Kurfürstenklinik 9 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 9 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

0,0

Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. "Mein letzter Tag bei Ihnen, Herr Dr. Winter!" sagte Miriam Fechner und sah den jungen Notaufnahmechef der Kurfürsten-Klinik in Berlin-Charlottenburg betrübt an. "Ich wäre gern noch länger geblieben, das wissen Sie ja – aber als nächstes werde ich in Ihrer Neurochirurgie eingesetzt. Ich soll das ganze Haus kennenlernen." "Sie waren uns eine große Hilfe, Schwester Miriam", erwiderte Dr. Adrian Winter lächelnd. "Wir sind froh, daß Sie wenigstens eine Zeitlang unser Team verstärkt haben."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 113

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Die Kurfürstenklinik –9–

Vom Paradies in die Klinik

Der Urlaubstraum wurde zum Horrortrip

Roman von Nina Kayser-Darius

»Willst du mich heiraten, Inga?« fragte Holger.

Sie lagen nebeneinander unter einer Palme, und Inga sah träge auf das aquamarinblaue Meer, das sich vor ihr ausbreitete. Das reine Paradies, dachte sie. Es waren nur wenige Menschen an diesem Strand, der Sand war schneeweiß, die Palmen bogen sich sanft in der leichten Brise, die vom Meer herüberwehte, und das Wasser lag ruhig und still wie ein See vor ihnen. Nur ab und zu kräuselte es sich zu kleinen Wellen, die über den Strand züngelten. Vor Beginn der Reise hatte sie nicht erwartet, daß es in Südafrika so schön sein würde. Hier könnte ich es sehr lange aushalten, dachte sie.

»Inga?« Holgers Stimme klang ungeduldig. »Hast du nicht gehört, was ich gefragt habe?«

Endlich wandte sie den Kopf und sah ihn an. Er war ein gut aussehender Mann mit blonden Locken und einem noch sehr jungenhaften Gesicht, obwohl er vor einiger Zeit seinen dreißigsten Geburtstag gefeiert hatte. Sie selbst war siebenundzwanzig, aber sie fand, daß sie viel reifer war als Holger. Seine blauen Augen waren erwartungsvoll auf sie gerichtet, und sie unterdrückte nur mit Mühe einen Seufzer. Natürlich hatte sie seine Frage gehört, aber sie war sicher gewesen, daß er nur Spaß gemacht hatte. Offenbar war das ein Irrtum. Er meinte es ernst.

Sie waren für drei Wochen nach Südafrika geflogen, um sich das Land anzuschauen und sich am Meer zu erholen. »Drei Wochen ohne Streß und Hektik!« hatte Inga vor der Reise zu ihrer älteren Schwester gesagt. »Ach, Lolly, ich stelle es mir einfach himmlisch vor.«

Jetzt erinnerte sie sich auch daran, daß Lolly etwas vor sich hin gebrummt hatte von der Art: »Wie soll das denn gehen: Mit Holger, aber ohne Streß? Das paßt nicht zusammen!« Aber Lolly konnte Holger nun mal nicht leiden, deshalb durfte man solche Bemerkungen nicht allzu ernst nehmen. »Dieser Kerl«, sagte sie immer, wenn sie von ihm sprach, oder auch »dieses unreife Bürschchen.«

Und jetzt kam also ›dieser Kerl‹ mit einer solch entscheidenden Frage an. Was war nur in ihn gefahren? Sie waren noch nicht einmal eine Woche hier, und sie hatte gerade damit begonnen, sich zu entspannen, da fing er an, solche…

»Inga!«

Sie kannte diesen Tonfall. Er war imstande, ihr den ganzen Urlaub zu verderben. »Ja!« sagte sie leicht genervt und wollte schon hinzufügen: »Natürlich habe ich dich gehört«, aber Holger kam ihr zuvor, und es zeigte sich, daß er ihre Antwort anders aufgefaßt hatte, als sie gemeint gewesen war.

»Warum hast du mich denn so lange zappeln lassen?« fragte er und beugte sich über sie, um sie zu küssen. »Ich dachte schon, du willst mich nicht heiraten!« Sein Tonfall verriet, daß er das keineswegs gedacht hatte, denn Holger fand sich selbst unwiderstehlich, was Inga wiederum eher rührend fand. Aber ihr Verhältnis zu Holger war sowieso nicht ganz geklärt. Manchmal liebte sie ihn heiß und innig, dann wieder ging er ihr furchtbar auf die Nerven.

Als er sie nun leidenschaftlich küßte, begriff sie erst, daß sie das einem Mißverständnis zu verdanken hatte: Er nahm an, daß sie seinen Heiratsantrag soeben angenommen hatte. Sie erwiderte seinen Kuß und wollte ihn schon sacht zurückschieben, um das Mißverständnis aufzuklären, aber dann überlegte sie es sich anders. Warum sollte sie das tun und sich so mit ziemlicher Sicherheit den Urlaub verderben? Sie konnte auch später noch sagen, daß sie sich geirrt hatte. Oder sie konnte Holger heiraten, denn manchmal liebte sie ihn ja wirklich sehr…

Er richtete sich auf. »Ich geh ein bißchen schwimmen«, sagte er. »Kommst du mit?«

Sie schüttelte den Kopf. »Zu faul«, erklärte sie. »Ich bleib lieber hier liegen.«

Er küßte sie noch einmal. »Angenehme Tagträume«, wünschte er und sprang auf. Gleich darauf warf er sich in das klare blaue Wasser. Inga schloß die Augen. Was für eine verrückte Idee, ihr hier am Strand einen Heiratsantrag zu machen. Aber das war wieder einmal typisch Holger. Und wenn sie ehrlich war, dann war es ja auch das, was ihr an ihm gefiel: Seine verrückten Ideen, seine Spontanität, seine Jungenhaftigkeit. Aber genau diese Dinge gingen ihr häufig genug auf die Nerven. Dann fand sie ihn verantwortungslos, oberflächlich und kindisch.

Aber sie würde sich einfach keine Gedanken mehr über eine mögliche Hochzeit machen, solange sie beide in Urlaub waren. Es würde sich schon alles finden. Inga schlief ein, und sie hatte einen wundervollen Traum: Sie lag ganz allein irgendwo an einem weißen Sandstrand unter einer Palme, es war sehr warm, aber ein sanfter Wind kühlte ihre Haut, und sie hatte das blaue Meer sanft plätschernd vor sich…

*

Dr. Adrian Winter fuhr sich verlegen mit beiden Händen durch die dichten dunkelblonden Haare. Seine Kollegin Julia Martensen wartete geduldig. Es war offensichtlich, daß er mit ihr über etwas Wichtiges sprechen wollte, aber er wußte wohl noch nicht so recht, wie er anfangen sollte.

»Sag mal, Julia«, sagte er endlich, »könntest du dir vorstellen, die Notaufnahme eine Weile stellvertretend zu leiten?«

Mit allem hatte sie gerechnet, nur damit nicht. »Was soll das denn, Adrian?« fragte sie überrascht. »Willst du etwa weg aus Berlin? Oder weg von der Kurfürsten-Klinik?«

Der fünfunddreißigjährige Unfallchirurg Dr. Adrian Winter leitete die Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik, und niemand hätte das engagierter tun können als er. Er war allgemein beliebt und anerkannt – und wenn man einmal von Thomas Laufenberg, dem neuen Verwaltungsdirektor der Klinik, absah, dann gab es niemanden, mit dem er nicht gut auskam.

»Nein, ich will nicht weg von hier«, erklärte er seiner Kollegin jetzt. Julia Martensen war Internistin, und sie war mehr als zehn Jahre älter als Adrian. Die beiden arbeiteten hervorragend zusammen und vertrauten einander. »Aber ich muß eine Zeitlang woanders arbeiten – auf einer anderen Station, meine ich. Ich merke, daß sich mein Horizont verengt, wenn ich immer nur in der Notaufnahme Dienst habe, verstehst du? Ihr anderen habt zwischendurch auch manchmal Stationsdienst, aber als Leiter der Notaufnahme bin ich immer hier – ich fühle mich irgendwie ausgelaugt. Kannst du das verstehen, oder klingt das für dich merkwürdig?«

Julia Martensen sah ihn nachdenklich an. »Das klingt überhaupt nicht merkwürdig, Adrian. Niemand arbeitet so viel wie du, das weiß doch jeder hier. Ich habe mich schon oft gefragt, wie du das eigentlich schaffst – du hast ja ebensowenig wie ich eine Familie, die dich wieder aufbaut, wenn du abends nach Hause kommst.«

»Ich habe immerhin Frau Senftleben«, murmelte Adrian.

Julia mußte lachen. »Ich kenne deine Nachbarin ja leider nicht, aber ich kann dich nur um sie beneiden. Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was du manchmal erzählst, dann muß sie völlig unbezahlbar sein.« Sie wurde wieder ernst. »Aber zurück zu dir. Was genau hast du denn vor?«

»Das weiß ich noch nicht. Wenn ich mich mit Herrn Laufenberg ein bißchen besser verstehen würde, dann könnte ich zu ihm gehen, ihm mein Problem vortragen und hoffen, daß ihm etwas dazu einfällt. Aber so, wie die Dinge liegen, werde ich das natürlich nicht tun.«

»Vielleicht würde ihm wirklich etwas einfallen«, meinte Julia. »Ich würde ihn an deiner Stelle fragen – egal, wie eure Beziehungen zur Zeit aussehen. Vielleicht würden sie sich dadurch sogar endlich normalisieren. Es ist absolut albern, daß sich ausgerechnet zwei hochmotivierte und talentierte Männer wir ihr nicht verstehen.«

»Von ›hochmotiviert‹ habe ich bei ihm bisher noch nichts bemerkt«, entgegnete Adrian mit verschlossenem Gesicht. »Und was seine Talente betrifft, die sind mir auch verborgen geblieben, muß ich gestehen.«

»Weil du eine vorgefaßte Meinung hast, von der du nicht abgehen willst«, bemerkte Julia tadelnd und betrachtete ihn kopfschüttelnd. »So kenne ich dich gar nicht, Adrian! Und das paßt auch nicht zu dir. Als Arzt bist du so besonnen – aber was Herrn Laufenberg betrifft, da kann ich nur sagen, daß du ein ausgesprochen ­unreifes Verhalten an den Tag legst!«

»Ist mir egal«, erwiderte Adrian grimmig. »Ich mag ihn nicht, und damit basta. Außerdem will ich mit dir gar nicht über ihn reden, sondern ich will wissen, ob ich auf dich zählen kann, wenn ich mich wirklich darum bemühe, der Notaufnahme mal für ein paar Wochen den Rücken zu kehren. Ich wüßte nicht, wer mich sonst vertreten sollte. Bernd ist noch nicht soweit, und Werner ist als Anästhesist ständig im Einsatz. Außerdem könnte ich mir vorstellen, daß ihm das auch zu stressig ist, er ist immerhin schon Ende fünfzig.«

»Er hat aber noch nie darüber geklagt, daß er sich ausgelaugt fühlt«, sagte Julia spitz. Sie ärgerte sich noch immer über Adrian, weil er sich in ihren Augen wie ein bockiger kleiner Junge verhielt, wenn es um den neuen Verwaltungsdirektor ging.

Adrian wurde rot, dann lächelte er verlegen. »Sei nicht böse auf mich«, bat er. »Ich weiß auch nicht, warum ich auf den Namen Laufenberg immer so gereizt reagiere.«

»Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung«, murmelte Julia. »Um deine Frage zu beantworten: Natürlich kannst du auf mich zählen. Ich finde, daß das eine gute Idee von dir ist, die eigentlich Schule machen sollte. Für jeden von uns wäre es gut, von Zeit zu Zeit aus dem gewohnten Trott auszubrechen.«

»Danke«, sagte Adrian, und nach kurzem Zögern schloß er seine schlanke Kollegin in die Arme und küßte sie auf beide Wangen. Dabei flüsterte er ihr ins Ohr: »Und du bist auch die einzige, die mir von Zeit zu Zeit mal die Meinung sagen darf!«

»Das tue ich sowieso, ob ich das nun darf oder nicht«, erwiderte Julia. »Und wie willst du das mit der anderen Station machen? Du weißt doch ganz genau, daß du mit Herrn Laufenberg darüber reden mußt – oder?«

»Darüber denke ich noch nach«, antwortete Adrian. »Ich hoffe, daß mir eine andere Lösung einfällt, eine interne, wenn du so willst. Es ist ein bißchen blöd, ihn wegen dieser Sache zu fragen, wo ich mich dauernd bei ihm darüber beschwere, daß wir hier zu wenig Personal haben – und dann komme ich auch noch an und will selbst für ein paar Wochen von der Station verschwinden. Das will ich nun gerade ihm nicht unbedingt sagen.«

»Unverbesserlich, der Mann«, meinte Julia.

»Wer?« erkundigte sich Bernd Schäfer interessiert. Der junge Assistenzarzt der Chirurgie war zu seinem Leidwesen in einen ständigen Kampf mit seinen zahlreichen überschüssigen Pfunden verwickelt. Außerdem war er Frauen gegenüber schüchtern, und deshalb war er meistens allein. Aber er tat so, als mache ihm das nur wenig aus. Er war oft verliebt, aber meistens erfuhren die betreffenden Frauen es nicht einmal. Nur die Kollegen in der Notaufnahme, mit denen er oft zusammenarbeitete, wußten über sein ›Liebesleben‹ recht gut Bescheid.

»Adrian«, antwortete Julia kurz angebunden. »Kaum fällt der Name Laufenberg, schon verwandelt sich der sonst so vernünftige Mann in einen unverständigen kleinen Jungen. Aber ich sage zu dem Thema nichts mehr. Wenn du willst, Bernd, dann kannst du ja dein Glück mal versuchen.«

Bernd hob abwehrend beide Hände. »O nein!« rief er. »Das Thema ist tabu, Julia!«

Er wechselte einen verschwörerischen Blick mit seiner Kollegin.

Adrian hatte genug. »Wollen wir uns vielleicht endlich mal wieder unseren eigentlichen Aufgaben zuwenden?« fragte er. »Oder möchtet ihr noch länger über mich sprechen? Dann geh ich schon mal vor.«

Bernd grinste breit,und Julia tat es ihm nach. Adrian gab sich geschlagen. »Ihr habt gewonnen«, sagte er. »Aber das nächste Mal ist einer von euch dran, darauf könnt ihr euch verlassen. Jeder Mensch hat seine schwachen Seiten, vergeßt das nicht.«

»Wem sagst du das?« fragte Bernd Schäfer und klopfte sich betrübt auf seinen runden Bauch.

In diesem Augenblick öffneten sich die Türen der Notaufnahme, und mehrere Unfallopfer wurden hereingebracht. Schlagartig änderte sich die Stimmung, von Ruhe war jetzt nichts mehr zu spüren. Die Schmerzensschreie der Verletzten erfüllten die Station, während die Ärzte sie in fliegender Eile untersuchten und erste Hilfsmaßnahmen einleiteten. In der nächsten halben Stunde fiel kein privates Wort mehr. So lange dauerte es, bis die Patienten soweit versorgt und stabilisiert waren, daß sie zur Weiterbehandlung in die Operationssäle geschickt werden konnten.

Als die Aufregung etwas nachließ, gestattete sich Julia Martensen einen prüfenden Blick zu

Adrian Winter. Nichts war zu spüren gewesen davon, daß er sich ausgelaugt fühlte. Völlig souverän hatte er dafür gesorgt, daß die Patienten behandelt wurden, nicht eine Sekunde lang hatte er die Übersicht verloren.

Ihr fiel niemand ein, der imstande gewesen wäre, eine so kritische Situation ebenso gelassen zu meistern wie er. Sie fragte sich, ob er wußte, wie gut er als Chef der Notaufnahme war. Vielleicht wußte er es nicht. Und vielleicht war genau das sein Problem.

*

An diesem Samstagmorgen saß Lolly Matthäus-Kleber mit ihrem Mann Burkhard beim Frühstück und studierte die Post. »Eine Karte von Inga!« sagte sie erfreut. »Die ist aber schnell angekommen, sie war nicht einmal eine Woche unterwegs, stell dir das mal vor.«

Burkhard Kleber nickte, ohne von seiner Zeitung aufzusehen. Das tat er erst, als seine Frau einen ziemlich schrillen Schrei ausstieß. »Was ist los, Lolly?« fragte er. »Irgendeine Katastrophe?«

»Holger hat sie gefragt, ob sie ihn heiraten will«, stieß Lolly hervor. Ihr hübsches rundes Gesicht hatte einen völlig entgeisterten Ausdruck angenommen.

»Sie hat ›nein‹ gesagt«, vermutete Burkhard gelassen, »und jetzt ist der ganze Urlaub verdorben.«

»Sie hat ›ja‹ gesagt!« stieß Lolly hervor.

Endlich ließ ihr Mann die Zeitung sinken. »Im Ernst?« fragte er mit wachsendem Interesse. »Warum?«

»Sie schreibt, es sei eigentlich ein Mißverständnis gewesen. Sie will es aber nicht aufklären, weil sonst der Urlaub verdorben wäre.«

»Kann ich mir denken. Wenn Jung-Holger nicht bekommt, was er sich in den Kopf gesetzt hat, dann kann er bestimmt ganz schön eklig werden.«