Kurfürstenklinik 87 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 87 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. Nina Kayser-Darius ist eine besonders erfolgreiche Schriftstellerin für das Genre Arztroman, das in der Klinik angesiedelt ist. 100 populäre Titel über die Kurfürstenklinik sprechen für sich, in denen zugleich die Entstehung einer romantischen Liebesgeschichte mit filigranem Geschick und großer Empathie gestaltet wird. Als versierte Kennerin medizinischer Sachverhalte berichtet Nina Kayser-Darius auf unterhaltsame Weise quasi aus dem Nähkästchen. "Nicht das blaue Kleid!" sagte Leonie von Herrenberg unwillig zu ihrer Tochter. "Ich will das grüne anziehen, das habe ich dir doch gestern schon gesagt!" Sie hatte am Tag zuvor für heute nach dem blauen verlangt, das wußte Kaja ganz genau, doch sie sagte nichts. Schweigend holte sie das grüne Kleid aus dem Schrank. Bis sie ihre Mutter angezogen hatte, verging eine gute Viertelstunde. Leonie von Herrenberg war dreiundsechzig Jahre alt und saß nach einem Schlaganfall im Rollstuhl. Ihr Geist war hellwach, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie empfand das als Demütigung und konnte sich mit ihrem Zustand nicht abfinden. Die Krankheit hatte sie herrisch und ungeduldig gemacht, ihre frühere Großzügigkeit und auch ihren Hunger schien sie verloren zu haben. Sie war noch immer eine beeindruckende Frau, wie sie da in ihrem Rollstuhl saß, sehr gerade, stets perfekt gekleidet und frisiert, aber sie strahlte nichts Warmes, Einladendes mehr aus, im Gegenteil. Wer ihre frühere Herzlichkeit noch in Erinnerung hatte, kannte sie jetzt kaum wieder. Das große Haus, das sie mit ihrer Tochter zusammen bewohnte, eine elegante Jugendstilvilla, war auf Kajas Veranlassung so umgebaut worden, daß Leonie im Erdgeschoß mühelos jedes Zimmer und auch die großzügige Terrasse ohne fremde Hilfe erreichen konnte. Aber sie hatte wenig Interesse daran, sich selbständig zu bewegen. "So, Mama, ich muß los", sagte Kaja, als ihre Mutter fertig angezogen war. "Das Frühstück habe ich gemacht, Andrea ist auch schon da und wartet auf dich." Leonie warf ihr einen mißbilligenden Blick zu. "Mir wäre es lieber, wenn meine einzige Tochter sich die Zeit nähme, mit mir zu frühstücken. Was glaubst du wohl, wie mir zumute ist, wenn ich jeden Morgen mit einer Angestellten am Tisch sitzen muß?"

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Kurfürstenklinik – 87–

Ihre Welt in Trümmern

Gibt es überhaupt noch einen Funken Hoffnung?

Nina Kayser-Darius

»Nicht das blaue Kleid!« sagte Leonie von Herrenberg unwillig zu ihrer Tochter. »Ich will das grüne anziehen, das habe ich dir doch gestern schon gesagt!«

Sie hatte am Tag zuvor für heute nach dem blauen verlangt, das wußte Kaja ganz genau, doch sie sagte nichts. Schweigend holte sie das grüne Kleid aus dem Schrank. Bis sie ihre Mutter angezogen hatte, verging eine gute Viertelstunde.

Leonie von Herrenberg war dreiundsechzig Jahre alt und saß nach einem Schlaganfall im Rollstuhl. Ihr Geist war hellwach, aber ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Sie empfand das als Demütigung und konnte sich mit ihrem Zustand nicht abfinden. Die Krankheit hatte sie herrisch und ungeduldig gemacht, ihre frühere Großzügigkeit und auch ihren Hunger schien sie verloren zu haben. Sie war noch immer eine beeindruckende Frau, wie sie da in ihrem Rollstuhl saß, sehr gerade, stets perfekt gekleidet und frisiert, aber sie strahlte nichts Warmes, Einladendes mehr aus, im Gegenteil. Wer ihre frühere Herzlichkeit noch in Erinnerung hatte, kannte sie jetzt kaum wieder.

Das große Haus, das sie mit ihrer Tochter zusammen bewohnte, eine elegante Jugendstilvilla, war auf Kajas Veranlassung so umgebaut worden, daß Leonie im Erdgeschoß mühelos jedes Zimmer und auch die großzügige Terrasse ohne fremde Hilfe erreichen konnte. Aber sie hatte wenig Interesse daran, sich selbständig zu bewegen.

»So, Mama, ich muß los«, sagte Kaja, als ihre Mutter fertig angezogen war. »Das Frühstück habe ich gemacht, Andrea ist auch schon da und wartet auf dich.«

Leonie warf ihr einen mißbilligenden Blick zu. »Mir wäre es lieber, wenn meine einzige Tochter sich die Zeit nähme, mit mir zu frühstücken. Was glaubst du wohl, wie mir zumute ist, wenn ich jeden Morgen mit einer Angestellten am Tisch sitzen muß?«

Kaja unterdrückte einen Seufzer und strich sich die braunen Haare aus dem Gesicht. Wie oft hatten sie dieses Gespräch schon geführt? Aber sie zwang sich dazu, das zu wiederholen, was sie ihrer Mutter bestimmt schon hundert Mal gesagt hatte: »Ich arbeite, Mama, und ich muß pünktlich in der Schule sein, das weißt du doch. Ich habe heute die erste Stunde.«

»Daß du überhaupt arbeitest!« Leonie war offenbar nicht gewillt, ihrer Tochter an diesem Morgen etwas zu ersparen. »Dein Platz ist hier bei mir. Ich brauche dich. Aber du überläßt mich den ganzen Tag der Obhut fremder Leute. Dabei hast du es überhaupt nicht nötig zu arbeiten.«

»Aber ich liebe meine Arbeit«, stellte Kaja mit sanftem Nachdruck fest. »Mir würde etwas fehlen, wenn ich nicht mehr unterrichten könnte. Und ich lasse dich nicht den ganzen Tag allein, sondern bin mittags schon wieder zu Hause. Du solltest nicht immer so übertreiben, Mama.«

Sie beugte sich hinunter und gab ihrer Mutter einen Kuß auf die Wange. »Bis später!« Mit diesen Worten eilte sie hinaus. Gleich darauf fiel die Haustür hinter ihr ins Schloß, und man hörte, wie draußen ein Wagen angelassen wurde.

Leonie biß sich heftig auf die Unterlippe, dann setzte sie den Rollstuhl in Bewegung und verließ den Raum ebenfalls.

Ihre Gesellschafterin Andrea Sibelius wartete tatsächlich schon auf sie. Sie saß im Eßzimmer und las die Zeitung – das Frühstück war noch völlig unangetastet. Sie stand sofort auf, als Leonie ins Zimmer rollte, und sagte mit freundlichem Lächeln: »Guten Morgen, Frau von Herrenberg, ich hoffe, Sie haben recht gut geschlafen.«

»Im Gegenteil«, erwiderte Leonie bissig, »ich habe die ganze Nacht kein Auge zugetan. Es macht mich verrückt, daß ich dann nicht aufstehen und herumlaufen kann – das ist doch kein Leben!«

Andrea Sibelius hatte eine Ausbildung als Krankenschwester. Sie war zehn Jahre älter als Kaja, vor kurzem war sie achtunddreißig geworden. Die beiden jungen Frauen duzten einander, was Leonie außerordentlich mißbilligte. Eine Angestellte blieb schließlich eine Angestellte – und man machte sich nicht mit ihnen gemein oder befreundete sich gar mit ihnen. Doch Kaja kümmerte sich um derlei Regeln nicht. Sie hatte die Gesellschafterin ihrer Mutter einfach gern.

Andrea war eine rundliche Blondine, die meistens guter Dinge war. Wütend oder ärgerlich wurde sie nur ganz selten. Ihr ausgeglichenes Wesen war der Hauptgrund dafür, daß sie es jetzt bereits seit drei Jahren mit Leonie aushielt – vor drei Jahren hatte Leonie den Schlaganfall erlitten, bald darauf war Andrea von Kaja eingestellt worden.

Sie kam morgens und blieb bis mittags bei Leonie, bis Kaja aus der Schule kam. Leonie hatte seinerzeit mühsam davon überzeugt werden müssen, für die Vormittagsstunden eine Gesellschafterin zu akzeptieren. Sie hätte es lieber gesehen, wenn Kaja in der Schule aufgehört hätte, um sich ganz der Pflege ihrer Mutter zu widmen, doch das hatte Kaja rundheraus abgelehnt.

Andrea war froh über die Stelle bei Leonie gewesen, denn der Dienst als Krankenschwester war ungleich anstrengender, obwohl Leonie so schwierig war. Aber es waren eben immer nur einige Stunden am Tag, die Andrea mit ihr verbringen mußte, danach konnte sie gehen. Und sie wurde sehr gut bezahlt. Nachmittags arbeitete sie noch in einer Privatklinik und war mit dieser Regelung sehr glücklich.

Sie fragte sich manchmal, wie Kaja es mit ihrer ständig unzufriedenen Mutter aushielt, die von ihrer Tochter verlangte, daß sie sprang, wenn sie nach ihr rief. Da spielte es keine Rolle, daß Kaja nachmittags oft korrigieren mußte, da sie Fremdsprachen unterrichtete. Dieser Teil des Lebens ihrer Tochter interessierte Leonie nicht. Sie kreiste seit drei Jahren nur noch um sich selbst. Das ging so weit, daß sie außer Andrea keine weiteren Angestellten im Haus duldete: Kaja mußte alles machen, obwohl die beiden Frauen ausgesprochen wohlhabend waren. Sicher, ab und zu kam ein Gärtner, um den Garten in Ordnung zu bringen, und es gab eine Putzfrau, aber Leonie hatte es bisher geschafft, jede Köchin zu vergraulen, die Kaja angestellt hatte, und so mußte die junge Frau, wenn sie aus der Schule kam, sich auch noch hinstellen und für sich und ihre Mutter kochen.

Andrea hatte schon öfter angeboten, das zu übernehmen, aber davon wollte Leonie nichts wissen. Sie brachte dann immer eine Menge vernünftig klingender Argumente vor, aber im Grunde war nur eins wichtig: Kaja sollte für sie da sein und sonst für niemanden! Schlimm genug, daß sie ihre Vormittage in der Schule verbrachte – aber mehr Eigenleben wollte ihre Mutter ihr partout nicht zugestehen.

Normalerweise verzichtete Andrea darauf, ihrer Arbeitgeberin zu widersprechen, denn sie hatte gelernt, daß das zu nichts führte. Doch an diesem Morgen konnte sie nicht an sich halten. Sie schwieg einen Moment, ließ sich Leonies Worte noch einmal durch den Kopf gehen und sagte dann ruhig: »Sie sind krank, das stimmt, Frau von Herrenberg – und das ist sicher ein schweres Los. Wenn man früher viel gelaufen ist wie Sie, fällt es einem gewiß schwer, darauf verzichten zu müssen. Aber Sie haben eine Tochter, die sich rührend um Sie kümmert – und Sie sind finanziell so gestellt, daß Sie sich alle Annehmlichkeiten leisten können. Es gibt sehr viele Menschen, denen es in einer ähnlichen Situation viel schlechter geht als Ihnen. Vielleicht denken Sie gelegentlich auch einmal daran.«

»Und warum sollte ich das tun?« fragte Leonie grimmig. »Was gehen mich die anderen Leute an? Ich kann doch nichts am Elend dieser Welt ändern. Ich kann ja noch nicht einmal mein eigenes ändern.«

»Sie könnten sehr wohl etwas ändern, wenn Sie nur wollten«, stellte Andrea fest. Sie wußte selbst nicht, warum sie sich an diesem Morgen so zum Widerspruch reizen ließ. Leonie sagte doch nichts Neues! Diese Klage kehrte in regelmäßigen Abständen wieder, und meistens erwiderte sie gar nichts darauf. Aber heute konnte sie einfach ihren Mund nicht halten.

»Sie können nicht laufen, gut«, fuhr sie fort. »Aber alles andere können Sie, Sie müssen sich nicht hier im Haus vergraben und darauf warten, daß Ihre Tochter alles für Sie erledigt. Vieles könnten Sie selbst tun, und ich bin sicher, es würde Ihnen bessergehen, wenn Sie es täten. Sie müssen unter Leute, Frau von Herrenberg, sonst werden Sie noch zur Einsiedlerin, und dafür sind Sie viel zu jung.«

»Danke, daß Sie mich am frühen Morgen in den Genuß Ihrer Lebensweisheiten kommen lassen«, versetzte Leonie gereizt und griff nach einem Brötchen. »Kann ich jetzt in Ruhe frühstücken oder wollen Sie weiter predigen?«

Endlich begriff Andrea, daß sie im Begriff stand, ihren Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Was war denn nur in sie gefahren, sich in dieser Weise mit der Dame des Hauses anzulegen? Aber noch immer wollte sie nicht klein beigeben. »Ich lese gern weiter die Zeitung«, sagte sie trocken, »wenn Sie sich nicht unterhalten wollen.« Demonstrativ vertiefte sie sich wieder in den Artikel, den sie gelesen hatte, als Leonie hereingekommen war.

Es wurde ein ausgesprochen schweigsames Frühstück, denn keine der beiden Frauen wollte einlenken. Schließlich war es Leonie, die sagte: »Ich möchte heute morgen gern in den Park.«

Es war ein Friedensangebot, über das Andrea sehr erleichtert war. »Sagen Sie nur, wann Sie aufbrechen möchten. Von mir aus kann es jederzeit losgehen.«

Eine halbe Stunde später schob sie Leonie durch die Grünanlagen. Sie sprachen auch jetzt nicht viel miteinander, aber die gespannte Stimmung war verschwunden. Andrea gestand sich ein, daß sie froh darüber war. Sie hatte Leonie gern, obwohl sie sie in Gedanken oft ›den Drachen‹ nannte. Aber Leonie war zuallererst eine unglückliche Frau, die mit ihrem Schicksal haderte. Und solange sie das tat, würde sie unglücklich bleiben. Vielleicht schaffte sie es eines Tages ja doch noch, ihr Leben so zu akzeptieren, wie es nun einmal war – eingeschränkt zwar, aber trotzdem mit vielen Möglichkeiten zum Glücklichsein.

*

Dr. Adrian Winter eilte im Laufschritt die Straße entlang. Er war mit seiner Zwillingsschwester Dr. Esther Berger und ihrem Verlobten Thomas Laufenberg zum Essen in einem türkischen Restaurant verabredet und mindestens eine Viertelstunde zu spät. Er leitete die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg – und obwohl er eigentlich seit zwei Stunden keinen Dienst mehr hatte, war er dann doch in der Klinik hängengeblieben, wie so oft: Es hatten sich zwei schwere Verkehrsunfälle ereignet mit insgesamt acht Verletzten, die auf die Notaufnahmen der umliegenden Krankenhäuser hatten verteilt werden müssen – da konnte er nicht pünktlich nach Hause gehen. Zum Glück waren alle Patienten gerettet worden und würden, wenn es keine weiteren Komplikationen gab, am Leben bleiben.

Esther und Thomas waren natürlich schon da und warteten auf ihn – aber sie waren, wie er erstaunt feststellte, nicht allein. Er begrüßte seine zierliche hellblonde Schwester, die ihm nicht einmal besonders ähnlich sah und nach ihr seinen Freund und zukünftigen Schwager Thomas. Er hatte Thomas früher als Esther kennengelernt, weil dieser vor zwei Jahren Verwaltungsdirektor der Kurfürsten-Klinik geworden war. Zuletzt wandte er sich dem blonden jungen Mann mit den vergnügt blitzenden Augen zu, der mit den beiden am Tisch gesessen, sich aber nun zu seiner Begrüßung höflich erhoben hatte.

»Das ist Sebastian Dreewen, Adrian«, sagte Esther. »Er entwirft Trickfiguren für Filme und wird bestimmt bald berühmt. Wir haben früher einmal im selben Haus gewohnt und sind uns jetzt wieder über den Weg gelaufen. Und da er auch gerade hungrig war, hat er sich uns angeschlossen.«

»Fein«, sagte Adrian, der sich aufrichtig freute. Er ging so sehr in seiner Arbeit auf, daß sein Privatleben oft genug darunter zu leiden hatte. Da er sich aber gern mit Menschen unterhielt, freute er sich immer, wenn er außerhalb der Klinik einmal die Gelegenheit dazu fand, ohne sich besonders darum bemühen zu müssen. »Interessanter Beruf, den Sie sich da ausgesucht haben, Herr Dreewen.«

Sebastian grinste wie ein Schuljunge. »Ich bin noch nicht erwachsen und werde es wohl auch nie werden – da ist meine Arbeit geradezu ideal. Ich entwerfe lauter verrückte Figuren, und später darf ich sie, wenn alles gut läuft, dann auch noch weiter entwickeln und mit ihnen spielen. Ich liebe diesen Beruf.«

»Wollten Sie nie etwas anderes werden?« fragte Adrian neugierig.

»Nie!« antwortete der blonde junge Mann mit soviel Entschiedenheit, daß die anderen drei lachen mußten.

»Und warum bist du so spät, Adrian?« erkundigte sich Esther. »Du hattest doch eigentlich längst frei, oder?«

»Zwei schwere Verkehrsunfälle mit acht Verletzten«, erklärte

Adrian. »Ich konnte die Kollegen damit nicht allein lassen. Tut mir leid. Aber jetzt bin ich ja da.«

Ein Kellner näherte sich ihnen und fragte nach ihren Wünschen. Er empfahl ihnen einige Gerichte, und sie entschieden sich schnell. Bald darauf kamen die Getränke, und sie prosteten einander zu. »Darauf, daß wir endlich wieder einmal privat mit dir zusammensitzen, Adrian«, sagte Thomas Laufenberg mit einem kleinen Schmunzeln. »In der Klinik sehe ich dich ja gelegentlich, aber sonst...«

»Ich weiß«, erwiderte Adrian reumütig. »Esther sagt ja immer, daß ich mit meinem Beruf verheiratet bin, und allmählich glaube ich auch selbst, daß das so ist.«

Sebastians Blicke glitten von Esther zu Adrian und wieder zurück. »Und Sie sind wirklich Zwillinge?« fragte er ungläubig.

»Wirklich«, versicherte Adrian lächelnd.

»Also, auf die Idee wäre ich nicht gekommen. Sie sehen einander noch nicht einmal ähnlich.«

»Das sagen alle, Sebastian«, warf Esther ein. »Mein Bruder ist einen Kopf größer als ich, seine Haare sind dunkelblond, meine ganz hell, und wir haben noch nicht einmal die gleiche Augenfarbe. Aber ich versichere dir: Wir sind Zwillinge.«

»Wenn du es sagst.« Ganz überzeugt schien er immer noch nicht zu sein. »Arbeitest du eigentlich noch als Kinderärztin in der Charité?«

Sie nickte. »Ja, und ich werde auch da bleiben, so wie es aussieht. Mir gefällt die Arbeit, und das Krankenhaus gefällt mir auch. Es gibt keinen Grund zu wechseln.« Neugierig beugte sie sich ein wenig vor. »Was macht denn die Liebe, Sebastian?«

»Esther, du bist indiskret«, rügte Tom. »Herr Dreewen möchte vielleicht nicht vor zwei fremden Männern darüber reden.«

»Da kennst du Sebastian schlecht«, lachte Esther. »Er hat in der Hinsicht überhaupt keine Hemmungen. Oder hat sich das etwa geändert, Sebastian?«