Kurfürstenklinik 2 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 2 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

0,0

Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. Nina Kayser-Darius ist eine besonders erfolgreiche Schriftstellerin für das Genre Arztroman, das in der Klinik angesiedelt ist. 100 populäre Titel über die Kurfürstenklinik sprechen für sich. »Wahnsinn!« murmelte Dr. Adrian Winter vor sich hin und fuhr sich mit der rechten Hand durch seine dunkelblonden Haare. »Echter Wahnsinn! Wer hätte das gedacht?« Wie angewurzelt stand er da, den Kopf in den Nacken gelegt und sah sich bewundernd um. Er hatte seinen freien Sonntag dazu benutzt, allein ein wenig aufs Land zu fahren – und nun stand er in dieser kleinen Kirche, die er eigentlich nur aus einer Laune heraus betreten hatte. Denn daß sie eine Sehenswürdigkeit war, hatte er nach ihrem unscheinbaren Äußeren nicht annehmen können. Und jetzt also das: Wunderbare Fresken, meisterlich restauriert, zogen sich an den Wänden entlang. Er hielt den Atem an. »Wirklich unglaublich!« »Freut mich, daß Sie so beeindruckt sind«, sagte eine sanfte Stimme in seinem Rücken. Er fuhr herum. »Meine Güte, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt«, sagte er zu dem schlanken dunkelhaarigen Mann mit dem schmalen Gesicht, der hinter ihm stand. Er hatte auffallende blaue Augen, die Adrian voller Interesse betrachteten. »Ich dachte, ich bin allein, ich habe Sie überhaupt nicht kommen hören.« »Ich bin auch nicht gekommen, ich war schon die ganze Zeit da«, erklärte der andere lächelnd. »Sie haben mich bloß nicht bemerkt, als Sie hereingekommen sind.« »Ich weiß nicht einmal, warum ich überhaupt in diese Kirche gegangen bin«, meinte Adrian nachdenklich. »Jedenfalls habe ich nicht solche Sehenswürdigkeiten erwartet, das muß ich sagen.« »Es gefällt Ihnen also wirklich?« »Natürlich! Wem gefiele das nicht? Wenn Sie die ganze Zeit in der Kirche waren, müssen Sie doch gehört haben, was ich gesagt habe.« Adrian lächelte. »Normalerweise spreche ich

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 112

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Kurfürstenklinik – 2 –

Für ein neues Glück mit dir

Nina Kayser-Darius

»Wahnsinn!« murmelte Dr. Adrian Winter vor sich hin und fuhr sich mit der rechten Hand durch seine dunkelblonden Haare. »Echter Wahnsinn! Wer hätte das gedacht?« Wie angewurzelt stand er da, den Kopf in den Nacken gelegt und sah sich bewundernd um.

Er hatte seinen freien Sonntag dazu benutzt, allein ein wenig aufs Land zu fahren – und nun stand er in dieser kleinen Kirche, die er eigentlich nur aus einer Laune heraus betreten hatte. Denn daß sie eine Sehenswürdigkeit war, hatte er nach ihrem unscheinbaren Äußeren nicht annehmen können. Und jetzt also das: Wunderbare Fresken, meisterlich restauriert, zogen sich an den Wänden entlang. Er hielt den Atem an. »Wirklich unglaublich!«

»Freut mich, daß Sie so beeindruckt sind«, sagte eine sanfte Stimme in seinem Rücken.

Er fuhr herum. »Meine Güte, haben Sie mir einen Schrecken eingejagt«, sagte er zu dem schlanken dunkelhaarigen Mann mit dem schmalen Gesicht, der hinter ihm stand. Er hatte auffallende blaue Augen, die Adrian voller Interesse betrachteten. »Ich dachte, ich bin allein, ich habe Sie überhaupt nicht kommen hören.«

»Ich bin auch nicht gekommen, ich war schon die ganze Zeit da«, erklärte der andere lächelnd. »Sie haben mich bloß nicht bemerkt, als Sie hereingekommen sind.«

»Ich weiß nicht einmal, warum ich überhaupt in diese Kirche gegangen bin«, meinte Adrian nachdenklich. »Jedenfalls habe ich nicht solche Sehenswürdigkeiten erwartet, das muß ich sagen.«

»Es gefällt Ihnen also wirklich?«

»Natürlich! Wem gefiele das nicht? Wenn Sie die ganze Zeit in der Kirche waren, müssen Sie doch gehört haben, was ich gesagt habe.« Adrian lächelte. »Normalerweise spreche ich nicht mit mir selbst, aber in diesem Fall mußte ich meine Bewunderung einfach laut zum Ausdruck bringen.«

Neugierig sah er den anderen an. »Interessieren Sie sich aus einem bestimmten Grund für diese Fresken?« fragte er.

»Ja«, lautete die schlichte Antwort. »Ich habe sie restauriert und frage mich manchmal, ob die Farben nicht zu üppig für diese bescheidene kleine Kirche ausgefallen sind.«

»Aber nein!« rief Adrian. »Wie kommen Sie denn auf die Idee? Dadurch wird doch alles so plastisch, daß man beinahe das Gefühl hat, ein Teil der dargestellten Szenen zu sein.«

»So empfinden Sie das also?« fragte der andere nachdenklich. »Das ist sehr schön. Übrigens: mein Name ist John Tanner.«

»John?« fragte Adrian. »Sind Sie Engländer oder Amerikaner? Sie haben gar keinen Akzent.«

»Ich bin Berliner«, lachte der junge Mann. »Mein kompletter Vorname ist Jonathan, und daraus ist schon sehr früh ›John‹ geworden.«

»Ich bin Adrian Winter und arbeite in der Notaufnahme an der Kurfürsten-Klinik.«

»Arzt?«

Adrian nickte. »Unfallchirurgie.«

Die beiden Männer schüttelten einander die Hand, dann bat Adrian: »Erklären Sie mir noch ein wenig, was Sie hier gemacht haben. Es interessiert mich wirklich sehr.«

John Tanner lachte, und sein schmales Gesicht bekam auf einmal etwas Jungenhaftes. Sonst wirkte er eher ernst, aber in diesem Augenblick sah er aus wie ein Lausejunge. »Sie hätten die Kirche mal sehen sollen, als ich mit der Arbeit begonnen habe, Herr Winter. Armselig sah sie aus, anders kann man es nicht ausdrücken. Kalt und zugig war es hier, die Farben an den Wänden blätterten ab. Verrottetes Gestühl, kaputte Fliesen auf dem Fußboden. Schlechte Beleuchtung, marode Heizung. Es war reiner Zufall, daß die Fresken entdeckt worden sind. Eine elektrische Leitung war defekt, die Wände mußten zum Teil aufgeklopft werden – und da fand man auf einmal ›so komische Zeichnungen‹, wie sich einer der Handwerker damals ausgedrückt hat.«

Er lächelte bei der Erinnerung. »Na ja, dann wurde ich gebeten, mir die Sache anzusehen. Meine Hoffnung, etwas wirklich Wertvolles zu finden, war nicht sehr groß – aber ich hatte mich geirrt. Doch mit dieser Entdeckung fingen die Probleme erst an, denn natürlich war kein Geld da, um mich für meine Arbeit zu bezahlen.«

»Und wie wurde dieses Problem gelöst?«

»Spendenaufrufe«, antwortete John Tanner sachlich. »Man glaubt es nicht, aber wenn man es schafft, die Menschen für etwas zu begeistern, dann mobilisieren sie ungeheure Kräfte. Jedenfalls war nach kurzer Zeit zumindest so viel da, daß ich mich bereiterklärt habe, mit der Arbeit zu beginnen…«

Er sagte es nicht, aber Adrian konnte sich denken, daß er mit weniger Geld zufrieden gewesen war, als ihm eigentlich zugestanden hätte. Wenn er John Tanner richtig einschätzte, dann war dieser ein Mann, der seine Arbeit liebte und dem Geld nicht so wichtig war.

»Und während ich gearbeitet habe, konnten die Leute ja immer verfolgen, was mit ihrem Geld geschah. Offenbar waren sie zufrieden, denn sie haben weiterhin gespendet, und heute sind sie sehr stolz auf ihre kleine Kirche.«

»Mit Recht«, sagte Adrian und ließ seinen Blick erneut in die Runde schweifen. »Sie ist wunderschön.«

»Ich habe zwei Jahre hier zugebracht, können Sie sich das vorstellen?«

»Und wann sind Sie mit der Arbeit fertig geworden?« erkundigte sich Adrian.

»Erst vor einem Monat, aber ich kann mich noch immer nicht von der Kirche trennen. Sie ist mir während dieser zwei Jahre fast zu einem Zuhause geworden.«

»Verständlich«, meinte Adrian. Dann kam ihm ein Gedanke. »Sagen Sie, haben Sie etwas vor? Oder darf ich Sie zu einem frühen Abendessen einladen? Aber nur, wenn Sie mir als Gegenleistung noch mehr erzählen.«

»Da sage ich bestimmt nicht nein«, antwortete John Tanner lächelnd. »Ich rede sowieso gern über meine Arbeit. Und wenn sich dann noch jemand wirklich dafür interessiert, dann bin ich kaum noch zu bremsen.«

»Um so besser!« Adrian lachte.

»Aber ein wenig könnten Sie mir auch erzählen, was Sie so machen. Die Arbeit in einer Notaufnahme stelle ich mir sehr anstrengend vor.«

»Das ist sie auch, aber für mich ist sie genau das Richtige«, erklärte Adrian. »Es gibt jedenfalls nichts anderes, das ich lieber täte. Und das war schon immer so. Ich gehöre also nicht zu den Menschen, die ständig sagen: ›Ich würde so gern dies oder jenes tun.‹ Ich habe genau den Beruf, den ich haben wollte.«

»Wie ich«, stellte John nachdenklich fest. »Wissen Sie eigentlich, daß das sehr selten ist?«

Adrian nickte. Langsam verließen sie die Kirche. »Ich glaube, ich werde in Zukunft gelegentlich hierherkommen und Ihren Fresken ›Guten Tag‹ sagen, Herr Tanner. Ich verstehe gar nicht, daß die Leute nicht Schlange stehen, um sie zu bewundern.«

»Normalerweise tun sie das«, erwiderte der junge Restaurator bescheiden. »So viel Zulauf wie in den letzten Wochen hat die kleine Kirche lange nicht mehr erlebt. Aber es wird ja schon langsam Abend, da fahren die Leute wieder nach Hause. Tagsüber war hier sehr viel los.«

»Gut, daß ich jetzt erst gekommen bin«, stellte Adrian zufrieden fest. »Ich hätte Ihre Fresken nicht gern mit vielen anderen geteilt.«

»Kommen Sie«, sagte John Tanner. »Ich weiß einen wunderbaren Gasthof hier in der Nähe, der wird Ihnen auch gefallen. Und dann erzähle ich Ihnen alles, was Sie wissen wollen.«

Adrian folgte ihm. Welch großartiger Abschluß für diesen Sonntag, dachte er. Er durfte nicht versäumen, Esther, seiner Zwillingsschwester, von dieser Kirche und John Tanner zu erzählen.

*

Mareike Sandberg versuchte mit aller Macht, die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Sie wußte genau, wie ihr Mann darauf reagieren würde, und das wollte sie vermeiden. Er stand vor ihr, groß und kräftig, und sah ein wenig spöttisch auf sie herunter, wie er es immer tat, wenn sie wieder einmal vergeblich versucht hatte, ein offenes Gespräch mit ihm zu führen. Mareike fühlte, wie ihr Mut sie verließ. Es war aussichtslos, wie jedes Mal. Sie kam nicht einen einzigen Schritt weiter.

Robert Sandberg war fünfzehn Jahre älter als seine Frau. Dreiundvierzig war er gerade geworden, und er war einer der erfolgreichsten Industriellen des Landes. Ein imposanter Mann von hohem Wuchs und breiter Statur, einem energischen Gesicht mit harten Lippen und kalten blauen Augen. Seine braunen Haare waren bereits von grauen Fäden durchzogen.

Mareike dagegen war zierlich und blond, eine schöne junge Frau von achtundzwanzig Jahren. Ihre Haare fielen ihr weich und glatt in einem schönen Schwung bis auf die Schultern, das ebenmäßige Gesicht bekam seine pikante Note durch den etwas zu vollen Mund und die kleine Nase. Die Augen waren groß und braun, von dichten dunklen Wimpern gesäumt.

Vor drei Jahren, als sie Robert Sandberg geheiratet hatte, war er ihr wie ein Märchenprinz erschienen – aber mittlerweile fragte sie sich immer häufiger, ob sie die Begeisterung beider Familien über diese Verbindung nicht einfach mit Liebe verwechselt hatte.

Aber damals schien alles einfach perfekt zu sein. Auch Mareike kam aus einem reichen Haus, und sie brachte alle Voraussetzungen mit, um die ideale Ehefrau von Robert Sandberg zu werden. Sie war schön und immer elegant angezogen. Nie sah man sie schlampig oder auch nur nachlässig gekleidet. Sie konnte ein großes Haus führen, und sie hatte es direkt nach der Heirat mit ungewöhnlichem Geschmack, aber absolut stilsicher eingerichtet. Sie wußte, wie man mit Personal umging, und sie hatte keine Schwierigkeiten damit, große Summen zu verwalten. Ihre Umgangsformen waren tadellos – und selbst bei Gesellschaften in höchsten Kreisen machte sie nie einen Fehler. Sie war liebenswürdig und charmant, dabei intelligent und gebildet.

Sie war perfekt als Frau für Robert Sandberg, so hatten es seinerzeit alle gesehen, sie selbst eingeschlossen.

Aber Robert Sandberg war nicht der richtige Mann für sie. Sie begriff das allmählich, wehrte sich jedoch noch immer gegen diese Erkenntnis. Sie wollte alles richtig machen. Eine Trennung von einem so mächtigen und angesehenen Mann wie Robert aber würde mit Sicherheit nicht nur von ihren Eltern als Schandfleck in der Familienchronik angesehen.

Aber es ließ sich nicht leugnen, daß sie immer häufiger davon träumte, noch einmal ganz von vorn anzufangen und ein Leben ohne einen Mann zu führen, der ihr ständig diktierte, was sie zu tun hatte. Doch sie verdrängte diese Träume, so gut es eben ging.

»Warum mußt du mich behandeln wie ein kleines Mädchen?« fragte sie.

»Ich bin erwachsen, Robert. Und wir sind seit drei Jahren miteinander verheiratet.«

»Wenn du erwachsen wärst«, antwortete er kalt, »dann würdest du nicht ständig versuchen, mir völlig unsinnige Diskussionen aufzuzwingen, Mareike. Du bist seit drei Jahren meine Frau, wie du eben völlig richtig festgestellt hast, und du hast gewußt, was es bedeutet, mich zu heiraten. Ich brauche eine Frau, die mich unterstützt, die unser Haus so führt, wie es meiner gesellschaftlichen Stellung angemessen ist. Wozu also willst du dein Kunststudium wieder aufnehmen? Du hast für solche Mätzchen keine Zeit und nimmst nur jemand anderen den Studienplatz weg, das weißt du ganz genau!«

»Aber ich fühle mich so nutzlos!« rief sie. »Und unausgefüllt! Alles, was ich tue, hat mit dir und deiner Stellung zu tun. Für mich selbst tue ich nichts, verstehst du? Du gehst jeden Morgen deinen Geschäften nach, und dann sitze ich hier in diesem Riesenhaus und bespreche mit dem Personal, wen wir zu unserer nächsten Gesellschaft einladen und was es zum Essen geben soll. Oder ich entscheide, welche Farbe die neue Markise über der Südterrasse haben soll. Oder ich kaufe mir ein neues Kleid, obwohl ich bereits hundert im Schrank hängen habe, die höchstens einmal getragen sind.« Ihre Stimme wurde leiser. »Das ist doch kein Leben, Robert!«

»Andere wären froh, wenn sie so ein Leben hätten«, erwiderte er noch frostiger als zuvor. »Ich möchte wissen, worüber du dich eigentlich beklagst? Ich gebe dir viel Geld, damit du dir alles kaufen kannst, was du willst. Du bist die bestangezogenste Frau der Stadt, alle bewundern dich. Deine Qualitäten als Gastgeberin sind unbestritten. Warum also müssen wir immer und immer wieder diese unsinnige Diskussion führen?«

»Weil ich unglücklich bin«, flüsterte sie. »Es geht doch nicht um Geld, Robert. Es geht um Gefühle. Um Glück. Verstehst du das nicht?«

Er warf ihr einen letzten Blick zu, bevor er mit raschen Schritten das Zimmer verließ. »Nein«, sagte er knapp. »Das verstehe ich ganz und gar nicht. Und du solltest dich schämen, so undankbar zu sein. Du lebst wie eine Prinzessin und redest von Unglück! Für wen hältst du dich eigentlich?«

»Für deine Frau«, antwortete sie leise. Aber das hörte er schon nicht mehr, denn die Tür fiel bereits hinter ihm ins Schloß. Sie schluckte, aber es war zu spät. Nun kamen sie doch noch, die Tränen, die sie die ganze Zeit so mühsam zurückgehalten hatte.

*

Esther Berger schloß für einen kurzen Augenblick die Augen. Sie war glücklich, rundherum glücklich. Ein sehr harter Arbeitstag lag hinter ihr. Sie war Kinderärztin an der Charité, und sie war es gerne. Manchmal aber wurde ihr alles zuviel, und so war es heute gewesen.

Jetzt jedoch war sie auf dem Bauernhof vor den Toren Berlins, auf dem sie ihr Pferd stehen hatte: Luna, eine große braune Stute, die sehr temperamentvoll, aber auch gutmütig war. Sie hatte den Kauf des Pferdes, das sie sich eigentlich gar nicht leisten konnte, in einer Vollmondnacht perfekt gemacht und damals sofort gedacht, daß Luna der richtige Name für die hübsche Stute war.

Durch Zufall hatte sie dann diesen Bauernhof gefunden, auf dem sie Luna untergebracht hatte – und seitdem war es ihr größtes Glück, nach der Arbeit hierherzufahren und zu reiten. Und irgendwann hatte sie zusätzlich angefangen, mit behinderten Kindern zu arbeiten. Die liebten ihre Reitstunden und freuten sich immer schon lange im voraus, wenn die Frau Doktor kam. Das war meistens am Wochenende der Fall.

Wenn man Esther Berger dann inmitten der fröhlich kreischenden, manchmal auch ängstlich aussehenden Kinder sah, mußte man zweimal hinsehen, um zu erkennen, daß sie die Erwachsene war, die die Kinderschar anleitete. Sie war sehr schlank und zierlich, und mit ihren kurzen blonden Haaren und den frech blitzenden Augen konnte man sie leicht für einen ihrer Schützlinge halten.