19,99 €
Was passiert, wenn die Eltern sterben? Beide innerhalb von 6 Wochen. Was passiert, wenn das Band reißt? Die Positionen in der Kernfamilie samt sozialem Umfeld müssen neu ausgerichtet werden. Ein Lebensereignis, in der gegenwärtigen Zeit durch Corona und Ukrainekrieg zusätzlich erschwert. Der Wunsch nach Frieden wird wacher denn je. Geschildert werden die Zeit nach dem Tod, nach der Beerdigung und die ersten Weihnachten ohne Eltern. Traurigkeit und Verlustschmerz greifen um sich. Im Endeffekt aber auch die Gier nach dem Erbe. Was bleibt, ist eine Seele voller Fragezeichen …
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 115
Veröffentlichungsjahr: 2025
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fernsehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.
© 2024 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-99130-697-9
ISBN e-book: 978-3-99130-698-6-
Lektorat: Dr. Annette Debold
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Vorwort
Was passiert, wenn die Eltern sterben? Was passiert in der Familie, wenn das Band reißt? Wir sind alle miteinander verbunden, die Eltern und Geschwister. Wenn der Elternteil stirbt, gibt es eine unausgesprochene Neupositionierung. So eine Art Puzzle, die Familie, die neu gesteckt wird. Jeder hat seinen Platz, und bricht jemand weg, durch Tod, werden die Positionen neu ausgerichtet. Das passiert alles unbewusst, obwohl es eigentlich bewusst ist. Mir ist es ein Anliegen, darüber zu schreiben. Meine Eindrücke durch meinen Verlust der Eltern – beide innerhalb von 6 Wochen verstorben – weiterzugeben. Ich habe oft das Gefühl, dass kaum jemand darüber spricht. Jeder will sein Gesicht wahren, kaum jemand nimmt die Maske ab und erzählt, auch die Dinge, die nicht so schön sind. In unserer digitalen Zeit kann alles schöngepixelt werden, wenn man möchte, gibt es keinen Makel, alles kann schöngeredet bzw. ausgebessert werden. Eigentlich gibt’s da keine Grenzen. Sogar Nichtgesagtes kann mit der Technik zum Gesagten werden, die Realität und Unwahrheiten werden vermischt. Ich beobachte, dass viele Menschen sich schon die Realität in der Realität verschaffen. Als hätte die angebliche Wahrheit mehrere Wahrheiten, da laufen die Spuren nebeneinanderher. Eine gerade Spur gibt es nicht mehr. Kein Wunder, dass mittlerweile in den Medien von namhaftem Psychiater behauptet wird, dass jeder Zweite psychisch erkrankt ist. Eine Art Massenpsychose. Und in dieser schwierigen Zeit, durch Corona und Krieg in der Ukraine ausgelöst, sterben die Eltern. Die unterschwelligen Probleme, die es in jeder Familie gibt, gehen dann auf wie ein Germteig. Und dieser Germteig ist aber trotzdem unsichtbar. Er geht so vor sich hin, und keiner will sehen. Die Realität vom Krieg in der Seele. Den Namen meiner Schwester habe ich etwas verändert, mein Bruder ist einfach nur mein Bruder. Eine Zeit lang nach dem Tod der Eltern war ich so wütend, ich sprach immer bloß von meiner biologischen Familie. Der Inhalt ist so, wie ich es fühle und wahrnehme. Dass jeder Mensch das Gleiche anders wahrnimmt, ist auch bekannt. Ebenso ist bekannt, bei einem Vorfall wird kaum jeder Zeuge das Gleiche aussagen, so ist es aus der Psychologie bekannt. Ich erzähle die Dinge aus meiner Sicht, aus meiner Position in der Familie. Ich wünsche mir Frieden in der Seele, in der Familienseele, aber manchmal muss man Dinge aussprechen und nicht eine Maske aufsetzen.
1. Kapitel
Mein Leben
Mein üblicher Samstag, ich bin am Putzen meines kleinen Reihenhauses. Beim Putzen denke ich noch an die pensionierte Krankenschwester, mit ihrer autistischen Tochter. Seit einiger Zeit plaudern wir beim Frühstück im Restaurant des Supermarktes. Dort wo ich frühstücke, seit meine Eltern beide innerhalb von 6 Wochen verstorben sind. Bald jährt sich der zweite Todestag. Mehr dazu später, wenn in den Gedanken Platz dafür ist. Ich bin seit mehr als 30 Jahren fast jeden Samstag nach dem Einkaufen frühstücken gewesen, mit meiner Mutter. Die letzten Jahre habe ich sie abgeholt zum Einkaufen und Frühstücken, und wieder nach Hause gebracht. Egal welches Wetter und ob ich vielleicht freitags ausgegangen bin, oder womöglich auch keine Kraft oder Lust dazu hatte. Das Supermarktrestaurant ist für mich praktisch und vor allem auf seine Art ruhig. Dort habe ich die Ruhe gesucht, bzw. ich wollte meine Ruhe haben, ich hatte einfach genug, von dieser unruhigen überdrehten Gesellschaft, und erlebt hatte ich die letzten Jahre viel Ungutes. Teilweise bin ich in der Hölle gewesen. Die nette pensionierte Krankenschwester erzählt mir aus ihrem Leben, ihre autistische Tochter sitzt daneben, lauscht und redet keine Silbe. Nur manchmal lächelt sie. Ein Lächeln von unglaublicher Schönheit mit einem Strahlen umgeben. In diesem Lächeln und Moment ist die Reinheit der Seele zu spüren und zu sehen, kein Krieg in der Seele. Diese nette Dame hat so viel erlebt, dass ich manchmal ruhig werde und denke: Geht es noch schlimmer bzw. furchtbarer? Was ein Mensch aushält, unglaublich. Dann denke ich wieder nach über die Resilienz, das Thema meiner Diplomarbeit. Was hat diese Dame so geschliffen und geformt, dass sie immer wieder aufgestanden ist? Ich werde auch deshalb ruhig, weil ich denke, vielleicht sind meine letzten Jahre doch nicht so schlimm, ich sollte mehr demütig und dankbar sein. Ich bin dankbar, jeden Abend, wenn ich mich in das Bett lege, es ist sauber, und ich lebe sehr gut.
Diesen Samstag ist der erste so richtig grausliche Tag im September. Nicht warm und so ein finsterer Tag. Ein richtiger Tag, um wieder sauber zu machen. Ich habe im Haus große Kerzen mit Batterien beleuchtet aufgestellt, für die dunkle Jahreszeit, es gibt so eine angenehme Wärme in den Räumen. Für meine Eltern habe ich ein kleines Eck mit Foto, getrockneten Rosen vom Grab bzw. Begräbnis und einem Deko-Licht eingerichtet. Ich bin am Batterientauschen der Kerzen, Abstauben des Fotos, und da kommen die Gedanken wieder. Meine Schwester Rike meldet sich einfach nicht. Das letzte Mal habe ich sie und ihren Mann im Mai bei der Hochzeit von unserem Neffen gesehen, und da war die Stimmung zwischen uns eher gekühlt. Das deshalb, weil ich mich im Zuge der Verlassenschaft der Eltern getraut habe zu sagen, dass einige wertvolle Sachen fehlen. Seitdem ist diese Eisbergstimmung. Wenn sie mich ansieht, sehe ich den Krieg in ihrer Seele, in den Augen. Wie ich so abstaube, das Bild, denke ich: Eigentlich kann ich sie anrufen. Sie soll auch wissen, dass es unserem mittleren Neffen nicht so gut geht, in der Seele, es wurden ADHS und eine bipolare Störung festgestellt. Da er beim Begräbnis unserer Eltern, beide Urnen wurden gemeinsam beigesetzt, noch vor der Aufbahrungshalle zusammengebrochen ist und an der Beisetzung nicht teilnehmen konnte, so bin ich jetzt im Sommer mit ihm ans Grab, wir haben eine Kerze angezündet. Ich habe seine Erleichterung gesehen, endlich an dem Ort zu sein, wo sich seine Großeltern befinden. Sein jüngerer Bruder war auch mit, ein stiller Mensch. Als wir die Kerze platziert haben, hat er gelächelt, zufrieden. Es war wichtig für ihn. Auf einmal kam ein Schmetterling geflogen, ein weißer, es erweckte den Anschein, er spiele mit uns. Man könnte meinen, wir waren wie in Watte gehüllt, als würde die Welt stehen bleiben. Frieden in der Situation. Kein Krieg in der Seele. Als ich so hantiere, mit dem Foto und den Kerzen, denke ich mir: Rike soll das wissen, warum nimmt sie nie teil am Leben der Kinder? Ich greife fest entschlossen zum Hörer und wähle ihre Nummer. Bis vor einiger Zeit hatte ich nur ihre Nummer von ihrem Diensthandy, sie hat mir ihre private Nummer nie gegeben. Als wenn ich bloß ein Geschäftsfall bzw. Kunde wäre. Ich wollte das nie sehen und habe weggeschaut. Jahrzehntelang durfte ich sie nur am Montag um eine bestimmte Zeit anrufen. Bis ich sie vor Jahren, als ich meinen Kopf aus dem Sand streckte, angeschrien habe. „Ich mache das nicht mehr mit!“ Nun zurück zum Telefonat. Sie hebt gleich ab, und ich beginne von dem Friedhofsbesuch von unserem Neffen zu erzählen, dass es ihm nicht gut geht. Sie schneidet mir das Wort ab und sagt, sie wären gerade im Krankenhaus, ihre Schwiegermutter sei eben verstorben. Teilweise ist sie weinerlich beim Reden, dann wieder gefestigt. Sie meint, sie hätte mich angerufen, um meine Zustimmung zu holen, da sie ihre Schwiegermutter im gleichen Grab unserer Eltern beerdigen möchte. Meine Antwort ist: „Ich bin ein lebensoffener Mensch und habe grundsätzlich nichts dagegen.“ Sie fällt mir ins Wort und meint, sie hat das Benutzungsrecht für das Grab, und sie kann das sowieso tun, wenn sie es möchte. Richtig bösartig war der Ton ihrer Stimme – Krieg in der Seele, Munition geschossen, sozusagen. Das Gespräch ist gleich wieder beendet, da sie sich noch im Krankenhaus befinden. Es ist 4 Tage her, sie hat auch nicht mehr zurückgerufen. Krieg in der Seele. Stille, auch Stille kann Krieg in der Seele sein. Heute ist der 5. Tag nach dem Telefonat. Ich sitze bei der Eingangstür auf den Stufen und warte auf meinen jüngsten Neffen, er geht mir manchmal zur Hand. Da sitze ich gerne, ich habe einen großen Vorgarten, mit vielen Pflanzen und einer fast 50 Jahre alten Birke. Wenn ich dort sitze, denke ich über vieles nach. Manchmal denke ich: Diese Birke hat mir so manchen dunklen Gedanken, Schmerz genommen. Heuer hat sie weniger Blätter gehabt, und im Juli sind alle auf einmal braun geworden. Ich werde noch das kommende Frühjahr abwarten, vielleicht war es dieses Klima im Sommer, diese Klimaerwärmung. Keine Ahnung. Ich gieße auch weniger, um Wasser zu sparen, aber ob das der Birke das Leben genommen hat? Keine Ahnung. Ich werde einmal den Gärtner kontaktieren. Vielleicht ist sie auch krank, diese Birke, die meinen Schmerz der letzten Jahre genommen hat. Manchmal wenn ich durchgelaufen bin, habe ich gespürt, als wolle sie mich streicheln, die Birke, und sagen: „Alles wird gut.“ Frieden in der Seele, kein Krieg. Wie ich so dasitze, läutet mein Telefon, zuerst der Neffe, ich stehe im Stau, und dann, oh welches Wunder, meine Schwester Rike. Freundlich-fröhlich und natürlich mit ernster Stimme erzählt sie mir, wie ihre Schwiegermutter, die Umstände, nach der Krankheit verstorben ist. Dann kommt wieder diese Grabgeschichte, die Schwiegermutter kommt ins Grab unserer Eltern, aber wenn ich möchte, es ist Platz genug, und sie reserviert mir einen Platz. Oh, wie schön, denke ich, alle vereint. Auch wenn ich sagen würde, mir ist das nicht recht, dieses Sammelgrab für alle, sie würde es trotzdem machen. Mir kommen gleich Gedanken, wie im KZ, wo alle auf einen Haufen kamen, verbrannt wurden und fertig. So ist es, jeder hat seine Vorstellungen, seine Realität, sein Universum, wo er lebt. Manchmal setzen wir Masken auf, um nicht zu zeigen, was wir fühlen bzw. denken, in diesem Fall habe ich eine Maske auf, weil ich aus vorherigen Erfahrungen mit Rike weiß, sie macht es trotzdem. Setzt ihren Kopf durch. Gleich fällt mir wieder der Anblick von den vielen Haufen von Toten im KZ ein. Diese armen, unschuldigen Menschen. Ich lese gerne Bücher von Überlebenden aus dem KZ, drum habe ich sofort das Bild von den Menschenhaufen im Kopf. Heute hört sie mir wenigstens zu, ich erzähle ihr vom Friedhofsbesuch mit dem kranken Neffen und dass er seinem Vater, unserem Bruder, sehr ähnlich ist. Sie meint gleich, er hat auch etwas von der Mutter. Stimmt sicherlich, aber die Umstände, warum jemand mit zwanzig so krank ist, das liegt auch daran, was er als Kind erlebt und nicht verarbeitet hat. Ich habe viel gelesen, um meine Diplomarbeit schreiben zu können, meine erste Diplomarbeit mit 52, ich habe diese im Wohnzimmer hängen, im Blickfeld, dass ich sie sehe. Ich bin es gewohnt, aufgrund meiner Familienstruktur, immer so auf die Art im Eck zu stehen. Ich war ein stilles Kind, und Legasthenikerin noch dazu. Ich war immer sehr still, aber ich habe alles mitbekommen und mir schon als Kind Gedanken über vieles gemacht. Geredet haben die anderen, ich habe geschwiegen. Doch habe ich habe alles geschafft, in der Schule, ohne sitzen zu bleiben, ich habe meinen Beruf, bin in der Verwaltung im mittleren Dienst tätig und ernähre mich selbst. Da bin ich stolz darauf. Meine Geschwister haben mich als Kind wegen der Legasthenie „Depperte“ genannt, und manchmal denke ich, das hängt mir in so manchen Dingen bei Familienangelegenheiten noch nach. In der Volksschule mussten wir einmal einen Fantasieaufsatz schreiben. Er strotzte nur so von Rechtschreibfehlern. Auf einmal ruft mich die Klassenlehrerin raus, eine andere Lehrerin dabei und lobt mich wegen des Inhalts. Beide Lehrerinnen sind begeistert und loben mich. Kein Ton von den vielen Rechtschreibfehlern. Das habe ich heute noch in Erinnerung. Pädagogisch wertvoll, würde ich sagen. In der Fachschule war meine Rechtschreibung fast perfekt, da hat unser Deutschprofessor nicht nur einmal gesagt, zu viele Rechtschreibfehler, aber wegen des Inhalts bekäme ich eine Zwei, er könne nicht anders. So wurde mein Selbstbewusstsein gestärkt. Und wieder zu Rike, sie bietet mir eine Platzreservierung im Familiengrab an. Ich wie immer Maskenantwort: „Wenn du es so möchtest, dann tu es.“ Ich habe bereits das Grab unserer Familie väterlicherseits. Mein Vater hat mich schon 10 Jahre vor seinem Tod darum gebeten, mich darum zu kümmern, und diesen Wunsch erfülle ich ihm, bzw. da ist natürlich Platz für mich. Wer weiß, was noch kommt. Mein Lebensgefährte Christian meinte einmal: „Du kannst auch zu mir ins Grab.“ Also alles geklärt, Frieden in der Seele. Nachts bin ich dann doch aufgewacht und musste nachdenken, alle aus verschiedenen Familien in einem Grab, eigentlich ist das nicht in meinem Sinn, aber ich weiß, Rike tut es, und fertig. In meiner Seele beginnt ein kleiner Krieg, ich kann lange nicht einschlafen. Heute steht der Besuch meiner Taufpatin an. Wenn das Wetter so bleibt, können wir noch im Garten sitzen. Seit meine Eltern verstorben sind, besuche ich Christl alle paar Wochen mal. Früher mit meiner Mutter eher nur zu Weihnachten. Wenn ich die lange Straße fahre, raus an den Stadtrand von Wien, wo sie in einem Haus wohnt, kommen mir immer irgendwelche Erinnerungen. Nicht unweit von ihrem Haus, war das meiner Eltern, und ich bin froh, dass ich nicht