Kruento - Der Schleuser - Melissa David - E-Book

Kruento - Der Schleuser E-Book

Melissa David

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Beschreibung

Eine Vampirin auf der Flucht, ein einsilbiger Schleuser und Gefühle, die alles durcheinanderbringen.

Delina soll den brutalen Blutfürsten der Sjüten heiraten und erkennt mit Entsetzen, welch schreckliches Schicksal ihr mit dieser Verbindung bevorsteht. Als ihr überraschend die Chance zur Flucht angeboten wird, ergreift sie diese kurzerhand und flieht Hals über Kopf in die USA. Thor, der wortkarge Schleuser des Bostoner Clans, stellt sie unwillig und nur dank eines mächtigen Fürsprechers unter seinen persönlichen Schutz. Abgeschreckt und fasziniert zugleich, merkt Delina schnell, dass mehr in Thor steckt, als der einsilbige, dunkelhäutige Krieger preisgeben will. Aber auch der Schleuser spürt, dass die schöne Vampirin aus Europa mehr als ein Job für ihn ist. Doch nicht nur die Schatten ihrer Vergangenheit stehen ihnen im Weg, auch ganz reale Bedrohungen stellen die Gefühle, die beide schon bald füreinander hegen, vor große Herausforderungen.

Jedes Buch ist in sich abgeschlossen.

Die Reihe im Überblick
Kruento - Heimatlos (Novelle)
Kruento - Der Anführer (Band 1)
Kruento - Der Diplomat (Band 2)
Kruento - Der Aufräumer (Band 3)
Kruetno - Der Krieger (Band 4)
Kruento - Der Schleuser (Band 5)
Kruento - Der Informant

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Inhalt

Klappentext

Impressum

Kruento

Vorwort

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Über die Autorin

Weitere Bücher

Kruento

Die Chroniken von Usha

Cheetah Manor

Glossar

Klappentext

Delina soll den brutalen Blutfürsten der Sjüten heiraten und erkennt mit Entsetzen, welch schreckliches Schicksal ihr mit dieser Verbindung bevorsteht. Als ihr überraschend die Chance zur Flucht angeboten wird, ergreift sie diese kurzerhand und flieht Hals über Kopf in die USA.

Thor, der wortkarge Schleuser des Bostoner Clans, stellt sie unwillig und nur dank eines mächtigen Fürsprechers unter seinen persönlichen Schutz. Abgeschreckt und fasziniert zugleich, merkt Delina schnell, dass mehr in Thor steckt, als der einsilbige, dunkelhäutige Krieger preisgeben will. Aber auch der Schleuser spürt, dass die schöne Vampirin aus Europa mehr als ein Job für ihn ist. Doch nicht nur die Schatten ihrer Vergangenheit stehen ihnen im Weg, auch ganz reale Bedrohungen stellen die Gefühle, die beide schon bald füreinander hegen, vor große Herausforderungen.

Impressum

E-Book

1. Auflage November 2018

205-346-01

Melissa David

Mühlweg 48a

90518 Altdorf

Blog: www.mel-david.de 

E-Mail: [email protected] 

Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

www.juliane-schneeweiss.de

Bildmaterial: © Depositphotos.com

Lektorat, Korrektorat:

Jana Oltersdorff

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form bedürfen der Einwilligung der Autorin.

Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Kruento

Der Schleuser

Band 5

von

Melissa David

Vorwort

Lieber Leser,

dieses Buch enthält ein Glossar, das sich im Anschluss der Geschichte befindet. In diesem Glossar werden unbekannte Begriffe erklärt. Wenn du das Glossar vorab lesen möchtest, bitte hier klicken.

Um auch die Vampirbegriffe, die im Buch verwendet werden, zu verstehen habe ich unbekannte Wörter beim ersten Auftauchen direkt zur Erklärung verlinkt. Du musst also nur draufklicken. In der Regel kommst du mit „zurück“ wieder zur aktuellen Textstelle.

Ich hoffe, dir ist das Glossar eine Hilfe, um die Welt der Kruento besser zu verstehen. Solltest du technische Probleme haben, kannst du dich gerne unter [email protected] an mich wenden.

Du möchtest noch tiefer in die Welt von Kruento eintauchen? Auf meinem Blog findest du spannende Artikel mit Hintergrundinformationen über die Kruento.

Nun wünsche ich dir viel Spaß beim Lesen. Mache dich bereit, und tauche ein in die Welt der Kruento.

Deine Melissa David

Kapitel 1

Thor parkte den SUV mit den verdunkelten Scheiben direkt vor dem Backsteinhaus der sicheren Unterkunft und stieg aus. Die Abläufe waren ihm inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. Er streckte sich auf geistiger Ebene aus und suchte die Umgebung ab. Keine Gefahr zu spüren. Die Anwesenheit der vierköpfigen Familie war gut verborgen in der sicheren Unterkunft und damit nicht spürbar – genau so, wie es sein sollte. Er war der einzige weitere Kruento in der Nähe. Während er über die Straße zum Haus ging, blieb er wachsam und suchte routiniert weiter sein Umfeld ab. Er durfte nicht unachtsam werden, nie. Jede noch so kleine Nachlässigkeit konnte verheerende Folgen haben. Die New Yorker Kruento hatten es schon einige Male geschafft, ihn aus dem Hinterhalt anzugreifen. Er konnte es sich nicht leisten, die sichere Unterkunft zu verlieren. Die Vampirfamilie wäre dagegen entbehrlich, sie waren ohnehin dem Tod geweiht. So zu sterben hatten sie allerdings nicht verdient, und deswegen würde er alles daransetzen, dass sie im Verborgenen blieben.

Mit schnellen Schritten betrat er das Haus. Es verfügte über keinen Aufzug, was ihn nicht störte. Mühelos ließ er die drei Stockwerke hinter sich. Von außen sah die Wohnungstür aus wie jede andere. Nur er wusste von dem Maca-Depot im Türblatt, das den Duft der Kruento verschleierte. Thor hämmerte in einem vorher ausgemachten Rhythmus gegen die doppelt verstärkte Holztür, die auch den Kräften eines Kruento für ein paar Minuten standhalten würde.

Er liebte seinen Job als Schleuser. Er gehörte einem Clan an und hatte seine Leute dennoch nicht ständig um sich. Aufgrund der Distanz von Boston zu New York gab es etliche Verpflichtungen, die er als Soya nicht wahrnehmen musste, ohne dass es ihm jemand übel nahm. Die Kruento, die in sein Leben traten, verschwanden spätestens nach ein paar Tagen wieder. Er war sein eigener Herr, bestimmte seine Arbeit und sein Tempo. Niemand redete ihm rein. Die Schleusertätigkeit war der perfekte Job für ihn. Dennoch gab es Schattenseiten, zum Beispiel die Tatsache, dass der New Yorker Clan nichts unversucht ließ, um ihn zu sabotieren und er deshalb immer auf der Hut sein musste. Auch die eine oder andere Entscheidung verabscheute er und doch hatte er bisher jeden Auftrag zu Ende ausgeführt.

Mori Esmu, ein rundlicher Vampir, um einiges kleiner als der Schleuser und mit einem deutlichen Bauchansatz, ließ ihn eintreten.

„Schleuser“, grüßte der Mori ihn ehrfürchtig und vermied Blickkontakt.

„Packt eure Sachen, wir müssen los!“, sagte Thor tonlos und verschränkte die Arme vor der Brust, während er auf die Familie wartete.

„Natürlich!“ Hastig wies der Mori seine Frau und die beiden Kinder an, sich fertig zu machen. „Ich bin so froh, dass der Dominus es sich anders überlegt hat“, sagte das Familienoberhaupt erleichtert.

„Hm“, brummte Thor. Es lag ihm fern, dem Mori die Illusion zu nehmen. Sollte er daran doch glauben. So würden sie freiwillig mitgehen. Wenigstens das. Für ihn war es auch so schon schwer genug, diese Aufgabe zu erledigen. 

Missmutig drehte er sich um und sah in das kleine Wohnzimmer mit der Couch und dem altertümlichen Röhrenfernseher. Warum brauchte die Familie so lange? Wie die meisten Flüchtlinge hatten auch sie kein Gepäck dabei, nur das, was sie am Leib trugen.

Eine hochgewachsene Vampirin, die Samera des Moris, betrat den Flur. Sie überragte ihren Mann um mindestens einen Kopf. Die langen blonden Haare trug sie sorgfältig hochgesteckt. Eine hübsche Vampirin, aber selbst sie hatte er nicht unterbringen können.

„Fertig?“ Die Ungeduld war seiner Stimme deutlich anzumerken.

Der Mori nickte, und Thor wies mit einer Kopfbewegung Richtung Tür. Sie sollten voran gehen, er musste die Wohnung verschließen.

Der Mori ging als Erster, seine Samera Damer folgte ihm. Dann kam ihr Sohn Riu, der erst vor kurzem die Renovation überstanden hatte. Leider war seine Dominanz nicht sonderlich ausgeprägt. Kämpferische Fähigkeiten besaß er auch nicht. Thor hatte sich wirklich Mühe gegeben, aber es war unmöglich, den Jungen zu vermitteln.

Dann kam seine Schwester Nasana. Sie war nicht ganz so hochgewachsen wie ihre Mutter, hatte aber ihre großen Augen und die feinen Gesichtszüge geerbt. Die blonden Haare waren akkurat hochgesteckt. Nur Vampirinnen aus der Alten Welt steckten ihre Haare auch im Alltag hoch, in der Neuen Welt wurde das nur noch zu offiziellen Anlässen praktiziert. Thor hatte in seiner Tätigkeit als Schleuser inzwischen schon so viel gesehen und längst aufgehört, sich zu wundern. Andere Länder, andere Sitten. Ob und wie die Flüchtlinge sich anpassten, gehörte nicht zu seinem Job. Das überließ er den Clans, die die Verantwortung für die Flüchtlinge übernahmen.

Nasana hatte das Ephebenalter bereits hinter sich gelassen. Warum hatten ihre Eltern es versäumt, sie zu verheiraten? Eine ungebundene Vampirin in dem Alter, noch dazu völlig mittellos – welche Chancen hatte sie schon?

Thor schluckte und schloss für einen Moment die Augen. Er konnte sie nicht alle retten. Was ihm möglich war, tat er. Er war nur der Schleuser, sein Aufgabengebiet hatte Grenzen, die ihm an diesem Tag einmal mehr vor Augen geführt wurden. Er hatte wirklich alles versucht. Es gab einfach keinen anderen Ausweg. Er musste es zu Ende bringen.

Thor zog die Tür zur sicheren Unterkunft hinter sich zu und schloss sorgfältig ab. Schon morgen würde er wieder hier sein. Die nächste Lieferung traf noch diese Nacht ein. Ein Vater mit seiner Tochter. Er konnte nur hoffen, dass der Vampir dominanter war als Mori Esmu und dass Blance, der Dominus aus Los Angeles, Verwendung für die beiden Flüchtlinge hatte.

Thor rüttelte an der Tür, schindete damit noch ein paar Sekunden Zeit, ehe er sich umdrehte und der Familie folgte, für die es in der Neuen Welt keine Zukunft gab.

* * *

Wie ein verzaubertes Märchenschloss tauchte das herrschaftliche Anwesen des Blutfürsten vor Delina auf. Die Limousine kroch im Schritttempo den anderen imposanten Wagen hinterher. Dadurch hatte Delina genügend Zeit, die schillernde Umgebung in sich aufzusaugen. Marmorskulpturen lockerten die Blumenbeete zu ihrer Rechten auf, während die dicht stehenden Rotbuchen die Sicht auf das Dahinterliegende versperrten.

Die Einfahrt vor ihnen war mit unzähligen, im Boden eingelassenen Spots ausgeleuchtet, ebenso wie der Fjord zu ihrer Linken. Die Gäste, die nicht wie sie mit dem Auto fuhren, kamen mit dem Boot, und so hatte sich auch dort eine lange Schlange gebildet.

Je näher Delina dem imposanten Haus kam, umso nervöser wurde sie. Diese Nacht würde ihr Leben verändern.

Es hatte niemanden sonderlich überrascht, als der Blutfürst verkündete, sich abermals zu verbinden. Schon vor ein paar Jahren war die Nachricht in aller Munde gewesen, bis die Auserwählte spurlos verschwand. Eine Welle an Gerüchten folgte. Mina Nellisha habe die Renovation nicht überlebt. Andere behaupteten, das Mädchen habe sich ins Ausland abgesetzt. Wieder andere glaubten, sie sei mit einem Vampir durchgebrannt. Welche Version der Wahrheit entsprach, schien niemand zu wissen und da den Gerüchten keine neue Nahrung geliefert wurde, verstummten sie bald wieder.

Sie würde nie die Nacht vergessen, als ihr Vater freudestrahlend nach Hause kam und begeistert erzählte, dass der Vetusta persönlich um Delinas Hand angehalten hatte. Nach der ersten Überraschung blieb die Freude, aber auch ein gewisses Unbehagen. Es war schön, ihren Vater so überglücklich zu sehen. Durch die bevorstehende Verbindung war sie nun endlich keine Enttäuschung mehr für ihn. Der Soya hatte sich sehnlichst einen Sohn gewünscht, stattdessen war sie, ein Mädchen, geboren worden. Egal, was Delina tat, egal, wie sehr sie sich anstrengte, der Soya ließ sie stets spüren, dass eine Tochter nicht gut genug war.

Gleichzeitig wuchsen die Bedenken. Sie hatte den Vetusta bisher nicht persönlich kennengelernt. Sie hatte immer gewusst, dass der Tag kommen würde, an dem ihr Vater ihr einen Homen suchte. Mit einem aufstrebenden Dan, der eines Tages den Titel als Soya erben würde, hätte sie durchaus gerechnet, oder möglicherweise einem der unverheirateten Soyas, aber nie mit dem Blutfürsten selbst. Würde sie überhaupt den Ansprüchen gerecht werden können, die an die Samera des Vetusta gestellt wurden? Sein Titel und seine Macht flößten ihr eine riesige Portion Respekt ein.

In ihren Kleinmädchenfantasien hatte sie sich gewünscht, eines Tages eine Verbindung aus Liebe einzugehen, und noch war sie nicht bereit, ihren Traum aufzugeben. Vielleicht war der Vetusta ganz anders als sein ihm vorauseilender Ruf. Schließlich war sie ihm noch nie begegnet. Bestimmt entsprachen die Gerüchte, die sich um ihn rankten, nicht den Tatsachen. Der Blutfürst konnte privat sicher auch ganz anders sein, als er sich in der Öffentlichkeit zeigen musste. Dort wurde von ihm erwartet, dass er keine Schwäche zeigte und einen Clan führte. Hinter verschlossenen Türen mochte er dennoch sanft sein.

Sie hatten das Haus beinahe erreicht. Auf der Fahrerseite kam ein ausladender Springbrunnen in Sicht. Drei steinerne Frauen saßen auf einem Becken und hielten auf ihren Händen ein weiteres Wasserbecken, auf dem eine vierte Frau thronte. Tauben zierten den Brunnen, aus den Mündern spritzten kleine Fontänen. Delina hatte schon viel über diesen Brunnen gehört. Er war das Gesprächsthema Nummer eins gewesen, als er vor zwei Jahrzehnten gebaut worden war. Böse Zunge behaupteten damals, die drei Frauen seien die ehemaligen Gefährtinnen des Blutfürsten, die vierte Frau, der die Gesichtszüge fehlten, sollte die zukünftige Samera darstellen. Delina duckte sich, um an ihrem Vater vorbei einen Blick auf die Frauenskulptur in der Mitte erhaschen zu können und wirklich, sie hatte kein Gesicht. Würden die Steinmetze eines Tages dieser Frau ein Antlitz geben? Sollte Delina die Vorlage dafür sein?

Endlich hatten sie das Ende der Schlange erreicht. Die Tür der Limousine wurde geöffnet. Zuerst stieg der Mori aus und reichte seiner Samera die Hand. Dann durfte Delina folgen. Es tat gut, sich nach zwei Stunden Autofahrt endlich wieder bewegen zu können. Das schneeweiße Kleid, ein Traum für jedes Mädchen, war so eng geschnürt, dass Delina nicht tief einatmen konnte. Das mit winzigen Perlen bestickte Kleid hatte ihre Tante Aril, die unverheiratete Schwester ihres Vaters, ausgesucht und dabei keinen Gedanken an Delinas Bewegungsfreiheit verschwendet. Gut, dass ihre Rasse auch über längere Zeit ohne Luft auskam, sonst wäre sie längst in Ohnmacht gefallen.

Ihre Mutter drehte sich zu ihr um. Seit der Nachricht, dass Delina sich verbinden würde, war ihre Mutter immer blasser geworden. Beinahe die gesamte Zeit der Nacht verbrachte sie auf ihrem Zimmer. Das vom Weinen aufgeschwollene Gesicht konnte auch heute durch eine dicke Schicht Make-up nicht vollkommen verborgen werden. Ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen, dann wandte sie sich wieder ihrem Homen zu und schritt stumm an seiner Seite der breiten Freitreppe entgegen. Mori Jerric hatte den Kopf hoch erhoben und strahlte vor Glück. Delina spürte die neugierigen Blicke der Gäste. In der Einladung war unmissverständlich um Abendrobe in bunten Farben gebeten worden. Das Privileg der weißen Kleider war den Heiratskandidaten vorbehalten. Eine sjütische Tradition, deren Sinn sich Delina nicht erschloss. Schließlich wusste sie bereits, dass der Blutfürst sie wählen würde. Warum dann eine Auswahl, aus der sie gewählt wurde?

Noch bevor sie die breite Freitreppe erreichten, kam eine unscheinbare Vampirin in einem schwarzen Hosenanzug und weißer Bluse direkt auf sie zu.

„Mi!“, grüßte sie ehrfurchtsvoll. „Ich bin hier, um dich abzuholen. Bitte folge mir!“

Fragend sah Delina ihren Vater an, der sich zu ihr umgedreht hatte. Er nickte und gab ihr damit die Erlaubnis, der Vampirin zu folgen.

Delina hatte damit gerechnet, dass sie an den anderen Gästen vorbei ins Haus gehen würden, doch die Vampirin führte sie an der Treppe vorbei. 

„Wohin bringst du mich?“, erkundigte Delina sich angespannt.

Sie folgten einem schmalen Weg, der zwischen den Rotbuchen verschwand. Als sie durch den Sichtschutz traten, erstreckte sich vor ihnen ein riesiger Garten. Blumen, wohin das Auge nur reichte. Das war kein Garten mehr, das war vielmehr ein Park.

„Bitte!“, ermahnte die Vampirin Delina, die fasziniert stehen geblieben war, um die überwältigenden Blumenbeete und Figuren aus Buchsbäumen zu bewundern. „Wir müssen uns beeilen. Der Blutfürst wird ungehalten werden, wenn er auf dich warten muss.“

Delinas Augen weiteten sich. Sie würde den Vetusta treffen? Noch vor der Zeremonie? Hastig schloss sie zu der Vampirin auf, die sie zielstrebig weiterführte. Sie spürte, wie die Nervosität zunahm und die Begeisterung für den wunderbaren Park erlosch. Ihre Gedanken konzentrierten sich nun ganz auf ihren zukünftigen Homen. Sie wollte einen guten Eindruck bei ihm hinterlassen. Er sollte zu dem Entschluss kommen, dass sie die Richtige war. Sie wollte ihren Vater und ihre Familie stolz machen. Und vielleicht … vielleicht war er ein Mann, den sie lieben konnte, auch wenn er sechshundert Jahre älter war als sie und sie seine vierte Samera werden würde. Wenn sie ihm nur schnell einen Sohn gebären konnte oder für den Anfang wenigstens eine Tochter. Denn das sollte der Grund gewesen sein, warum er Desideria, die dritte Samera, verstoßen hatte. In Schande war sie zu ihrer Familie zurückgekehrt, bis ihr Vater starb. Da ihr Bruder Toke Borg, das neue Familienoberhaupt, nicht bereit gewesen war, für sie zu sorgen, hatte sie sich das Leben genommen. Eine traurige Geschichte und ein Schicksal, das ihr hoffentlich erspart bleiben würde.

Eine weiß gestrichene, mit Gaslichtern beleuchtete Holzterrasse kam in Sicht. Die Vampirin ging direkt darauf zu.

Delina wunderte sich etwas über den ungewöhnlichen Treffpunkt, wagte jedoch nicht, ihre Verwunderung in Worte zu fassen. Sie wollte nicht, dass ihre Klage dem Vetusta zu Ohren kam und er, noch ehe sie ihm persönlich gegenübertreten konnte, ein schlechtes Bild von ihr hatte. Sie war keine hochnäsige und verwöhnte Vampirin. Ihre Eltern hatten sie gut erzogen, und sie beherrschte alle Regeln der Innoka.

„Bitte, warte hier einen Moment, Mi“, bat die Vampirin und verschwand durch eine angelehnte Terrassentür im dunklen Haus.

Delina blieb zurück. Hoffentlich musste sie nicht zu lange warten. Sehnsüchtig sah sie sich nach einer Sitzgelegenheit um. Die Pfennigabsatz-Schuhe bereiteten ihr schon nach dem kleinen Fußmarsch Unwohlsein. Gerne hätte sie sich hingesetzt, um ihren Füßen etwas Erholung zu gönnen. Leider war nur weit und breit kein Stuhl oder eine Bank zu sehen, und die Steinbrüstung sah nicht sonderlich einladend aus. Sie fürchtete außerdem, ihr weißes Kleid dadurch schmutzig zu machen.

Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit, und Delina schrak zusammen, als ein Mann die Terrasse betrat. War das der Blutfürst? Sie war sehr behütet aufgewachsen, und ihre Eltern waren stets bemüht gewesen, ihre Reinheit zu bewahren. Nie war sie mit einem ungebundenen Vampir allein gewesen. Wenn ihre Eltern nicht dabei sein konnten, dann begleitete Tante Aril sie. Doch nun war sie ganz allein. Der Vampir trat ins Licht. Sie sah die blonden Haare und blickte in azurblaue Augen. Ängstlich wich sie zurück. Das war nicht der Blutfürst, dennoch war ihr der Mann nicht gänzlich unbekannt. Es handelte sich um Soya Ducin, einen ungebundenen Vampir. Schon allein deshalb hätte ihr Vater sie nie in seine Nähe gelassen.

„Berne Nox“, grüßte er sie höflich.

„Berne Nox“, murmelte sie und schlug die Augen nieder. Was wollte der Soya hier? War er gekommen, um sie zu holen? Würde er sie zum Blutfürsten führen? Wo war die Vampirin, die sie hergebracht hatte? Ein Anflug von Panik keimte in ihr auf.

„Du bist also die Auserwählte“, stellte er fest und runzelte die Stirn.

War das gut oder schlecht? War er ein Feind oder ein Freund? Delina konnte ihn nicht einschätzen. Sie wusste lediglich, dass er als Soya einer der einflussreichsten Vampire im Clan war. Ihr Vater hatte nie ein schlechtes Wort über den blonden Vampir verloren, der in der Gunst des Blutfürsten ganz oben stand.

„Wie geht es dir?“, erkundigte er sich höflich, und Delina war froh, dass er noch immer auf Distanz blieb.

„Ich bin überglücklich, die Samera des Vetusta zu werden“, entgegnete sie tonlos. Die Worte hatte sie so oft vor dem Spiegel geübt, aber dennoch wusste sie, dass sich die Phrase in diesem Augenblick hohl anhörte.

Die Lippen des Soyas verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. „Gewiss.“ Seine azurblauen Augen bohrten sich tief in sie, schienen bis in ihr Innerstes vorzudringen. Gleichzeitig spürte sie seinen mächtigen Geist, der über ihren strich. Hastig vergewisserte sie sich, dass ihre Schutzwälle intakt waren, und atmete erleichtert auf, als sie diese unversehrt vorfand. Der Soya versuchte nicht, in sie einzudringen, zog sich im nächsten Augenblick sogar komplett zurück.

„Alles Gute, Delina.“ Ein letzter eindringlicher Blick, dann drehte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.

Verblüfft stand Delina da, starrte dem Soya hinterher. Was war das für eine seltsame Begegnung gewesen? Was …?

Bevor sie noch weiter darüber nachgrübeln konnte, kehrte die Vampirin zurück, um Delina abzuholen.

* * *

Es war weit nach Mitternacht. Auch wenn der Verkehr in einer Großstadt wie New York nie ganz zum Erliegen kam, spürte man doch, dass deutlich weniger Autos unterwegs waren. Auf direktem Weg hätte Thor gut eine halbe Stunde gebraucht, doch er hatte beschlossen, sich viel Zeit zu lassen. So drehte er eine Extrarunde durch Harlem und machte einen Abstecher in die Bronx. Sie waren jetzt bereits eine Stunde unterwegs, und noch länger konnte er die Fahrt kaum hinauszögern, ohne Fragen aufzuwerfen. Sämtliche – nicht vorhandene – Verfolger hatten sie ohne jede Frage abgeschüttelt. Innerlich resignierend beschloss er, dass die Zeit gekommen war. Bis zu ihrem Zielort am Rande von New York war es nicht mehr weit.

Nicht nur seine Anspannung, sondern auch die der Familie wuchs mit jeder verstreichenden Minute. Er wusste, wie das Unvermeidliche aussah, das auf ihn zukommen würde. Die Familie, die mit ihm im Auto saß, war dagegen absolut ahnungslos. Sie schwankten zwischen Hoffen auf eine Zukunft in der Neuen Welt und Bangen, ob der Dominus aus Dallas sie aufnehmen würde. Thor würde ihnen nicht sagen, dass Dominus Donell bereits nach Dallas zurückgekehrt war. Er hatte sich die Familie vor zwei Tagen angesehen, war dazu sogar persönlich aus Dallas hergekommen. Allerdings hatte er sich gegen Mori Esmu entschieden, weil dieser ihm viel zu unterwürfig war. Er brauchte Leute mit Rückgrat, mit Kampfwillen, die die Zähne zusammenbeißen konnten. Und damit war die Familie raus aus dem Rennen.

Thor erreichte das etwas abseits gelegene Industrieviertel. Ein paar Querstraßen weiter gab es einige verlassene Fabrikgebäude. Der perfekte Ort für das, was er plante. An einen ähnlichen Platz, ein anderes Industriegebiet am anderen Ende von New York, hatte er die Familie bereits vor zwei Tagen gebracht. Dort hatten sie sich mit Dominus Donell getroffen. Thor bog ab, umfuhr im großen Bogen den Zielort, ehe er sich ihm von hinten näherte. Die Einfahrt stand offen. Er gab noch einmal Gas, schoss durch das geöffnete Metalltor und bremste erst direkt vor dem Gebäude scharf ab. Das schockierte Aufkeuchen der weiblichen Familienmitglieder nahm er mit einem kleinen Lächeln zur Kenntnis.

„Hier sind wir!“, erklärte er und deutete auf die Metalltür, die direkt vor ihnen lag.

Sie stiegen aus. Der Mori schob seine Familie ungeduldig vorwärts. Thor wartete, bis sie hinter der Tür verschwunden waren. Er musste noch etwas aus dem Kofferraum holen und öffnete die Heckklappe. Nie würde er das, was jetzt kam, routiniert ausführen. Es war jedes Mal anders, und es fiel ihm jedes Mal schwer. Er hatte gelernt, damit umzugehen, wusste, dass er seinen Verstand ausschalten musste. Keine Gewissensbisse, keine Reue. Das gehörte zu seinem Job. Es gab Dinge, die getan werden mussten. Für den Clan und auch für seine Rasse. Nichts wäre für den Frieden gefährlicher als eine Reihe Clanloser, die unkontrolliert durch die Neue Welt streiften.

Der Kofferraum war so gut wie leer. Er enthielt nur einen Benzinkanister und ein japanisches Langschwert, eingehüllt in eine Decke. Thor griff nach dem Katana, einer Maßanfertigung, die perfekt in der Hand lag. Seine Hand schloss sich fest um das Saya, die Schwertscheide. Beherzt schloss er den Kofferraum und betrat die Fabrikhalle.

„Sind wir hier richtig?“, fragte Mori Esmu irritiert.

„Ja.“

„Wann wird der Dominus eintr…“ In diesem Moment fiel der Blick des Moris auf die Waffe in der Hand des Schleusers. „Was …?“, stammelte er entsetzt und wich zurück.

Der Moment war gekommen. Er musste handeln, und zwar schnell. Jede Sekunde, die er zögerte, verlängerte er das Leiden der Familie. Mit einer geschmeidigen Bewegung zog er das Katana aus der Scheide. Ihm am nächsten stand der Mori, schützend vor seiner Frau und der Tochter. Thor hob das Schwert, rannte auf sie zu. Er sah, wie der Mori panisch den Arm hob, seine Familie schützen wollte. Er holte aus und durchtrennte mit einem einzigen Schlag die Hälse der drei Vampire. Der durchdringende Schrei von Riu hallte durch die Halle. Der Ephebe versuchte fortzulaufen. Doch er hatte keine Chance, nicht gegen einen Soya wie ihn. Mit einem gezielten Schlag gegen die geistigen Schutzschilde des Jungen drang er in dessen Kopf ein und nötigte ihn stehenzubleiben. In Bruchteilen von Sekunden war er hinter ihm, sodass er dem Epheben nicht ins Gesicht sehen musste, während er ihm den Kopf abtrennte. Er holte aus und köpfte ihn. Der Schädel schlug mit einem dumpfen Geräusch am Boden auf und rollte noch etwas weiter. Der Körper fiel in sich zusammen. Auch wenn der Ephebe nicht viel Blut in seinem Körper gehabt hatte und in den nächsten Stunden hätte trinken müssen, war noch genug von dem roten Lebenssaft vorhanden, um den Beton zu tränken.

Es war geschafft! Reglos verharrte Thor, sah zu, wie das Blut sich verteilte. Ein paar Meter weiter lagen in einer riesigen Blutlache die anderen drei Körper. Er schloss die Augen, wollte das Bild, welches sich schon jetzt in seinem Kopf eingebrannt hatte, nicht sehen. Es war noch nicht ganz vorbei. Der schwierigste Teil seines Auftrags war erledigt, aber noch konnte er sich nicht dem Vergessen hingeben. Er hatte noch etwas zu tun. Das blutverschmierte Katana wischte er an dem noch halbwegs sauberen T-Shirt des Epheben ab. Dann erhob er sich, steckte das Schwert zurück in die Scheide und verließ die Fabrikhalle. Aus dem Kofferraum holte er den Benzinkanister und ging zurück zu den Leichen. Großzügig verteilte er den Inhalt des Kanisters zwischen den leblosen Körpern. In ein paar Minuten würde alles in Flammen aufgehen und so heiß und vollständig verbrennen, dass die anrückende Feuerwehr alle Hände voll zu tun hatte, den Brand einzudämmen. Die Fabrik war verlassen, dem Eigentümer würde er sogar einen Gefallen damit tun, das alte Gebäude niederzubrennen. In den Trümmern würde man keine Überreste finden – zumindest nicht von den Kruento. Seine Rasse war robust, aber sie hatten eine Schwäche: Sie brannten gut. Er zog ein Streichholz heraus, zündete es an und ließ es zu Boden fallen. Schnell breiteten sich die Flammen aus, züngelten am Boden entlang. Thor stand vor einem Meer aus Feuer und sah zu, wie die Körper von der Hitze verzehrt wurden. Langsam drehte er sich um und verließ das Gebäude. Er fühlte nichts, als er in sein Auto einstieg und in die dunkle Nacht davonbrauste. Dieser Zustand sollte möglichst lang anhalten, deswegen würde er sich auf direktem Weg nach Manhattan machen. Dort, in einem unscheinbaren dreistöckigen Mietshaus, verbarg sich sein Stammbordell. Nur exklusiven Mitgliedern wurde der Zugang gewährt. Es waren immer ein paar Mädchen frei. Zwei von ihnen würde er heute beglücken. Die eine konnte sich um seine körperlichen Bedürfnisse kümmern, von der Zweiten würde er sich nähren. Die restliche Nacht wollte er nur vergessen.

In der Ferne hörte er Sirenengeheul. Er wusste, wohin sie fuhren. Er war jedoch in entgegengesetzter Richtung unterwegs. Die Straßen waren frei, und so drückte er aufs Gas, auch wenn das hieß, ein paar Verkehrsregeln zu brechen.

Kapitel 2

Das Haus war von innen mindestens so beeindruckend wie von außen. Durch die Terrassentür waren sie in das Haus gelangt. Sie befanden sich in einer Bibliothek oder etwas Ähnlichem. Unmengen von Büchern drängten sich in Regalen bis unter die Decke. Gerne hätte Delina sich in einen Sessel gesetzt und in den Büchern geschmökert, doch ihre Begleiterin drängte sie zum Weitergehen. Der Flur mit seinem Marmorboden und den weiß gestrichenen Wänden war schlicht gehalten. Nur der Stuck mit den goldenen Verzierungen ließ die Exklusivität des Hauses erahnen. Die Vampirin wählte ein flottes Tempo. Delina gab sich Mühe, den Anschluss nicht zu verlieren, und wäre beinahe in die junge Frau hineingelaufen, als diese abrupt stehen blieb.

„Warte hier noch einen Moment. Der Vetusta wird gleich kommen“, erklärte sie und schob Delina in ein geräumiges Wohnzimmer. Die Tür wurde hinter ihr zugezogen, und sie war allein. Unbehaglich sah sie sich um, musterte die barocken Möbel. Überall sattes Purpur und verschnörkeltes, golden gestrichenes Holz. Die farblich passenden Vorhänge und der dekadente Kronleuchter ließen den Raum nur noch überladener wirken.

Ihr Blick glitt zur Standuhr. Noch eine halbe Stunde bis Mitternacht, dann sollte die Zeremonie beginnen. Wann würde der Vetusta kommen? Sie musste doch noch zu den anderen Mädchen gebracht werden, die gemeinsam mit ihr in die Halle einzogen. Erst dort würde er sie offiziell erwählen. Drei Stunden lang würde die Feier dauern, den krönenden Abschluss bildete ihre Verbindung mit dem Blutfürsten. Während für sie ein neues Leben begann, würden die Gäste nach Hause gehen, in ihre gewohnte Umgebung, und die morgige Nacht würde für sie wie jede sein.

Delinas Hände zitterten. Sie sah auf das samtene Sofa und überlegte, ob sie es wagen sollte, sich zu setzen. Aber dann würde das Kleid ihr das Atmen noch mehr erschweren. Ein Umstand, der nicht unbedingt dazu beitrug, dass sie ruhiger wurde. Quälend langsam verstrichen die Minuten. Es war beinahe eine Erlösung, als Delina Geräusche hörte. Die Tür wurde polternd aufgerissen. Ihr Hals war wie zugeschnürt, und sie musste das Atmen nun völlig einstellen. Der Vampir vor ihr war so ganz anders, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Haldor Salverson war kleiner als erwartet. Durch die hohen Absätze und die aufgesteckten Haare war sie vermutlich ebenso groß wie er. Unter seinem schwarzen Frack spannten sich die Muskeln, als er sich in Bewegung setzte und eintrat. Mit einem lauten Knall warf er die Tür hinter sich ins Schloss. Trotz seiner geringen Größe war unverkennbar, dass er der Vetusta war. Seine Ausstrahlung schüchterte sie auf der Stelle ein. Eine dichte Aura aus Macht und purer Dominanz umgaben ihn. Dieser Mann machte durch seine bloße Präsenz klar, dass er Widerspruch nicht duldete und alles nach seiner Vorstellung laufen musste.

Langsam kam er näher. Delina hatte Angst, ihn direkt anzublicken, und so klebten ihre Augen auf den blank polierten Lackschuhen.

„Du bist also Delina.“ Seine Stimme war kalt und berechnend und jagte ihr einen Schauer über den Rücken.

„Sieh mich an!“, donnerte er ihr einen unmissverständlichen Befehl entgegen.

Delina tat, was er verlangte, und blickte in wässrig grüne Augen, denen jedes Mitgefühl fehlte. Ehe sie es sich versah, stand er direkt vor ihr, seine Hand umfing ihr Kinn und hob es an. Der Druck seiner Finger schmerzte, doch sie würde keinen Laut von sich geben.

Hätte er nicht diesen harten Zug um den Mund gehabt, hätte er mit seinen rötlich-blonden Locken, die sein aristokratisches Gesicht mit den hohen Wangenknochen umrahmten, gut ausgesehen. Selbst für einen Vampir war er eine Schönheit, ein geheimnisvoller Engel. Ein direkter Kontrast zu der Kälte in seinen Augen. In diesem Moment wurde ihr klar, dass er nie in der Lage sein würde, sie zu lieben. Da war nichts Weiches in ihm, alles war hart, ein Mann, der nicht anders konnte, als mit Brutalität zu herrschen – in allen Bereichen.

„Nett“, erklärte er abfällig grinsend. „Ich denke, wir werden eine ganze Menge Spaß zusammen haben. Ich hatte schon lange keine Jungfrau mehr im Bett, und vielleicht taugst du zum Kinderkriegen.“

Delina stand reglos da. Sie hätte ihm auch nicht antworten können, wenn sie gewollt hätte, da er sie noch immer festhielt. Unvermittelt trat er zurück und ließ sie los. Sie schwankte und konnte sich glücklicherweise an einem Sessel abstützen.

„Wir sehen uns!“ Etwas Unheilvolles schwang in seiner Stimme mit. Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum und ließ Delina irritiert und verängstigt zurück.

Fassungslos starrte sie dem Blutfürsten hinterher, unfähig, das soeben Erlebte zu begreifen. Das sollte der Mann sein, mit dem sie eine Verbindung einging, mit dem sie fortan ihr Leben teilte? Alles in ihr schrie auf. Es wäre Selbstmord, sich mit einem Vampir wie ihm zu verbinden. Er würde sie umbringen. Sie wollte nicht seine Samera werden. Sie hatte den Gerüchten nicht glauben wollen und musste nun feststellen, dass die Realität noch viel, viel schlimmer werden würde. Ein unvorstellbares Grauen, das sie sich nicht einmal in ihren Albträumen hätte ausmalen können.

Der Fluchtinstinkt drohte sie zu überwältigen. Doch es gab keinen Ort, an dem sie sich verstecken konnte. Nichts, wo er sie nicht finden würde. Es gab keinen Ausweg!

Als die Tür erneut geöffnet wurde, befürchtete sie schon, der Vetusta sei zurückgekehrt. Es war glücklicherweise nur die Vampirin, die sie abholen und zu den anderen Mädchen bringen wollte.

„Bitte folge mir!“, bat sie mit leiser Stimme.

Delina blinzelte den Tränenschleier fort, was ihr allerdings nur notdürftig gelang. Mit gesenktem Kopf folgte sie der Vampirin. Für die Schönheit der Räume hatte sie diesmal kein Auge. Sie konnte nur an den Vetusta denken und fürchtete sich mit jeder Sekunde mehr vor ihm.

„Hier sind wir!“ Die Vampirin öffnete eine Tür zu ihrer Linken.

Wortlos trat Delina ein. Eine Reihe von neugierigen Augenpaaren musterten sie. Es waren fünf Mädchen, vermutlich ähnlich alt wie sie. In ihren weißen Kleidern und sorgfältig zurechtgemacht, waren sie hübsch anzusehen. Es gelang Delina jedoch nicht, sich ihrer Vorfreude anzuschließen. Liebend gern hätte sie ihren Platz als Auserwählte an eine von ihnen abgetreten. Andererseits wünschte sie diese Zukunft keiner von ihnen.

„Macht euch bereit!“, drängte die Vampirin zum Aufbruch. Ihre Stimme war so leise, dass sie im aufgeregten Getuschel der Mädchen unterging.

„Bitte, stellt euch auf!“, versuchte sie es noch einmal, diesmal etwas lauter.

Die Mädchen verstummten, beeilten sich, sich in eine Reihe zu stellen. Es gab ein kleines Gerangel um die Reihenfolge, die Delina vollkommen egal war. Mutlos nahm sie den letzten Platz ein.

„Es geht los!“, strahlte das dunkelhaarige Mädchen, das vor Delina stand. Sie kannte die Vampirin nur vom Sehen. Sie wohnte am anderen Ende des Sjütenreiches. Ihr Vater hatte auch keinen so hohen Posten inne wie Delinas Vater.

„Hm …“ murmelte sie tonlos. Sie konnte die Freude einfach nicht teilen, dazu war ihr zu elend zumute. Fühlte sich so das Vieh, wenn es zur Schlachtbank geführt wurde? Delina schluckte, doch der dicke Kloß in ihrem Hals löste sich einfach nicht auf.

Mechanisch setzte sie sich in Bewegung und folgte den anderen Mädchen.

* * *

Sie befanden sich auf der Empore. Unter ihnen wartete die Innoka ungeduldig. Über die Brüstung erhaschte Delina einen kurzen Blick und erschauderte, als sie die Massen der versammelten Vampire sah. Kein Mitglied der Innoka glänzte durch Abwesenheit. Sie waren gesammelt der Einladung ihres Vetustas gefolgt und warteten nun gespannt auf seine neue Braut.

Delina verspürte einen Anflug von Übelkeit, als sie die breite Treppe sah, die sie in wenigen Minuten mit den anderen Mädchen hinabschreiten würde. An einer von unten nicht einsehbaren Stelle hielten sie an.

„Wenn der zwölfte Glockenschlag verklungen ist, werdet ihr hinuntergehen.“

Die Erste in der Reihe war eine kleine Rothaarige, von der Delina nur wusste, dass sie Siv hieß.

„Woher wissen wir, wo wir anhalten müssen?“, erkundigte sie sich nervös.

„Das werdet ihr schon merken.“ Die Vampirin nickte ihnen noch einmal aufmunternd zu, warf Delina noch einen bedauernden Blick zu und verschwand in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Die Glocke ertönte, und mit jedem Schlag wurde es ruhiger im Saal. Beim elften Glockenschlag waren alle Stimmen verstummt. Der zwölfte Schlag erklang, und Siv setzte sich in Bewegung. Delina zögerte, wusste jedoch, dass es für sie kein Entrinnen gab und beeilte sich aufzuschließen, während Siv bereits hoheitsvoll die Treppe hinab schritt. Delina schluckte. Irgendwo dort unten standen ihre Eltern. Ihre Mutter, die wohl eine vage Ahnung gehabt hatte, was auf sie zukommen würde, und ihr Vater, den sie zum ersten Mal in ihrem Leben stolz gemacht hatte. Diese beiden konnte sie unmöglich enttäuschen. Wie es von ihr erwartet wurde, nahm sie sich zusammen, verbarg alle Unsicherheit, alle Zweifel tief in ihrem Inneren. Blieb nur zu hoffen, dass das aufgesetzte Lächeln echt genug wirkte, um alle zu täuschen.

Unter Beifall bewegten sie sich durch die Menge. Delina hielt nach ihren Eltern Ausschau, konnte sie bei den vielen Vampiren jedoch nicht entdecken. Schließlich erreichten sie den Thron. Rechts und links davon warteten aufgereiht alle sechs Soyas des Clans. Erleichtert entdeckte sie ihren Vater neben Soya Ducin, der zur Rechten des Blutfürsten stand. Hastig wandte sie den Blick von ihm ab und musterte den Vampir, der auf den Thron saß – ihren zukünftigen Homen. Haldor Salverson war in einen eleganten Frack gekleidet. Die rot-blonden Locken waren in der Tat ein wenig zu lang, was ihm jedoch einen verwegenen Ausdruck verlieh. Seine wässrig grünen Augen waren direkt auf sie gerichtet, als er seinen Mund zu einem spöttischen Lächeln verzog und sich mit einer geschmeidigen Bewegung erhob. Alles an ihm zeugte von Kraft und Dominanz. Die mächtige Aura, die ihn umgab, legte sich um sie und ließ sie erneut erschaudern. Er war furchteinflößend.

Der Blutfürst würdigte die anderen Mitbewerberinnen keines Blickes, sondern kam direkt auf sie zu.

„Demanda mi Samera“, erklärte er in der alten Vampirsprache.

Ihr Vater trat einen Schritt nach vorn. „Loka mimare“, antwortete er stolz.

Versteinert stand Delina da, unfähig, sich zu regen. Sie starrte zuerst nur auf den Boden, dann fiel ihr ein, dass das unhöflich aufgefasst werden konnte, und hob den Kopf. Sie wagte es jedoch nicht, den Vetusta anzublicken. Stattdessen begegnete sie Soya Ducins Blick. Für einen Moment hatte sie das Gefühl, er wollte ihr etwas sagen. Vielleicht schickte er ihr eine Botschaft, doch sie hatte keine mentale Verbindung zu ihm. Die Präsenz des Blutfürsten war außerdem so allumfassend, dass sie sich nicht traute, sich auf geistiger Ebene auszustrecken. Davon abgesehen konnte sie ohnehin nur mit ihrem Vater auf diesem Weg kommunizieren.

Unsanft packte der Vetusta ihre Hand, und Delina konnte ein schmerzhaftes Aufkeuchen gerade noch unterdrücken. Grob schob er ihr einen goldenen Ring mit einem riesigen, blutroten Rubin an den Finger. Entgeistert starrte Delina auf den viel zu großen Stein, der einfach nicht zu ihrer Hand passen wollte, und fragte sich, was nun von ihr verlangt wurde. Ihr Kopf fühlte sich an wie Watte, sie war kaum in der Lage, ihre Umgebung wahrzunehmen. Da spürte sie ein Fordern auf geistiger Ebene. Es war ihr nicht möglich, sich dem zu entziehen.

Bedanke dich gefälligst!, hörte sie die erboste Stimme ihre Vaters.

Das war es, was sie tun sollte.

„Lita“, murmelte Delina. Jetzt konnte sie es nicht länger vor sich hinschieben, sie musste ihren zukünftigen Homen ansehen. Sie hatte gedacht, sie sei vorbereitet, doch die Kälte in seinen Augen ließ sie erneut frösteln. Ein eiskalter Hauch strich über ihren Geist, fuhr die Konturen ihrer Schutzmauern nach. Nicht mehr lange, dann würde er nicht nur ihr Äußeres abtasten. Er würde in ihrem Inneren sein, und sie würde durch seine Kälte erfrieren.

„Nur noch wenige Stunden, dann wirst du mein sein!“, sagte er leise, so dass nur sie ihn verstand. Es war kein Versprechen, mehr eine Drohung.

Reglos stand sie da, ließ alles über sich ergehen und kämpfte gegen den unbändigen Drang an, sich von ihm loszureißen und fortzulaufen. Doch wohin sollte sie fliehen? Ihre Familie würde sie nicht vor diesem gefährlichen Vampir beschützen können. Sie wollte sich nicht mit ihm verbinden. Tapfer blinzelte sie und hoffte, dass er ihre Verzweiflung nicht bemerkte. Sie rang sich zu einem Lächeln durch.

Langsam ließ er ihre Hand los. „Drei Stunden“, murmelte er verheißungsvoll. „Ich werde von dir trinken, also sorge dafür, dass du genug Blut in dir hast.“ Ohne auf ihre Reaktion zu warten, ließ er ihre Hand los und wandte sich von ihr ab.

Mit dem Abgang des Blutfürsten zerstreute sich auch die Menge schnell. Die Vampire strömten in alle Himmelsrichtungen davon. Aus den Nebenräumen erklang Tanzmusik, sie hatte gehört, dass es Spieltische gab, und sicher würden auch die Blutsklaven nicht fehlen. Ihr Vater hatte darauf bestanden, dass sie sich vor dem Ankleiden nährte. Das hatte sie getan und war ihm unendlich dankbar für seine Umsicht. Unter diesen Umständen, hier auf der Feier, wäre es ihr unmöglich gewesen, auch nur einen einzigen Schluck Blut herunterzubekommen. Sie hatte geahnt, dass heute die Nacht sein würde, in der ein Vampir von ihr trank. Noch nie hatte sie es zugelassen. Ein einziges Mal hatte ihr Vater von ihr getrunken, bei ihrer Renovation, aber das hatte nichts Sexuelles an sich gehabt. Schon allein bei dem Gedanken daran, dass der Blutfürst sie berühren würde, erfasste sie Übelkeit.

Delina war froh, nicht mehr im Mittelpunkt zu stehen. Noch immer fühlte sich alles absolut surreal an. War das der Schock? Sie suchte gerade nach einer Möglichkeit, sich die nächsten Stunden unsichtbar zu machen, als sie angesprochen wurde.

„Herzlichen Glückwunsch, meine Liebe“, erklärte eine Vampirin, die eine weitläufige Bekannte ihrer Eltern war. Das Kleid schien etwas zu eng zu sein, zumindest sahen die Brüste aus, als wollten sie jeden Moment aus dem Dekolleté hüpfen.

„Du kannst dich wirklich glücklich schätzen“, pflichtete ihre Begleiterin, eine rundliche Vampirin mit einer quietschenden Stimme, bei.

Delina nickte hastig und drängte sich an den beiden Frauen vorbei. Auch wenn es unhöflich war, die deutlich älteren Vampirinnen einfach so stehen zu lassen, sie fühlte sich dieser Art von Konversation im Augenblick einfach nicht gewachsen. Sie brauchte einen Moment für sich, etwas Ruhe und Zeit durchzuatmen.

Weit kam Delina jedoch nicht, da wurde sie von einer weiteren Gruppe Vampiren aufgehalten, die sie überschwänglich beglückwünschten. Es dauerte, bis sie sich mit einer Entschuldigung verabschieden und flüchten konnte. Die nächstgelegene Tür zum ersten Nebenraum hatte sie beinahe erreicht. Dort wurde getanzt. Eilig, bevor sie jemand aufhalten konnte, ging sie weiter, direkt auf die nächste Tür zu. Sie hielt sich am Rand des Raumes. Eine Nische, halb hinter einer Säule verborgen, schien ihr geeignet, um einen Moment innezuhalten und sich zu sammeln. Sie schloss die Augen und wünschte sich, sie möge aus diesem Albtraum erwachen.

„Du solltest eine glücklich strahlende Braut sein“, schreckte sie eine männliche Stimme auf.

Hastig riss sie die Augen auf. Sie wollte allein sein, und doch hatte man sie entdeckt. An die Säule gelehnt, mit dem Rücken zu ihr stand ein Vampir. Der Geruch kam ihr bekannt vor, und sie brauchte einen Moment, um ihn Soya Ducin zuzuordnen. Was wollte der Soya von ihr, und warum unterhielt er sich nicht offen mit ihr?

„Ich bin überglücklich“, erklärte sie wenig überzeugend.

„Wer kann es dir verübeln?“

Delina war überrascht, dass er ihr die Worte abnahm, aber gleichzeitig auch erleichtert.

„Ich bin hier, um dir ein Angebot zu machen.“

Sie horchte auf. Was konnte der Soya ihr schon anbieten? Er hatte sich wohl kaum in der letzten halben Stunde unsterblich in sie verliebt und war bereit, den Zorn des Blutfürsten auf sich zu ziehen, indem er sie vom Fleck weg heiratete.

„Dieses Angebot werde ich dir genau einmal machen. Draußen steht ein Wagen, der dich weit fortbringen kann.“

Sie glaubte, sich verhört zu haben. War das ein Fluchtangebot? Für eine Sekunde war sie versucht, freudestrahlend auf das Angebot einzugehen, doch dann fiel ihr ein, dass sie nicht fliehen konnte. Egal, wo der Soya glaubte, sie in diesem Clan verstecken zu können, ihr Vater würde sie finden und zu dem Blutfürsten zurückbringen.

„Du musst nur alles hinter dir lassen.“

Delina schloss die Augen. Das hörte sich so wundervoll an. Ein Traum von Freiheit. Einer Freiheit, die es jedoch nie für eine Vampirin geben konnte. Sie konnte nicht allein überleben, das war schlichtweg unmöglich. Sie brauchte einen Rinoka, einen männlichen Vampir, der sie beschützte.

„Du kannst mich nicht weit genug fortbringen“, murmelte sie traurig und verdrückte eine Träne.

„Der Schleuser kann es.“ Er stieß sich ab, wandte sich nicht zu ihr um und verschwand in der Menge.

Es war gut, dass sie in der Nische verborgen stand, denn sonst hätte man ihr die Überraschung deutlich angesehen. Sekunden verstrichen, ehe ihr Körper so sehr zu zittern begann, dass sie sich an der Wand abstützen musste. In ihren Ohren rauschte es. Soya Ducin hatte den Schleuser erwähnt. Jener ungreifbare Vampir, der ihresgleichen in die Neue Welt brachte, ihnen dort zu einem Neuanfang verhalf. Sie hatte die fantastischsten Geschichten von dort gehört. Einer Welt, die so unglaublich schien, dass sie unmöglich Realität sein konnte. Und das Beste daran, sie war so weit fort, dass der Vetusta keinen Einfluss haben würde. Kannte der Soya den Schleuser tatsächlich? Sie musste alles hinter sich lassen, ihre Freunde, ihre Eltern, das Leben, wie sie es bisher gekannt hatte. Doch was würde nach der Vereinigung mit dem Vetusta davon noch übrig bleiben? Unwillkürlich beschleunigte sich ihr Herzschlag und wenn es Delina gekonnt hätte, hätte sie tief Luft geholt. Doch in diesem verdammten Kleid war das einfach nicht möglich. Sie schloss die Augen, rang um Fassung. Die Lösung all ihrer Probleme war zum Greifen nahe. Eine Flucht. Warum zögerte sie eigentlich noch? Schließlich wollte sie nicht die Samera des Blutfürsten werden. Er würde sie umbringen. In einen goldenen Käfig gesperrt, wäre nur die Frage, ob sie an seiner Grausamkeit oder seiner Kälte starb. Aber was würde sie in der neuen Welt erwarten? Welche Chancen hatte sie als Vampirin? Ganz allein in einem fremden Land, vollkommen ausgeliefert? Ausgeliefert war sie hier jedoch auch. Schlimmer als die Willkür des Blutfürsten konnte die Neue Welt nicht sein. Delina öffnete die Augen. Sie hatte eine Entscheidung getroffen. Sie musste das Risiko eingehen, war bereit, alles aufs Spiel zu setzen. Denn alles andere würde sie jeden einzelnen Tag ihres Lebens bereuen.

* * *

Delina brauchte drei Anläufe, bis es ihr gelang, eine Tür zu finden, durch die sie den Feierlichkeiten entkommen konnte. Es war allerdings eine Terrassentür, und so fand sie sich im Garten wieder. Es war ihr egal. Wichtig war nur, dass die Freiheit zum Greifen nahe war und sie alles daransetzen musste, um von hier fortzukommen. Der Garten war schon ein erster Schritt, es war besser, als im Haus zu sein. Ratlos sah sie zur einen, dann zur anderen Seite. In welcher Richtung lag die Einfahrt, wo dieses Auto parkte? Wohin sollte sie gehen? Sie lief los. Mehr als falsch liegen konnte sie nicht und wenn sie jemandem in die Arme lief, würde sie einfach behaupten, sie wollte ein wenig frische Luft schnappen und hätte sich dabei verlaufen. Der Weg schlängelte sich durch üppige Blumenbeete. Überall tauchten die Gasleuchten die Umgebung in warmes, angenehmes Licht. Delina befürchtete schon, sich falsch entschieden zu haben, als sie um die Ecke bog und vor sich die hell erleuchtete Einfahrt erblickte. Erleichtert verlangsamte sie das Tempo und blieb hinter einem hochgewachsenen Busch stehen, der die Form einer riesigen Eule hatte. Von hier aus konnte sie die gesamte Einfahrt überblicken, ohne gesehen zu werden. Suchend sah sie sich nach dem wartenden Fahrzeug um. Hatte der Soya sie in eine Falle gelockt? Hatte er nur testen wollen, wie weit sie gehen würde? Nein, das durfte nicht sein. Er war ihr einziger Ausweg.

Eine Limousine fuhr vor. Einige Vampire entstiegen ihr und eilten die Eingangstreppe hinauf, wo sie von den Bediensteten in Empfang genommen wurden. Die Limousine umfuhr den Brunnen und kroch dann in Schrittgeschwindigkeit die lange Auffahrt hinunter.

Delinas Mut sank. Der Hoffnungsschimmer, an den sie sich so verzweifelt geklammert hatte, zerplatzte wie eine Seifenblase. Eine Flucht war unmöglich. Ihr würde nichts anderes übrig bleiben, als sich dem Unvermeidlichen zu stellen. Ihr Schicksal war besiegelt.

Delina wollte sich gerade abwenden, als ihr Blick auf einen schwarzen Mercedes fiel, der unauffällig etwas abseits parkte. Sollte das …? Sie wagte nicht zu atmen, hatte Angst, dass sich das schwarze Gefährt als Täuschung herausstellte. Als ob sie dadurch das Auflösen der Illusion vermeiden könnte, fokussierte sie mit zusammengekniffenen Augen den Mercedes. Auf dem Fahrersitz saß jemand. Die Seiten- und die Heckscheibe waren verdunkelt. War das das richtige Auto? Sollte sie es wagen? In leicht geduckter Haltung schlich sie vorwärts, achtete peinlich genau darauf, dass niemand sie sah. Die Bediensteten waren im Inneren des Hauses verschwunden. Der Vorplatz und die Einfahrt lagen verwaist da. Nur Sekunden, dann hatte sie den parkenden Mercedes erreicht.

Delinas Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Ihre Zukunft, ihr ganzes Leben hing von den nächsten Augenblicken ab. War dieses Auto ihre Rettung?

Sie klopfte zaghaft. Nichts rührte sich. War die Rückbank leer? Sie nahm all ihren Mut zusammen, legte die Hand um den Türgriff und zog die Tür auf.

„Bitte lass es das richtige Auto sein!“, betete sie wie ein Mantra vor sich hin.

„Es ist das richtige Auto“, sagte eine inzwischen schon vertraute Männerstimme, und der Duft des Soyas hüllte sie ein. „Steig ein!“

Delina ließ sich das kein zweites Mal sagen und kletterte zu Soya Ducin auf die Rückbank. Kaum hatte sie die Autotür zugezogen, fuhr der Mercedes auch schon an.

Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie hatte ihr Leben in die Hände eines Soyas gelegt, den sie kaum kannte, ja, der sogar dafür bekannt war, ein enger Vertrauter des Vetusta zu sein. Wie hoch standen ihre Chancen, dass er sie tatsächlich zu dem Schleuser bringen konnte? Bestand überhaupt die Möglichkeit, dass er ihn kannte - einen Vampir, der einen Ozean entfernt auf der anderen Seite der Welt lebte? Wenn der Soya ihr nun eine Falle gestellt hatte, war sie soeben zielgerichtet hineingelaufen. Ängstlich blickte sie zu ihm.

„Ich wusste, dass du kommst.“ Er lächelte sie freundlich an. Völlig entspannt saß er da, als ob er schon unzählige Male die zukünftige Samera des Blutfürsten außer Reichweite gebracht hatte. Delina erstarrte, musste an ihre Vorgängerin denken, die kurz vor der Vereinigung spurlos verschwunden war.

„Steckst du auch hinter dem Verschwinden von Mi Nellisha?“

„Bedaure“, der Soya schüttelte den Kopf. „Der Mi bin ich nie begegnet. Sie fortzubringen, wäre jedoch sehr viel komplizierter gewesen als bei dir. Du bist kein Blutmädchen mehr.“

Delina sah Soya Ducin mit großen Augen an. „Du kennst den Schleuser wirklich“, stellte sie fest.

„Ja!“

Ungläubig schüttelte Delina den Kopf. Sie konnte es noch immer nicht fassen. Ausgerechnet ein nahestehender Vertrauter des Blutfürsten kannte den Schleuser. Sie versuchte sich zu erinnern, was sie über den Soya wusste. Es war kläglich wenig. Weder wusste sie, wie nah er tatsächlich dem Vetusta stand, noch womit er seinen Lebensunterhalt bestritt.

„Wohin bringst du mich?“ Sie hatte sich diesem Vampir vollkommen ausgeliefert. Mit einem einzigen Schlag könnte er sie vernichten, er musste nur anhalten und die Innoka rufen.

„Du musst die Verbindung zu deinem Vater lösen“, sagte der Soya noch immer vollkommen gelassen.

Das war nicht möglich. Die Verbindung zu ihrem Rinoka war ihr Halt, ihr sicherer Anker. Sie war eine Vampirin, sie konnte nicht allein überleben. „Das kann ich nicht“, stammelte sie.

„Da vorne endet Haldors Grundstück. Wenn wir das Tor passieren, musst du alle Verbindungen gekappt haben. Ich habe dir gesagt, dass du alles hinter dir lassen musst.“

Delina schluckte.

„Das sind die Bedingungen. Trennst du dich nicht, brechen wir ab und halten an.“

Beide Optionen waren nicht berauschend, aber den Zorn des Blutfürsten auf sich zu ziehen, wäre schlimmer als jedes andere Szenario. Delina konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihr Leben lag in Trümmern, und nichts würde es je wieder kitten können. Nichts würde sein wie zuvor. Wenn sie sich von ihrem Vater löste, gab es kein Zurück mehr.

Durch den Tränenschleier blickte sie den Soya an.

„Jetzt“, sagte er bestimmt und hielt ihren Blick fest.

Sie vertraute ihm. Nicht nur sie riskierte bei dieser Flucht eine ganze Menge, auch er ging ein hohes Risiko ein. Im Gegensatz zu ihr hatte er sogar die Wahl gehabt. Er hätte ihr die Möglichkeit zur Flucht nicht anbieten müssen.

Delina schloss die Augen, zog sich in ihren Kopf zurück und suchte den Ort auf, wo das Band in ihrer Seele verankert war. Sie war selten hier gewesen. Der Ursprung ihrer Verbindung war ihr bisher belanglos erschienen. Er war existenziell, immer da, aber bedeutungslos. Sie starrte das zarte Band an, trat näher an die Verbindungsstelle heran. Eine unglaublich wichtige Verbindung, von außen unzerstörbar. Nur sie oder ihr Vater konnten es lösen. Wenn sie es durchtrennte, wüsste ihr Vater sofort, dass etwas nicht stimmte und würde umgehend den Vetusta informieren. Sie musste eine Entscheidung treffen. Bevor sie es sich doch noch einmal anders überlegen konnte oder der Soya seine Drohung anzuhalten wahrmachte, zog sie an dem Band. Ein scharfer Schmerz durchfuhr sie. Einem Reflex folgend, griff sie nach dem losen Ende der Verbindung, wollte es sich wieder einverleiben. Doch ihre Hände griffen ins Dunkel, das Band entschwand in der Dunkelheit. Die Schwärze erfüllte sie, hüllte sie ein. Erdrückend und beinahe übermächtig. Hilflos streckte sie sich auf geistiger Ebene aus, suchte nach Halt.

Es fühlte sich an, als fiele sie in ein unendliches schwarzes Loch. Da war niemand, der sie auffing. Sie war vollkommen allein. War das der Zustand, an den sie sich gewöhnen musste? Konnte man sich daran überhaupt gewöhnen? Vielleicht wäre eine Verbindung mit dem Blutfürsten doch besser gewesen als dieses endlose Nichts, das Alleinsein. Es zehrte schon jetzt an ihren Nerven und würde sie in den Wahnsinn treiben.

Eine starke Präsenz tauchte vor ihr auf, zog sie zu sich. Ihre Schilde waren weit geöffnet. Sie war ein hilfloses Opfer. Problemlos drang die Präsenz in sie ein. Mächtig und stark, hell leuchtend. Das warme Licht erfüllte sie, als eine neue Verbindung ihre Seele vervollständigte. Noch bevor sie es richtig realisieren konnte, war ihr neuer Rinoka bereits wieder aus ihrem Kopf verschwunden.

Delinas Sicht klärte sich. Sprachlos starrte sie den Soya an. Sie fühlte die Verbindung zu ihm, die unglaubliche Ruhe, die er ausstrahlte und die nun auch ihr Innerstes erfüllte. Was hatte sie getan? Prüfend tastete sie ihn ab, fand jedoch nur feste Schilde vor.

„Unsere Verbindung wird nicht von Dauer sein“, erklärte er scharf, und Delina zog sich von den Schutzmauern zurück, als hätte sie sich verbrannt. Nicht dauerhaft? Was sollte das heißen? Er würde doch mit ihr kommen, sie begleiten?

„Wir sind auf dem Weg zum Flughafen. Du wirst nach New York fliegen.“

Und er? Er konnte sie doch nicht allein lassen.

„Was ist mit dir?“, keuchte sie.

„Mein Platz ist hier. Du wirst die Reise in die Neue Welt allein antreten.“

Nein! Das war unmöglich. Sie konnte nicht allein gehen. Er war ihr Halt, wer hielt sie, wenn er nicht mitging?

„Es soll sehr schön dort sein.“ Seine Aufmunterung war vergebens.

„Du wirst nicht mitkommen?“, fragte sie ängstlich.

Er schüttelte leicht mit dem Kopf. „Das ist leider nicht möglich.“

Aber sie konnte diese Reise nicht allein antreten. Sie brauchte einen männlichen Vampir, der sie beschützte. Allein war sie verloren. Niemand würde einer schutzlosen Vampirin helfen. Wie sollte sie allein in einer ihr völlig unbekannten Welt zurechtkommen?

„Sobald du im Flugzeug bist, werde ich das Band lösen“, fuhr der Soya unbeirrt fort. „In New York wird dich der Schleuser in Empfang nehmen. Er wird dein Rinoka sein, bis geklärt ist, wo du in Zukunft leben wirst.“

„Der Schleuser?“, hauchte Delina und konnte es einfach nicht fassen. Natürlich hatte sie von dem Vampir gehört, von dem jeder nur hinter vorgehaltener Hand sprach. Er war die Eintrittskarte in die Neue Welt. Er entschied, ob man eine Zukunft hatte. Niemand von denen, die Delina kannte, hatte ihn je zu Gesicht bekommen, denn die, die ihn sahen, kamen nicht zurück. Seine Macht war so viel weitreichender als die des sjütischen Blutfürsten. Mit diesem mächtigen Vampir sollte sie sich verbinden - wenn auch nur auf Zeit?

„Du musst dich nicht vor ihm fürchten. Er ist ein Freund“, versicherte ihr der Soya.

Das half Delina jedoch nicht wirklich. Nervös blickte sie aus dem Fenster, sah in der Ferne bereits die Lichter des Flughafens. Hatte sie die richtige Entscheidung getroffen? Sie musste ihre Zweifel beiseiteschieben, denn für eine Rückkehr war es jetzt zu spät.

„Wann hast du das letzte Mal gegessen?“

„Am frühen Abend“, antwortete sie wahrheitsgemäß.

„Gut, dann sollte der Hunger auf dem Flug kein Problem sein. Du wirst sieben Stunden in der Luft sein. Gegen vier Uhr morgens solltest du in New York ankommen. Der Schleuser holt dich und die anderen direkt am Flughafen ab.“

Delina schluckte. Der Plan hörte sich vernünftig an und konnte sogar funktionieren.

„Warum tust du das?“, fragte sie und blickte Soya Ducin neugierig an. Der Soya hatte in ihrem Clan eine gute Stellung, musste sich lediglich dem Blutfürsten beugen. Er war ein Mann, hatte niemanden, auf den er Rücksicht nehmen musste. Warum also verriet er ihren Clan, indem er ihr zur Flucht verhalf? So ruhig und selbstsicher, wie er sich verhielt, war ihr klar, dass er das nicht zum ersten Mal tat. Vermutlich war er derjenige, der all die Vampire in die Neue Welt brachte.

Völlig unbeeindruckt zuckte der Soya die Schultern. „Weil ich der Ansicht bin, dass jeder Vampir das Recht hat, sein Leben selbst zu gestalten.“

Delina starrte ihre Hände an, die verkrampft in ihrem Schoß lagen. Warum war er erst jetzt in ihr Leben getreten? Warum waren sie sich nicht schon viel früher begegnet? Er wäre ein Mann gewesen, dem sie vertrauen und in den sie sich verlieben könnte. Er war ein guter Vampir, und als Soya wäre er eine akzeptable Partie für ihren Vater gewesen.

„Nein, Delina“, sagte er sanft und legte seine Hand auf ihre verkrampften Finger. „Höre auf, darüber nachzudenken. Ich bin nicht der Richtige für dich. Mein Leben ist gefährlich, das kann ich keiner Samera zumuten. Du hast etwas Besseres verdient.“

Er hatte es natürlich über das Band gespürt. Traurig nickte sie, auch wenn sie dem Soya nicht ganz zustimmen konnte. Sie wäre bereit gewesen, das Risiko an seiner Seite einzugehen. Dann hätte sie den Clan der Sjüten nicht verlassen müssen. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Die Würfel waren gefallen.

Kapitel 3

Thor liebte diesen exklusiven Club. Niemand vermutete in dem dreistöckigen Mietshaus ein Etablissement dieser Art. Die Kundschaft war erlesen, ebenso wie ihre Wünsche. Pearl hatte ihre Mädchen fest im Griff, und ihre oberste Priorität war die Kundenzufriedenheit. Kein Wunsch blieb unerfüllt, war er auch noch so ausgefallen.

Parkplätze waren in der Tiefgarage ausreichend vorhanden, so dass Thor ohne großes Aufsehen die Örtlichkeiten betreten konnte. Er nahm die Mädchen immer im Doppelpack – welche, das war ihm egal. Sie hatten alle reichlich Alkohol intus, wodurch das Blut schal schmeckte. Solange sie jedoch keine Drogen nahmen, störte er sich nicht daran.

Er meldete sich am Empfang an und erledigte dort die Formalitäten. Dann betrat er den großen Raum im Erdgeschoss, der auf den ersten Blick eher einem Restaurant glich. 

Er sah auf die Uhr. Drei Stunden blieben ihm, bevor er mit den Vorbereitungen für seinen nächsten Auftrag beginnen musste. Genug Zeit, um zu vergessen.

Es mochte an seiner vampirischen Ausstrahlung liegen oder einfach an der Tatsache, dass seine Haut so dunkel wie Schokolade war. Die weiblichen Wesen flogen auf ihn wie Motten auf das Licht. Und so war es auch diesmal. Im Nu war er umringt von sechs eifrigen Schönheiten. Gelangweilt ließ er seinen Blick über die Mädchen schweifen, bis sein Blick an einer feurigen Rothaarigen hängen blieb. Kennen war übertrieben, aber er erinnerte sich an sie. Bereits zwei Mal hatte er sie mit auf ein Zimmer genommen und es kein einziges Mal bereut. Sie konnte ausgezeichnet mit dem Mund umgehen und mochte es auch ein wenig heftiger. Er wurde bereits hart, wenn er nur daran dachte. Für heute wäre sie die richtige Wahl. Er legte einen Arm um das Mädchen, das ihn mit einem eingeübten Augenaufschlag ansah und ihn anstrahlte, als hätte sie soeben im Lotto gewonnen. Ein Hauch von Vorfreude ergriff ihn. Drei Stunden konnten unter Umständen viel zu kurz sein. Achtlos griff er mit der freien Hand nach einem der anderen Mädchen. Es war eine kurvige Blonde, die sich im unschuldigen Lolita-Stil zurechtgemacht hatte. Normalerweise nicht unbedingt seine erste Wahl, denn er mochte wilden, ungestümen Sex, bei dem er zu jeder Zeit die Kontrolle hatte. Das Beste daran war jedoch der Moment, wenn er zum Höhepunkt kam, sich alles um ihn in Luft auflöste und diese verdammte, beschissene Welt für Sekunden den Atem anhielt. Er musste an nichts denken, die Erde blieb einfach stehen, bevor das Hier und Jetzt ihn wieder einholte. Das war der Grund, warum er hier war. Aber das Blut schmeckte bei allen gleich, daher war es völlig einerlei, ob Lolita oder nicht.

Wortlos dirigierte er seine Ausbeute in den hinteren Bereich zu den Räumen, die den Gästen zur Verfügung standen. Es gab verschieden eingerichtete Zimmer, je nach Neigung. Thor hatte keine großen Ansprüche. Ein Bett, zur Not auch nur ein Sessel. Deshalb störte es ihn nicht, dass seine Begleiterinnen eine Wahl trafen. Er realisierte allerdings auch erst, wo sie sich befanden, als sich die Zimmertür hinter ihnen geschlossen hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde überlegte er umzudrehen. Er war hier schon einmal gewesen, und die Erinnerungen daran waren nicht allzu prickelnd, dafür aber noch äußerst lebhaft. Er musterte das große Bett mit den angeblich so stabilen Metallpfosten und dem Gestänge an der Decke. Keine zehn Pferde würden ihn ein zweites Mal auf dieses Bett bringen. Hastig sah er sich um und war beinahe erleichtert, als er einen Sessel entdeckte, der etwas abseitsstand. Eigentlich war er für einen Beobachter gedacht, doch heute würde er ihn zur Spielwiese machen. Er zog die beiden Mädchen mit.

„Zeig mal, was deine flinke Zunge kann“, bat er die Rothaarige, die sich mit einem lasziven Augenaufschlag zu Boden sinken ließ und sich an seiner Hose zu schaffen machte. Aufreizend langsam fuhr sie über seine Erregung. Er schloss die Augen und wollte nur vergessen. Als er jedoch die Augen öffnete und das verdammte Bett vor sich sah, versteifte er sich unwillkürlich, und die Erinnerung an seinen zweiten Besuch hier holte ihn ein.