Kurfürstenklinik 4 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 4 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. "Mein letzter Tag bei Ihnen, Herr Dr. Winter!" sagte Miriam Fechner und sah den jungen Notaufnahmechef der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg betrübt an. "Ich wäre gern noch länger geblieben, das wissen Sie ja – aber als nächstes werde ich in Ihrer Neurochirurgie eingesetzt. Ich soll das ganze Haus kennenlernen." "Sie waren uns eine große Hilfe, Schwester Miriam", erwiderte Dr. Adrian Winter lächelnd. "Wir sind froh, daß Sie wenigstens eine Zeitlang unser Team verstärkt haben."

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Die Kurfürstenklinik –4–

Alarmstufe 1 in der Kurfürstenklinik

Roman von Kayser-Darius Nina

»Wenn du nicht aufpaßt, fallen dir gleich die Augen aus dem Gesicht, Konrad!« Dr. Adrian Winter lächelte, als er das sagte.

Sein Kollege, der Kinderarzt Dr. Konrad Eder, errötete heftig, aber noch immer folgten seine Augen einer schlanken Frau mit tizianroten Haaren und großen grünblauen Augen, die gerade mit einem kurzen Kopfnicken an ihnen vorbei zur Tür ging.

Die beiden Ärzte saßen in dem kleinen Café im Erdgeschoß der Kurfürsten-Klinik in Berlin. Beruflich hatten sie nicht allzu häufig miteinander zu tun. Adrian Winter leitete die Notaufnahme der Klinik, und Konrad Eder arbeitete auf der Kinderstation. Aber als sie einander zum ersten Mal begegnet waren, hatten sie sich sofort sympathisch gefunden, und jetzt tranken sie zumindest gelegentlich einen Kaffee miteinander oder nahmen gemeinsam eine Mahlzeit ein.

»Sie sieht unglaublich aus, findest du nicht?« fragte Konrad jetzt, nachdem sich die Tür hinter der Frau geschlossen hatte. »Wenn ich ihr begegne, muß ich sie einfach immer ansehen.«

»Ich würde sagen, das ist eine völlig aussichtslose Geschichte«, stellte Adrian seelenruhig fest. »Wenn ich das richtig sehe, sind achtzig Prozent unserer Kollegen hinter der schönen Frau Dr. Plessenstein her – und wahrscheinlich hat sie auch schon längst einen Mann. Also, Konrad, vergiß es. Du machst dich nur unglücklich.«

»Das sagst du so leicht«, erwiderte der andere. Konrad Eder war ein gutaussehender, aber unauffälliger Mann von fünfunddreißig Jahren mit einem sympathischen Gesicht und freundlichen braunen Augen. Seine störrischen lockigen Haare waren ebenfalls braun, und er hatte eine sanfte, sehr angenehme Stimme.

Man übersah ihn leicht, weil er sich nicht in den Vordergrund drängte und niemals laut wurde. Erst im Gespräch erschloß sich, daß er ausgesprochen klug und angenehm im Umgang war. Und dann bemerkte man auch sein gutgeschnittenes Gesicht mit der geraden Nase und dem großen Mund, der gern lächelte.

Adrian mochte ihn sehr, und der Gedanke, daß Konrad vielleicht unglücklich werden könnte, weil er sich in die falsche Frau verliebte, gefiel ihm überhaupt nicht.

»Ich sage das nicht leicht, Konrad«, widersprach er. »Aber such dir eine Frau, die zu dir paßt. Frau Plessenstein wirkt auf mich wie eine… ach, ich weiß gar nicht, wie ich das sagen soll. Sie ist einfach zu schön. Wahrscheinlich ist sie verwöhnt und eingebildet. Wer so aussieht…«

Konrad schüttelte energisch den Kopf. »Ich habe schon einige Male mit ihr gesprochen, du schätzt sie völlig falsch ein, Adrian«, sagte er eifrig. »Sie ist überhaupt nicht eingebildet, im Gegenteil. Sie hat viel Humor und ist eine sehr gute Chirurgin, das haben bisher alle gesagt.«

Adrian unterbrach ihn. »Das bestreite ich doch auch nicht! Ihre fachlichen Qualitäten kann ich gar nicht beurteilen, sie ist ja auch erst seit ganz kurzer Zeit hier. Aber ich rate dir: Laß die Finger von der Frau, sie ist nichts für dich. Sie wird dich unglücklich machen.«

Wieder schüttelte Konrad den Kopf. Dann sagte er mit seiner sanften Stimme. »Du bist wahrscheinlich der beste Notaufnahmechef, den man sich denken kann, Adrian. Aber entschuldige, wenn ich dir das sage: Von Frauen verstehst du nicht sehr viel, glaube ich.«

Adrian sah ihn betroffen an. »Wie kommst du darauf? Das kannst du doch gar nicht wissen.«

»Doch, das kann ich wohl. Du träumst auch von einer Frau, die für dich scheinbar unerreichbar ist, oder etwa nicht? Und du kommst ihr nicht näher, obwohl das dein Wunsch ist. Warum nicht?«

Adrian war sprachlos. Mit niemandem hatte er bisher über seine Gefühle für Stefanie Wagner gesprochen – er hatte sie noch nicht einmal sich selbst richtig eingestanden. Und er sah sie ja auch nur alle paar Wochen, ohne daß etwas zwischen ihnen passierte, denn er wußte leider, daß sie einen Freund hatte. »Wie kommst du darauf?« fragte er ausweichend.

»Weil ich nicht blind bin, Adrian«, antwortete Konrad. »Ich weiß nicht, um welche Frau es sich handelt, und ich will es auch gar nicht wissen. Aber manchmal hast du so einen Ausdruck in den Augen…«

Jetzt war es an Adrian, verlegen zu sein. »Na ja«, meinte er nach einer Weile, »dann ist es ja wohl zwecklos zu leugnen.«

Konrad nickte. »Ja, genau wie bei mir.«

Sie schwiegen einträchtig. Das Gespräch hatte eine unerwartete Wendung genommen, aber nun gab es noch etwas, das sie miteinander verband.

Nach einer Weile sagte Konrad: »Bei Gabriele Plessenstein ist es auch so, daß sie einen Ausdruck in den Augen hat, der mir aufgefallen ist. Sie ist nicht glücklich.«

»Was du alles weißt«, meinte Adrian skeptisch. »Du kennst sie doch kaum.«

»Aber ich bin verliebt in sie«, sagte Konrad leise. »Da sieht man vieles, das einem sonst verborgen bleibt.«

»Konrad!« Adrian war ehrlich entsetzt. »Das ist nicht dein Ernst! Ich dachte, du himmelst sie ein bißchen an wie die meisten hier. Willst du etwa sagen, die Sache ist ernst?«

Konrad sah ihn mit einem schiefen Lächeln an. »Ich kann’s nicht ändern, Adrian. Ist einfach so passiert, und nun läßt es sich schlecht rückgängig machen. Wie ist es denn bei dir? Ist die Sache ernst?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Adrian, der von dieser Frage völlig überrascht war. »Jedenfalls ist sie aussichtslos.«

»Und?« fragte Konrad. »Hörst du deshalb auf zu träumen?«

Adrian lächelte etwas verlegen. »Nein, wohl nicht…«

»Genauso ist es bei mir auch«, stellte Konrad ruhig fest.

»Dann versuch wenigstens dein Glück!« sagte Adrian. »Sie nimmt dich ja sonst überhaupt nicht wahr.«

Konrad schüttelte den Kopf. »Noch nicht«, sagte er. »Meine Zeit kommt schon noch. Sie hat im Augenblick viel zu viel andere Sachen um die Ohren.«

»Du verwirrst mich heute«, gestand Adrian und erhob sich. »Ich muß zurück, Konrad. Die werden sich schon fragen, wo ich solange bleibe.«

Konrad stand auch auf. »Ich gehe mit«, sagte er. »Meine Kinder verlangen nach mir.«

»Du solltest bei Gelegenheit mal meine Zwillingsschwester kennenlernen«, sagte Adrian. »Sie ist ja auch Kinderärztin. Ihr hättet euch bestimmt viel zu erzählen.«

»Ich bin auch ziemlich neugierig auf sie«, gestand Konrad. »Seid ihr euch ähnlich?«

»Wir überlassen es anderen, das zu beurteilen«, lachte Adrian. »Die Ansichten darüber gehen weit auseinander.«

*

Dr. Gabriele Plessenstein verließ die Kurfürsten-Klinik und sah sich suchend um. Im selben Augenblick fuhr ein Auto vor, und der Fahrer ließ ein kurzes Hupen hören. Sie lächelte und lief auf den Wagen zu, öffnete die Tür und stieg ein.

»Fein, daß du schon da bist, Rainer!« sagte sie und gab dem großen, gutaussehenden blonden Mann hinter dem Steuer einen Kuß auf die Wange.

Er ließ das Steuer los, umarmte sie und küßte sie voller Leidenschaft, bis sie sich schließlich von ihm löste. »Rainer!« flüsterte sie. »Doch nicht hier.«

Lachend ließ er sie los und fuhr an. »Warum nicht?« fragte er. »Ich möchte gern, daß alle wissen, daß die schönste Frau an der Kurfürsten-Klinik mir gehört!«

»Wie sich das anhört!« sagte sie. »Ich bin doch nicht dein Besitz!«

»Also schön, dann sage ich eben: Die schönste Frau der Klinik gehört zu mir! Ist das besser?«

Sie nickte und sah ihn verstohlen von der Seite an. Rainer Wollhausen war ein Mann, der immer bekam, was er wollte. Er konnte sehr charmant sein, war überaus zielstrebig, und sie langweilten sich nie miteinander. Dennoch war sie nicht restlos glücklich, aber das gestand sie sich nur ungern ein. Sie wußte nicht genau, was sie immer wieder auf Distanz gehen ließ – er jedoch hielt das, wie sie wußte, für Taktik, um ihn fester an sich zu binden. Aber es war keine Taktik. Es war ein instinktives Gefühl, das ihr riet, vorsichtig zu sein.

Dieses Gefühl hing mit Florian, ihrem siebenjährigen Sohn, zusammen. Er mochte Rainer nicht, obwohl er das noch nie gesagt hatte. Aber sie merkte es an seiner Reaktion, wenn Rainer zu Besuch kam. So höflich und zurückhaltend war ihr frecher kleiner Sohn sonst selten.

Und Rainer? Er war immer nett zu Florian, aber sie hatte ihn im Verdacht, daß er ihm völlig gleichgültig war. Rainer machte sich nichts aus Kindern, er konnte mit ihnen nichts anfangen. Oft genug fand er sie sogar ausgesprochen lästig, nämlich dann, wenn man Rücksicht auf sie nehmen mußte, das hatte sie schon gemerkt.

Wenn sie beide zusammenbleiben wollten, Rainer und sie, dann würde das ein ernstes Problem werden, mit dem sie sich früher oder später auseinandersetzen mußte. Aber die Frage war eben, ob sie überhaupt zusammenbleiben wollten. Sie war nicht sicher. Nur wenn sie in seinen Armen lag, vergaß sie ihre Zweifel, aber sie kamen später unweigerlich wieder.

Er sah sie an, und sie lächelte entschuldigend. »Wie bitte? Ich war gerade in Gedanken, Rainer.«

»Das habe ich gemerkt.« Ein gereizter Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen. »Ich habe gefragt, ob wir essen gehen können oder ob du als gute Mutter wieder einmal zu Hause bleiben mußt.«

Sie biß sich auf die Lippen, um die scharfe Erwiderung, die ihr auf der Zunge lag, hinunterzuschlucken. »Florian schläft bei seinem Freund Max, das habe ich dir doch schon gesagt. Wir sind also völlig frei heute abend.«

Sofort glätteten sich seine Züge, und er schenkte ihr sein strahlendstes Lächeln. »Wunderbar!« sagte er. »Dann weiß ich schon ganz genau, was wir machen werden.«

Er fragte sie nicht einmal, ob sie vielleicht andere Wünsche hätte, und das ärgerte sie. Aber sie schwieg, denn sie legte keinen Wert darauf, einen Abend in gereizter Atmosphäre zu verbringen. Rainer konnte sehr unleidlich sein, wenn etwas nicht so lief, wie er sich das vorstellte.

Sie sah aus dem Fenster. Sie würde ein anderes Mal über ihr Verhältnis zu Rainer Wollhausen nachdenken, heute nicht.

*

»Diese Figur!« schwärmte Dr. Schäfer gerade, als Adrian Winter in die Notaufnahme zurückkehrte. »Diese phantastischen Haare – und erst die Augen! Wie Bergseen…«

Die Umstehenden kicherten, und auch Adrian konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. »Um welche Frau geht’s denn dieses Mal, Bernd?« erkundigte er sich gutmütig.

Dr. Bernd Schäfer war Assistenzarzt der Chirurgie und ein sehr netter und beliebter Kollege. Allerdings hatte er einen großen Kummer, nämlich seine beträchtliche Körperfülle. Er aß für sein Leben gern, und das sah man ihm an. Er schien ständig schwerer zu werden, deshalb versuchte er es alle paar Wochen für einige Tage mit einer Diät. In der Regel brach er sie jedoch schon bald wieder ab, weil er all den verlockenden Köstlichkeiten, die die Welt zu bieten hatte, einfach nicht widerstehen konnte.

Es gab noch etwas, das für Bernd Schäfer kennzeichnend war: Er war schrecklich schüchtern, und er war dauernd verliebt – und zwar immer in andere Frauen. Eigentlich liebte er Schwester Monika, aber weil die ihn nicht erhörte, mußte er sich aus lauter Verzweiflung, jedenfalls behauptete er das, ständig in andere schöne Frauen verlieben. Die jedoch erfuhren in der Regel nie etwas davon, denn er hatte es bisher noch keiner gesagt.

»Um Frau Dr. Plessenstein«, beantwortete Bernd Schäfer Adrians Frage.

»Ach, du auch?« fragte Adrian. »Mir scheint, die halbe Klinik schwärmt für sie.«

»Das ist ja auch kein Wunder!« sagte Bernd. »Wenn man so aussieht, dann liegt einem natürlich die ganze Welt zu Füßen.« Betrübt sah er an sich hinunter. Sein Bauch schien wieder einmal um einige Zentimeter gewachsen zu sein.

»Die ganze Welt wohl nicht«, widersprach Adrian. »Ich finde zwar auch, daß sie gut aussieht, aber andere Frauen gefallen mir besser.«

Bernd war fassungslos. »Das meinst du doch nicht im Ernst! Hast du sie dir mal genau angesehen?«

»Ja, habe ich«, antwortete

Adrian. »Und jetzt schlage ich vor, daß wir diese ungeheuer interessante Unterhaltung beenden. Was ist überhaupt los hier? Habt ihr alle nichts zu tun?«

Die kleine Versammlung löste sich blitzschnell auf – gerade rechtzeitig, denn Schwester Monika rief laut: »Schwerer Unfall in der Kantstraße – mehrere Verletzte. Sie werden gleich hier sein!«

»An die Arbeit, Jungs und Mädels!« rief Adrian, und schon nach wenigen Sekunden war die kleine Diskussion vergessen, alle arbeiteten voller Konzentration, und es herrschte wieder der ganz normale Arbeitsalltag in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik.

*

Florian Plessenstein lag mit seinem Freund Max Sennelaub auf dessen Bett. Sie hatten sich nackt ausgezogen und betrachteten einander aufmerksam.

»Bei dir sieht das irgendwie anders aus«, meinte Max. Er hatte strohgelbe Stoppelhaare und ein spitzes Lausbubengesicht, während Florian die rotbraunen Locken seiner Mutter geerbt hatte. Seine Augen allerdings hatten eine andere Farbe als ihre: Sie waren von einem klaren Blau. Florian sah neben dem stämmigen Max fast mädchenhaft zart aus.

Jetzt nickte er betrübt: »Isses auch. Meine Mama hat gesagt, das kommt irgendwann von selbst in Ordnung.«

»Von selbst?« fragte Max. »Wie denn von selbst? Muß man da nix machen?«

Florian schüttelte den Kopf. »Nee, muß man nicht. Meistens jedenfalls. Man kann sich auch operieren lassen, aber es is’ besser, wenn’s von allein passiert. Ein paarmal haben wir schon gedacht, es wär’ in Ordnung – aber dann war’s doch wieder wie vorher. Jedenfalls soll ich nicht operiert werden.«

»Operieren ist gefährlich«, meinte Max altklug. »Ein Onkel von mir ist gestorben, als sie ihn operiert haben.«

»Bei meiner Mama sterben auch manchmal welche, aber nicht oft. Sie kann gut operieren, glaub’ ich.«

»Und warum operiert sie dich dann nicht? Das ist doch superpraktisch, wenn sie es selbst machen kann. Dann sähst du genauso aus wie alle anderen auch.«

Florian sah an sich herunter. Es war sein geheimer Kummer, daß er ›da unten‹ anders aussah als die anderen, aber er wollte nicht zugeben, daß es ihm etwas ausmachte. Schließlich hatte seine Mama ihm versprochen, daß sich das von selbst ändern würde. Aber seit es öfter vorkam, daß ihn andere Jungen auch mal nackt sahen, nahm das Thema an Wichtigkeit zu. Er versuchte zwar, niemals zu pinkeln, wenn er nicht allein war, aber manchmal ließ es sich nicht vermeiden, daß ihn jemand sah.