Kurfürstenklinik 10 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 10 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. "Mein letzter Tag bei Ihnen, Herr Dr. Winter!" sagte Miriam Fechner und sah den jungen Notaufnahmechef der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg betrübt an. "Ich wäre gern noch länger geblieben, das wissen Sie ja – aber als nächstes werde ich in Ihrer Neurochirurgie eingesetzt. Ich soll das ganze Haus kennenlernen." "Sie waren uns eine große Hilfe, Schwester Miriam", erwiderte Dr. Adrian Winter lächelnd. "Wir sind froh, daß Sie wenigstens eine Zeitlang unser Team verstärkt haben."

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Die Kurfürstenklinik –10–

Eine Verzweiflungstat mit Folgen

Verena glaubte nicht mehr an die Zukunft

Roman von Nina Kayser-Darius

»Was ist denn heute los?« Überrascht sah sich Dr. Adrian Winter in der Notaufnahme um. Gähnende Leere herrschte, und seine Mitarbeiter hatten rein gar nichts zu tun.

»Länderspiel«, kommentierte Schwester Walli lakonisch. »Da sind die Straßen erst mal wie leergefegt. Aber warte nur, der Ansturm trifft uns noch, da bin ich sicher.«

»Sie unkt schon den ganzen Morgen«, lachte Bea, die jüngste Mitarbeiterin des Teams. »Glauben Sie auch, daß wir heute noch viel Streß haben werden, Chef?«

Adrian zuckte die Schultern. »Wenn ich das immer vorhersagen könnte, wäre ich mehr als ein einfacher Chirurg in Berlin.«

Walli legte kurz den Arm um die junge Kollegin. »Bea hat einen neuen Verehrer, und mit dem hat sie sich verabredet. Ein pünktlicher Dienstschluß ist alles, was sie sich für heute abend ersehnt.«

Bea, die an und für sich ungemein keß war, wurde ein wenig rot, doch dann sprach sie aus, was ihr durch den Kopf ging. »Ein bißchen mehr will ich vom heutigen Tag schon haben. Schließlich ist Jürgen ein toller…«

Zu mehr kam sie nicht, denn draußen hielt mit quietschenden Reifen ein Wagen – direkt vor der Notaufnahme.

Sekunden später kam ein etwa fünfzigjähriger Mann herein, auf den Armen einen kleinen Jungen, dessen Gesichtsfarbe schon ins Blaue ging. »Er hat was verschluckt«, stieß der aufgeregte Vater hervor. »Um Himmels willen, helfen Sie uns! Patrick ist doch alles, was ich habe!«

»Ganz ruhig.« Adrian Winter hatte dem aufgeregten Mann den halb besinnungslosen Jungen schon abgenommen und legte das Kind auf die Untersuchungsliege.

»Walli, du hilfst mir«, kommentierte er. »Halt den Kopf ruhig… ja, so.«

Das Kind wimmerte leicht, doch es hatte nun die Augen geöffnet und sah den Arzt immerzu an.

»Keine Angst, gleich bekommst du wieder Luft«, versicherte Adrian, während er versuchte, den Rachen auszuleuchten. Und schon nach wenigen Sekunden sah er den kleinen Knochen, der der Verursacher aller Beschwerden war.

»Hat Patrick eben ein Hähnchen gegessen?« fragte er.

»Nein.« Der aufgeregte Vater knetete an seinen Fingern herum, bis die Knöchel weiß hervortraten. Er war kreidebleich, und man mußte um ihn mindestens genauso viel Angst haben wie um den Jungen. »Aber ein Kotelett… und dann…«

»Schon gut. Danke.«

Mit ein paar geschickten Griffen gelang es Dr. Winter, das Hindernis aus der Kehle zu ziehen.

Patrick rang keuchend nach Luft, doch man konnte erkennen, wie schnell es ihm besserging.

Ganz anders seinem Vater. Kaum hatte die Anspannung nachgelassen, sank er mit einem kleinen Seufzer in sich zusammen.

»Ich hab’s kommen sehen«, murmelte Schwester Walli und beugte sich schon über den Mann.

»Laß du mal, ich mach das schon«, kommandierte Adrian Winter. »Patrick geht’s wieder gut, schau du, daß du ihn ein bißchen abgelenkt kriegst«, fügte er leise hinzu.

Der Arzt selbst kontrollierte Herz und Kreislauf des Mannes, und Adrians Miene drückte tiefe Besorgnis aus. »Das sieht nach einem Infarkt aus«, murmelte er mehr zu sich als an die anderen gewandt.

Doch Walli hatte ihn verstanden. »So, Patrick, jetzt gehst du mit der netten Bea rüber ins Wartezimmer. Da gibt’s ’ne schöne Spielecke. Wir sehen zu, daß dein Papi wieder auf die Beine kommt. Klar?«

Der Junge, der immer noch ein bißchen mitgenommen wirkte, nickte nur. Aus großen, angsterfüllten Augen blickte er auf seinen Vater, der wie leblos am Boden lag.

Adrian Winter hatte schon alles für eine erste Infusion vorbereitet, und nun half ihm die erfahrene Walli, alles Notwendige zu tun, denn nichts war bei einem Infarktpatienten so wichtig wie die rasche Erstversorgung.

»Er kommt gleich auf Intensiv«, ordnete Dr. Winter an. »Wir hier können nicht viel für ihn tun. Oben aber ist er in den besten Händen.«

»Und der Junge?«

»Er kann Bea sicher sagen, wie er heißt und wo er wohnt. Vielleicht ist jemand daheim, der sich um den Kleinen kümmern kann. Bis dahin muß er hierbleiben.«

Er kontrollierte nochmals die Herztätigkeit seines neuen Patienten, und mit Zufriedenheit stellte er fest, daß die Angst aus dem Gesicht des Mannes mittlerweile gewichen war. Er atmete ruhiger, und seine Linke, die wie im Krampf zusammengepreßt gewesen war, lag jetzt entspannt auf der Brust.

»Ich glaube, er hat Glück im Unglück gehabt«, meinte Walli. »Wer bekommt schon in der Notaufnahme einer Klinik einen Herzanfall – oder gar Herzinfarkt?«

»Hoffen wir, daß es kein schwerer Infarkt ist, sondern wirklich nur der berühmte Schuß vor den Bug. Der Mann sieht so aus, als stände er unter Dauerstreß.«

»Adrian, der Hobbydetektiv«, erklang in diesem Moment eine Stimme von der Tür her. »Was hast du mit dem armen Kerl gemacht?«

Dr. Bernd Schäfer, 32 Jahre alt und chirurgischer Assistent, kam in die Notaufnahme und sah forschend von einem zum anderen.

Schnell war erzählt, was vorgefallen war, und noch ehe Adrian seinen Bericht beendet hatte, kamen zwei Pfleger und brachten den Mann hoch zur Intensivstation, wo er von nun an rund um die Uhr bewacht werden würde. Jede Lebensfunktion würde von Spe­zialgeräten aufgezeichnet werden – und sollte sich sein Zustand verschlechtern, würde das Personal der Intensivstation davon sofort durch Signaltöne verständigt werden.

»Was machst du eigentlich hier? Dein Dienst ist seit zwei Stunden zu Ende, denke ich.« Adrian sah den Mann fragend an.

»Du bist mal wieder nicht über alles, was in deiner Abteilung passiert, unterrichtet, nicht wahr?«

»Offensichtlich nicht. Aber… ich habe ja dich als exzellenten Mitarbeiter, und du wirst mich bestimmt gleich von meinem Defizit befreien.«

Bernd Schäfer, groß, massig und immer wie ein gutmütiger Bär wirkend, nickte grinsend. »Kommt mit nach draußen«, forderte er.

»Aber ich hab’ doch…«

»Komm mit. Nur bis zur Tür.«

Schulterzuckend folgte ihm Adrian. Draußen sah er es – einen herrlichen Strauß gelber Rosen und dazu eine Flasche Champagner mit diversen Gläsern. Alles stand auf einem Tablett. Dazu gab’s eine Platte mit Lachsschnittchen.

»Du willst dich wohl bei

Walli einschmeicheln«, stellte

Adrian fest. »Sie liebt Lachs!«

»Du hast es erfaßt!« Bernd nickte. »Und… macht’s bei dir immer noch nicht ›klick‹?«

Sein Chef schüttelte den Kopf. »Sorry, ich bin wahrscheinlich heute etwas begriffsstutzig.«

»Nicht nur heute, mein Lieber. Deshalb – nimm du den Schampus und die Rosen, ich trage inzwischen das Tablett rein. Du kannst dann auch den netten Spruch zu Wallis Geburtstag sagen.«

»Ach du liebe Güte!« Wenn Dr. Winter nicht schon die Hände voll gehabt hätte, hätte er sich vor die Stirn geschlagen. »Das hab’ ich total vergessen.«

»Chefs dürfen das. Dafür haben sie ja ihre Assis, die denken und handeln«, flachste Bernd Schäfer.

»Danke, du treuer Adlatus«, gab Adrian zurück.

Und dann standen sie alle, die gerade abkömmlich waren, im Halbkreis vor Walli und gratulierten der freundlichen Schwester von ganzem Herzen.

»Gute Mitarbeiterinnen sind rar«, fügte Adrian hinzu, »sympathische, liebenswerte sind allerdings noch rarer. Und solch ein Goldstück wie du, Walli… das ist einmalig!« Damit gab er ihr die Rosen und küßte sie liebevoll auf beide Wangen. »Alles, alles Gute zum Geburtstag«, sagte er laut. Und leise, nur für sie hörbar, fügte er hinzu: »Und ganz besonders viel Glück in der Liebe!«

»Danke – gleichfalls«, gab sie ebenso leise zurück.

Dann kamen alle anderen an die Reihe, und in der Notaufnahme ging es für eine Viertelstunde ausgesprochen fröhlich zu.

»Kundschaft!« meldete Bea, die Jüngste des Teams, dann, und schlagartig wurden alle ernst. Walli schaffte es gerade noch, die Rosen in eine Plastikvase zu stellen, die Sektgläser, aus denen jeder nur einen eher symbolischen Schluck genommen hatte, wurden abgeräumt und die Lachsplatte verschwand im Eisschrank.

Sekunden später trafen drei neue Patienten ein, und niemand dachte mehr an heiteres Geplänkel. Hier lagen drei Menschen, deren Leben an dem berühmten seidenen Faden hing – ihnen zu helfen, war für Dr. Winters Team jetzt das einzig Wichtige.

*

»Und wohin soll’s diesmal in den Ferien gehen?« erkundigte sich Verenas Manager bei seinem Topmodel. »Cannes? Die Bahamas? Oder eventuell ein Inselchen auf den Malediven? Ich hab’ mir sagen lassen, das sei ›in‹ im Augenblick.«

Verena schüttelte lächelnd den Kopf, so daß ihr langes blondes Haar leicht hin und her wogte. »Völlig falsch. Du weißt doch, Carlo, mein Verlobter, liebt die bayerischen Alpen über alles. Bergwandern ist mal wieder angesagt!«

Carlo Otting, ein hochgewachsener Mann mit etwas zu langen dunklen Haaren, lächelte ein wenig ironisch. »Jedem seinen Spleen, nicht wahr, meine Liebe?«

Verena nickte nur. Sie hatte keine Lust, länger das Thema Urlaub zu erörtern. Die Liebe zu den Bergen, die sie mit Mathias teilte, konnte in ihrer Branche sowieso keiner teilen.

»Denk dran, daß du dich nicht verletzen darfst«, sagte der Manager abschließend. »In vier Wochen ist ein Fotoshooting in Los Angeles angesetzt. Und… nicht zu braun werden, okay?«

Verena Merbold nickte nur. Sie war seit fünf Jahren im Geschäft, ihr mußte nun wirklich niemand mehr erzählen, was gut und richtig für ein Fotomodell der Spitzenklasse war.

Ihre Stimmung war nicht die beste, als sie eine Stunde später ihre elegante Penthouse-Wohnung in Charlottenburg betrat. Sofort stellte sie fest, daß Mathias noch nicht da war. Erleichtert atmete sie auf. Dann hatte sie also noch ein wenig Zeit für sich!

Müde und ausgezehrt ließ sie sich auf die Couch fallen und schloß die Augen. Seit drei Tagen ging es ihr gar nicht gut, doch sie hatte sich vor den anderen nichts anmerken lassen. Und auch ihr Verlobter, der stets bei ihr schlief, wenn sie in Berlin war, hatte nicht bemerkt, wie elend sie sich fühlte. Verena warf einen Blick hinaus auf die Terrasse, die sie und Mathias im Frühjahr liebevoll bepflanzt hatten.

Jetzt, im Juli, blühten Rosen an den Spalieren, und die diversen Kübel quollen schier über vor Fuchsien, Hängegeranien, Lobelien und vielen anderen Blumen und Gräsern.

Daß man hoch über Berlin war, merkte man erst, wenn man hinaustrat und die Skyline der Metropole vor sich hatte.

Aber… Verena war einfach zu erschöpft, um aufzustehen und hinauszugehen. Sie schloß die Augen wieder – und war unversehens eingeschlafen.

Sie wurde durch sanftes Streicheln und unzählige kleine Küsse geweckt.

»Mathias…« Ein Lächeln glitt über ihr Gesicht und schenkte ihm für Sekunden viel von der berühmten Schönheit zurück.

Doch Mathias Kehlmann sah nicht das strahlende Lächeln, er registrierte besorgt die dunklen Schatten, die seit einigen Tagen unter Verenas Augen lagen. Und wieder einmal war sie eingeschlafen – sie schlief viel zu viel in letzter Zeit!

»Alles in Ordnung?« fragte er.

»Aber ja!« Sie stand auf und ging hinüber zur Hausbar, die direkt neben der Terrassentür stand. »Magst du einen Drink? Mir ist nach einem kleinen trockenen Martini.«

Er nickte. »Könnte ich jetzt auch vertragen.«

Er sah zu, wie Verena die Drinks zurechtmachte. Und wieder keimte diese unbewußte Angst in ihm auf. Waren ihre Bewegungen wirklich nicht so fließend und harmonisch wie sonst, oder bildete er sich das nur ein? Hatten ihre Finger gezittert, als sie ihm nun das Glas anreichte?

Mathias, der selbst einen aufreibenden Beruf hatte, zwang sich, nicht all die Schreckensbilder in sich aufsteigen zu lassen, die sich ihm beim Gedanken an eine Krankheit aufdrängten. Verena hatte hart gearbeitet in der letzten Zeit. Sie war bereits ein Star – und jetzt lockte die ganz große internationale Karriere, die sie gleichsetzen würde mit Claudia Schiffer, Naomi Campell und der zarten Nadja Auermann.

»Ich freue mich auf unseren Urlaub«, meinte er. »Mal keine Klienten, keine Akten, keinen Gerichtssaal…«

»Und ich kein Atelier, keinen nervösen Fotografen, keine exaltierten Kolleginnen, die sich für den Nabel der Welt halten…« Ve­rena ließ sich neben ihm nieder und schmiegte den Kopf mit dem langen hellen Haar an seine Schulter. »Hast du schon einige Touren ausgearbeitet?«

Mathias nickte. »Weißt du doch! In den Bergen sollte man nichts dem Zufall überlassen. Ich hab’ sogar schon eine Liste all der Dinge aufgestellt, die wir mitnehmen werden, wenn wir unsere Drei-Tages-Touren machen.«

Verena lachte. »Mein Perfektionist.«

»Das kann überlebenswichtig sein«, belehrte er sie.

»Ich weiß.« Verena kannte seine Ansicht – und wahrscheinlich hatte er sogar recht. Man konnte nicht immer vorhersagen, ob man die Tagesetappe auch erreichte. Und dann war’s gut, vorbereitet zu sein.

Mathias war stets vorbereitet. Auf alles und jedes Detail. Er führte immer all die Dinge mit sich, die er für unabdingbar hielt – und die ihn unabhängig machten. Die Skala reichte von Kopfschmerztabletten über Reservesocken bis hin zum speziellen Vitamindrink. Dazu kam natürlich auch eine Überlebensration an Essen.