Kurfürstenklinik 94 – Arztroman - Nina Kayser-Darius - E-Book

Kurfürstenklinik 94 – Arztroman E-Book

Nina Kayser-Darius

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Beschreibung

Mit den spannenden Arztromanen um die "Kurfürstenklinik" präsentiert sich eine neue Serie der Extraklasse! Diese Romane sind erfrischend modern geschrieben, abwechslungsreich gehalten und dabei warmherzig und ergreifend erzählt. Die "Kurfürstenklinik" ist eine Arztromanserie, die das gewisse Etwas hat und medizinisch in jeder Hinsicht seriös recherchiert ist. Nina Kayser-Darius ist eine besonders erfolgreiche Schriftstellerin für das Genre Arztroman, das in der Klinik angesiedelt ist. 100 populäre Titel über die Kurfürstenklinik sprechen für sich, in denen zugleich die Entstehung einer romantischen Liebesgeschichte mit filigranem Geschick und großer Empathie gestaltet wird. Als versierte Kennerin medizinischer Sachverhalte berichtet Nina Kayser-Darius auf unterhaltsame Weise quasi aus dem Nähkästchen. "Ich würde dir gern etwas zeigen", sagte Susanne Kohrer schüchtern zu ihrem Vater. Max Kohrer war ein berühmter Maler – einer der berühmtesten seiner Generation. Für seine Bilder wurden Vermögen gezahlt. Er war ein beeindruckender Mann, in jeder Hinsicht: Groß und kräftig gebaut, mit wilder weißer Mähne und einem sehr markanten Gesicht, war er auch mit über sechzig Jahren noch ein Mann, dem die Frauen weltweit zu Füßen lagen. Sein Temperament war ungestüm, seine Wutausbrüche waren legendär. Geduld gehörte nicht zu seinen Tugenden. Er saß am Schreibtisch in dem Zimmer, das er als sein Büro bezeichnete, und sah die Briefe durch, die seine Sekretärin ihm zur Durchsicht hingelegt hatte. Max beschäftigte eine Reihe von Angestellten: Abgesehen von der Sekretärin arbeiteten noch drei Assistenten für ihn, junge Maler allesamt, die nichts anderes tun durften, als seine Anweisungen auszuführen. Außerdem hatte er Personal, das ihm und Susanne den Haushalt führte, denn Max war seit fast zwanzig Jahren Witwer. Susanne war beim Tod ihrer Mutter gerade sechs Jahre alt gewesen. Er hob den Kopf und lächelte seine Tochter, die noch in der Tür stand, zerstreut an. "Was gibt's denn, Susa?" Er hatte schon immer Susa zu ihr gesagt, und so hatten andere diesen Namen übernommen. Sie selbst wäre eigentlich lieber Susanne geblieben, wie ihre Mutter sie immer genannt hatte, doch das behielt sie für sich. Sie behielt vieles für sich. "Hast du die Zeit, dir etwas von mir anzusehen?" fragte sie. Es fiel ihr schwer, diese Frage zu stellen, denn das Bild, an dem sie in der letzten Zeit gearbeitet hatte, lag ihr mehr als alles andere am Herzen. Wenn es ihm nicht gefiel...

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Kurfürstenklinik – 94–

Endstation Rummelplatz

Wo ist Susanne K.?

Nina Kayser-Darius

»Ich würde dir gern etwas zeigen«, sagte Susanne Kohrer schüchtern zu ihrem Vater.

Max Kohrer war ein berühmter Maler – einer der berühmtesten seiner Generation. Für seine Bilder wurden Vermögen gezahlt. Er war ein beeindruckender Mann, in jeder Hinsicht: Groß und kräftig gebaut, mit wilder weißer Mähne und einem sehr markanten Gesicht, war er auch mit über sechzig Jahren noch ein Mann, dem die Frauen weltweit zu Füßen lagen. Sein Temperament war ungestüm, seine Wutausbrüche waren legendär. Geduld gehörte nicht zu seinen Tugenden.

Er saß am Schreibtisch in dem Zimmer, das er als sein Büro bezeichnete, und sah die Briefe durch, die seine Sekretärin ihm zur Durchsicht hingelegt hatte. Max beschäftigte eine Reihe von Angestellten: Abgesehen von der Sekretärin arbeiteten noch drei Assistenten für ihn, junge Maler allesamt, die nichts anderes tun durften, als seine Anweisungen auszuführen. Außerdem hatte er Personal, das ihm und Susanne den Haushalt führte, denn Max war seit fast zwanzig Jahren Witwer. Susanne war beim Tod ihrer Mutter gerade sechs Jahre alt gewesen.

Er hob den Kopf und lächelte seine Tochter, die noch in der Tür stand, zerstreut an. »Was gibt’s denn, Susa?« Er hatte schon immer Susa zu ihr gesagt, und so hatten andere diesen Namen übernommen. Sie selbst wäre eigentlich lieber Susanne geblieben, wie ihre Mutter sie immer genannt hatte, doch das behielt sie für sich. Sie behielt vieles für sich.

»Hast du die Zeit, dir etwas von mir anzusehen?« fragte sie. Es fiel ihr schwer, diese Frage zu stellen, denn das Bild, an dem sie in der letzten Zeit gearbeitet hatte, lag ihr mehr als alles andere am Herzen. Wenn es ihm nicht gefiel... Sie wußte nicht, ob sie das würde ertragen können. Ihr lag so viel daran, daß ihr Vater ihre Arbeit für gut befand – ihr Vater, der darauf bestand, daß sie »Max« zu ihm sagte, weil das jünger und moderner als »Papa« klang.

Sie hatte schon als kleines Mädchen zu malen begonnen, etwas anderes hatte sie nie tun wollen. Die Malerei war ihr Leben, so konnte sie sich am besten ausdrücken. Sie wußte, daß sie sein Talent geerbt hatte, jeder ihrer Lehrer hatte ihr das bisher bestätigt. Nur Max nicht. Max stand dem Werk seiner Tochter verständnislos gegenüber. Noch nie hatte er für eins ihrer Bilder ein lobendes Wort gefunden. Manchmal fragte sie sich, woher sie den Mut nahm, es immer wieder von neuem zu versuchen.

Dieses Mal würde er anders reagieren, sagte sie sich, als sie nun das Zimmer betrat und auf seinen Schreibtisch zuging. Dieses Mal MUSSTE er einfach sehen, daß sie etwas Außergewöhnliches geschaffen hatte. »Wenn du keine Zeit hast«, setzte sie zögernd hinzu, »kannst du es dir auch später ansehen.«

Aber eigentlich wollte sie, daß er sofort mit ihr kam und sein Urteil über ihr Bild abgab.

»Na ja«, brummte Max, »hier liegt noch ein Haufen Zeugs, das ich erledigen muß, aber es dauert ja nicht lange, nicht wahr?« Er erhob sich. Wie ein Fels stand er hinter seinem Schreibtisch, ein stattlicher Mann, neben dem die zierliche junge Frau vor dem Schreibtisch noch schmaler und zerbrechlicher wirkte.

Gemeinsam verließen sie das Büro. Susannes Herz schlug ihr bis zum Hals, während sie durch den langen Flur gingen, an dessen Ende die Zimmer lagen, die sie bewohnte: Ein Schlafzimmer, ein Wohnraum und ein kleines Atelier. Die Kohrersche Villa in Berlin-Grunewald war überaus großzügig geschnitten, denn Max war ein Mensch, der von sich behauptete, viel Platz zu brauchen. In einer normalen Wohnung hätte er sich wie ein Gefangener gefühlt.

Susanne stieß eine Tür auf, dann eine zweite und eine dritte. Dort stand es, ihr letztes Werk mit dem Titel »Am Abend eines langen Tages«. Es war ein großformatiges abstraktes Bild in dunklen Farben, die zum Zentrum hin heller und freundlicher wurden. Sie hatte sehr lange daran gearbeitet, und sie wußte einfach, daß es gut war. Aber es reichte nicht aus, daß sie es wußte. Sie wollte, daß auch Max es sah und anerkannte.

Er trat näher, den Blick fest auf ihre Arbeit geheftet. Ängstlich versuchte sie, von seinem Gesicht abzulesen, was er dachte – aber natürlich gelang ihr das nicht. Wie immer in solchen Situationen war seine Miene vollkommen ausdruckslos. »Das ist es also, womit du dich in den letzten Wochen beschäftigt hast?« fragte er schließlich.

Eher in den letzten Monaten, dachte sie, aber laut sagte sie: »Ja.« Ihre Stimme klang piepsig, und darüber ärgerte sie sich. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt, aber Max gegenüber fühlte sie sich noch immer wie ein kleines Mädchen – würde sie irgendwann so weit sein, ihm als Erwachsene zu begegnen? Sozusagen auf gleicher Augenhöhe?

»Sehr schön«, sagte Max schließlich und klopfte ihr väterlich auf den Rücken. »Wirklich, sehr schön, Susa. Als ich in deinem Alter war, habe ich so ähnlich gemalt, erinnerst du dich?« Er warf einen letzten Blick auf das Bild, sagte noch einmal im selben Tonfall wie zuvor: »Wirklich, sehr schön!« und wandte sich zum Gehen.

»Ich muß wieder an die Arbeit, wir sehen uns ja gleich beim Essen.« Sie lauschte seinen Schritten, die sich entfernten, irgendwo klappte eine Tür. Stille.

Steif wie eine Gliederpuppe ging sie hinüber in ihr Wohnzimmer und ließ sich in ihren Lieblingssessel fallen. »Sehr schön« – mehr nicht. Er sagte immer »sehr schön«, wenn sie ihm eine von ihren Arbeiten zeigte – in diesem leicht herablassenden Tonfall, in dem er gelegentlich auch mit seinen Schülern sprach. Hatte er denn nicht gesehen, daß sie ihm etwas wie dieses Bild noch nie gezeigt hatte? Nein, er hatte es nicht gesehen. Oder nicht sehen wollen, sie wußte es nicht.

Sie stand wieder auf, ging zum Fenster und starrte in den Garten hinaus. Warum reichte es nicht, daß sie selbst um die Qualität ihrer Arbeit wußte? Daß ihre Lehrer sie für außerordentlich begabt hielten? Warum brauchte sie auch noch den Segen ihres Vaters? Sie wußte es nicht. Vielleicht, weil er ein berühmter Maler war, daß nur sein Urteil wirklich Gewicht hatte? Ja, vielleicht.

Aber wenn es so war, dann war auch dieses Bild, das sie selbst für ihr bestes hielt, nichts Besonderes, denn es hatte Max nicht dazu gebracht, interessiert näher zu treten und zu sagen: »Aber Susa, das ist ja wirklich außergewöhnlich gut!«

Ach, wie oft hatte sie sich in Gedanken ausgemalt, welche Worte er finden würde, um ihr Bild zu loben. Mit welchem Herzklopfen hatte sie sein Urteil erwartet! Und dann das: ›Sehr schön‹, wie immer.

Es klopfte leise, und sie rief ›herein‹, ohne sich umzudrehen.

»Störe ich?« fragte eine Männerstimme.

»Komm rein, Sven«, sagte sie, während sie weiterhin hinaus in den Garten sah. Ihre Augen waren feucht, sie wollte nicht, daß er sie weinen sah.

Sven Randow war einer der Assistenten ihres Vaters – der talentierteste und auch der mutigste. Wenn Max sich überhaupt von einem Menschen Kritik an seiner Arbeit anhörte, dann von Sven.

Susanne hatte Sven sehr gern. Mit ihm konnte sie offen reden, sogar über ihren Vater. Er verstand sie immer. Und sie konnte sicher sein, daß er alles, was sie miteinander besprachen, für sich behielt.

Endlich hatte sie die Tränen zurückgedrängt, und so drehte sie sich um. »Suchst du meinen Vater? Er ist in seinem Büro.«

Sven schüttelte den Kopf. Er hatte dunkle Haare, aber seine Augen waren von einem hellen Grau – es war ein sehr reizvoller Kontrast. Er war kräftig gebaut und nicht sehr groß. Susanne fand, daß er aussah wie jemand, auf den man sich verlassen konnte: Fest mit beiden Beinen auf der Erde stehend, nicht so leicht von jedem Windhauch umzupusten.

»Ich wollte zu dir«, sagte er. »Da ist dieser neue spanische Film angelaufen, ich hätte Lust, ihn anzusehen, aber allein macht es mir keinen Spaß. Gehst du mit?«

Sie mußte nicht überlegen. »Heute nicht, Sven. Ich... ich muß über etwas nachdenken, da mag ich mich nicht ablenken lassen.«

»Schade«, sagte er enttäuscht. »Morgen vielleicht?«

»Vielleicht.« Ihr kam eine Idee. »Hast du einen Augenblick Zeit? Ich würde dir gern etwas zeigen.«

»Klar habe ich Zeit.« Sie zeigte auf das Bild, das sie dort in der Mitte aufgestellt hatte und fragte gewollt sachlich: »Wie findest du das?«

Er warf ihr einen prüfenden Blick zu, dann ging er langsam auf das Bild zu. Zwei Meter davor blieb er stehen und betrachtete es. Das dauerte so lange, daß Susanne merkte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Suchte er krampfhaft nach Worten? Würde auch er sich gleich umdrehen und mit gequältem Lächeln ›Sehr schön‹ sagen?

»Das Riesenrad ist in der rechten oberen Ecke«, sagte er schließlich.

Sie mußte lächeln. Das war ein Spiel zwischen ihnen – sie versteckte Riesenräder in ihren Bildern – als Symbol für die Freiheit und Unabhängigkeit, nach der sie sich sehnte. Sven wußte davon, sie hatte es ihm schon einmal erzählt. Er hatte bisher alle Riesenräder gefunden. »Stimmt«, antwortete sie.

»Hat es einen Titel?«

»Am Abend eines langen Tages«, sagte sie. Nicht einmal nach dem Titel hatte Max gefragt.

Endlich drehte er sich zu ihr um. »Es ist das Beste, was du bisher gemacht hast, Susanne«, sagte er. Sven nannte sie immer ›Susanne‹, obwohl sie ihm nie gesagt hatte, daß ihr ›Susa‹ nicht gefiel.

Alle Nervosität fiel mit einem Schlag von ihr ab. »Ja«, bestätigte sie, »das denke ich auch. Vielmehr, ich dachte es bis vor einige Minuten.«

»Hast du es deinem Vater gezeigt?«

Sie nickte.

»Was hat er dazu gesagt?«

Ihr Gesicht verzog sich, sie versuchte, ihrer Stimme einen spöttischen Klang zu geben, doch der Schmerz, den Max ihr zugefügt hatte, klang noch immer durch. »›Sehr schön‹, hat er gesagt. Wie immer. Du kennst ihn doch. Mit dieser herablassenden Stimme, bei der man sofort weiß, daß es allerhöchstens Durchschnitt ist, was man zustande gebracht hat. Ich hätte es ihm nicht zeigen sollen. Nicht dieses Bild. Es war wirklich sehr wichtig für mich – jetzt ist es nichts mehr. Nur noch der sichere Beweis für mein abermaliges Scheitern.«

Svens Gesicht wurde ernst. »Du mußt hier weg«, sagte er ruhig. »Wenn du dich als Malerin durchsetzen willst, mußt du hier weg, Susanne. Neben einem Übervater wie Max Kohrer kann sich kein Talent entfalten.«

»Und du?« fragte sie. »Du bleibst doch auch.«

»Ich bin nicht sein Sohn«, erwiderte er gelassen. »Ich bin nicht so abhängig von seiner Anerkennung wie du es als seine Tochter bist. Außerdem gehe ich in eine andere Richtung – ich denke, daß ich mich langfristig eher der bildenden Kunst zuwenden werde, und das ist überhaupt nicht sein Gebiet. Geh ins Ausland, nach Paris zum Beispiel. Du bist doch so gern in Frankreich!«

»Paris«, sagte sie leise. »So weit weg. Ich kann mir das nicht vorstellen.«

»Ja, ich weiß, es ist immer schwer, wenn man sich von allem, was man liebt, trennen muß. Aber du bist doch unglücklich hier! Ich bin sicher, dein Vater würde dich unterstützen, wenn du ihm sagtest...«

Sie ließ ihn nicht ausreden, sondern unterbrach ihn mit einer Heftigkeit, die er an ihr noch nie erlebt hatte. Sie war sonst ein sanftmütiger Mensch, eher zurückhaltend und scheu. Er hatte sich schon oft überlegt, daß sie mit diesem Vater entweder noch wilder und exzentrischer hätte werden müssen als er – oder eben so, wie sie war. »Ja, sicher würde er mich unterstützen! Er würde gar nicht richtig zuhören, aber unterstützen würde er mich!« Sie drehte sich wieder um und wandte ihm den Rücken zu.

»Entschuldigung«, sagte sie gleich darauf. »Ich weiß gar nicht, warum ich dich anschreie, du hast mir schließlich nichts getan.«

»Du solltest das Bild deinen Lehrern zeigen!« sagte Sven mit Nachdruck.

»Irgendwann mache ich das«, sagte sie so undeutlich, daß er sie kaum verstand. »Aber was ist, wenn er recht hat – und ich habe unrecht? Und du auch? Wenn das Bild wirklich nicht mehr als ›sehr schön‹ ist?« Bei dem Zitat ahmte sie die Stimme ihres Vaters gekonnt nach.

»Er hat nicht recht!« stellte Sven mit großer Bestimmtheit fest. »Er wird überall als der Größte gefeiert – er hält sich längst selbst dafür. Es ist schwierig, auf dem Teppich zu bleiben, wenn die ganze Welt einen hysterisch in den Himmel hebt. Und er hat sowieso kein großes Talent dazu, auf dem Teppich zu bleiben. Ich dachte, das wäre dir klar, du kennst ihn doch schon viel länger als ich.«

»Hältst du ihn nicht für den Größten?« fragte sie leise.

»Ich halte ihn ohne jeden Zweifel für einen der größten Maler der Gegenwart«, antwortete Sven ohne zu zögern. »Aber es gibt andere, die genauso groß sind wie er – und deutlich weniger gefeiert werden. Du kennst das Geschäft doch, Susanne! Wer sich geschickt in Szene setzt, hat den größten Erfolg. Und Max Kohrer ist nicht nur ein außergewöhnlicher Künstler, sondern auch noch ein außergewöhnlicher Mensch. Nicht nur die Frauen liegen ihm zu Füßen.«

»Ja, wahrhaftig«, stimmte sie mit einer gewissen Bitterkeit in der Stimme zu.

Er wartete, ob sie noch mehr sagen würde, aber sie blieb stumm. Also sagte er nach einer Weile: »Ich gehe dann mal wieder. Du willst wirklich nicht mit ins Kino? Es wäre immer noch früh genug.«

Sie schüttelte den Kopf.

»Dann bis morgen, Susanne«, sagte er leise und ging.

Sie weinte jetzt. Noch lange blieb sie am Fenster stehen.

*

Als Dr. Adrian Winter an diesem Abend nach Hause kam, lag ein anstrengender Tag in der Notaufnahme der Kurfürsten-Klinik hinter ihm. Er leitete die Station seit einigen Jahren, und in dieser Zeit war sie zu einer der größten und bedeutendsten Notaufnahmen des Landes geworden. Notfallmedizin war sein Spezialgebiet, über das er gelegentlich auch wissenschaftliche Artikel schrieb – es war der Zweig der Medizin, der ihn von Anfang an am meisten fasziniert hatte. Trotz seiner erst fünfunddreißig Jahre hatte er sich bereits auch international einen Namen gemacht.

Eine gepflegte ältere Dame stand unten vor dem Haus und versuchte vergeblich, die Namen neben den Klingelknöpfen zu entziffern.

»Kann ich Ihnen helfen?« fragte Adrian zuvorkommend. »Zu wem möchten Sie denn?«