlichste aller Winternächte ist nahe. Es kracht und blitzt. Ein Klumpen aus Feuer schmettert Krahwin von seinem Ast.

Sein Kumpel Jakob steht nun mit der Versorgung des Schwarms alleine da. Zum ersten Mal in seinem Leben muss er Verantwortung tragen – die Gelegenheit, seiner heimlichen Herzensdame zu zeigen, was in ihm steckt ...

Aber wo ist Krahwin? Wird Socke ihn finden? Oder die russische Saatkrähe Babuschka?

Widmung

Für meine

derzeitigen und ehemaligen

Schulkinder

Inhalt

Jakobs Geheimnis

Keine Friedenstauben

Blumennamen

Der neue Jakob

Weiße Folie

Verstoßen

Lichter der Hoffnung

Lärm, Rauch und Gestank

Hilf mir sterben

Babuschka

Ein Ort nach Jakobs Geschmack

Dunkel wie der Tod

Im Schlaraffenland

Zwei schräge Typen

Krähengeschenke

Keine Federn

Das Zauberdreieck

Bonny Piratenlady

Das Fundament

Meerestraum

Ein Mann, ein Hund und eine Krähe

Nur Mut!

Vergebung

Meistens läuft es anders

Otets

Jede Menge Abschiede

Schmerz und Liebe

Nachwort

»Gerade als die kleine Raupe dachte,

die Welt wäre nun zu Ende,

verwandelte sie sich in einen

Schmetterling.«

unbekannt

Es war finster. Krahwin, der Anführer des Krähenschwarms, hüpfte von Baum zu Baum. Er sah die Äste nur verschwommen, aber das war ihm egal. Um jeden Preis musste er seine Freundin Socke finden. Fast den ganzen See hatte er schon umrundet. Sein Herz pochte wild und ihm war übel. Keine Spur von ihr. Wo war sie? Hatte sie den Schwarm verlassen? Immer wieder rief er „krah“, doch eine Antwort blieb aus.

Er legte eine Pause ein und sah auf die schwarze Wasserfläche des Sees herab. Nur die Sterne und eine schmale Mondsichel boten etwas Licht. Er musste ruhig werden und nachdenken. Wo sollte er noch suchen? „Hör auf dein Bauchgefühl“, würde Socke ihm raten. Sein Bauchgefühl flüsterte ihm zu, dass er in Gefahr war. Sie alle. Er hätte diese verhängnisvolle Reise nicht unternehmen sollen. Hätte er dies doch nur geahnt, als er vor einigen Wochen mit den anderen friedlich auf dem Dach der Kirche gesessen war. Am Beginn ihrer Reise zu Frau Professor. Damals waren sie noch unzertrennliche Freunde gewesen. Wären sie besser dort geblieben.

Ein „Schuhu“ ertönte hinter ihm. Er erschrak. Das war der Laut einer Eule. Eulen konnten Krähen töten. Er drehte sich um und blickte in riesige gelbe Augen. Panisch flatterte er ein Stück rückwärts.

„Keine Sorge, ich hatte gerade schon eine Maus“, sprach das Wesen mit tiefer Stimme. „Heute sitzen wir alle im gleichen Boot. Fürchte dich besser vor dieser Nacht und nicht vor mir. Das Donnerwetter wird über uns kommen. Ich bin durch einen Knall aufgewacht. Nur leise und in der Ferne. So fängt es an, jedes Jahr. Ich muss fort und mich in meiner Höhle verstecken. Pass auf dich auf, Schwarzer.“

Lautlos erhob sich das Wesen in die Luft. Seine riesigen Flügel breiteten sich wie ein Schirm über Krahwin.

Wovor hatte die Eule Angst? Sie war die Königin der Nacht. Nichts und niemand konnte ihr etwas anhaben. Nimm die Warnung der Eule ernst, sagte er sich. Eulen wissen Bescheid über die Dunkelheit.

Er durfte nicht damit aufhören, seine Freundin zu suchen, erst recht nicht, wenn Gefahr drohte. Krahwin musste sie beschützen.

Doch es war zu spät. Von einem Moment auf den anderen zerbarst die Nacht in unerträglichem Lärm. Ein Krachen, das die Ohren zerfetzte und das Gehirn vernichtete. Krahwin erstarrte in Todesangst. Ein Feuerklumpen loderte in der Finsternis ... schoss auf ihn zu ... und schmetterte ihn mit Wucht vom Ast herunter in die tiefe Schwärze.

Kapitel 1
Jakobs Geheimnis

Krahwins Freund Jakob schüttelte sich angewidert. Der Winter war dabei, seine ersten Boten zu schicken. Kalte Nässe kroch den Krähen ins Gefieder und die sorglosen Tage des Spätsommers waren endgültig vorbei. Ein abscheuliches Wetter.

Mädchen-Jakob saß ein Stück von Jakob entfernt. Jakob erinnerte sich daran, wie er sie in der Vogelstation kennengelernt hatte, sie und ihre Schwester Socke. Sie trug den gleichen Namen wie Jakob selber, obwohl sie ein Mädchen war. Das hatte alle zum Lachen gebracht.

Sein Freund Krahwin war auf die Idee gekommen, sie Mädchen-Jakob zu nennen. Ein blöder Name war das, der gar nicht zu ihr passte. Sie war die hübscheste Krähe, die Jakob je gesehen hatte. Ihr Federkleid glänzte, als wäre es mit einer Speckschwarte eingerieben worden. Dieser Gedanke lenkte Jakob ab. Das Wasser lief ihm im Schnabel zusammen. Essen war schon immer seine Lieblingsbeschäftigung gewesen.

Speck ... mh ... Speck wäre jetzt etwas Feines. Seit er von seinem Menschen getrennt worden war, hatte er keinen Speck mehr bekommen. Damals hatte es immer Reste von Menschenessen gegeben.

Jakobs Geschichte war anders als die von anderen Krähen. Als er noch ein Krähenkind gewesen war, hatte ein Mann ihn gefunden, in seine Wohnung gebracht und aufgezogen. Dort hatten sie zusammen gelebt: ein Mann, ein Hund und eine Krähe. Der Mann hatte Jakob überallhin mitgenommen und ihm Kunststücke beigebracht. Eines Tages war sein Ziehvater in der Stadt zusammengebrochen. Er war irgendwo hingebracht worden, vermutlich in ein Haus für kranke Menschen. Darüber wusste Jakob nichts.

Jakob war eingefangen worden und in einer Vogelstation gelandet. Dort war er einsam gewesen. Schreckliches Heimweh hatte er gehabt und Sorge um den Mann und seinen Hund.

Doch dann hatte er Krahwin kennengelernt. Sein neuer Kumpel war eines Tages im gleichen Krähengefängnis eingesperrt worden wie er selbst. Auch die wilde Krähe Frau Professor wurde dort gefangen gehalten. Diese war schon erwachsen und durfte bald in die Freiheit fliegen. Krahwin und er wurden in eine große Voliere gebracht, wo sie sich inmitten zweier hübscher Schwestern wiederfanden, Mädchen-Jakob und Socke. Als sie alle vier fliegen konnten, war da auf einmal eine Öffnung in der Voliere.

Das große Abenteuer begann. Er hatte Freunde. Und konnte frei fliegen. Draußen, in der Natur. Er war glücklich. Um keinen Preis wollte er auf sein neues Krähenleben verzichten. Lange genug hatte ihm sein Ziehvater die Freiheit weggenommen.

Die Schwungfedern hatte er ihm abgeschnitten. Das war eine unfassbare Grausamkeit und Frau Professor war es aufgefallen. Sie hatte es seinen Flügeln angesehen. Er hätte nicht fliegen können, selbst wenn er gewollt hätte.

Und doch konnte er nicht glauben, dass der Mann ein böser Mensch war. Schließlich hatte er Jakob gepflegt und gefüttert, mit ihm gespielt, gesprochen und ihn lieb gehabt. Nur zu gerne wüsste Jakob, was aus ihm geworden war. Aus ihm und dem Hund, der Jakobs Kumpel gewesen war.

Mädchen-Jakob hüpfte Schritt für Schritt näher zu ihm auf. Sie saßen auf dem Dachfirst einer Kirche. Es war glitschig. Der Nebel bildete einen nassen Film auf den Dachplatten.

Aber Mädchen-Jakob geriet nicht ins Rutschen. Sie war so geschickt und wendig wie eine Katze. Jakob geriet ins Schwärmen. Aber das war sein Geheimnis. Niemand durfte es merken, schon gar nicht Mädchen-Jakob selbst, deren Augen schelmisch blitzten. Bestimmt heckte sie gerade die nächste Gemeinheit aus.

»Na, Jakob? Den langen Flug gut überstanden? Warum so schweigsam? Träumst schon wieder vom Essen, wie?«, wollte sie wissen.

»Du hast es erkannt, Kleine. Ich habe dich betrachtet und etwas an dir hat mich eindeutig an eine Speckschwarte erinnert. Und schon ist mir das Wasser im Schnabel zusammengelaufen.«

Mädchen-Jakob schnappte nach Luft. Sie sah sauer aus. Er hatte es mal wieder geschafft. Eins zu null. Wenn Mädchen-Jakob wütend war, war sie sogar noch hübscher. Jetzt würde sie einen bissigen Kommentar von sich geben, da war Jakob sich sicher.

»Pass nur auf, dass dich die Schwerkraft nicht vom Dach zieht und du herunterkullerst wie ein Pferdeapfel auf Reisen.«

War ja klar, dass die Rache nicht lange auf sich warten ließ. Gefolgt von Hacken und Picken in seine Seite.

»Ihr fangt doch nicht schon wieder an zu streiten?«, rief Krahwin. »Ihr seid kein gutes Vorbild für meine Brüder. Sie sind noch Jungkrähen. Sollen sie lernen, dass man im Schwarm ständig aufeinander herumhacken darf?«

Krahwin wieder. Er war versessen darauf, dass die Mitglieder des Schwarms sich vertrugen und alles harmonisch lief. Jakob liebte den Chef, aber manchmal war er übervorsichtig. Seit Krahwins kleine Brüder sich ihnen angeschlossen hatten, achtete dieser streng auf das Benehmen aller. Das machte diese ganze Schwarm-Kiste irgendwie anstrengend.

Jakob bereitete das ewige Hickhack mit Mädchen-Jakob Freude. Es war eine Möglichkeit, wieder und wieder mit ihr zu plaudern. Krahwin verstand solche Dinge nicht.

»Alles gut, Kumpel. Keine Sorge. Wir haben uns doch in Wirklichkeit lieb. Stimmts, mein süßes kleines Speckschwärtchen?«, rief Jakob und drückte sich an Mädchen-Jakob.

Diese machte ein Geräusch, das sich anhörte wie das Hochwürgen von Futter. Danach flog sie zu ihrer Schwester Socke, an das andere Ende des Dachfirsts.

Jakob wusste, dass sie bei Socke über ihn schimpfen und zetern würde, aber das bedeutete auch, dass er ihr nicht gleichgültig war. Besser, sie regte sich über ihn auf, als dass sie ihn vergaß.

Kapitel 2
Keine Friedenstauben

Der kleine Krähenschwarm war auf dem Weg zum Revier von Frau Professor, der klügsten Krähe, die Krahwin je getroffen hatte. Sie war es, der er sein Leben zu verdanken hatte. Hätte sie ihn damals im Krähengefängnis nicht unter ihre Fittiche genommen, hätte er nie all das gelernt, was Krähen wissen müssen, um in der Natur zu bestehen.

Der Schwarm hatte die große Stadt schon hinter sich gelassen, ohne diesmal dort zu rasten. Krahwins Brüdern war es nicht anders ergangen als ihm selbst, als er zum ersten Mal das Häusermeer gesehen hatte. All die verschlungenen Straßen und die vielen Gebäude hatten sie verwirrt.

Damals hatte er den Weg zu seinem alten Zuhause gesucht und der Sommer war fast zu Ende gewesen. Nun wurde es allmählich Winter. Das nasskalte Wetter ließ die Krähen frösteln und der Nebel die Welt leblos wirken.

Krahwins Brüder, ein Jahr nach ihm zur Welt gekommen, waren zum ersten Mal in ihrem Leben eine weite Strecke geflogen und konnten nicht mehr. Der kleine Schwarm, der inzwischen sechs Schnäbel zählte, musste eine Pause einlegen. Da kam die kleine Kirche gerade gelegen.

Das Dach war so rutschig, dass die Krähen fast an der gegenüberliegenden Seite wieder heruntergeschlittert wären. Die beiden Jugendlichen schlugen mit den Flügeln, um die Balance zu halten. Nach ihrer Zappelei saßen sie sicher, schauten aber bedrückt drein.

Sie waren zum ersten Mal von zu Hause fort. Krahwin konnte sich daran erinnern, wie Heimweh sich anfühlte.

Damals, in der Vogelstation, war er lange Zeit verzweifelt gewesen, voller Sehnsucht nach dem Ort, an dem er aufgewachsen war.

Im Gegensatz zu ihm damals konnten seine Brüder fliegen und waren in Freiheit. Er rückte zu ihnen auf. Sofort begann einer der Jungen wieder zu zappeln. Er schlug mit den Flügeln und wetzte mit den Krallen auf den Dachplatten, dass es nur so knirschte.

Krahwin nannte ihn insgeheim »Zappi«.

Sein anderer Bruder schaute bedrückt drein. Er hatte einen sicheren Stand gefunden und sah in die Richtung, in der ihre Heimat lag. Sein Name war »Weißkralle«, weil ein Zeh an seinem linken Fuß eine weiße Kralle besaß.

»Es ist hart, sein Zuhause zu verlassen«, sagte Krahwin zu seinen Brüdern.

Zappi rutschte fünf Krähenlängen Richtung Boden. Bald saß er wieder neben Krahwin auf dem Dachfirst.

»Werden wir wieder nach Hause zurückfliegen? Irgendwann?«, fragte Weißkralle.

»Aber sicher doch. Euer Zuhause ist auch mein Zuhause. Ich möchte Mutter, Vater und meine Menschenfamilie wiedersehen. Wir werden bei Freunden drei Mädchen abholen, dann fliegen wir zurück. Bis dahin werdet ihr Wichtiges lernen.«

»Was sind das für Freunde?«, fragte Zappi.

»Erinnert ihr euch an das Menschenmädchen Johanna und ihre Großmutter? Sie wohnen im Revier unserer Eltern und haben mich aufgezogen, als ich klein war und nicht fliegen konnte. Diese Menschen haben mich in eine Vogelstation gebracht, als ich jung war. Dort habe ich einige Freunde gefunden«, erklärte Krahwin.

»Mädchen-Jakob, Socke und Jakob, stimmt’s?«, sagte Weißkralle und Krahwin nickte.

»Und Frau Professor. Ihr habe ich zu verdanken, dass ich viele Dinge gelernt habe, die ich euch beibringen kann. Sie hat einen Mann und drei Töchter. Die Mädchen holen wir ab und sie werden zu unserem Schwarm gehören.«

Krahwin hatte seine Heimat, den Ort, an dem seine Eltern und seine Menschen lebten, erneut verlassen müssen. Sein Herz war noch immer schwer.

Vor langer Zeit hatte er seiner Freundin Frau Professor und ihrem Mann versprochen, deren drei Töchter in den Schwarm aufzunehmen. Der besorgte Vater hatte befürchtet, dass die drei Mädchen sonst keinen Jungkrähenschwarm finden würden, der sie aufnimmt. Krahwin hielt stets seine Versprechen.

»Sind sie nett?«, fragte Weißkralle.

»Wer ist nett?«, fragte Zappi.

»Na, die Mädchen«, sagte Weißkralle.

»Welche Mädchen?«, fragte Zappi.

Hatte Zappi nicht zugehört? Krahwin seufzte.

»Ich habe doch gerade erklärt, dass wir drei Mädchen abholen. Ich glaube, dass sie nett sind. Ich kannte sie nur, als sie sehr jung waren«, antwortete er.

Da kam seine beste Freundin Socke angeflattert.

»Habt ihr zwei euch lange genug ausgeruht? Wollen wir weiterfliegen?«, fragte sie.

»Ich habe Hunger«, verkündete Zappi.

»Na dann – vor der Kirche ist eine Wiese. Fliegt dort hinunter und sucht euch Futter. Ihr könnt das schon. Wir passen auf, dass euch nichts passiert«, schlug Socke vor und setzte sich neben Krahwin.

Zappi und Weißkralle machten sich auf den Weg, ganz alleine Nahrung zu suchen.

»Du siehst irgendwie gestresst aus. Ist alles in Ordnung?«, wollte Socke von Krahwin wissen. Sie sah ihn forschend an.

»Meine Brüder fühlen sich fremd. Aber sie werden sich an das Leben im Schwarm gewöhnen. Es wäre schön, wenn wir ihnen ein Vorbild sein könnten. Aber Jakob und Mädchen-Jakob haben nichts anderes zu tun, als sich zu streiten.«

»Schwierigkeiten und Streit gehören dazu, Krahwin. Wir sind freche Krähen und keine Friedenstauben. Und wenn du mich fragst – Jakob und Mädchen-Jakob mögen ihre Wortgefechte«, sagte Socke.

»Das mag sein, aber es würde mich beruhigen, wenn wir zusammenhalten würden. Das würde uns stark machen gegen Gefahren. Außerdem möchte ich, dass meine Brüder lernen, auf die Umgebung zu achten, statt miteinander zu streiten.«

»Mach dir keine Sorgen, Krahwin. Ich bin sicher, wenn es nötig ist, werden wir uns zu benehmen wissen. Aber ein bisschen Spielen und Scherzen ist gut für die Lebensfreude, gerade in dieser kalten Zeit.«

Socke rückte nah an ihn heran, um sich zu wärmen, sah nach oben und Krahwin folgte ihrem Blick.

Ein Schwarm schwarzer Vögel flog mit Geschrei dicht über die Kirche. Krahwin blieb der Schnabel offen stehen. Es waren zahllose Krähen. Als sie höher stiegen, wurden sie vom Nebel verschluckt und Krahwin konnte sie kaum mehr erkennen. Neben ihm platschte es und ein weißer Fleck verzierte die Dachplatte, auf der er saß. Socke lachte krächzend.

»Fast hätten sie dich getroffen,« keckerte sie.

»Wer waren die?«, überlegte Krahwin. Dass Socke über ihn lachte, beachtete er nicht.

»Sie sahen fast aus wie wir, hatten nur etwas flauschigere Federn am Popo und einen hellen Schnabel. Einen so gigantischen Schwarm habe ich noch nie gesehen«, sagte er.

»Hey, lach doch mal. Sie haben dich fast abgeschossen«, sagte Socke und prustete erneut los.

»Ist doch egal, wer sie waren«, fuhr sie fort, »vielleicht Verwandte aus einem anderen Land. Was hältst du davon, wenn wir die Anderen antreiben und uns auf den Weg machen? Mir wird kalt hier oben und etwas Bewegung wäre mir willkommen.«

Krahwin nickte und sah dabei in den Himmel, als erwarte er eine Nachhut des Vogelschwarms.

Jakob und Mädchen-Jakob saßen ein Stück entfernt auf dem Dachfirst und waren mit ihren Streitereien beschäftigt.

»He, ihr Turteltäubchen«, rief Socke ihnen zu. »Es ist Zeit, aufzubrechen.«

»Turteltäubchen? Ich sehe keine Turteltäubchen, sondern wilde schwarze Gesellen. Aber du hast Recht. Lasst uns die Jungspunde holen, bevor ich wieder Hunger bekomme«, antwortete Jakob.

»Turteltäubchen? Unverschämtheit«, sagte Mädchen-Jakob eingeschnappt.

Krahwin und seine Freunde flogen auf den Vorplatz der Kirche. Die angrenzende Wiese war von ungeschickten Jungkrähenschnäbeln zerwühlt worden. Überall war lose Erde aufgeworfen und Rasen zerstört worden.

Krahwin ächzte. »Wie kann man nur so eine Unordnung hinterlassen? Wir werden ihnen Einiges beibringen müssen«, sagte er.

Wo waren seine Brüder? Er folgte Sockes Blick. Sie sah gebannt nach oben zur Spitze des Kirchturms. Dort hampelte sein Bruder Zappi auf einem Zeiger der Uhr herum und hackte auf das Zifferblatt ein. Ein kleiner goldener Fussel fiel ihm aus dem Schnabel.

Mädchen-Jakob schubste Krahwin an und sagte: »Sieh mal, da.« Sie zeigte auf den Friedhof.

Weißkralle tauchte geisterhaft aus dem Bodennebel auf, der die Grabsteine umwaberte. Er hatte ein merkwürdiges Stäbchen im Schnabel und hüpfte von einem Stein zum anderen. Das Stäbchen hatte auf einer Seite Borsten. Krahwin erinnerte es an Johanna, bei der er aufgewachsen war. Sie hatte ähnliches Werkzeug besessen.

Was es auch war, es musste ein wichtiges Menschending sein. Hitze schoss ihm in den Kopf. Was taten sie da? Solche Streiche waren ein Grund dafür, warum die Menschen Krähen nicht trauten. Sorgenvoll suchte er die Gegend ab. Keine Menschen zu sehen, zum Glück.

Er musste den Jungkrähen dringend Benehmen beibringen. Krahwin sah seine Freunde an, um herauszufinden, wie sie über das Verhalten der beiden dachten.

Jakob hatte sich auf der zerwühlten Wiese an die Futtersuche gemacht. Ihm war egal, was Krahwins Brüder anstellten. Hauptsache, er konnte sich den Bauch vollschlagen.

Mädchen-Jakob sah ihn mit einem furchtsamen Blick an. Sie spürte seinen Ärger und wandte sich schnell ab, um Jakob zu folgen. Das tat sie immer, wenn ihr etwas Angst machte.

Sockes Augen waren fragend auf ihn gerichtet. Er kannte diesen Blick. Sie las schon wieder seine Gedanken. Was seine Brüder taten, war ihr egal. Sie wollte stets nur seinen Kopf erforschen. In ihm regte sich ein bisher unbekanntes Gefühl: Wut auf seine Freunde, die ihn nicht unterstützten, sondern wegsahen. Eigentlich sollten doch alle Erwachsenen für die Erziehung der Jungen zuständig sein.

»Sofort herkommen«, krähte er mit der strengsten Stimme, die er zustande brachte.

Weißkralle sah kurz zu ihm, beschäftigte sich dann aber sofort wieder mit seinem Spielzeug.

Zappi geriet ins Straucheln, rutschte am Zifferblatt ab und fiel einige Meter Richtung Erdboden, bevor er sich fing und vor der Kirchentür landete.

Krahwins Brüder ließen sich Zeit. Unterwegs zu Krahwin gab es viele Ablenkungen. Zappi zupfte an den Blumen, die entlang des schmalen Weges wuchsen. Weißkralle hopste von einem Grabstein zum anderen.

»Ich darf nicht auf den Boden kommen, dort lauern Füchse«, krähte er fröhlich.

»Bleib ruhig, Krahwin«, flüsterte Socke. Das ließ ihn erst recht gereizt werden. Mit funkelnden Augen sah er sie an.

»Erinnere dich an deine Kindheit«, sagte sie. »Du hast auch gerne gespielt. Nichts war vor dir sicher. Deine Streiche haben deine Menschen in den Wahnsinn getrieben. Junge Krähen sind eben so.«

»Nicht alle. Wir vier waren vernünftiger, als wir jung waren. Nie hätten wir uns in Gefahr begeben. Wir haben es immer vermieden, den Zorn von Menschen auf uns zu ziehen.«