Krimi Dreierband 3180 - Peter Haberl - E-Book

Krimi Dreierband 3180 E-Book

Peter Haberl

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende Krimis: Der Tote im Unterholz (Peter Haberl) Commissaire Marquanteur und das Model (Peter Haberl & Chris Heller) Commissaire Marquanteur und das schmutzige Spiel (Chris Heller & Peter Haberl) Vierzehn Menschen kommen ums Leben, als eine Fähre von Marseille nach Marokko explodiert. Schnell wird klar, dass eine Bombe die Ursache war. Die beiden Kriminalkommissare Pierre Marquanteur und François Leroc ermitteln in zwei Richtungen: zum einen zeichnet sich eine terroristische Vereinigung, von der noch niemand etwas gehört hat, für den Anschlag verantwortlich; zum anderen besteht der Verdacht auf Versicherungsbetrug. Doch dann wird der Geschäftsführer der Ferry Société ermordet.

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Seitenzahl: 390

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Krimi Dreierband 3180

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Dieses eBook wurde mit Write (https://writeapp.io) erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Krimi Dreierband 3180

Copyright

Die Tote im Unterholz

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

Commissaire Marquanteur und das Model: Frankreich Krimi

Commissaire Marquanteur und das schmutzige Spiel

Krimi Dreierband 3180

Peter Haberl & Chris Heller

Dieser Band enthält folgende Krimis:

Der Tote im Unterholz (Peter Haberl)

Commissaire Marquanteur und das Model (Peter Haberl & Chris Heller)

Commissaire Marquanteur und das schmutzige Spiel (Chris Heller & Peter Haberl)

Vierzehn Menschen kommen ums Leben, als eine Fähre von Marseille nach Marokko explodiert. Schnell wird klar, dass eine Bombe die Ursache war. Die beiden Kriminalkommissare Pierre Marquanteur und François Leroc ermitteln in zwei Richtungen: zum einen zeichnet sich eine terroristische Vereinigung, von der noch niemand etwas gehört hat, für den Anschlag verantwortlich; zum anderen besteht der Verdacht auf Versicherungsbetrug. Doch dann wird der Geschäftsführer der Ferry Société ermordet.

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

www.AlfredBekker.de

Die Tote im Unterholz

Regionalkrimi aus der Oberpfalz

von Peter Haberl

Der Umfang dieses Buchs entspricht 106 Taschenbuchseiten.

Die 27-jährige Sabine Moos wird ermordet aufgefunden. Schon bald gibt es eine Reihe von Verdächtigen. Die pfälzischen Kommissare Kutzer und Degenhart ermitteln in diesem Fall, in dem jeder jedem zutraut, der Täter zu sein. Doch der wahre Täter bleibt lange unentdeckt.

1. Kapitel

Der Leiter des Kommissariats 1 bei der Kriminalpolizei Weiden, seines Zeichens Kriminaloberrat, hob seinen Blick von dem Blatt Papier, das vor ihm auf dem Schreibtisch lag, schaute Hauptkommissar Walter Degenhart an, schwenkte seinen Blick zu Oberkommissar Karl Kutzer und sagte: „Bei der Toten handelt es sich um die seit fast einem Monat vermisste Sabine Moos. Der Verwesungsprozess war ziemlich fortgeschritten. Laut Gerichtsmedizin dürfte der Tod kurz nach ihrem Verschwinden am 10. September eingetreten sein. Sabine Moos war 27 Jahre alt, arbeitete als Reinemachefrau in einem Fitnessstudio, sie lebte von ihrem Ehegatten getrennt und hatte zwei Kinder, die bei ihrem getrennt lebenden Mann wohnen.“

„Wer hat Sabine Moos als vermisst gemeldet?“, erkundigte sich Hauptkommissar Degenhart.

„Ihr Vater. Sein Name ist Albert Stauber, er wohnt mit seiner Gattin in der Dr. Seeling Straße.“ Der Kriminaloberrat warf einen Blick auf das Dokument vor sich und nannte sogleich auch die Hausnummer, unter der die Eltern der Toten zu erreichen waren. Dann fuhr er fort: „Es liegt ein Gewaltverbrechen vor. Sabine Moos‘ Körper wies vierzehn Messerstiche auf. Mindestens drei der Stiche waren tödlich.“

„Vierzehn Messerstiche“, wiederholte Hauptkommissar Degenhart versonnen und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. „Das sieht nach einer Affekthandlung aus. Der Mörder muss vollkommen außer sich gewesen sein und wie verrückt auf das Opfer eingestochen haben.“

„Das kann sein, muss aber nicht“, meldete sich nun Oberkommissar Kutzer zu Wort. „Der Täter kann es auch so gedreht haben, dass es aussieht wie eine Tat im Affekt. Aber um hier Gewissheit zu erlangen, muss man erst einmal den Täter haben.“

„Wo wohnte die Getötete?“, wollte Degenhart wissen.

„In der Berliner Straße.“

„Wohnte sie dort alleine?“

„Das geht aus dem Protokoll, das mir vorliegt, nicht hervor.“

„Wurde der Leichnam von der Staatsanwaltschaft schon freigegeben?“, fragte Oberkommissar Kutzer.

„Ja, nachdem die Todesursache und der Zeitpunkt des Eintritts des Todes zweifelsfrei festgestellt sind, kann Sabine Moos beerdigt werden.“

„Ich frage mich, warum die beiden Kinder vom getrennt lebenden Ehemann versorgt werden“, sinnierte Hauptkommissar Degenhart. „Der Normalfall ist doch, dass die Kinder bei der Mutter bleiben, wenn eine Ehe zerbricht. Dies entspricht in der Regel dem Kindeswohl und es muss schon ein gravierender Tatbestand vorliegen, wenn der Kindsvater das Sorgerecht erhält.“

„Auch diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten“, erwiderte der Kriminaloberrat. „Ich habe mich dafür entschieden, Ihnen beiden die Ermittlungen in dem Fall Sabine Moos zu übertragen. Stellen Sie alles andere zurück, die Aufklärung der Angelegenheit hat Priorität. Wir haben eine tote Frau, die gewaltsam ums Leben kam, und wir haben einen Täter, der frei herumläuft. Ihn gilt es zu überführen und der gerechten Bestrafung zuzuführen.“

„Natürlich werden wir alles daran setzen, die Straftat aufzuklären“, versicherte Hauptkommissar Degenhart und stemmte sich an dem runden Besprechungstisch in die Höhe. „Kann ich das haben?“ Er wies auf das Blatt Papier, das vor dem Polizeioberrat lag.

Wortlos reichte ihm sein Vorgesetzter das Dokument. Degenhart nickte seinem Kollegen Kutzer zu, der erhob sich und an den Kriminaloberrat gewandt sagte der Hauptkommissar: „Wir halten Sie auf dem Laufenden. Zunächst einmal werden wir uns im unmittelbaren Umfeld der Getöteten umsehen und umhören. Sobald wir erste Erkenntnisse gewonnen haben, informieren wir Sie.“

Die beiden Beamten begaben sich in Degenharts Büro, besprachen kurz ihre nächsten Schritte und beschlossen, erst einmal den getrennt lebenden Ehemann der Getöteten zu vernehmen. Er wohnte in Altenstadt bei Weiden. Oberkommissar Kutzer stellte seine Telefonnummer fest und rief ihn sogleich an. Nach dem dritten Klingelton hob jemand ab und eine dunkle Stimme erklang: „Moos.“

„Guten Tag, spreche ich mit Herrn Bernhard Moos?“

„Ja. Wer sind Sie und weshalb rufen Sie mich an?“

„Ich bin Oberkommissar Kutzer von der Kriminalpolizei Weiden. Ich rufe Sie wegen Ihrer Gattin an.“

„Ich dachte schon, es geht wieder um eine Umfrage oder sowas in der Art. Was ist mit Sabine?“ Bernhard Moos räusperte sich, dann stieß er hervor: „Sabine ist seit fast einem Monat spurlos verschwunden. Mein Schwiegervater hat sie bei der Polizei als vermisst gemeldet. Ist über ihren Aufenthalt etwas bekannt geworden?“

„Ja. Sie haben sicher von dem Leichenfund bei der Heiligen Staude vor fünf Tagen in der Zeitung gelesen oder im Radio gehört …“

„Um Gottes Willen!“, entfuhr es Bernhard Moos fassungslos. „Sagen Sie bloß …“

„Es ist so. Die gerichtsmedizinische Untersuchung hat die Gewissheit gebracht, dass es sich um Ihre Gattin handelt.“

„Das – das …“ Die Stimme des Mannes zerrann, Oberkommissar Kutzer hörte kurze Zeit nur noch seinen stoßweisen Atem, aber dann fand Bernhard Moos seine Sprache wieder und fragte: „Hat sie sich etwas angetan?“

„Nein, Ihre Frau wurde getötet. Mein Kollege und ich würden gerne mit Ihnen sprechen, Herr Moos. Haben Sie jetzt Zeit für uns?“

„Gewiss. Seit mich meine Frau verlassen hat, arbeite ich nicht mehr, weil ich unsere beiden Kinder versorgen muss. Meine Anschrift kennen Sie sicher.“

„Wir sind in spätestens einer halben Stunde bei Ihnen.“

Tatsächlich läuteten die beiden Kriminalpolizisten fünfundzwanzig Minuten später an der Tür zu Bernhard Moos‘ Wohnung. Sogleich wurde die Tür aufgezogen und ein bleicher Mann von etwa dreißig Jahren zeigte sich den Beamten. „Ich kann das gar nicht glauben“, murmelte er mit belegter, geradezu brüchiger Stimme, „das ist verstandesmäßig für mich kaum zu erfassen. Wer sollte Sabine umgebracht haben?“

Hauptkommissar Degenhart hatte sich innerhalb der kurzen Zeit, seit Bernhard Moos die Tür geöffnet hatte, einen ersten Eindruck von dem Mann verschaffen können. Er wirkte ziemlich verstört, seine Augen flackerten unruhig, er zwinkerte unablässig und seine Mundwinkel zuckten.

„Das herauszufinden ist unser Job“, versetzte er. „Dürfen wir eintreten?“

„Sicher, kommen Sie herein. Wir sind ungestört, denn Maximilian und Sophie sind in der Schule.“

Die beiden Kommissare betraten die Wohnung, im Wohnzimmer forderte sie Bernhard Moos auf, sich zu setzen, er selbst ließ sich in einen der etwas abgenutzt wirkenden Sessel fallen, lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Wie ist Sabine ums Leben gekommen?“

Er wirkte jetzt ziemlich gefasst, Erschütterung und Betroffenheit schien er überwunden zu haben. Allerdings verströmte er ein hohes Maß an Nervosität, was Hauptkommissar Degenhart nicht entging. „Sie wurde erstochen, ihr Mörder stach vierzehn Mal zu. Ihre Frau wurde am 10. September zum letzten Mal lebend gesehen. Ihr Tod dürfte laut Gerichtsmedizin unmittelbar nach ihrem Verschwinden eingetreten sein.“

„Wie soll ich bloß den beiden Kleinen klarmachen, dass ihre Mutter nicht mehr lebt und dass sie brutal ermordet worden ist?“, kam es bedrückt, mit schwankender Stimme von Bernhard Moos. Er schlug beide Hände vor das Gesicht, verharrte sekundenlang in dieser Haltung und schien sich zu sammeln, ließ dann die Hände wieder sinken und murmelte: „Gibt es schon irgendeinen Hinweis auf den Mörder und auf den Grund für die Tat?“

„Noch ist nicht erwiesen, ob es sich um einen Mord im Sinn des Strafgesetzbuches handelt“, erklärte Hauptkommissar Degenhart.

Moos schaute den Polizisten verdutzt an. „Aber Sie sagten doch selbst, dass Sabine erstochen worden ist. Wenn es kein Mord war, was dann?“

„Es gibt da einige Unterscheidungen“, antwortete Degenhart. „Mord, Totschlag, fahrlässige Tötung, Körperverletzung mit Todesfolge et cetera. Was zum Tod Ihrer Frau führte, waren unbestritten die Messerstiche, was aber nicht zwangsläufig Mord gewesen sein muss. Aber das ist im Moment nachrangig und wird Sache der Staatsanwaltschaft sein, welcher Tat sie denjenigen anklagt, der für den Tod Ihrer Frau verantwortlich ist.“

„Wie immer Sie es auch nennen – wenn Sabine mit vierzehn Messerstichen getötet wurde, dann bin ich der Meinung, dass sie ermordet worden ist. Juristische Feinheiten interessieren mich nicht. Weiß man, wer es getan hat und warum er es getan hat?“

„Wir wissen es nicht“, musste Degenhart zugeben, „doch wir arbeiten daran, es herauszufinden. – Sie und Ihre Gattin lebten getrennt.“

„Sabine ist vor neun Monaten aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen. Ich habe daraufhin einen Scheidungsantrag beim Amtsgericht gestellt, und die Scheidung in drei Monaten dürfte nur noch Formsache sein, nachdem das Trennungsjahr dann abgelaufen ist.“

„Warum hat Ihre Frau Sie verlassen?“ Mit dieser Frage brachte sich Oberkommissar Kutzer in das Gespräch ein.

„Wir haben uns nur noch gestritten“, antwortete Bernhard Moos. „Sabine hatte seit etwa drei Jahren das Bedürfnis, Dinge nachzuholen, die sie in ihrer Jugend versäumt zu haben glaubte.“

„Sie war mit siebenundzwanzig Jahren nicht alt“, gab Kutzer zu verstehen.

„So habe ich das auch nicht gemeint“, versetzte Moos. „Als wir heirateten, war Sabine siebzehn. Damals war Maximilian unterwegs und für uns war es überhaupt keine Frage, dass wir vor den Traualtar treten. Nachdem wir sieben Jahre verheiratet waren, begann Sabine mir plötzlich vorzuwerfen, ihr die Jugend geraubt zu haben und ihr nichts zu bieten. Sie begann mich und die Kinder zu vernachlässigen, ging jeden Freitag und Samstag zu irgendwelchen Tanzveranstaltungen oder Partys und knüpfte sogar Internetbekanntschaften.“

„Man hat Ihnen das vorläufige Sorgerecht für die Kinder übertragen, Herr Moos. Das entspricht nicht dem Normalfall.“

„Sabine wollte die Kinder nicht bei sich haben, und ich kann Ihnen auch sagen, warum sie die beiden nicht haben wollte. Sie hatte plötzlich das Bedürfnis, sich die Hörner abzustoßen, und dabei wären ihr die Kinder nur im Weg gewesen. Man hat mir zugetragen, dass ihre Männerbekanntschaften häufig wechselten. Und wenn Sie mich fragen, dann war es eine dieser flüchtigen Bekanntschaften, die ihr das Leben gekostet hat.“

„Ich schätze, Sie waren auch nicht gerade glücklich darüber, dass Ihre Frau Sie mit den beiden Kindern sitzen ließ“, wandte Oberkommissar Kutzer ein.

„Es kam nicht überraschend für mich“, antwortete Bernhard Moos. „Wir hatten uns völlig auseinandergelebt, und als sie ihren Koffer nahm, habe ich nicht versucht, sie aufzuhalten. Ich hatte nichts mehr übrig für sie, nachdem sie mich nur noch beleidigt und teilweise sogar gedemütigt hat.“

„Und Sie haben später auch nicht mehr versucht, mit Ihrer Frau zu sprechen, sie vielleicht umzustimmen und zu veranlassen, wieder zu Ihnen und den Kindern zurückzukehren?“, fragte der Hauptkommissar.

„Ich habe in der Zeit, bevor sie ging, oft genug versucht mit ihr zu sprechen. Sie war Worten nicht zugänglich. Nachdem sie ausgezogen war, habe ich einen Rechtsanwalt beauftragt, die Scheidung in die Wege zu leiten und den Unterhalt für die Kinder zu regeln.“

„Zahlte Ihre Gattin Kindesunterhalt?“

Moos schüttelte den Kopf. „Sie lag mit ihrem Einkommen als Putzfrau unter dem Selbstbehalt und war daher nicht in der Lage, Unterhalt für die Kinder zu zahlen. Alles blieb am Ende an mir hängen.“

„Wovon leben Sie und Ihre Kinder, wenn Sie nicht arbeiten?“, erkundigte sich der Hauptkommissar.

„Ich beziehe Sozialhilfe, dazu kommt das Kindergeld. Dem Arbeitsmarkt kann ich mich nicht zur Verfügung stellen, da ich niemand habe, der die Betreuung von Maximilian und Sophie übernehmen könnte.“

„Was haben Sie gearbeitet, ehe Sie Ihre Kinder betreuten?“

„Ich war Kfz-Mechaniker.“

„Es dürfte so gut wie sicher sein, dass Ihre Frau nicht bei der Heiligen Staude ums Leben kam, sondern dass sie bereits tot war, als sie dort abgelegt wurde. Sie lag etwas abseits von der Kapelle im Unterholz, und es war Zufall, dass sie entdeckt wurde.“

„Sie denken doch nicht etwa, dass ich Sabine umgebracht habe?“ Geradezu entsetzt schaute Bernhard Moos die beiden Beamten abwechselnd an.

„Sie hatten möglicherweise ein Motiv“, versetzte der Hauptkommissar ungerührt.

Bernhard Moos griff sich an den Kopf. „Ich werd‘ verrückt! Nicht nur, dass Sabine mich mit den Kindern schmählich sitzen ließ und uns in ein finanzielles Desaster stürzte, jetzt stehe ich auch noch im Verdacht, sie umgebracht zu haben. Was muss ich denn noch alles über mich ergehen lassen?“ Seine Hand sank wieder nach unten und er fuhr fort: „Dass ich ihr nach allem nicht freundlich gesinnt war, können Sie sich ja denken.“

„Können Sie uns die Namen von Männern nennen, mit denen Ihre Frau nach der Trennung von Ihnen Kontakt hatte?“, fragte Oberkommissar Kutzer.

„Tut mir leid, aber ich habe mich nicht dafür interessiert. Natürlich hat es mich getroffen, als ich von diesen wechselnden Männerbekanntschaften hörte, und ich habe versucht es zu verdrängen. Es ist mir auch einigermaßen gelungen.“

„Haben Sie Ihren Kindern davon erzählt?“

„Wo denken Sie hin? Maximilian ist zehn, Sophie acht. Ich wollte nie, dass sie eine schlechte Meinung über ihre Mutter haben. Darum habe ich die beiden auch nie über das Luderleben, das sie in letzter Zeit führte, in Kenntnis gesetzt.“

„Das ist auch nicht der Normalfall“, verlautbarte Oberkommissar Kutzer. „Ich kenne das normalerweise so, dass die zerstrittenen Eheleute ihre gemeinsamen Kinder gegenseitig aufhetzen und an dem anderen kein gutes Haar lassen. Bilden Sie hier eine Ausnahme?“

„Ich habe Maximilian und Sophie nie gegen ihre Mutter aufgehetzt“, versicherte Bernhard Moos. „Sie können fragen, wen Sie wollen, man wird es Ihnen von jeder Seite bestätigen.“

„Vielleicht haben Sie doch noch gehofft, dass Ihre Frau zu Ihnen zurückkehrt“, gab Hauptkommissar Degenhart zu verstehen. „Und es wäre gegebenenfalls kein guter Neuanfang gewesen, wenn Ihre Frau aus dem Mund Ihrer Kinder hören hätte müssen, dass Sie sie negativ gekennzeichnet haben.“

„Schließlich hat es Ihre Frau aber abgelehnt, mit Ihnen noch einmal die eheliche Gemeinschaft aufzunehmen“, spann Oberkommissar Kutzer diesen Faden weiter. „Und das haben Sie nicht verkraftet, Herr Moos.“

Das Gesicht von Bernhard Moos zuckte zu dem Oberkommissar herum, Moos kniff die Augen zusammen und stieß fast ein wenig zornig hervor: „Nein, o nein, so nicht! Das Thema Sabine war für mich abgehakt, ich habe dieser Frau keine Träne hinterhergeweint. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich es war, der die Scheidung einreichte. Außerdem …“

„Warum sprechen Sie nicht weiter?“, fragte Degenhardt und forschte mit seinem Blick im Gesicht von Bernhard Moos.

Moos stieß scharf die Luft durch die Nase aus. „Außerdem bin ich in der Zwischenzeit mit einer anderen Frau liiert, wir lieben uns und wenn die ganze Sache mit Sabine vom Tisch gewesen wäre, hätten wir geheiratet.“

„Vielleicht ist es Ihnen nicht schnell genug gegangen“, warf Oberkommissar Kutzer dazwischen.

„Ich habe bereits neun Monate gewartet“, versetzte Bernhard Moos und wirkte nun vollkommen gelassen. „In drei Monaten wäre ich frei gewesen. Diese kurze Zeit hätte ich – das dürfen Sie mir glauben -, mit Sicherheit noch abwarten können.“

„Wie heißt die neue Frau in Ihrem Leben?“, fragte Hauptkommissar Degenhart.

„Sie hat damit nichts zu tun.“ Trotzig schaute Bernhard Moss den Beamten an.

„Sagen Sie uns trotzdem ihren Namen und ihre Anschrift“, forderte Degenhart mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete.

Bernhard Moos kämpfte kurze Zeit mit sich, sah dann aber wohl ein, dass er nicht umhin kam, die erforderliche Auskunft zu erteilen, und presste zwischen den Zähnen hervor: „Manuela Benker, Pirk, Erlenstraße.“ Er fügte noch die Hausnummer hinzu.

„Das wär‘ zunächst mal alles“, erklärte Hauptkommissar Degenhart und erhob sich aus dem Sessel. „Hast du noch Fragen, Karl?“

Auch die Gestalt des Oberkommissars wuchs in die Höhe, er schüttelte den Kopf und verneinte. „Im Moment nicht“, gab er zu verstehen, „aber es werden sicher noch Fragen auftauchen. Und dann –„ er heftete den Blick auf Bernhard Moos, „- kommen wir wieder.“

Es klang wie ein unheilvolles Versprechen. Kutzer schien von der Unschuld des Bernhard Moos nicht überzeugt zu sein.

Der Hauptkommissar bedankte sich bei Moos und die beiden Polizisten verabschiedeten sich.

2. Kapitel

Hauptkommissar Degenhart warf einen Blick auf seine Armbanduhr und registrierte, dass es kurz vor 11 Uhr war. Als sie in ihrem Dienstwagen saßen, Oberkommissar Kutzer hatte sich hinter das Steuerrad geklemmt, sagte Degenhart: „Ich denke, diese Manuela Benker ist im Moment nachrangig. Hören wir uns erst mal im unmittelbaren Umfeld der Getöteten um. Die Leute, mit denen sie Tag für Tag zu tun hatte, können uns vielleicht wertvollere Hinweise bezüglich des Lebenswandels von Sabine Moos geben als die Geliebte des getrennt lebenden Ehemannes.“

„Ja, das denke ich auch“, pflichtete Oberkommissar Kutzer bei und startete den Motor. „Anschließend sollten wir mit den Eltern des Opfers sprechen, ich schließe nämlich nicht aus, dass sie uns diesbezüglich auch eine Reihe von Hinweisen liefern können.“

„In Ordnung, fahr los.“

Wenig später waren sie wieder in Weiden, denn die Entfernung von Altenstadt in die kreisfreie Stadt betrug lediglich fünf Kilometer. Die Berliner Straße befand sich in einem Neubaugebiet und sehr schnell war klar, dass Sabine Moos zwei Zimmer in der Mansarde eines der Häuser, das von einem sauber angelegten Garten umgeben war, bewohnte. Die Kriminalbeamten trafen die Hausfrau an, stellten sich ihr vor und dann übernahm es Degenhart, die Frau – sie mochte um die fünfunddreißig Jahre alt sein -, über den Grund ihrer Vorsprache aufzuklären.

Eine Mischung aus Erschütterung, Fassungslosigkeit, Betroffenheit und Entsetzen prägte jeden Zug ihres Gesichts, als der Hauptkommissar geendet hatte. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Stimmbänder versagten ihr den Dienst, sie schluckte würgend, und endlich stammelte sie: „Das – das ist ja furchtbar, das kann ich ja gar nicht begreifen. Sabine soll tot sein! Wir – wir waren davon überzeugt, dass sie …“

Die Frau brach fast erschreckt ab und schaute verunsichert von einem der Beamten zum anderen, verschränkte ihre Hände vor der Brust ineinander und begann sie zu kneten.

„Wovon waren Sie überzeugt?“, fragte der Hauptkommissar.

„Dass – dass Sabine …“ Wieder verstummte die Frau, mit einer fahrigen Geste ihrer linken Hand strich sie sich über den Mund, dann murmelte sie: „Ich will Sabine nichts unterstellen. Aber sie sprach einige Male davon, dass sie eine Internetbekanntschaft gemacht habe und dass sie möglicherweise Weiden verlassen werde. Wir waren fest davon überzeugt, dass sie alles liegen und stehen gelassen hat und zu dieser Internetbekanntschaft gezogen ist. Sie war auf diesem Gebiet ja ziemlich spontan.“

„Mit wir meinen Sie sicher sich und Ihren Gatten“, konstatierte Oberkommissar Kutzer.

Die Frau nickte. „Natürlich, mit wem sollte ich sonst darüber gesprochen haben?“

Sie standen immer noch an der Gartentür. Hauptkommissar Degenhart sagte: „Ich glaube nicht, dass dies der richtige Platz ist, um ein längeres Gespräch über Frau Sabine Moos zu führen. Wir sollten in die Wohnung gehen. Wenn Sie das jedoch nicht wollen, können Sie auch zu uns in die Inspektion kommen. Es liegt ganz an Ihnen, Frau Engelmann.“

„Was sollte ich dagegen haben? Bitte, folgen Sie mir.“

Die Frau bat die beiden Kriminalbeamten, an dem Tisch im Esszimmer ihres Hauses Platz zu nehmen. Dann sagte Maria Engelmann: „Ich hab in der Zeitung schon von dem Leichenfund bei der Heiligen Staude gelesen, aber ich hab doch keinen Zusammenhang mit Sabine hergestellt. Ich kann das noch immer nicht begreifen, das ist ja furchtbar. Hat man den schon eine Spur, die zum Mörder führen könnte?“

„Wir ermitteln“, versetzte Hauptkommissar Degenhart knapp. „Ihr Haus ist ein Einfamilienhaus. Wie kommt es, dass Sie die oberen Räume vermieten?“

„Mein Mann und der Vater Sabines arbeiten zusammen bei derselben Firma. Daher kennen wir Sabine ziemlich gut, und als sie gewissermaßen auf der Straße saß, haben wir nicht gezögert, ihr oben in unserem Haus zwei Zimmer zu vermieten. Dazu kommt, dass uns die paar Euro, die wir aus der Vermietung einnehmen, ganz guttun, da wir auf dem Haus noch ziemlich hohe Schulden haben.“

„Ihr Mann befindet sich wohl in der Arbeit?“, erkundigte sich Oberkommissar Kutzer.

Maria Engelmann nickte. „Ja. Ich bin normalerweise auch beschäftigt, zurzeit aber bin ich wegen einer Blasenentzündung krankgeschrieben. Wir haben keine Kinder, darum war es kein Problem, Sabine die beiden Zimmer zu überlassen.“

„Sie sprachen vorhin davon, dass Sabine Moos auf der Straße saß. Ihr Mann, von dem wir gerade kommen, hat uns berichtet, dass sie aus der ehelichen Wohnung von sich aus ausgezogen ist. Sie hat den Mann und die beiden Kinder laut seiner Aussage verlassen.“

„Das stimmt nur zum Teil. Als sie Bernhard eröffnete, dass sie sich von ihm trennen wolle, hat er ihr den Koffer vor die Tür gestellt. Sie hat sich an ihre Eltern gewandt, aber die haben damals, nachdem ihre beiden Kinder von zu Hause ausgezogen waren, eine kleinere Wohnung gemietet und hatten daher keinen Platz für Sabine. Also haben wir uns ihrer erbarmt.“

„Stimmt es, dass die Männerbekanntschaften der Frau Moos häufig wechselten?“, erkundigte sich Hauptkommissar Degenhart.

Maria Engelmann begann an ihrer Unterlippe zu nagen und vermied es, den Hauptkommissar anzuschauen. Nach einigem Zögern murmelte sie: „Na ja, es gab einige Männer, mit denen sie Kontakt hatte. An den Wochenenden war sie auch ziemlich viel auf Achse, ich meine, sie hat Ü-30-Partys und andere Veranstaltungen wie die Tanzabende in diesem Tanzlokal in der Luitpoldstraße besucht und wir haben sie manchmal das ganze Wochenende nicht gesehen.“

„Hat sie in der Wohnung oben Männer empfangen?“, fragte Oberkommissar Kutzer.

„Zweimal haben irgendwelche Kerle bei ihr übernachtet. Sie hat sich auch mit dem Mann, den sie per Internet kennengelernt hat, in einem Hotel hier in Weiden getroffen. Von dem Kerl hat sie ja mords geschwärmt, und wie ich schon sagte, waren mein Mann und ich fest davon überzeugt, dass sie sich bei ihm aufhält.“

„Können Sie uns den Namen und den Wohnort des Mannes nennen?“, wollte Hauptkommissar Degenhart wissen.

„Er heißt Daniel. Seinen Familiennamen und seine Adresse kenne ich nicht.“

„War Frau Moos bei irgendeinem dieser sozialen Netzwerke wie Facebook angemeldet?“

„Vermutlich ja. Ich weiß, dass sie ziemlich oft mit diesem Daniel gechattet hat. Sie war seinetwegen Feuer und Flamme. Wahrscheinlich hat er sie umgebracht.“

„Wie kommen Sie denn darauf?“, fragte Degenhardt.

„Das hört man doch immer wieder, dass diese dummen Mädels eine Bekanntschaft im Internet knüpfen, sich mit ihr treffen und feststellen, dass der Mann alles andere als der ist, den sie erwartet haben, und dann bringt der sie um, weil sie nichts mehr von ihm wissen wollen.“

„An der Tagesordnung ist das ja nicht gerade“, erklärte der Hauptkommissar. „Aber interessant wäre es schon, zu wissen, wer dieser Daniel ist. Die beiden Männer, die bei Frau Moos übernachtet haben – wissen Sie, um wen es sich handelte?“

„Nein, keine Ahnung. Ich hab beide jeweils nur ganz kurz gesehen, als sie am Morgen wie Diebe aus dem Haus schlichen.“

„Wann haben Sie Frau Moos zum letzten Mal gesehen?“

Maria Engelmann dachte kurz nach, dann antwortete sie: „Das war am Tag ihres Verschwindens. Sie hat gegen 10 Uhr vormittags das Haus verlassen, allerdings hab ich nicht mit ihr gesprochen.“

„Wie war Ihr Verhältnis und das Ihres Mannes zu Frau Moos?“

Maria Engelmann presste einen Augenblick die Lippen zusammen, in ihren Mundwinkeln erschien ein herber Zug, dann sagte sie: „Wir haben uns gut verstanden. Andernfalls hätten wir Sabine wohl kaum die zwei Zimmer oben in unserem Haus vermietet. Warum fragen Sie? Sie denken doch nicht etwa, dass wir etwas mit ihrem Tod zu tun haben?“

„Wir stellen lediglich Fragen“, erwiderte Degenhart. „Und zwar völlig wertfrei, Frau Engelmann. Wir denken nicht, dass Sie oder Ihr Mann etwas mit der Sache zu tun haben, wir sehen das alles nämlich ausgesprochen objektiv. Wir dürfen natürlich auch nichts auslassen im Rahmen unserer Feststellungen. Ich denke, Sie verstehen das.“

Die Frau nickte, antwortete aber nicht.

„Wann kommt Ihr Mann von der Arbeit nach Hause?“, fragte der Hauptkommissar.

„Gegen 5 Uhr nachmittags. Rainer wird Ihnen aber auch nicht mehr sagen können als ich. Wir haben uns nämlich nicht besonders für Sabines Privatleben interessiert, und alles, was Sie eben von mir erfahren haben, habe ich nur zufällig mitbekommen.“

„Mag sein, wir werden uns aber dennoch mit Ihrem Mann unterhalten. Für uns kann jede Kleinigkeit sehr wichtig sein und vielleicht hat er Beobachtungen gemacht oder Dinge gehört, die Sie nicht wissen. - Frau Moos arbeitete in einem Fitnessstudio. War das ein Vollzeitjob oder war sie nur stundenweise beschäftigt?“

„Sie hat dort dreimal in der Woche jeweils 3 Stunden geputzt, und zwar am Montag, Mittwoch und Freitag jeweils nachmittags.“

„Der 10. September war ein Donnerstag“, bemerkte Oberkommissar Kutzer. „Sie hat also an diesem Tag nicht arbeiten müssen.“

„Das werden wir genau erfahren, wenn wir mit dem Inhaber des Studios gesprochen haben“, erklärte Hauptkommissar Degenhart. „Wir würden uns gern in den zwei Zimmern, die Frau Moos bewohnte, umsehen. Kaum anzunehmen, dass Sie dagegen etwas einzuwenden haben.“

„Warum sollte ich?“ Maria Engelmann erhob sich. „Kommen Sie, ich führ Sie hinauf.“

Bei den beiden Zimmern handelte es sich um nicht sehr große Räume mit schrägen Wänden. Jeder Raum besaß ein Dachliegefenster, das für ausreichend Helligkeit sorgte. Alles sah ordentlich aufgeräumt aus. In dem Raum, in dem ein Bett und ein zweitüriger Kleiderschrank standen, gab es auch einen kleinen Schreibtisch, auf dem ein Laptop stand.

Die beiden Beamten sahen sich um, berührten aber und veränderten nichts. Schließlich sagte Degenhart: „Ich denke, mit diesen beiden Zimmern muss sich die Spurensicherung beschäftigen.“ Der Hauptkommissar schaute Maria Engelmann an, die unter der Tür stehen geblieben war, und fuhr fort: „Wo ging Frau Moos zur Toilette und wo konnte sie gegebenenfalls duschen oder baden?“

„Ich zeig es Ihnen“, sagte Maria Engelmann und wandte sich ab, um in den Flur hinaus zu treten. Der Hauptkommissar folgte ihr, die Frau öffnete eine weitere Tür und machte eine einladende Handbewegung in. Degenhart schaute in den dahinter liegenden Raum und vor seinem Blick lag ein kleines Badezimmer, nicht größer als sechs Quadratmeter, das aber alles beinhaltete, was ein Badezimmer beinhalten muss; Toilettenschüssel, Dusche und Waschbecken. Auch hier sorgte ein kleines Dachliegefenster für ausreichend Helligkeit.

„Auch das Bad wird sich die Spurensicherung vornehmen“, erklärte Degenhart und trat wieder hinaus in den Flur. „Wir werden die drei Räume versiegeln.“

Oberkommissar Kutzer besorgte das, Degenhart bedankte sich bei Maria Engelmann, die beiden Beamten verabschiedeten sich und fuhren zu dem Fitnessstudio, in dem die getötete Sabine Moos als Reinemachefrau tätig war. Parkplätze gab es in ausreichender Zahl, sodass Oberkommissar Kutzer nicht lange suchen musste. Die beiden Kommissare betraten gleich darauf das Studio und wandten sich an die junge Frau, die hinter der Rezeption stand.

„Guten Tag“, grüßte der Hauptkommissar und zeigte seinen Dienstausweis. „Kriminalpolizei Weiden, mein Name ist Degenhart, das ist mein Kollege Kutzer. Wir kommen wegen Frau Sabine Moos.“

Einen Augenblick lang schien sich das Gesicht der jungen Frau hinter der Rezeption zu beschatten, ihre Mundwinkel sanken geringschätzig nach unten, sie stieß hervor: „Die war am 9. September das letzte Mal hier und ist danach ohne jede Entschuldigung nicht mehr zur Arbeit erschienen.“ Jähes Erschrecken machte sich in ihren Zügen breit, und ihr entfuhr es: „Wieso Kriminalpolizei? Ist etwas passiert … Großer Gott! Hängt es etwa mit der Toten von der Heiligen Staude zusammen? Handelt es sich etwa gar um Sabine?“

Hauptkommissar Degenhart nickte und antwortete: „Leider ist das so. Es handelt sich in der Tat um Frau Moos. Sind Sie die Inhaberin des Studios und damit der Arbeitgeber von Frau Moos?“

„Mein Mann und ich sind hier angestellt. Ich erledige den bürokratischen Teil, tagsüber bin ich aber in der Regel im Studio anwesend, um den Kunden zu zeigen, wie man richtig trainiert und natürlich auch um das Studio zu beaufsichtigen.“

„Am 10. September, das war ein Donnerstag, ist Frau Moos letztmalig lebend gesehen worden“, sagte Degenhart. „Aus Ihrem Mund haben wir eben erfahren, dass sie am 9. September gearbeitet hat. Wir wissen, dass Frau Moos jeweils montags, mittwochs und freitags hier tätig war. Am 10. September war sie also nicht zur Arbeit eingeteilt.“

„Nein.“ Die Frau griff sich an die Stirn und stöhnte: „Das ist ja grauenhaft! Wie ist Sabine denn ums Leben gekommen? Sie hat sich doch nicht etwa selbst umgebracht, nach allem, was ihr widerfahren ist?“ Die Augen der Frau schimmerten jetzt feucht, sie schniefte und fuhr fort: „In etwa drei Monaten sollte nämlich ihre Ehe geschieden werden. Ihre beiden Kinder leben bei ihrem Mann, und sie hat sie nur alle zwei Wochen gesehen. Ihr Mann hat sie eiskalt abserviert und ihr die Kinder vorenthalten. Er ist ein Mistkerl, der Sabine geschadet hat, wo es nur gegangen ist.“

„Das ist uns aber neu“, gab Oberkommissar Kutzer zu verstehen. „Nach unserem Kenntnisstand war es Frau Moos, die ihren Mann und die Kinder verlassen hat, weil sie der Meinung war, etwas versäumt zu haben im Leben. Die Kinder leben bei Herrn Moos, weil Frau Moos auf das Sorgerecht verzichtet hat.“

„Ich kann Ihnen nur das sagen, was mir Sabine erzählt hat“, erwiderte die Frau hinter der Rezeption. „Danach war ihr Mann ziemlich aggressiv, außerdem war er unheimlich eifersüchtig und ausgesprochen geizig. Sabine war nicht glücklich mit ihm. Mir hat sie mal anvertraut – das war irgendwann kurz vor Weihnachten letztes Jahr –, dass sie ihn am liebsten verlassen würde. Sie fürchtete aber auch, dass er ihr eine Menge Schwierigkeiten bereiten würde, wenn sie in verließe. Bald darauf warf er sie aus der Wohnung. Da sie nicht wusste wohin und ihr die finanziellen Mittel fehlten, eine Wohnung für sich und die Kinder anzumieten, ließ sie Maximilian und Sophie bei ihrem Mann, was aber nicht heißt, dass sie ihm die Kinder für alle Zeit überlassen wollte. Mir hat sie erzählt, dass ihm das Sorgerecht nur vorläufig übertragen worden sei, und dass sie darum kämpfen werde, dass man ihm die Kinder wieder wegnimmt.“

„Ist Ihnen etwas über etwaige Männerbekanntschaften der Frau Moos zu Ohren gekommen?“, fragte der Hauptkommissar.

„Nein. Dahingehend hat sich Sabine mir gegenüber nie geäußert, und ich hatte auch keine Veranlassung, sie danach zu fragen.“

„Hat sie auch nie erwähnt, dass sie Weiden verlassen möchte, um zu einem Mann namens Daniel zu ziehen, den sie im Internet kennengelernt hat oben?“

„Mit keinem Wort.“

Auf der anderen Seite des Studios wurde eine Tür geöffnet und ein Mann um die vierzig trat hindurch. Er war nur mit einer Trainingshose und einem Muskelshirt bekleidet und seine Muskeln konnten sich sehen lassen.

Die Frau hinter der Rezeption sagte: „Da kommt mein Mann. Vielleicht weiß er mehr als ich.“

Mit einer stummen Frage im Blick näherte er sich, und seine Frau empfing ihn mit den Worten: „Die beiden Herren sind von der Kripo. Es geht um Sabine. Sie ist tot. Wahrscheinlich hat sie das alles nicht verkraftet …“

Der Mann war heran und Fassungslosigkeit beherrscht jetzt sein Mienenspiel in. „Sabine – ist – tot!“, entrang es sich ihm. „Großer Gott, sie ist vor ungefähr einem Monat spurlos verschwunden.“ Plötzlich heran der Schimmer des Begreifens über sein Gesicht und er stieß hervor: „Handelt es sich etwa gar um die Tote, die droben im Wald an der Ostmarkstraße gefunden wurde?“

„Bei der Heiligen Staude, richtig“, bestätigte der Hauptkommissar. „Allerdings ist Frau Moos nicht freiwillig aus dem Leben geschieden, es liegt vielmehr ein Gewaltverbrechen vor.“

Der Frau hinter der Rezeption entfuhr ein bestürzter Laut, ihr Mann schob das Kinn vor und ihm entrang es sich: „Sie wurde also ermordet! Himmel, das hat kein anderer getan als ihr Ehemann. Ich kenne den zwar nicht persönlich, aber Sabine hat mir erzählt, dass er ein ziemlich aggressiver und rabiater Zeitgenosse sein soll.“

„Was sollte Bernhard Moos für einen Grund gehabt haben, seine Frau umzubringen?“, fragte der Hauptkommissar.

„Er war doch der einzige, mit dem sie sich gezofft hat. Die beiden wollten sich doch scheiden lassen, außerdem ist es um das Sorgerecht für die Kinder gegangen, um die Wohnung und ums Geld. Nachdem sie sich getrennt haben hat der faule Hund doch sofort die Arbeit hingeschmissen und nun lebt er von Sozialhilfe und vom Kindergeld. Sabine hat mir erzählt, dass er sie immer wieder wegen Unterhalt für die beiden Kinder angegangen ist und dass er ihr sogar gedroht hat.“

„Ich glaub, wir müssen uns noch einmal mit Bernhard Moos unterhalten“, sagte Hauptkommissar Degenhart an seinen Kollegen gewandt. Dann richtete er seinen Blick wieder auf den Mann im Trainingsanzug und ergriff noch einmal das Wort: „Hat Ihnen gegenüber Frau Moos irgendwann einmal den Namen Daniel erwähnt?“

Der muskulöse Mann dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf. „Nein.“

„Sind Ihnen irgendwelche Männerbekanntschaften der Frau Moos bekannt?“

Wieder bestand die Antwort in einem Kopfschütteln und einem klaren Nein.

3. Kapitel

Um 17:30 Uhr läuteten die beiden Kommissare noch einmal an der Tür des Hauses in der Berliner Straße, in dem Sabine Moos zuletzt wohnte. Maria Engelmann öffnete ihnen und fixierte sie fragend. Nachdem er einen Gruß gemurmelt hatte, sagte Hauptkommissar Degenhart: „Wir möchten gerne mit Ihrem Mann sprechen, Frau Engelmann. Er ist jetzt doch zu Hause?“

„Treten Sie ein.“

Sie führte die beiden Beamten ins Wohnzimmer, wo Rainer Engelmann auf der Couch lag. Der Fernsehapparat lief. „Das sind die beiden Kriminalbeamten, von denen ich dir erzählt habe, Rainer“, sagte die Frau und der Mann richtete sich in eine sitzende Haltung auf, griff nach der Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus.

„Mein Name ist Degenhart“, stellte sich der Hauptkommissar vor. „Ihre Frau hat Ihnen sicher erzählt, in welcher Angelegenheit wir mit Ihnen sprechen möchten.“

„Irgendwie kann ich das immer noch nicht fassen“, murmelte Rainer Engelmann und strich sich mit den gespreizten Fingern seiner Rechten durch die Haare. „Wir dachten tatsächlich, Sabine ist mit diesem ominösen Daniel durchgebrannt. Meine Frau hat mir erzählt, dass sie regelrecht abgeschlachtet worden ist. Wie brutal muss ein Mensch sein, der so etwas fertig bringt?“

„Ja, das muss man sich fragen“, murmelte Hauptkommissar Degenhart. „Sie sind ein Arbeitskollege des Vaters von Frau Moos“, konstatierte er dann. „Er wurde sofort, als festgestanden hat, dass es sich bei dem Leichnam von der Heiligen Staude um Frau Moos handelt, durch unsere Kollegen in Kenntnis gesetzt. Wie hat er es aufgenommen?“

„Er hat einen Nervenzusammenbruch erlitten, hat sich aber sehr schnell wieder erholt. Das ist aber auch ein Hammer! Wenn man dir ziemlich schonungslos unterbreitet, dass deine einzige Tochter fast einen ganzen Monat lang tot im Wald gelegen hat …“

Rainer Engelmann verstummte vielsagend.

„Nachdem sich Frau Moos von ihrem Gatten getrennt und die eheliche Wohnung in Altenstadt verlassen hatte, haben Sie sie großzügigerweise in Ihr Haus einziehen lassen.“

„Ja, wir haben ihr zwei Zimmer vermietet. Schließlich stand sie auf der Straße und ihre Eltern konnten sie wegen Platzmangels nicht aufnehmen. Ihr Vater und ich sind befreundet, ich hatte den Platz im Haus und – das Geld, das mir Sabine als Miete zahlt, kann ich gut gebrauchen.“

„Was wissen Sie über die Männerbekanntschaften von Frau Moos?“ Mit dieser Frage brachte sich Oberkommissar Kutzer in das Gespräch ein.

Rainer Engelmann zuckte mit den Schultern. „So gut wie nichts. An den Wochenenden ließ es Sabine krachen, ich meine …“

„Wir wissen, was Sie meinen“, schnitt ihm Degenhart das Wort ab. „Aber das war nicht die Frage meines Kollegen.“

Rainer Engelmann schaute den Hauptkommissar etwas pikiert an, dann stieß er hervor: „Nichts weiß ich über irgendwelche Männerbekanntschaften, außer dem, was mir meine Frau erzählt hat.“

„Und der Vater von Frau Moos hat nie irgendwelche Äußerungen bezüglich der gescheiterten Ehe seiner Tochter gemacht?“, fragte Kutzer.

„Er hat sich beklagt, dass er seine Enkelkinder kaum noch sieht, er war auch nicht glücklich darüber, dass Sabine an den Wochenenden gewissermaßen die Sau rausließ, aber was sollte er denn machen? Sabine war siebenundzwanzig Jahre alt und hätte sich von ihm gewiss nichts mehr dreinreden lassen.“

„Wohl kaum“, meinte der Hauptkommissar, dann schaute er Rainer Engelmann durchdringend an und fragte: „Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu der Getöteten? Sie haben mit ihr doch monatelang auf ziemlich engem Raum zusammengelebt. Da kommt man sich unter Umständen doch auch näher.“

Die Augenbrauen Engelmanns schoben sich zusammen, über seiner Nasenwurzel zeigten sich zwei senkrechte Falten, sein Gesicht nahm dadurch einen finsteren Ausdruck an. „Unterstellen Sie mir nur nichts, Herr Kommissar. Ich habe zu Sabine immer den notwendigen Abstand eingehalten. Maria und ich sind seit fast zwölf Jahren verheiratet und ich käme nie auf die Idee, mich an eine andere Frau heranzumachen.“

„Ich wollte Ihnen nichts unterstellen“, wehrte sich Degenhart. „Es handelte sich um eine rein rhetorische Frage im Rahmen unserer Ermittlungstätigkeit.“

„Das hat man von seiner Gutmütigkeit“, murmelte Rainer Engelmann.

„Jetzt beruhige dich doch, Rainer“, versuchte seine Gattin ihn zu besänftigen. „Ist doch klar, dass die Herren Kommissare Fragen stellen müssen. Und wenn du ihre Fragen beantwortest, kommen sie bald zu dem Schluss, dass du nichts mit dem Tod von Sabine zu tun hast, und die Polizei wird dich in Ruhe lassen.“

„Es nervt mich, dass überhaupt ein Verdacht gegen mich entstanden zu sein scheint“, blaffte Rainer Engelmann. „Du weißt doch selbst, Maria, dass ich kaum Kontakt zu Sabine hatte. Von früh bis abends war ich in der Arbeit, und an den Wochenenden war sie hier kaum anzutreffen, und wenn sie zu Hause war, dann schlief sie - getreu dem Motto: Wer morgens länger schläft hält abends länger aus.“

„Schon gut“, knurrte der Hauptkommissar. „Das wär‘s im Übrigen für den Moment von meiner Seite. Soweit ich informiert bin, waren am Nachmittag unsere Kollegen von der Spurensicherung in der Wohnung. Ich nehme an, dass die Siegel von den Türen entfernt worden sind.“

„Ja“, versetzte Maria Engelmann, „sie haben die Wohnung freigegeben.“

„Schön. Dann bleibt es mir nur, Ihnen eine gute Nacht zu wünschen. Und sollte Ihnen noch irgendetwas einfallen, das für uns von Interesse sein könnte, dann rufen Sie bitte an. Ich lasse Ihnen eine Visitenkarte hier.“ Hauptkommissar Degenhart sprach es, holte eine Visitenkarte aus der Jackentasche und reichte sie Maria Engelmann. Die Frau geleitete die beiden Beamten noch bis zur Gartentür, als die beiden das Grundstück verlassen und sie das Gartentor zugedrückt hatte, sagte sie: „Den Verdacht gegen meinen Mann können Sie fallen lassen. Für Rainer lege ich die Hand ins Feuer. Er hatte noch nie was mit anderen Frauen im Sinn.“

„So manche Frau würde sich glücklich schätzen, mit einem solchen Mann verheiratet zu sein“, antwortete Oberkommissar Kutzer und ein seichtes Lächeln umspielte seinen Mund. Misstrauisch musterte ihn Maria Engelmann, und sicher fragte sie sich, ob in dieser Aussage nicht ein gewisses Maß an Spott enthalten war.

„Ja, ich schätze mich glücklich!“, stieß sie mit scharfer Stimme hervor und schoss dem Oberkommissar einen vernichtenden Blick zu. „So mancher, der sich einbildet, über den Dingen zu stehen, könnte sich sicherlich von meinem Mann eine Scheibe abschneiden.“

„Es gibt sicher Frauen, die dies von ihrem Mann nicht behaupten können“, sagte Hauptkommissar Degenhart mit ruhiger Stimme. „Und das meine ich ernst, Frau Engelmann.“

Auch ihn traf ein argwöhnischer Blick der Frau, man konnte ihren Gesichtsausdruck jetzt als verkniffen bezeichnen, doch plötzlich wandte sie sich wortlos ab und entfernte sich in Richtung der Haustür.

„Fahren wir zu den Eltern der Getöteten“, sagte Degenhart, als sie im Dienstwagen saßen. „Jetzt dürfte auch Albert Stauber anzutreffen sein.“

Von der Berliner Straße bis zur Dr. Seeling Straße war es nur ein Katzensprung. Die Eltern von Sabine Moos, Albert und Annette Stauber, wohnten im zweiten Stock eines Wohnblocks. Allerdings war die Haustür verschlossen und Degenhart läutete. Aus dem Lautsprecher der Gegensprechanlage erklang es gleich darauf: „Stauber. Wer ist da?“

„Hauptkommissar Degenhart und Oberkommissar Kutzer von der Polizeiinspektion Weiden“, antwortete Degenhart.

„Sie kommen sicher wegen des Mordes an meiner Tochter. Bitte, kommen Sie herauf.“

Der Türöffner summte, Kutzer drückte die Haustür auf und schaltete die Treppenhausbeleuchtung ein. Die beiden Beamten stiegen die Treppe empor und unter der Wohnungstür in der zweiten Etage erwartete sie bereits Albert Stauber. Er war vierundfünfzig Jahre alt, mittelgroß und hatte eine Halbglatze. Der Haarkranz über seinen Ohren war grau meliert. Degenhart reichte ihm die Hand und stellte sich noch einmal vor. Nachdem ihn auch Oberkommissar Kutzer begrüßt hatte, bat Albert Stauber die beiden Polizisten in die Wohnung. Im Wohnzimmer saß Annette Stauber, eine etwas verhärmt wirkende Frau von zweiundfünfzig Jahren in einem der taubenblauen Sessel und musterte mit vom Weinen geröteten Augen die beiden Besucher.

„Es ist richtig“, begann der Hauptkommissar, „wir kommen wegen Ihrer Tochter Sabine. Zunächst einmal möchte ich Ihnen mein Beileid und meine Anteilnahme aussprechen. Ich kann mir vorstellen, wie Ihnen zumute ist.“

„Dem schließe ich mich an“, gab Oberkommissar Kutzer zu verstehen.

„Danke“, sagte Albert Stauber und wies auf die Couch. „Nehmen Sie doch Platz. Sie haben sicher mehr als nur ein paar Fragen an uns, und im Sitzen spricht es sich leichter.“

Die beiden Beamten ließen sich nieder.

„Als ich von dem Leichenfund bei der heiligen Staude im Radio hörte“, murmelte Albert Stauber, der sich ebenfalls gesetzt hatte, „dachte ich sofort an Sabine. Ich habe es nur nicht laut ausgesprochen, denn ich wollte meine Frau nicht unnötig ängstigen. Leider hat es sich bewahrheitet.“

„Es ist tragisch“, gab Degenhart zu verstehen, „aber leider nicht mehr zu ändern. Uns bleibt es nur, zu versuchen, denjenigen, der schuld ist am Tod Ihrer Tochter, zu überführen und vor Gericht zu bringen.“

„Es war Bernhard!“, zischte Annette Stauber. „Er hat Sabine umgebracht und bei der Heiligen Staude abgelegt wie ein Stück Abfall.“

Hauptkommissar Degenhart heftete seinen Blick auf die Frau, in deren Augen sich eine ganze Gefühlswelt spiegelte; da war alles zu lesen zwischen unsäglicher Trauer und seelischem Schmerz bis hin zum vernichtenden Hass. Degenhart war geradezu peinlich berührt, wechselte mit seinem Kollegen einen schnellen, bedeutungsvollen Blick und schaute schließlich wieder Annette Stauber an. „Das ist eine schwere Anschuldigung, Frau Stauber. Gibt es irgendwelche Fakten, außer der Tatsache, dass Ihre Tochter und Ihr Schwiegersohn in Scheidung lebten, die Ihre Behauptung untermauern?“

„Wer sonst außer Bernhard sollte sie umgebracht haben? Sabine hatte keine Feinde, und Bernard hat gedroht, sie fertigzumachen. Er war so etwas von gehässig, und Sabine hatte regelrecht Angst vor ihm. In seiner Wut, glaube ich, ist Bernhard zu allem fähig, sogar zu einem Mord.“

„Ihr Schwiegersohn hat Ihrer Tochter gedroht?“, versicherte sich der Hauptkommissar, richtig gehört zu haben. Doch ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er sogleich fort: „Inwiefern hat er Ihrer Tochter gedroht, wann erfolgte die Drohung und wie war ihr genauer Wortlaut?“

„Wir können Ihnen nur sagen, was wir von Sabine erfahren haben“, antwortete anstelle der Frau Albert Stauber. „Sie ist Anfang Januar aus der Wohnung in Altenstadt ausgezogen. Sie und Bernhard hatten sich total auseinandergelebt und waren nur noch wegen der Kinder zusammen. Als Sabine mit ihren wenigen Habseligkeiten die Wohnung verließ, rief er ihr hinterher, dass sie die Kinder nie wieder sehen und dass er dafür sorgen würde, dass sie keinen Fuß mehr auf die Erde bekäme. Er meinte auch, dass er es versäumt habe, ihr öfter mal eine zu schmieren. Sie solle sich zum Teufel scheren, schrie er, und wenn sie eines Tages mit der Schnauze im Dreck liege solle sie ja nicht denken, dass sie dann zu ihm zurückkehren könne.“

„Das ist die Version, wie sie Ihnen Ihre Tochter erzählt hat“, stellte Degenhart fest. „Aus dem Mund Ihres Schwiegersohnes hört sich die Geschichte ein wenig anders an. Danach hat Ihre Tochter ihn und die Kinder verlassen, weil sie der Meinung war, in ihrem Leben etwas versäumt zu haben und dies nachholen müsse. Dabei wären ihr die Kinder im Weg, sodass sie sie bei ihrem Mann zurückließ.“

„Bernhard lügt wie gedruckt!“, knirschte Albert Stauber. „Aber das muss er ja sagen, damit er jeden Verdacht von sich abwehren kann. Er hat als Kfz-Mechaniker gearbeitet. Als er damals hinter unserer Tochter her war wie der Teufel hinter der armen Seele, versprach er ihr das Blaue vom Himmel herunter, er betonte immer wieder, dass er die Meisterprüfung und sich selbstständig machen würde. Lauter leere Versprechungen. Er hat in den zehn Jahren, in denen sie verheiratet waren, fünf oder sechs Mal die Arbeitsstelle gewechselt, war dazwischen immer wieder arbeitslos und alles, was er damals so großspurig versprochen hat, hat sich auf der ganzen Linie in Rauch aufgelöst. Der Bernhard hat sich als Windbeutel entpuppt. Und wenn man ihn auf seine leeren Versprechungen angesprochen hat, ist er unverschämt geworden. Ob wir wohl der Meinung wären, er habe einen Geldscheißer, fragte er uns dann in einem Ton, der einem Angst machen konnte. Die Meisterprüfung koste einen Haufen Geld und nachdem er von uns nicht finanziell unterstützt werde, könne er einen Dreck tun aber nicht die Meisterprüfung machen, das waren immer seine Argumente.“

„So eine Meisterprüfung kostet in der Tat sehr viel Geld“, bemerkte Oberkommissar Kutzer. „Als Kfz-Mechaniker wird Ihr Schwiegersohn auch nicht gerade Reichtümer verdient haben, Ihre Tochter hat lediglich geringfügig gearbeitet und eine vierköpfige Familie will unterhalten werden.“

„Aber wir konnten ihnen doch auch nichts geben, oder denken Sie, ich habe Reichtümer verdient? Meine Frau war immer zu Hause und hat die Kinder versorgt, bis sie ausgezogen sind und sich auf eigene Beine gestellt haben. Sollte ich sie auf ihre alten Tage noch arbeiten schicken?“

„Um über den beruflichen Werdegang Ihres Schwiegersohnes zu diskutieren sind wir nicht hier“, verlieh Hauptkommissar Degenhart dem Gespräch eine Wendung und fügte sogleich hinzu: „Fakt ist, dass Ihre Tochter ihren Mann verlassen wollte, was sie Anfang Januar dieses Jahres auch in die Tat umsetzte. Dass sie ihrem Mann vorwarf, ihr die besten Jahre ihres Lebens gestohlen zu haben, wird im Hinblick darauf, dass sich Ihre Tochter nach ihrem Auszug aus der ehelichen Wohnung verschiedenen Männern zuwandte, glaubhaft. Sie hatten, wenn ich richtig informiert bin, bis zuletzt Kontakt zu Ihrer Tochter. Hat sie Ihnen gegenüber irgendwann einmal den Namen Daniel erwähnt?“

„Das ist doch auch eine Lüge Bernhards!“, fauchte Annette Stauber und funkelte mit ihren Augen den Hauptkommissar an. „Der will doch nur von sich ablenken und die Polizei auf eine falsche Spur setzen. Verhaften Sie ihn und nehmen Sie ihn in die Mangel. Und Sie werden sehen …“

„Das geht nicht so einfach“, fiel Oberkommissar Kutzer der Frau ins Wort. „Bis jetzt gibt es nämlich nicht den geringsten greifbaren Hinweis darauf, dass Ihr Schwiegersohn den Tod Ihrer Tochter verschuldet hat.“

„Er war‘s! Dafür verwette ich meinen Kopf!“

„Dass es verschiedene Männer im Leben Ihrer Tochter gab, nachdem sie sich von ihrem Mann trennte, ist Fakt“, mischte sich wieder der Hauptkommissar ein. „Daher stelle ich noch einmal die Frage, ob Ihre Tochter Ihnen gegenüber irgendwann einmal den Namen Daniel oder einen anderen männlichen Namen vielleicht sogar im Zusammenhang mit einem Familiennamen erwähnt hat.“

Albert Stauber schaute seine Gattin fragend an, doch die schüttelte den Kopf und stieß hervor: „Sabine hat nie irgendeinen Namen erwähnt. Doch versicherte sie uns immer wieder, dass sie die Kinder nicht bei Bernhard lassen werde. Sobald sie eine geeignete Wohnung haben würde, wollte sie ihren Rechtsanwalt beauftragen, einen Sorgerechtsantrag beim Amtsgericht zu stellen, wonach ihr das Sorgerecht für die beiden Kinder zugesprochen werden sollte. Wenn Bernhard behauptet, sie wollte die Kinder nicht, weil sie ihr im Weg gestanden hätten, dann ist das doch auch eine schmutzige Lüge. Was denken Sie, wie sehr es Sabine zugesetzt hat, dass die Kinder nicht bei ihr waren. Wie oft hat sie hier bei uns gesessen und bittere Tränen deswegen vergossen.“

„Wie war Ihr Verhältnis zu Ihrem Schwiegersohn, ehe sich Ihre Tochter von ihm getrennt hat?“

„Nun ja, man kann nicht sagen, dass es besonders gut gewesen wäre, es war aber auch nicht schlecht. So richtig gemocht habe ich Bernhard aber nie, und das gilt auch für meine Gattin. Uns ist sehr schnell klar geworden, dass er nur ein Großmaul ist. Natürlich haben wir immer gute Miene zum bösen Spiel gemacht, damit er uns die Enkelkinder nicht vorenthält. Nachdem Sabine tot ist, werden wir wohl die beiden Kleinen überhaupt nicht mehr sehen.“

„Nur weil er die Meisterprüfung nicht gemacht hat, ist er in Ihren Augen ein Großmaul respektive ein Versager?“, platzte es fast ungläubig aus dem Mund von Oberkommissar Kutzer.

„Er hätte halt das Maul nicht so voll nehmen sollen“, antwortete Albert Stauber. „Er hat Erwartungen in unserer Tochter geweckt, die er niemals erfüllte. Sie lebten von der Hand in den Mund und Bernhard unternahm nicht einen einzigen Versuch, dies zu ändern.“

Hauptkommissar Degenhart kam zu dem Schluss, dass dieses Gespräch ihn und seinen Kollegen Kutzer nicht weiterbrachte, daher sagte er: „Ich denke, Karl, wir machen für heute Schluss.“

Oberkommissar Kutzer nickte und erhob sich, als hätte er nur darauf gewartet, dass sein Kollege das Gespräch beendete.

4. Kapitel

Als sie zur Polizeiinspektion in der Regensburger Straße fuhren, sagte Oberkommissar Kutzer: „Die beiden haben ja kein gutes Haar an Bernhard Moos gelassen. Wenn‘s nach denen ginge, müssten wir ihn heute noch festzunehmen, ihn die Nacht über einer peinlichen Befragung unterziehen und morgen früh öffentlich hinrichten. Hast du mitbekommen, mit welchem Hass in der Stimme die Frau gesprochen hat? Das war ja geradezu erschreckend.“

„Auch Maria Engelmann hat uns nicht viel Gutes über Bernhard Moos erzählt“, gab der Hauptkommissar zu verstehen. „Die Trennung der beiden scheint, wenn man Frau Engelmann glauben kann, nicht so friedlich abgelaufen zu sein, wie es uns Moos glauben machen wollte. Natürlich kann die Trennung ein Motiv für die Tat gewesen sein. Ich denke, wir sollten uns morgen früh noch einmal mit Moos unterhalten.“

„Ja, das sollten wir in der Tat. Den Mann, der nicht stocksauer ist, wenn ihn die Frau sitzen lässt, gibt es nicht.“

„Das sehe ich auch so.“

Von nun an schwiegen die beiden Beamten. Es war in der Zwischenzeit ziemlich dunkel geworden, hinter den Fenstern der Häuser brannten die Lichter, die Straßenlaternen warfen gelbe Lichtkleckse auf die Fahrbahn und die Gehsteige. Der Feierabendverkehr war längst vorbei und auf den Straßen Weidens war nicht mehr allzu viel los. Auf der Straße waren nur noch jene Bürger unterwegs, die schnell noch etwas einkaufen wollten, weil spätestens um 20 Uhr auch die Discounter und Großmärkte schlossen.

Degenhart und Kutzer stiegen nicht sofort in ihre Privatautos um, sondern suchten noch ihre Büros auf, um jeweils ihr elektronisches Postfach zu sichten und alles, was tagsüber auf ihren Schreibtischen gelandet ist, einem kurzen Augenschein zu unterziehen.

Schon drei Minuten später erschien Kutzer im Büro seines Kollegen. „Ich hab nichts bekommen, was von Bedeutung für unseren Fall ist“, erklärte er.

„Hier - die Kollegen waren schnell“, sagte Hauptkommissar Degenhart und hielt ein Blatt Papier in die Höhe. „Der Mann, von dem nur der Vorname Daniel bekannt war, hat den Familiennamen Smola, er wohnt in Regensburg und hat sich Sabine Moos in einer E-Mail als Bauingenieur vorgestellt.“

„Ist seine genaue Anschrift bekannt?“, fragte Kutzer.

„Ja. Er wohnt in der Landshuter Straße. Wir werden morgen sofort die Kollegen in Regensburg einschalten und ihn vernehmen lassen.“ Degenhart legte das Blatt Papier auf den Schreibtisch zurück und sichtete den Rest des Posteingangs. Es war nichts darunter, was mit ihrem aktuellen Fall zu tun gehabt hätte, und nachdem Degenhart auch seinen E-Mail-Eingang gesichtet hatte, traten die beiden Beamten den wohlverdienten Feierabend an.

Am darauffolgenden Tag, kurz nachdem sie um 8 Uhr ihren Dienst angetreten hatten, nahm Hauptkommissar Degenhart mit der Kripo in Regensburg telefonisch Verbindung auf. Er erklärte dem Kollegen am anderen Ende der Strippe worum es ging, wies darauf hin, dass ein entsprechendes schriftliches Amtshilfeersuchen noch an diesem Tag die Polizeiinspektion verlassen würde und dass man in Regensburg keine Zeit verlieren sollte. Er vergaß nicht zu erwähnen, dass Daniel Smola einer der Hauptverdächtigen im Fall Sabine Moos war.

Der Kollege von der Kripo Regensburg versprach ihm, unverzüglich tätig zu werden, sobald das Amtshilfeersuchen eingegangen sein würde, Degenhart bedankte sich und beendete das Gespräch, legte den Hörer auf und wollte sich erheben als das Telefon läutete. Degenhart verzog den Mund, schnappte sich aber dennoch den Hörer, hob ihn vor sein Gesicht und nannte seinen Namen sowie die Dienststelle.

„Ich kann Ihnen sagen, wer Sabine Moos über den Jordan geschickt hat“, sagte jemand, ohne vorher gegrüßt und seinen Namen genannt zu haben.

Das Gesicht Degenhart verschloss sich, seine Lippen wurden schmal, er hasste nichts so sehr wie anonyme Anrufer. Meistens wollten sie nur jemand, dem sie nicht freundlich gesinnt waren, eins auswischen. Einen Augenblick lang war Degenhart nahe daran, einfach aufzulegen. Doch dann überwand er sich und sagte: „Wenn Sie so gut Bescheid wissen, dann raus mit der Sprache.“

„Bekomme ich eine Belohnung, wenn ich Ihnen den Namen des Mörders verrate?“

Widerlich!, schoss es Degenhart durch den Kopf. Unterste Schublade! Laut sagte er: „Nein, eine Belohnung wurde nicht ausgesetzt, ich kann also damit nicht dienen. Aber es gibt staatsbürgerliche Pflichten, für die man nicht bezahlt werden muss. Eine dieser Pflichten ist es, Straftäter den Verfolgungsbehörden auszuliefern, soweit sie bekannt sind.“

„Ein paar Euro wäre das schon wert, was ich Ihnen zu sagen habe. Aber da ist wohl nichts zu machen, wie?“

„Gar nichts. Unabhängig davon wüsste ich auch gar nicht, an wen die Belohnung auszuzahlen wäre.“

Oberkommissar Kutzer betrat in diesem Moment das Büro Degenharts. Der Hauptkommissar aktivierte den Lautsprecher des Telefonapparats, so dass sein Kollege hören konnte, was der anonyme Anrufer noch von sich zu geben hatte.