Künstler der Renaissance - Giorgio Vasari - E-Book

Künstler der Renaissance E-Book

Giorgio Vasari

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Beschreibung

Dieses eBook wurde mit einem funktionalen Layout erstellt und sorgfältig formatiert. Die Ausgabe ist mit interaktiven Inhalt und Begleitinformationen versehen, einfach zu navigieren und gut gegliedert. Giorgio Vasari (1511-1574) war ein italienischer Architekt, Hofmaler der Medici und Biograph italienischer Künstler, darunter Leonardo da Vinci, Raffael und Michelangelo. Er gilt durch seine Schriften über das Leben und Werk zeitgenössischer Meister als einer der ersten Kunsthistoriker. In seinen Beschreibungen der italienischen Künstler verwendete Vasari 1550 zudem als Erster das Wort Renaissance. Vasari bedachte viele italienische Künstler mit Biographien. Seine Biographischen Kunstlexika gelten trotz ihrer historischen ''Ungenauigkeiten'' für Interpretationen der Renaissance als unerlässlich. Inhalt: Giovanni Cimabue Niccolo und Giovanni Pisani Giotto Jacopo della Quercia Luca della Robbia Lorenzo Ghiberti Masaccio Filippo Brunelleschi Donatello Fra Giovanni da Fiesole (Fra Angelico) Antonello da Messina Fra Filippo Lippi Jacopo, Giovanni und Gentile Bellini Domenico Ghirlandaio Sandor Botticelli Andrea del Verocchio Andrea Mantegna Filippino Lippi Pietro Perugino Luca Signorelli Leonardo da Vinci Giorgione von Castelfranco Antonio da Correggio Fra Bartolommeo di San Marco Bramante von Urbino Raffael von Urbino Sebastiano del Piombo Michelangelo Buonarroti Tizian von Cadorea

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Giorgio Vasari

Künstler der Renaissance

Books

- Innovative digitale Lösungen & Optimale Formatierung -
2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-1113-5

Inhaltsverzeichnis

Giovanni Cimabue
Niccolo und Giovanni Pisani
Giotto
Jacopo della Quercia
Luca della Robbia
Lorenzo Ghiberti
Masaccio
Filippo Brunelleschi
Donatello
Fra Giovanni da Fiesole (Fra Angelico)
Antonello da Messina
Fra Filippo Lippi
Jacopo, Giovanni und Gentile Bellini
Domenico Ghirlandaio
Sandor Botticelli
Andrea del Verocchio
Andrea Mantegna
Filippino Lippi
Pietro Perugino
Luca Signorelli
Leonardo da Vinci
Giorgione von Castelfranco
Antonio da Correggio
Fra Bartolommeo di San Marco
Bramante von Urbino
Raffael von Urbino
Sebastiano del Piombo
Michelangelo Buonarroti
Tizian von Cadore

Giovanni Cimabue

Inhaltsverzeichnis

Geboren um 1240 in Florenz, gestorben nach 1302 daselbst

Durch die endlosen Verheerungen, die das unglückliche Italien zugrunde gerichtet und unterdrückt hatten, waren nicht nur alle Kunstdenkmäler zerstört, sondern, was noch schlimmer war, es gab auch gar keine Künstler. Da wurde im Jahre 1240 in der edlen Familie der Cimabue Giovanni Cimabue geboren,1, der nach dem Willen Gottes das erste Licht in der Kunst der Malerei wieder entzünden sollte. Dieser schien, nach dem Urteil seines Vaters und anderer, einen ausgezeichneten und klaren Verstand zu haben; deshalb sollte er die Wissenschaften erlernen und wurde, als er heranwuchs, von seinem Vater nach Santa Maria Novella zu einem Verwandten gebracht, der in jenem Kloster die Novizen die Grammatik lehrte. Doch anstatt sich in den Wissenschaften zu üben, brachte Cimabue den ganzen Tag damit zu, auf Bücher und Blätter Menschen, Pferde, Häuser und allerlei Phantasien zu zeichnen, und diese Neigung begünstigte das Glück. Die damaligen Befehlshaber der Stadt beriefen nämlich einige griechische Maler nach Florenz, welche die verlorene Kunst wiederherstellen sollten, und diese malten unter anderem auch die Kapelle der Gondi in Santa Maria Novella, deren Gewölbe und Wände nun fast ganz von der Zeit zerstört sind. Nachdem Cimabue die ersten Schritte in der Kunst, die ihm so gefiel, gemacht hatte, entlief er oft der Schule und sah den ganzen Tag diesen Malern zu. Deshalb glaubten sie und sein Vater, er sei zur Malerei geschickt, und man könne, wenn er sich ihr ganz widmete, auf eine ehrenvolle Zukunft hoffen. Daher wurde er zu seiner großen Freude zu diesen Künstlern in die Lehre gegeben und brachte es durch unablässige Übung und sein Talent bald dahin, daß er in Zeichnung und Farbgebung seine Lehrmeister weit übertraf. Denn diese arbeiteten nicht nach der schönen alten griechischen Manier, sondern, wie man das noch heute an ihren Werken sieht, in der groben und harten Weise jener Zeit, ohne daß sie danach gestrebt hätten, weiterzuschreiten.

Cimabue ahmte zwar jene Griechen nach, vervollkommnete aber die Kunst, da er ihr einen großen Teil jener rohen Manier nahm, so daß sein Name und seine Werke seiner Vaterstadt Ehre brachten. Hiervon zeugen viele Bilder, die er in Florenz malte, wie das Gemälde an der Vorderseite des Altars in Santa Cecilia2 und ein Bild der Mutter Gottes in Santa Croce.3 Hierauf malte er auf Goldgrund einen heiligen Franziskus nach der Natur, so gut er es konnte, was in jenen Zeiten etwas Neues war, und ringsumher Geschichten aus seinem Leben in zwanzig Bilderchen voll kleiner Figuren auf Goldgrund.4

Dann übernahm er für die Mönche von Vallombrosa in der Abtei von Santa Trinità zu Florenz eine große Tafel. Er verwendete dabei großen Fleiß, um dem Ruf zu entsprechen, den er sich erworben hatte, und zeigte bereits bessere Erfindung und schöne Stellungen. Es war eine Mutter Gottes mit dem Kind auf dem Arm und vielen Engeln umher, die ihr huldigen, auf Goldgrund.5 Als er dieses Werk vollendet hatte, mußte er für den Guardian, der ihm den Auftrag in Santa Croce gegeben hatte, ein großes Kruzifix auf Holz malen.6

Durch diese Arbeiten wurde der Name Cimabues immer bekannter, und man berief ihn nach Assisi, einer Stadt in Umbrien, wo er gemeinsam mit einigen griechischen Malern in der Unterkirche des heiligen Franziskus einen Teil des Gewölbes malte und auf den Wänden die Geschichte Christi und die des heiligen Franz, wobei er jene griechischen Maler weit übertraf. Dadurch wuchs ihm der Mut. Er begann die Oberkirche allein in Fresko auszumalen und stellte in der Haupttribüne über dem Chor in vier Feldern Szenen aus der Geschichte der Mutter Gottes dar, nämlich ihren Tod, dann ihre Himmelfahrt und schließlich ihre Krönung inmitten einer Schar von Engeln, wobei zu ihren Füßen eine Menge von Heiligen steht. Diese Bilder sind jetzt von der Zeit und vom Staube fast ganz verdorben. Auch in den fünf Kreuzgewölben derselben Kirche malte er viele Geschichten.

Als die Gewölbe vollendet waren, schmückte er auf der linken Seite der Kirche den ganzen oberen Teil der Wände in Fresko aus. Dieses sehr große, reiche und wahrhaft schön ausgeführte Werk muß meines Erachtens die Welt in Erstaunen gesetzt haben, in jener Zeit, in der die Kunst so lange in Blindheit gelegen hatte. Mir jedenfalls, der ich es im Jahre 1563 sah, schien es außerordentlich schön, zumal wenn ich bedachte, was es bedeutet, daß Cimabue in solcher Finsternis ein solches Licht sah.7

Nach Florenz zurückgekehrt, malte Cimabue im Klostergang von Santo Spirito, wo von anderen Meistern die ganze Seite nach der Kirche zu auf griechische Weise verziert ist, drei Bogen mit Begebenheiten aus der Geschichte Christi, unbestreitbar von sehr schöner Zeichnung.8 Nun machte er für die Kirche Santa Maria Novella das Bild der Mutter Gottes, das zwischen der Kapelle Ruccellai und der des Bardi da Vernio angebracht ist. Dieses Werk ist in größerem Maßstab ausgeführt als bisher irgendeine Figur, und einige Engel, die die Madonna umgeben, zeigen, wie er zwar noch in griechischer Manier arbeitete, in den Umrissen und in der Methode aber sich dem neueren Stil näherte.9. Man hatte bis dahin nichts Besseres gesehen, und dieses Bild erweckte daher solche Bewunderung, daß es mit viel Pracht und Trompetenschall in feierlicher Prozession vom Haus Cimabues nach der Kirche getragen, und er dafür reich belohnt und geehrt wurde. Auch erzählt man und liest es in einigen Nachrichten von alten Malern, daß, als Cimabue in einem Garten bei dem Tor von Sankt Peter dieses Bild malte, König Karl der Ältere von Anjou durch Florenz kam, und die Herren der Stadt, die ihm viel Höflichkeit erwiesen, ihn unter anderem auch das Gemälde Cimabues besichtigen ließen. Niemand hatte es noch bis dahin gesehen. Als es daher dem König gezeigt wurde, eilten alle Damen und Herren von Florenz in größtem Jubel und Gedränge dorthin, was den Nachbarn so viel Vergnügen bereitete, daß sie jene Vorstadt Borgo Allegri, das heißt »fröhliche Vorstadt« nannten.

Da nun alle diese Werke Cimabue zu seinem großen Nutzen einen berühmten Namen gemacht hatten, wurde er zugleich mit Arnolfo Lapi,10 der damals in der Baukunst sehr berühmt war, zum Baumeister von Santa Maria del Fiore in Florenz ernannt. Endlich aber, als er über sechzig Jahre alt geworden war, ging er im Jahre 1302 zu einem anderen Leben hinüber, nachdem er die Malerei, man kann fast sagen: vom Tode erweckt hatte. Er wurde in Santa Maria del Fiore begraben und bekam folgende Grabschrift:

Wie Cimabue geglaubt, die Feste der Malkunst zu halten, Hielt er sie lebend auch; jetzt hält er die Sterne des Himmels.

Nicht unterlassen möchte ich zu sagen, daß, wenn die Größe Giottos nicht den Ruhm des Cimabue verdunkelt hätte, er viel berühmter geworden wäre, wie Dante in seiner Commedia zeigt, wo er im elften Gesange des Purgatorio auf die Grabschrift des Cimabue anspielt:

Als Maler sah man Cimabue blühen, Jetzt sieht man über ihn Giotto ragen Und jenes Glanz in trüber Nacht verglühen.

Fußnoten

1 Sein richtiger Name war Cenni dei Pepi, genannt Cimabue.

2 Dem sogenannten Cäcilienmeister vom Ende des 13. Jahrhunderts zugeschrieben, vielleicht Buonamico Buffalmaco, jetzt in den Uffizien.

3 Von einem sienesischen Maler des 14. Jahrhunderts. Jetzt im British Museum in London.

4 In der Cappella Bardi in Santa Croce.

5 In den Uffizien.

6 Museo dell' Opera von Santa Croce. Autorschaft Cimabues angezweifelt.

7 Cimabue hat in der Unter- wie in der Oberkirche von Assisi Fresken gemalt. Die Zuweisung der einzelnen Bilder ist unter den Kunsthistorikern stark umstritten.

8 Beim Neubau des Kreuzganges (16. Jahrhundert) zerstört.

9 Die sogenannte Madonna Ruccellai in Santa Maria Novella, heute dem Sienesen Duccio zugeschrieben.

10 Arnolfo di Cambio.

Niccolo und Giovanni Pisani

Inhaltsverzeichnis

Niccolò geboren um 1220 in Pisa, gestorben um 1285 daselbst Giovanni geboren um 1250 zu Pisa, gestorben nach 1320 daselbst

Haben wir bei der Lebensbeschreibung Cimabues von der Zeichen- und Malkunst geredet, so wollen wir hier bei den Pisanern Niccolò und Giovanni einiges von der Bildhauerkunst und von den bedeutenden Gebäuden sagen, die jene beiden errichteten. Denn ihre Skulpturen und Bauwerke verdienen es, nicht nur als groß und prächtig, sondern auch als sehr wohlgeordnet gerühmt zu werden, da sie bei ihren Marmorarbeiten und Bauten zum großen Teil jene alte, plumpe und verhältnislose griechische Art beseitigten, mehr Erfindung in den Darstellungen zeigten und den Figuren bessere Stellungen gaben.

Niccolò Pisano arbeitete unter einigen griechischen Bildhauern, welche die Figuren und Ornamente des Domes zu Pisa und der Kapelle San Giovanni verfertigten. Nun waren unter dem vielen Beutegut, das das Kriegsheer der Pisaner heimgebracht hatte, einige antike Marmorsärge, die noch jetzt im Campo Santo jener Stadt stehen, darunter ein besonders köstlicher, an dem man die Jagd des Meleager auf den kalydonischen Eber sehr schön modelliert sah. Denn Zeichnung und Ausführung der nackten wie der bekleideten Gestalten waren daran sehr vollkommen und mit größter Kunstfertigkeit gearbeitet.11

Niccolò beachtete die Schönheit dieses Werkes, und da es ihm besonders wohlgefiel, wandte er großes Studium und viel Fleiß darauf, diese und einige andere Skulpturen jener antiken Marmorsärge nachzuahmen. Dadurch wurde er bald als der beste Bildhauer seiner Zeit berühmt. Denn seit dem Tode Arnolfos hatte in Toskana kein Bildhauer mehr in Ansehen gestanden, der florentinische Baumeister und Bildhauer Fuccio ausgenommen.12 Niccolò wurde daher nach Bologna berufen, als der heilige Dominikus von Calagora, der Stifter des Ordens der Predigermönche, gestorben war, um das Grabmal jenes Heiligen in Marmor zu arbeiten. Er verständigte sich mit seinen Auftraggebern, brachte viele Figuren dabei an und vollendete es zu seinem großen Ruhm, denn es galt für etwas sehr Bedeutendes und für die beste Bildhauerarbeit, die bis dahin ausgeführt worden war.

Als er nach Toskana zurückgekehrt war, hörte er, Fuccio habe Florenz verlassen, sei in den Tagen, in denen Honorius den Kaiser Friedrich krönte, nach Rom gegangen und schließlich von dort mit Friedrich nach Neapel gezogen, wo er das Castel Capuano vollendete. Ebenso brachte Fuccio den Bau des Castel dell' Uovo zu Ende, begann die Türme und erbaute die Tore über den Fluß Volturno für die Stadt Capua, richtete bei Gravina einen Tiergarten, der von einer Mauer umschlossen war, zum Vogelfang ein, zu Melfi einen anderen für die Winterjagd und arbeitete außerdem noch viele Dinge.

Niccolò, der sich während dieser Zeit in Florenz aufhielt, beschäftigte sich nicht nur mit der Bildhauerkunst, sondern studierte auch die Baukunst an den Gebäuden, die damals mit ziemlich guter Zeichnung in ganz Italien, besonders in Toskana, aufgeführt wurden. An der Vorderwand der Kirche San Martino zu Lucca schuf er unter dem Portikus über der kleinen Tür einen Christus, der vom Kreuz genommen ist, im Relief aus Marmor. An diesem Werk voll Figuren, die mit größter Sorgfalt gearbeitet sind, durchbrach er den Marmor und vollendete das Ganze in solcher Weise, daß er denen, die früher diese Kunst nur mit großer Mühe getrieben hatten, Hoffnung gab, es werde bald ein Künstler kommen, der bei größerer Fertigkeit ihnen noch mehr helfen würde.13 Im Jahre 1240 entwarf Niccolò den Plan zu der Kirche San Jacopo zu Pistoia und ließ dort einige toskanische Meister den Bogen der Nische in Mosaik arbeiten. Obwohl er damals als etwas sehr Mühseliges und Kostbares galt, erregt er bei uns heutigentags doch eher Lachen und Mitleid als Bewunderung, um so mehr, da ein solches Durcheinander, das vom Mangel der Zeichnung herrührte, nicht nur in Toskana, sondern in ganz Italien gewöhnlich war. Die vielen Gebäude und anderen Dinge, die ohne Geschick und ohne Zeichnung ausgeführt worden sind, geben einen Beweis von der Geistesarmut und zugleich von dem ungeheuren Reichtum der Menschen jener Zeit, die ihr Geld schlecht verwendeten, weil kein Meister lebte, der irgend etwas gut auszuführen verstand, was sie wollten.

Zur Zeit Niccolòs hatten die Florentiner angefangen, viele Türme niederzureißen, die früher nach barbarischer Weise in der ganzen Stadt erbaut waren, damit das Volk weniger unter den Streitigkeiten und Händeln leiden sollte, die zwischen Guelfen und Ghibellinen häufig vorkamen, oder auch zur größeren öffentlichen Sicherheit. Es schien, als würde es sehr schwer sein, den Turm Guardamorto, der auf dem Platze San Giovanni stand, zu zerstören, weil bei seiner bedeutenden Höhe die Mauern zu fest waren, um ihn mit Spitzhacken abbrechen zu können.14 Niccolò jedoch ließ den Turm auf einer Seite am Fuße durchschneiden und mit Balken stützen. Diese Balken wurden dann angezündet; als das Feuer sie zerstört hatte, stürzte der Turm fast ganz in sich selbst zusammen. Dieses Mittel wurde als sehr sinnreich und nützlich erkannt und ist so in Gebrauch gekommen, daß, wenn es not tut, dadurch jedes Gebäude in kurzer Zeit leicht eingerissen wird.

Unterdessen beriefen die Volterraner, die den Florentinern untertan geworden waren, den Niccolò, um ihren sehr kleinen Dom zu vergrößern. Trotz der Unregelmäßigkeit des Gebäudes gab er ihm doch eine bessere Gestalt und reichere Verzierungen, als er zuvor gehabt hatte. Darauf kehrte er endlich nach Pisa zurück und arbeitete dort die Kanzel von San Giovanni in Marmor, wobei er großen Fleiß aufwandte, um seiner Vaterstadt ein ehrenvolles Andenken von sich zu hinterlassen. Unter anderem stellte er darauf das Weltgericht dar und brachte dabei eine Menge Figuren an, die, wenn auch in der Zeichnung nicht vollkommen, doch mit unendlicher Sorgfalt und großer Geduld ausgeführt sind.15 Diese Arbeit, die nicht nur den Pisanern, sondern allen, die sie sahen, sehr gut gefiel, veranlaßte die Sienesen, dem Niccolò die Anfertigung der Kanzel ihres Doms zu übertragen, von der das Evangelium gesungen wird.16 Niccolò stellte auf ihr viele Szenen aus dem Leben Christi dar und brachte dabei eine Menge Figuren an, die er mit großer Schwierigkeit ringsum aus Marmor freistehend arbeitete, wodurch er sich großen Ruhm erwarb.

Niccolò hatte unter anderen Kindern auch einen Sohn, der Giovanni hieß. Dieser lernte von seinem Vater, da er immer um ihn war, die Bildhauer- und Baukunst und wurde so nach wenigen Jahren nicht nur dem Vater gleich, sondern übertraf ihn sogar in manchen Dingen. Deshalb zog sich Niccolò nach Pisa zurück, lebte daselbst ruhig und überließ die Aufsicht über alle Arbeiten dem Sohne.

Als damals Papst Urban IV. in Perugia starb,17 sandte man nach Giovanni, der dorthin ging und das Grabmal jenes Papstes in Marmor arbeitete. Später, als die Perugianer ihre bischöfliche Kirche vergrößerten, wurde es zugleich mit dem Grabmal von Papst Martin IV. zerstört. Zu derselben Zeit hatten die Perugianer vom Monte Pacciano, der zwei Meilen von der Stadt gelegen ist, in Bleiröhren einen sehr starken Wasserlauf herleiten lassen und übertrugen nun dem Giovanni Pisano, den Brunnen mit Marmor- und Bronzeverzierungen auszuschmücken. Er machte sich an die Arbeit und setzte drei Schalen übereinander, zwei von Marmor und eine von Bronze. Die erste steht auf zwölf Stufen, die zweite ruht auf einigen Säulen, die auf der' Ebene der ersten, und zwar in der Mitte, aufgerichtet sind, und die dritte von Bronze wird von drei Figuren getragen und hat in der Mitte einige Greife, ebenfalls von Erz, die nach allen Seiten Wasser speien. Giovanni aber, überzeugt, daß er jene Arbeit wohl gemacht, setzte hier seinen Namen darauf.18

Nachdem dieses Werk vollendet war, wollte Giovanni nach Pisa zurückkehren, weil er sich nach seinem Vater sehnte, der alt und außerdem krank war. Doch wurde er in Florenz aufgehalten, um mit anderen beim Bau der Mühlen am Arno zu helfen. Als er dann die Nachricht vom Tode seines Vaters erhielt, ging er nach Pisa, wo er um seiner Vorzüge willen von der ganzen Stadt ehrenvoll empfangen wurde. Ein jeder freute sich, daß Niccolò in seinem Sohne Giovanni einen Erben seines Talents und seiner Geschicklichkeit hinterlassen hatte. Bald bot sich Gelegenheit, diese zu erproben, und es zeigte sich, daß man eine richtige Meinung über ihn hatte. Denn als ihm in der kleinen, aber sehr in Ehren gehaltenen Kirche Santa Maria della Spina einiges übertragen wurde, begann er diese Arbeiten, zu denen er mehrere seiner Schüler zu Hilfe nahm, und brachte den Schmuck dieser Kapelle zu großer Vollkommenheit.19 Diese Arbeit mußte damals für sehr wunderbar gehalten werden, zumal er in einer der Figuren das Bildnis seines Vaters angebracht hatte, so gut er es auszuführen vermochte. Die Pisaner hatten schon lange daran gedacht und auch besprochen, für alle Bewohner der Stadt, Vornehme wie Geringe, einen allgemeinen Begräbnisplatz einzurichten, damit nicht zu viele im Dom beigesetzt würden. Jetzt übertrugen sie Giovanni die Erbauung des Campo Santo, der auf dem Domplatz gegen die Mauer zu steht. Er verfertigte eine gute Zeichnung und führte ihn nach dieser mit großer Einsicht in der Weise und Größe und mit den Marmorverzierungen aus, wie man sie noch heute sieht. Weil man der Kosten nicht achtete, ließ er das Dach mit Blei decken.20

Nach Beendigung dieser Arbeit ging Giovanni in demselben Jahr nach Neapel, wo er für König Karl das Castel Nuovo erbaute. Weil es erweitert und befestigt werden sollte, mußte er viele Häuser und Kirchen abreißen, darunter besonders ein Franziskanerkloster, das später, entfernt vom Schlosse, viel größer und prächtiger als vorher wieder aufgebaut wurde und den Namen Santa Maria della Nuova erhielt. Nachdem diese Bauten angefangen und ziemlich weit gediehen waren, kehrte Giovanni von Neapel nach Toskana zurück. Als er aber nach Siena kam, ließ man ihn nicht weiterziehen, und er mußte das Modell zur Fassade des Domes jener Stadt arbeiten, die nach diesem Vorbild sehr reich und prächtig verziert wurde.21

Im Jahre 1300 war der Kardinal Niccolò von Prato als Gesandter des Papstes in Florenz, um die Zwistigkeiten der Florentiner auszugleichen. Dieser beauftragte ihn, in Prato ein Nonnenkloster zu bauen, das nach seinem Namen San Niccolò genannt wurde, und ließ ihn ebendaselbst das Kloster San Domenico, sowie das Kloster gleichen Namens in Pistoia herstellen, in denen man noch das Wappen jenes Kardinals sieht. Die Einwohner von Pistoia, die das Andenken des Niccolò, des Vaters von Giovanni, wegen der vielen Arbeiten, die er zur Zierde ihrer Stadt verfertigt hatte, sehr hochhielten, gaben Giovanni den Auftrag, für die Kirche Sant' Andrea eine Kanzel in Marmor zu arbeiten. Sie sollte der ähnlich werden, die jener im Dome zu Siena gebaut hatte, und mit einer andern wetteifern, die kurz zuvor in der Kirche San Giovanni Evangelista von einem Deutschen verfertigt worden war und sehr gerühmt wurde.22 Giovanni vollendete in vier Jahren dieses Werk, bei dem er in fünf Abteilungen Begebenheiten aus dem Leben Jesu darstellte und ein Weltgericht anbrachte, das er mit größter Sorgfalt arbeitete, um es so gut oder wohl noch besser zu machen, als jenes damals weitberühmte zu Orvieto. In derselben Zeit arbeitete Giovanni für die Kirche San Giovanni Evangelista ein Weihwasserbecken in Marmor. Dieses wird von drei Figuren, der Mäßigkeit, der Klugheit und der Gerechtigkeit, getragen, und man stellte es als ein Werk seltener Schönheit in der Mitte jener Kirche auf.

Als Papst Benedikt XI. in Perugia gestorben war (1304), berief man Giovanni in jene Stadt. Dieser arbeitete dort in der alten Kirche San Domenico der Predigermönche ein Grabmal für jenen Papst. In natürlicher Haltung, mit den päpstlichen Gewändern bekleidet, ruht er auf einem Sarg, ihm zur Seite zwei Engel, die einen Vorhang halten, und darüber eine Mutter Gottes mit zwei Heiligen im Relief. Viele andere Ornamente in erhabener Arbeit schmücken noch die Grabstätte.

Giovanni beeilte sich mit den Arbeiten in Perugia, da er beabsichtigte, wie einst der Vater nach Rom zu gehen, um dort die wenigen Altertümer zu studieren, die damals zu sehen waren. Aber wichtige Gründe hielten ihn ab, diesen Wunsch zu erfüllen, besonders als er hörte, daß der päpstliche Hof vor kurzem nach Avignon gegangen sei.

Er kehrte dann nach Pisa zurück, und dort ließ ihn der Kirchenvorsteher Nello di Giovanni Falconi im Dom die große Kanzel anfertigen, die rechts am Chor befestigt ist. Er fing dieses Werk an, arbeitete viele runde Figuren, die sie zu tragen bestimmt waren, und gab dem Ganzen nach und nach seine jetzige Gestalt, indem er es zum Teil auf jene Figuren, zum Teil auf einige Säulen stützte, die auf Löwen ruhen. An der Brüstung stellte er Szenen aus dem Leben Jesu dar. Es ist aber doch sehr zu beklagen, daß bei so vielen Kosten, Mühe und Fleiß nicht eine gute Zeichnung zugrunde lag, daß weder Erfindung, noch Anmut, noch irgendein guter Stil dieses Werk zieren und ihm jene Vollkommenheit geben, die in unseren Tagen bei weit geringerem Aufwand an Geld und Mühe jede Arbeit erreichen würde. Trotzdem muß dieses Werk den Menschen jener Zeit, die gewohnt waren, nur ganz grobe Arbeiten zu sehen, als ein nicht geringes Wunder erschienen sein.

Es wurde im Jahre 1320 vollendet, wie aus einigen Versen hervorgeht, die rings um die Kanzel eingeschnitten sind. Eine andere Madonna zwischen Johannes dem Täufer und einem Heiligen sieht man über dem Hauptportal des Domes. Sie ist ebenfalls ein Werk des Giovanni. Die Figur, die zu Füßen der Gottesmutter kniet, soll der Kirchenvorsteher Ganbacorti sein. Ebenso steht über der Seitentür gegenüber dem Glockenturm eine Marmormadonna von der Hand des Giovanni. Auf der einen Seite kniet eine Frau, die Pisa darstellt, mit zwei Kindern, auf der anderen Kaiser Heinrich (VII.).

In der alten Pfarrkirche von Prato hatte man viele Jahre unter dem Altar der Hauptkapelle den Gürtel der Mutter Gottes verwahrt, den Michele aus Prato im Jahre 1141, als er aus dem Heiligen Lande zurückkehrte, seiner Vaterstadt geschenkt und Umberto, dem Propste jener Kirche, übergeben hatte, wo man ihn immer hoch in Ehren hielt. Diesen Gürtel wollte im Jahre 1312 ein Prateser, ein nichtswürdiger Mensch, entwenden, er wurde auf der Tat ertappt und von den Gerichten als Kirchenräuber zum Tode verurteilt. Die Prateser aber beschlossen daraufhin, den Gürtel an einem sicheren Ort besser zu verwahren. Deshalb ließen sie Giovanni kommen, der schon ziemlich betagt war, und erbauten nach seinem Rat in der Hauptkirche eine Kapelle, in der nun der Gürtel der Madonna aufgehoben wird. Auch vergrößerten sie nach seiner Angabe die Kirche bedeutend und verkleideten Kirche und Turm außen mit weißem und schwarzem Marmor.

Im Jahre 1320 schließlich starb Giovanni in hohem Alter, nachdem er außer den genannten noch eine Menge Skulpturen und Bauwerke ausgeführt hatte. Wir verdanken ihm und seinem Vater Niccolò wirklich sehr vieles, da sie in einer Zeit, in der gute Zeichnung nirgends zu finden war, nicht wenig dazu beitrugen, die Kunst zu vervollkommnen, in der sie nach dem damaligen Stand der Dinge ganz ausgezeichnet waren. Giovanni wurde im Campo Santo ehrenvoll begraben, in derselben Gruft, in der sein Vater beigesetzt worden war.

Fußnoten

11 Der Sarkophag trägt in Wirklichkeit die Darstellung der Geschichte der Phädra und des Hippolyt.

12 Arnolfo di Cambio aus Colle di Val d'Elsa (1232 bis 1302), Architekt und Bildhauer, erbaut Santa Croce, entwirft die Pläne zu Santa Maria del Fiore und zum Palazzo Vecchio. Der Name des Fuccio ist trotz vieler Bemühungen nicht zu identifizieren.

13 San Martino in Lucca: Kreuzabnahme, Verkündigung, Geburt, Anbetung, erst 1260 anzusetzen.

14 Torre Guardamorto nach dem Leichenbeschauer benannt, der dort wohnte. Schon 1248 abgerissen. Der Name Niccolòs erst von Vasari damit in Verbindung gebracht.

15 Kanzel im Battistero 1259 vollendet, sein Hauptwerk.

16 Kanzel im Dom von Siena in den Jahren 1265 bis 1269 unter Mitarbeit von Arnolfo di Lapo, Donato und dem jungen Giovanni.

17 Urbans IV. Tod 1264.

18 Die Beschreibung des Brunnens vor dem Palazzo Communale in Perugia ist sehr ungenau. Auch die sonstigen Angaben stimmen nicht, da laut Inschrift von 1278 Niccolò und Giovanni gemeinsam beteiligt waren, sie außerdem noch andere Mitarbeiter hatten. Der Brunnen selbst ist in den Jahren 1277 bis 1280 angefertigt.

19 Madonna della Spina zu Unrecht dem Giovanni zugeschrieben. Der 1230 begonnene Bau wurde erst 1323 als Kapelle geschlossen.

20 Baubeginn des Campo Santo 1278.

21 Baumeister des Domes von Siena bis 1296; die Fassade nach Giovannis Entwurf.

22 Die Kanzel in San Giovanni Fuoricivitas 1270 von einem Fra Guglielmo.

Giotto

Inhaltsverzeichnis

Geboren 1266 in Colle Vespignano, gestorben am 8. Januar 1337 zu Florenz

Wenn die Meister der Malkunst der Natur Dank schulden, weil sie immer denen zum Vorbild dient, die das Gute aus ihren besten und schönsten Teilen auswählen und sich ständig bemühen, sie abzuzeichnen und nachzuahmen, so gebührt der gleiche Dank meiner Ansicht nach dem Florentiner Maler Giotto. Denn da durch die Kriegsverheerungen die gute Malerei und Zeichnung lange Zeit völlig verschüttet waren, war er es allein, der durch die Gnade des Himmels die fast erstorbene Kunst zu neuem Leben erweckte und auf solche Höhe brachte, daß sie vorzüglich genannt werden konnte.

Dieser große Mann wurde im Jahre 1266 in dem Dorf Vespignano geboren, etwa vierzehn Meilen von Florenz entfernt. Sein Vater hieß Bondone und war ein schlichter einfacher Landmann, der seinen Sohn mit Namen Giotto nach seinem Vermögen in guten Sitten erzog. Von klein auf zeigte der Knabe in allem, was er tat, große Lebhaftigkeit und einen ungewöhnlich treffenden Verstand, weshalb er nicht nur seinem Vater, sondern allen, die ihn kannten, im Dorf und in dessen Umgegend sehr lieb war. Als er zehn Jahre alt wurde, gab ihm Bondone einige Schafe zu hüten, die er auf seinem Grundbesitz da und dort weiden ließ. Weil ihn seine Neigung zur Zeichenkunst trieb, vergnügte er sich damit, auf Steine, Erde und Sand immer etwas nach der Natur oder was ihm sonst in den Sinn kam zu zeichnen. Da ging eines Tages Cimabue eines Geschäftes halber von Florenz nach Vespignano und fand Giotto, der, während seine Schafe weideten, auf einer glatten Steinplatte mit einem zugespitzten Steine ein Schaf nach dem Leben zeichnete, was ihn niemand gelehrt und was er nur von der Natur gelernt hatte. Cimabue blieb ganz verwundert stehen und fragte ihn, ob er mit ihm kommen und bei ihm bleiben wolle, worauf der Knabe antwortete: wenn sein Vater damit einverstanden sei, würde er es gerne tun. Cimabue erbat ihn darauf von Bondone, und dieser willigte ein, daß er ihn mit sich nach Florenz führe. Dort wurde der Knabe von Cimabue unterrichtet und lernte, von seinen Anlagen unterstützt, nach kurzer Zeit nicht nur den Stil seines Lehrers, sondern ahmte auch die Natur so treu nach, daß er die plumpe griechische Methode ganz verbannte und die neue und gute Kunst der Malerei wiedererweckte. Denn er wies den Weg, lebende Personen gut nach der Natur zu zeichnen, was mehr als zweihundert Jahre nicht geschehen war, oder wenn es auch zuweilen von einem versucht wurde, keinem so schnell und glücklich gelang wie Giotto. Unter anderem malte er in der Kapelle im Palast des Podestà zu Florenz ein Bildnis seines Zeitgenossen und sehr lieben Freundes Dante Alighieri, eines ebenso gefeierten Dichters, wie Giotto zu gleicher Zeit ein berühmter Maler war. In derselben Kapelle befinden sich, vom nämlichen Meister gearbeitet, die Bildnisse des Ser Brunetto Latini, des Lehrers des Dante, und des Herrn Corso Donari, eines wichtigen Mannes jener Zeit. Seine ersten Arbeiten führte Giotto in der Kapelle des Hauptaltars der Badia von Florenz aus. In ihr arbeitete er viel, was für schön galt, besonders eine Verkündigung Mariä, wobei er den Schreck und die Furcht der Jungfrau beim Erscheinen des Engels aufs lebendigste darstellt, da sie vor Angst fliehen möchte. Von Giotto gemalt ist auch das Bild auf dem Hauptaltar jener Kapelle.

In Santa Croce sind vier Kapellen von ihm ausgemalt. In der ersten, in der die Glockenseile hängen und die Ridolfo de' Bardi gehört, ist das Leben des heiligen Franziskus dargestellt. In der zweiten, der Kapelle der Familie Peruzzi, sieht man zwei Begebenheiten aus dem Leben Johannes des Täufers, dem die Kapelle geweiht ist, und zwei Wundergeschichten aus dem Leben des Evangelisten Johannes. In der dritten, der der Giugni, die den Aposteln geweiht ist, sind von der Hand Giottos die Martyrien von vielen Aposteln dargestellt. Und in der vierten, auf der anderen Seite der Kirche nach Norden gelegenen Kapelle der Tosinghi und Spinelli, die der Himmelfahrt Mariä geweiht ist, stellte Giotto Szenen aus dem Leben der Mutter Gottes dar. In der Kapelle der Baroncelli in derselben Kirche ist ein Temperabild von der Hand Giottos, eine Krönung der Maria, wobei er eine große Menge kleiner Figuren und einen Chor von Englein und Heiligen mit unendlicher Mühe ausführte. Auf dieses Werk setzte er in goldenen Buchstaben seinen Namen und die Jahreszahl.

Als diese Arbeiten beendet waren, ging er nach Assisi, wohin ihn Fra Giovanni di Muro della Marca, der damalige General der Ordensbrüder des heiligen Franziskus, berufen hatte. Dort malte er in der Oberkirche auf beiden Seiten zweiunddreißig Darstellungen aus dem Leben und Wirken des heiligen Franz, sechzehn auf jeder Wand, und zwar mit solcher Vollkommenheit, daß er dadurch höchsten Ruhm erlangte. Wirklich zeigt dieses Werk nicht nur eine große Mannigfaltigkeit in den Bewegungen jeder Figur, sondern auch in der Zusammenstellung aller Begebenheiten. Außerdem sieht man sehr schön die Verschiedenheit der Kleidung jener Zeit und manche Nachahmung und Abbildungen von Naturgegenständen. Unter anderem zeichnet sich ein Bild aus, in dem ein Durstiger zur Erde gebeugt mit großem, wirklich bewundernswert deutlichem Verlangen aus einer Quelle trinkt, so daß er fast als lebende Gestalt erscheint.

Als diese Bilder vollendet waren, malte er an dem gleichen Ort in der Unterkirche die oberen Wände an den Seiten des Hauptaltars und die vier Gewölbezwickel, unter denen der Leichnam des heiligen Franziskus ruht, die er alle mit geistvollen und schönen Erfindungen zierte. In diesen Darstellungen ist das Selbstbildnis Giottos sehr gut ausgeführt, und über der Tür zur Sakristei befindet sich von seiner Hand, wiederum in Fresko gemalt, ein heiliger Franziskus, der die Wundmale mit solcher Demut und Freudigkeit empfängt, daß mir dieses Bild unter allen Gemälden Giottos in jener Kirche als das vorzüglichste erscheint.23

Nachdem er jenen Franziskus vollendet hatte, kehrte er wieder nach Florenz zurück. Dort malte er für Pisa einen heiligen Franziskus auf dem Felsen von Vernia mit größter Sorgfalt. Dabei gab er eine Landschaft mit vielen Bäumen und Felsen, was in jener Zeit etwas Neues war. In der Stellung des heiligen Franziskus, der auf die Knie niedergestürzt die Wundmale empfängt, zeigt sich das glühende Verlangen, sie hinzunehmen, und die unendliche Liebe zu Christus, der von Seraphim umgeben in der Luft schwebt und sie ihm so liebreich bewilligt, daß man es in der Tat nicht besser darstellen könnte. Unter diesem Bild sind drei sehr schöne Darstellungen aus dem Leben desselben Heiligen. Dieses Gemälde wurde Veranlassung, daß die Pisaner Giotto einen Teil der inneren Wände des Campo Santo malen ließen, dessen Bau nach einer Zeichnung des Giovanni Pisano eben vollendet war. Jenes Gebäude war außen ganz mit Marmor verkleidet und mit vielen Kosten durch Bildhauerarbeiten geziert, hatte ein Dach von Blei, innen viele antike Fragmente und heidnische Grabmäler, die von verschiedenen Gegenden der Welt dorthin gebracht worden waren, und sollte nun auch an den Wänden durch herrliche Malereien geschmückt werden. Als daher Giotto nach Pisa kam, malte er am Anfang der einen Wand dieses Friedhofs in sechs großen Freskobildern die Leiden des Hiob. Er beachtete richtig, daß auf der Seite des Gebäudes, auf der er zu arbeiten hatte, der Marmor gegen das Meer gekehrt war und durch die Südostwinde immer feucht sein mußte, wodurch sich, wie meist bei den Backsteinen zu Pisa, eine Art Salzniederschlag entwickelt, der die Farben und Bilder verwischt und aufzehrt. Daher ließ er, damit sein Werk sich so gut als möglich erhalten möchte, überall, wo er in Fresko malen wollte, die Wand mit einer Verkleidung oder einem Bewurf von Kalk, Gips und zerriebenen Backsteinen versehen, so daß sich die Malereien bis heute erhalten haben und noch besser sein würden, wenn nicht die Unachtsamkeit der hierfür Verantwortlichen sie doch von der Nässe hätte beschädigen lassen. In diesen Bildern sieht man viele schöne Gestalten, besonders Landleute, welche dem Hiob die traurige Kunde bringen. Sie könnten nicht deutlicher und besser ihren Kummer zeigen, den sie über die verlorenen Herden und andere Unfälle empfinden. Ebenso ist von wunderbarer Anmut die Figur eines Dieners, der mit einem Fächer neben dem wundkranken und von allen verlassenen Hiob steht. Denn ebenso wie er in allen Teilen schön ist, ist auch die Stellung bewundernswert, in der er mit der einen Hand von dem aussätzigen und übelriechenden Herrn die Fliegen scheucht und mit der anderen sich vorsichtig die Nase zuhält, um den Gestank nicht zu riechen. Auch die anderen Gestalten jener Bilder, die männlichen und weiblichen Köpfe sind sehr schön und die Gewänder ungemein zart gemalt.24 Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß dieses Werk ihm in jener Stadt und an anderen Orten einen sehr großen Namen gemacht hat. Dadurch wurde Papst Benedikt XI., der einiges im Sankt Peter malen lassen wollte, veranlaßt, einen seiner Hofleute nach Toskana zu schicken, der sehen sollte, was für ein Mann Giotto sei und wie seine Arbeiten ausfielen.25

Dieser Hofmann sprach in Siena mit vielen Künstlern und ging, nachdem er Zeichnungen von ihnen erhalten hatte, nach Florenz. Dort trat er eines Morgens in die Werkstatt Giottos, der eben bei der Arbeit saß, eröffnete ihm den Willen des Papstes und erklärte, in welcher Weise dieser sich seiner Kunst bedienen wolle. Endlich bat er um eine kleine Zeichnung, die er Seiner Heiligkeit schicken könne. Giotto, der sehr höflich war, nahm ein Blatt und einen Pinsel mit roter Farbe, legte den Arm fest in die Seite, damit er ihm als Zirkel diene, und zog mit nur einer Handbewegung einen Kreis so scharf und genau, daß er in Erstaunen setzen mußte. Dann verbeugte er sich gegen den Hofmann und sagte: »Da habt Ihr die Zeichnung.« – Sehr erschreckt fragte dieser: »Soll ich keine andere als diese bekommen?« – »Es ist genug und fast zuviel«, antwortete Giotto, »schickt sie mit den übrigen hin, und Ihr sollt sehen, ob sie erkannt wird.« – Der Abgesandte, der wohl sah, daß er sonst nichts erhalten könnte, ging sehr mißvergnügt fort und zweifelte nicht, daß er gefoppt sei. Als er aber dem Papst die Zeichnungen und die Namen der Künstler sandte, schickte er auch die von Giotto und teilte ihm mit, in welcher Weise er den Kreis gezogen hätte, ohne den Arm zu bewegen und ohne Zirkel. Hieran erkannten der Papst und viele sachkundige Hofleute, wie weit Giotto die Maler seiner Zeit übertraf. Als diese Sache bekannt wurde, entstand das Sprichwort: »Du bist runder als das O des Giotto«, das noch heute auf Menschen von grober Art angewandt wird und nicht nur wegen der Begebenheit schön ist, der es seine Entstehung verdankt, sondern mehr noch seiner Bedeutung halber, die im Doppelsinn des Wortes »tondo« liegt, das im Toskanischen einen genauen Kreis bezeichnet und gleichzeitig für Langsamkeit und Plumpheit des Geistes gebraucht wird.

Der Papst also berief Giotto nach Rom, erzeigte ihm viel Ehre und ließ ihn in der Tribüne von Sankt Peter fünf Darstellungen aus dem Leben Christi und das Hauptbild in der Sakristei malen. Giotto führte alles mit solcher Sorgfalt aus, daß nie eine ausgezeichnetere Temperamalerei aus seinen Händen kam. Auch gab ihm der Papst, der sich wohl bedient sah, zur Belohnung sechshundert Dukaten und erwies ihm so viel Gunstbezeigungen, daß in ganz Italien davon die Rede war. Danach ließ ihn der Papst rings an den Wänden der Peterskirche Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament malen. Giotto arbeitete zuerst über der Orgel große Engel in Fresko und viele andere Bilder, die zum Teil in unseren Tagen wiederhergestellt worden sind, zum Teil aber, als man die neuen Mauern baute, zerstört wurden. Von Giotto stammt auch das Schiff in Mosaik über den drei Türen der Vorhalle in Sankt Peter, das wirklich wunderbar ist und mit Recht von allen Kunstkennern gerühmt wird, nicht nur wegen der Zeichnung, sondern auch wegen der Gruppierung der Apostel, die auf verschiedene Weise dem Sturm auf dem Meere entgegenarbeiten. Ein Segel, in das der Wind bläst, ist so schwellend, wie ein wirkliches nicht anders sein könnte, obgleich es sehr schwer ist, mit solchen Glasstückchen die Übergänge von weißem Licht zu tiefen Schatten in einem so großen Segel hervorzubringen. Selbst mit dem Pinsel würde es viel Mühe kosten, es so gut zu malen. Das Lob, das dieser Mosaikarbeit von allen Künstlern gezollt wurde, war wohlverdient.26

Hierauf malte Giotto in der Minerva, der Kirche des Predigerordens, auf einer Tafel ein großes Kruzifix in Tempera, das man damals sehr rühmte, und kehrte dann in seine Vaterstadt zurück, nachdem er sechs Jahre fort gewesen war. Aber nicht lange danach, als Benedikt XI. gestorben und Papst Clemens V. in Perugia gewählt worden war, mußte Giotto mit diesem Papst nach Avignon gehen, wohin jener den Hof verlegte, um dort einige Werke zu schaffen. Er verfertigte nicht nur in Avignon, sondern auch an vielen anderen Orten Frankreichs eine Menge schönster Tafeln und Freskomalereien, die dem Papst und dem ganzen Hof sehr gut gefielen. Deshalb wurde er sehr gnädig und reich beschenkt entlassen und kehrte ebenso wohlhabend als geehrt und berühmt nach Hause zurück.

Im Jahre 1322 ging er nach Lucca, nachdem im Jahre vorher sein Freund Dante zu seinem großen Kummer gestorben war, und malte auf Wunsch des Castruccio, des damaligen Gebieters jener Stadt, ein Bild in San Martino, auf dem er einen schwebenden Christus und vier Schutzheilige von Lucca darstellte.

Als Giotto wieder in Florenz war, schrieb König Robert von Neapel an König Karl von Kalabrien, seinen Erstgeborenen, der sich in Florenz aufhielt, er solle ihm um jeden Preis Giotto nach Neapel schicken, er habe den Bau des Nonnenklosters und der Kirche Santa Chiara beendet und wolle nun, daß jener sie mit schönen Malereien verziere.

Giotto, der sich von einem so berühmten und gepriesenen König gerufen sah, begab sich gern in seine Dienste und malte dort in einigen Kapellen jenes Klosters viele Darstellungen aus dem Alten und Neuen Testament. Die Bilder aus der Offenbarung des Johannes, die er in einer jener Kapellen ausführte, sollen Erfindungen von Dante sein, was auch bei seinen berühmten Malereien in Assisi der Fall war, von denen wir oben sprachen. Obgleich Dante in jener Zeit nicht mehr lebte, ist es doch leicht möglich, daß sie sich darüber unterhalten haben, wie dieses häufig unter Freunden geschieht. Doch wir wollen nach Neapel zurückkehren, wo Giotto im Castel dell' Uovo und besonders in der Kapelle vieles malte, das dem König wohl gefiel, der ihn sehr liebte und oft, wenn der Künstler malte, sich mit ihm unterhielt, denn es machte ihm Freude, jenen arbeiten zu sehen und seiner Rede zuzuhören. Giotto, der immer ein Sprichwort oder eine treffliche Antwort bereit hatte, verschaffte ihm doppelte Unterhaltung, indem er mit der Hand malte und gleichzeitig geistvolle Gespräche führte. – »Ich will dich zum ersten Mann von Neapel machen«, sagte Robert einst zu ihm, worauf Giotto antwortete: »Um der Erste in Neapel zu sein, wohne ich schon an der Porta Reale.« Ein andermal sagte der König: »Wenn ich du wäre, würde ich jetzt nicht arbeiten, da es so heiß ist.« – »Ich gewiß nicht«, entgegnete Giotto, »wenn ich Ihr wäre.« – Da nun der Maler dem Könige sehr lieb war, ließ er ihn in einem Saale – den König Alfons I. zerstörte, um das Kastell zu bauen – eine große Menge Malereien verfertigen. Unter anderem sah man dort auch die Bilder vieler berühmter Männer und darunter das eigene Bild Giottos. Einst verlangte der König im Scherz, er solle ihm sein Königreich in einem Gemälde darstellen, worauf Giotto, wie man erzählt, einen gesattelten Esel malte, zu dessen Füßen ein anderer Sattel lag, den er beschnupperte und sich zu wünschen schien. Auf beiden Sätteln waren Krone und Zepter abgebildet. »Deute mir dieses«, sagte der König. – »So ist dein Volk«, antwortete Giotto, »sie wünschen alle Tage einen anderen Herrscher.«

Als Giotto Neapel verließ, um nach Rom zu gehen, hielt er sich in Gaeta auf, wo er in der Nunziata einige Darstellungen aus dem Neuen Testament malen mußte, die nunmehr durch Feuchtigkeit gelitten haben. Nach Vollendung dieses Werkes konnte er es dem Herrn Malatesta nicht verweigern, zunächst noch einige Tage in seinem Dienst in Rom zu bleiben und dann nach Rimini zu gehen, dessen Gebieter Malatesta war. Dort malte er in der Kirche San Francesco viele Bilder, die von Gismondo, dem Sohne Pandolfo Malatestas, der jene ganze Kirche erneuerte, zerstört und niedergerissen wurden. Schließlich kehrte er hochgeehrt und mit einem ziemlich großen Vermögen nach Florenz zurück.

Dort malte er in San Marco einen überlebensgroßen Kruzifixus in Tempera auf Goldgrund und verfertigte einen ähnlichen für Santa Maria Novella, bei der sein Schüler Puccio Capanna mitarbeitete.

Im Jahre 1327 starb Guido Tarlati da Pietramala, der Bischof und Herr von Arezzo, in Massa di Maremma bei seiner Rückkehr von Lucca, wohin er sich zum Besuch des Kaisers begeben hatte. Seine Leiche wurde nach Arezzo gebracht, wo er mit größten Ehren beigesetzt wurde. Piero Saccone aber und Dolfo di Pietramala, der Bruder des Bischofs, beschlossen, ihm ein Marmorgrabmal zu setzen, würdig der Größe eines solchen Mannes, der in geistlichen und weltlichen Dingen ausgezeichnet und das Haupt der Ghibellinen in Toskana gewesen war. Deshalb schrieben sie an Giotto und gaben ihm den Auftrag, die Zeichnung zu einem sehr reichen und möglichst prächtigen Grabmal zu machen. Sie schickten ihm die Maße und baten ihn gleichzeitig, ihnen von den Bildhauern Italiens den zu senden, welchen er für den besten halte; sie würden sich ganz seinem Urteil fügen. Giotto, der immer sehr entgegenkommend war, machte die Zeichnung und schickte sie ihnen. Danach wurde jenes Grabmal ausgeführt.

Nach Beendigung dieser Arbeiten begann er am 9. Juli 1334 den Bau des Glockenturms von Santa Maria del Fiore. Als das Fundament begonnen wurde, kam mit dem ganzen Klerus und dem Magistrat der Bischof der Stadt und legte feierlich den Grundstein. Man setzte den Bau nach einem Modell fort, das in dem damals üblichen deutschen Geschmack gehalten war, und Giotto zeichnete alle Darstellungen, die zu der Verzierung gehörten, wobei er sorgfältig mit weißer, schwarzer und roter Farbe an dem Modell alle Stellen bezeichnete, wohin Steine und Friese kommen sollten. Wenn, wie ich glaube, Lorenzo di Cione Ghiberti richtig berichtet, so verfertigte Giotto nicht nur das Modell zu jenem Turm, sondern auch von den Bildwerken und Reliefs einen Teil jener Darstellungen in Marmor, die die Anfänge aller Künste zeigen.27 Nach dem Modell Giottos sollte dieser Turm noch eine hohe Spitze oder Pyramide erhalten. Weil dies aber nach dem veralteten deutschen Geschmack war, haben die neueren Baumeister immer geraten, sie wegzulassen; es schien ihnen, der Turm sei ohne sie schöner. Für all diese Dienste wurde Giotto nicht nur zum Bürger von Florenz ernannt, sondern erhielt auch von der Gemeinde jährlich hundert Goldgulden Besoldung, was für jene Zeit etwas Großes war. Jener Bau, über den er die Aufsicht führte, wurde dann von Taddeo Gaddi fortgesetzt, da Giotto nicht lange genug lebte, um ihn beendet zu sehen.

Während dieses Werk vorwärtsschritt, malte er ein Bild für die Nonnen von San Giorgio und führte in der Badia von Florenz im inneren Türbogen der Kirche drei halbe Figuren aus, die man jetzt weiß übertüncht hat, um die Kirche aufzuhellen. Ferner stellte er im großen Saal des Podestà von Florenz auf einem Gemälde die Gemeinde dar, die von vielen beraubt wird, das heißt, er malte sie in der Gestalt eines sitzenden Richters mit dem Zepter in der Hand, über dem Haupt eine gleichwägende Waage als Zeichen seines gerechten Urteils, und vier Tugenden, die ihm Beistand leisten: die Stärke mit dem Mute, die Klugheit mit den Gesetzen, die Gerechtigkeit mit den Waffen und die Mäßigung mit der Rede. Es ist ein schönes Gemälde und eine eigenartige, der Wahrheit nahekommende Erfindung. Hierauf ging er noch einmal nach Padua und malte dort außer vielen Bildern und den Kapellen in der Arena eine Verklärung der Welt, die ihm viel Ehre und großen Nutzen brachte.28.

Auch in Mailand verfertigte er noch einige Malereien, die in jener Stadt verstreut sind und dort bis auf den heutigen Tag sehr hoch geschätzt werden. Kurze Zeit nach seiner Rückkehr von dort, das heißt im Jahre 1337, starb er nach Vollendung seiner vielen Meisterwerke, zum aufrichtigen Kummer seiner Mitbürger und aller, die ihn kannten, ja die ihn nur hatten nennen hören. Denn er war nicht nur ein ausgezeichneter Maler, sondern auch ein ebenso guter Christ gewesen. Nach Verdienst wurde er im Tode durch ein feierliches Leichenbegängnis geehrt, da er im Leben von jedermann geliebt worden war, besonders von ausgezeichneten Menschen jedes Standes, unter denen außer Dante auch Petrarca zu nennen ist, der Giotto und seine Kunst hoch verehrte. Der Meister wurde in Santa Maria del Fiore begraben, wo auf der linken Seite, wenn man in die Kirche tritt, ein weißer Marmorstein zum Gedächtnis dieses großen Mannes gesetzt ist.

Er war, wie schon erwähnt, sehr fröhlich und führte gerne witzige und scharfe Reden, die in Florenz in lebhaftem Andenken stehen. Man erzählt auch, Giotto habe in der Zeit, da er noch als Knabe bei Cimabue war, einer Figur seines Meisters eine Fliege so natürlich auf die Nase gemalt, daß Cimabue, als er sich bei seiner Rückkehr an die Arbeit setzte, sie als eine wirkliche Fliege mehrmals mit der Hand fortscheuchen wollte, ehe er des Irrtums gewahr wurde.

Giotto blieb nicht nur durch die Arbeit seiner Hände in lebhaftem Andenken, sondern auch durch die Werke der Schriftsteller jener Zeit, weil er es war, der die wahre Art zu malen wiedergefunden hatte, die lange Jahre verloren gewesen war. Daher wurde durch öffentliches Dekret und auf Verwendung des glorreichen Lorenzo des Älteren von Medici, der mit besonderer Zuneigung die Kunst dieses großen Mannes verehrte, seine Büste in Santa Maria del Fiore aufgestellt. Sie war von dem vortrefflichen Bildhauer Benedetto da Maiano in Marmor gearbeitet und mit einer Inschrift von dem göttlichen Angelo Poliziano versehen, um allen, die sich in irgendeinem Fach auszeichnen, Hoffnung zu geben, daß sie bei anderen Anerkennung finden werden, wie sie Giotto reichlich verdiente und von Lorenzos Güte empfing.

Fußnoten

23 Vasari hat verschiedene Bilder, die der Giotto-Schule entstammen, dem Meister selbst zugeschrieben. Verschiedentlich ist die Autorschaft noch nicht völlig geklärt.

24 Die Fresken des Campo Santo mit den Leiden des Hiob heute allgemein dem Daniele da Volterra zugeschrieben, der sie 1371 begonnen hat.

25 Schon Papst Bonifaz VIII. (1294 bis 1303) hatte Giotto nach Rom berufen.

26 Es ist das Mosaik der sogenannten »Navicella« in der Vorhalle der Peterskirche zu Rom, heute größtenteils Kopie, Reste des Originals im Museo Petriano in Rom.

27 Die plastischen Arbeiten am Glockenturm stammen wohl von der Hand des Andrea Pisano, Giottos Nachfolger als Baumeister, der diese zum Teil nach Skizzen Giottos ausführte.

28 Das Hauptwerk Giottos, die Fresken in der Kapelle des Enrico Scrovegni auf dem Platz der römischen Arena, daher der Name Cappella dell' Arena.

Jacopo della Quercia

Inhaltsverzeichnis

Geboren 1374 zu Quercia bei Siena, gestorben 1438 zu Siena

Quercia, ein Ort in der Umgegend von Siena, ist die Vaterstadt des Bildhauers Jacopo di Maestro Piero di Filippo. Er war nach dem Pisaner Andrea29 und nach Orcagna30 der erste, der anfing, in seiner Kunst mit mehr Studien und Sorgfalt zu arbeiten und zu zeigen, daß man sich dem Leben nähern könne. Er war der erste, der anderen den Mut und die Hoffnung gab, die Natur in gewissem Sinne zu erreichen. Sein frühestes Werk, das der Beachtung wert ist, verfertigte er in seinem neunzehnten Jahre zu Siena bei folgender Veranlassung: die Sienesen hatten ein Heer gegen die Florentiner im Felde, das Gian Tedesco und Giovanni d'Azzo Ubaldini als Feldhauptleute befehligten. Giovanni d'Azzo jedoch wurde im Lager krank, man brachte ihn nach Siena, wo er starb. Die Sienesen, denen sein Tod sehr naheging, veranstalteten für ihn ein ehrenvolles Leichengepränge und ließen ihm ein hölzernes Gestell in Form einer Pyramide errichten, auf die sie eine Statue von der Hand Jacopos setzten, die Giovanni zu Pferd in Überlebensgröße darstellt. Diese Figur war mit viel Einsicht und Erfindung gearbeitet, da Jacopo eine Methode fand, die bis dahin noch nicht bekannt gewesen war. Die Knochen des Pferdes und der Gestalt wurden nämlich von Holzstücken und schmalen Bohlen angefertigt, die man aneinanderfügte und dann mit Heu, Werg und Seilen umwickelte. Alles wurde fest verbunden, und darüber kam eine Verkleidung von Erde, die Jacopo mit Scherwolle von Tuch, mit Teig und Leim vermischte; ein Verfahren, das wirklich für solche Dinge das beste ist, weil Arbeiten dieser Art als massiv erscheinen, fertig und getrocknet aber sehr leicht sind und, mit Weiß überzogen, ein dem Marmor ähnliches und dem Auge sehr gefälliges Aussehen gewinnen. Außerdem bekommen Statuen, die mit diesen Mischungen gearbeitet sind, keine Risse, wie es geschehen würde, wenn sie bloß von Ton wären. Heutzutage verfertigt man die Modelle zu den Bildwerken in dieser Art, was den Künstlern zu großem Nutzen gereicht, denn dadurch haben sie immer ein Vorbild und das richtige Maß der Werke, die sie arbeiten, vor Augen. Jacopo aber, dem als Erfinder dieser Sache großer Dank gebührt, verfertigte nach Vollendung dieser Statue zwei Tafeln von Lindenholz und führte die Figuren, die Bärte und Haare mit solcher Geduld aus, daß es bewundernswert bleibt. Diese Tafeln wurden im Dom aufgestellt, und für die Fassade desselben Gebäudes verfertigte Jacopo aus Marmor einige Propheten in nicht sehr großem Maßstab. Er würde auch an jenem Bauwerk fortgearbeitet haben, wenn nicht Pest und Hungersnot und die Kämpfe der sienesischen Bürger nach manchem Aufruhr jene Stadt in einen schlimmen Zustand versetzt und Orlando Malevolti vertrieben hätten, durch dessen Gunst Jacopo mit Ehren in seiner Vaterstadt beschäftigt worden war.

Er verließ daher Siena und begab sich mit Unterstützung einiger seiner Freunde nach Lucca, wo er im Auftrag von Paolo Guinigi, dem Gebieter jener Stadt, in der Kirche San Martino ein Grabmal für dessen Gemahlin verfertigte, die kurz vorher gestorben war. Auf dem Sockel dieses Werkes führte er einige Kinder, die ein Laubgeflecht halten, so fein in Marmor aus, daß sie wie von Fleisch erscheinen, stellte auf dem Sarge, den dieser Sockel trägt, mit unendlicher Sorgfalt die Gattin von Paolo Guinigi dar, die darin beigesetzt wurde, und arbeitete aus demselben Stein, zu ihren Füßen ruhend, einen Hund in erhabenem Relief als Sinnbild der Treue gegen ihren Gatten.

Jacopo, der unterdes gehört hatte, die Zunft der Wollweber zu Florenz wolle eine der Bronzetüren der Kirche San Giovanni arbeiten lassen, war nach Florenz gegangen, damit er dort bekannt werden möchte. Denn diese Arbeit sollte demjenigen übertragen werden, der bei Anfertigung einer Darstellung in Bronze von sich und seiner Kunst den besten Beweis geben würde. In Florenz arbeitete er nicht nur das Modell, sondern führte auch das sehr gut entworfene Bild bis zur letzten Politur aus, und dieses gefiel so gut, daß man ihm jenes große Werk übertragen hätte, wenn er nicht den trefflichen Donatello und Filippo Brunelleschi zu Mitbewerbern gehabt hätte, die ihn mit ihren Arbeiten übertrafen.

Da die Sache fehlgeschlagen war, begab er sich nach Bologna, wo ihm durch die Gunst des Giovanni Bentivoglio von den Werkmeistern von San Petronio der Auftrag gegeben wurde, die Haupttür jener Kirche in Marmor zu verzieren. Um nicht den Stil, in dem dieses Werk begonnen war, zu stören, setzte er nach deutschem Geschmack die Arbeit fort, indem er über der Reihe von Pfeilern, welche die Gesimse und den Bogen tragen, die noch fehlenden Reliefs einfügte, die er mit unendlichem Fleiß im Verlauf von zwölf Jahren verfertigte. Die Bolognesen, die geglaubt hatten, man könne kein besseres, ja nicht einmal ein gleich schönes Marmorwerk zustande bringen, wie jenes, das die Sienesen Agostino und Agnolo nach alter Art in San Francesco am Hauptaltar verfertigt hatten, sahen mit Erstaunen, daß diese Arbeit um vieles herrlicher war als jene.

Dann wurde Jacopo gebeten, nach Lucca zurückzukehren, und folgte gern dieser Aufforderung. Dort arbeitete er in San Friano für Federigo di Maestro Trenta del Veglia eine Tafel aus Marmor, auf der er die Jungfrau mit dem Sohn im Arm, die Heiligen Sebastian, Lucia, Hieronymus und Sigismund nach guter Methode und Zeichnung und mit Anmut darstellte. Auf der Staffel sah man unter jedem Heiligen eine Begebenheit aus dessen Leben in Halbrelief ausgeführt. Alles dies nahm sich sehr gut aus und erwarb reichen Beifall, denn Jacopo hatte mit großer Kunst die Figuren allmählich zurücktreten und nach dem Hintergrund zu flacher werden lassen. Auch stärkte er andern den Mut, durch neue Erfindungen ihren Werken Reiz und Schönheit zu verleihen, indem er auf zwei großen Grabsteinen Federigo, für den er das ganze Werk arbeitete, und dessen Gemahlin in Basrelief nach dem Leben abbildete.

Von Lucca begab sich Jacopo nach Florenz, und die Werkmeister von Santa Maria del Fiore, die ihn sehr hatten rühmen hören, gaben ihm Auftrag, den Vorgiebel über der Tür nach der Annunziata in Marmor zu arbeiten. Dort stellte er in einem spitzen Oval die Madonna dar, die von einem Chor singender und musizierender Engel zum Himmel getragen wird, die alle schöne Stellungen und Bewegungen haben und in ihrem Fluge Kraft und Gewandtheit zeigen, wie es bis dahin noch niemals gesehen worden war.

Jacopo wünschte seine Vaterstadt wiederzusehen und kehrte daher nach Siena zurück, wo ihm seinem Wunsch entsprechend bald Gelegenheit gegeben wurde, ein ehrenvolles Andenken von sich zu stiften. Denn die Signoria von Siena, entschlossen, eine reiche Marmorverzierung um die Quelle verfertigen zu lassen, welche die Sienesen Agostino und Agnolo im Jahre 1343 nach dem Hauptplatz geleitet hatten, übertrug Jacopo dieses Werk für den Preis von zweitausendzweihundert Goldgulden. Er verfertigte ein Modell, ließ den Marmor kommen und begann die Arbeit, die er zu größter Zufriedenheit seiner Mitbürger vollendete, die ihn von nun an nicht mehr Jacopo della Quercia, sondern Jacopo della Fonte nannten. Den Mittelpunkt des Werkes bildet die glorreiche Jungfrau Maria, die vornehmste Schutzpatronin jener Stadt, etwas größer als die anderen Figuren, in anmutiger und ungewöhnlicher Weise dargestellt. Ringsum sieht man die sieben theologischen und Kardinaltugenden, deren Köpfe Jacopo zart arbeitete und ihnen einen angenehmen Ausdruck gab. Man erkennt daraus, daß er angefangen hatte, das Gute und die Schwierigkeit der Kunst einzusehen und dem Marmor Reiz zu geben. Denn er verbannte den alten Stil, den die Bildhauer bisher anwandten, die ihren Gestalten durchaus keine Anmut zu verleihen wußten, während Jacopo sie lieblich und voll darstellte und den Marmor mit Geduld und Zartheit ausmeißelte. Zur Verzierung jenes Brunnens arbeitete er außerdem einige Begebenheiten aus dem Alten Testament, wie die Erschaffung der ersten Menschen und den Genuß des verbotenen Apfels, wobei man in dem Angesicht Evas einen so schönen Ausdruck und in der ehrfurchtsvollen Stellung, in der sie Adam den Apfel hinreicht, einen solchen Liebreiz gewahrt, daß es wirklich scheint, als könne er sich nicht weigern, ihn zu nehmen. Das übrige Werk ist nicht minder einsichtsvoll gearbeitet und mit schönen Kindern und anderen Verzierungen, mit Löwen und Wölfen, die zum Wappen der Stadt gehören, geschmückt, was Jacopo alles im Verlauf von zwölf Jahren mit sorgsamem Fleiß und vieler Übung ausführte.31