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Küssen ist die Sprache der Liebe. Es ist der intensivste körperliche Austausch, da hier alle fünf Sinne beteiligt sind. Diese sinnliche Begegnung der Lippen ist immer ein Ausdruck der Nähe. Deshalb ist es ein Warnsignal, dass in den meisten Partnerschaften im Laufe der Jahre das Küssen verflacht. In diesem lebensnahen Buch wird daher vermittelt: Was ist das Geheimnis guter Küsse? Inwiefern erkennen wir im Küssen die Persönlichkeit des Anderen? Wie kann in einer langen Beziehung das Küssen belebt werden?
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Küsse sind das, was von der Sprache des Paradieses übriggeblieben ist. Joseph Conrad
Das Geheimnis des Küssens
Die Kussforschung
Wenn das Küssen zur Routine wird
Nimmt das Küssen ab?
Die Kussmaschine
Die ersten Küsse
Der gestohlene Kuss
Die Küsse als Mutprobe
Das Ende der Kindheit
Der erste Kuss verändert alles
Küsse sind Grenzerfahrungen
Wer bist du?
Wie entstand das Küssen?
Vorgekaute Nahrung
Vom Beschnuppern des Po zum Kuss
Küsse zur emotionalen Bindung
Wie küsst man richtig?
Der Kuss auf den Mund
Die Hitliste des Küssens
Berühmte Filmküsse
Gute Küsse sind wie Musik
Die Abneigung zu küssen
Der partielle Kussmuffel
Die grundsätzliche Abneigung
Die Angst zu küssen
Mangelndes Urvertrauen
Statistik und Kurioses
Küssen ist gesund
Der Verlust des Küssens
Das Frühwarnsignal
Die Beziehung dünnte aus
Das Küssen verbessern
Ist jeder Kuss ein Fremdgehen?
Wenn der Partner küsst
Die Bedeutung des Vertrauens
Was sagt das Küssen über den Anderen aus?
Küsse sind die mündliche Prüfung
Die Kussdiagnostik
So gelingt die Liebe
Die Gesamtbewertung
Das Kussverhalten von Frauen und Männern
Küssen ist weiblich
Der Oralsex
Küssen in verschiedenen Kulturen
Küsse sind die Boten der Liebe. Heinrich Heine
küssen Sie gern? Haben Sie heute schon geküsst? Welche Bedeutung hat das Küssen in Ihrem Leben? Diese Fragen werden Sie vielleicht erstaunen. Wir sind es gewohnt, nach unseren Essgewohnheiten gefragt zu werden oder die Forschung will wissen, wie oft wir lachen. Doch wir reden viel zu wenig über das Küssen, denn hierbei handelt es sich nur um die kleine Schwester der Sexualität. Schließlich steht das Küssen immer im Schatten größerer Leidenschaften. Daher interessieren wir uns eher für den Sex, die Verliebtheit und den Liebeskummer.
Aber wir vernachlässigen das Kussthema, obwohl die meisten von uns gern küssen. Womöglich haben einige auch merkwürdige oder unangenehme Erfahrungen gemacht. Jedenfalls führen Veröffentlichungen über das Küssen ein Nischendasein. Es gibt tausende Bücher über Liebe und Sexualität, doch es gibt nur ein Dutzend Sachbücher, die sich mit dem Thema Küssen beschäftigen. Und in diesen wenigen Büchern erfahren Sie fast nichts, was Sie in Ihrem Leben umsetzen können.
Denn in diesen Büchern geht es um die Entwicklung des Küssens in den letzten Jahrhunderten, sie beschreiben das Küssen im Film und in der Literatur. Doch die Faszination des Küssens erschließt sich durch solch distanzierte Betrachtungen nicht. Und die Geheimnisse des Küssens bleiben uns auf diese Weise verborgen. Das erstaunt, denn in vielen Schlagern wird das Küssen gewürdigt. Und so trällert man: ‚Rote Lippen soll man küssen‘ und Max Raabe singt: ‚Küssen kann man nicht alleine‘.
Offenbar gibt es einen großen Widerspruch. Obwohl in unserer Gesellschaft immer mehr geküsst wird, sprechen wir nicht darüber. Das ist merkwürdig, denn es gibt sogar eine Wissenschaft, die sich mit dem Küssen beschäftigt. Es ist die Philematologie – so genannt nach dem altgriechischen Wort ‚phílēma‘ für den Kuss. Diese Kussforschung hat in den letzten Jahren sehr an Bedeutung zugenommen und man hat erkannt, wie außergewöhnlich romantische Küsse sind. Denn sie lösen eine Explosion der Sinne aus, da in den Lippen besonders viele Sinneszellen liegen. Insofern sind die Lippen eine wichtige erogene Zone. Zudem werden beim Küssen alle Sinne angesprochen: Das Riechen, tasten, schmecken, hören und sehen. Es gibt keine Tätigkeit in unserem Leben, bei der alle Sinne zugleich derart stark beteiligt sind.
Da wir uns beim Küssen im Gesicht sehr nahe kommen, ist es sogar lebendiger und intimer als Sex. Schließlich gibt es auch distanzierten Sex und das zeigt bereits die Sprache. Wenn Männer davon reden, dass sie eine Frau rannehmen, es ihr besorgen, es ihr zeigen, dann klingt das eher wie ein Machtkampf. Nun gibt es natürlich erzwungene Küsse. Doch romantische Küsse sind immer eine unmittelbare Begegnung, die dazu beiträgt, die Bindung in der Partnerschaft zu verstärken. Das hängt auch damit zusammen, dass Küsse eine erotische Kommunikation der Lippen und der Zunge sind, bei der wir uns intensiver spüren.
Auf diese Weise können wir beim romantischen Küssen gemeinsam in einen Rauschzustand geraten. Schließlich ist ein langer leidenschaftlicher Kuss ein sinnliches Feuerwerk, das sich so sehr steigern kann, dass wir es mitunter fast nicht mehr aushalten. Das hängt auch damit zusammen, dass der Kuss keinen Orgasmus und kein natürliches Ende kennt. Und deshalb kann sich das Empfinden beim Küssen dermaßen steigern, dass beide Partner fast vollständig von Emotionen überflutet werden.
Küssen ist ein unvergleichliches Erlebnis, weil wir uns hier auf eine berührende Art und Weise nahe kommen, wie das sonst kaum möglich ist. Deshalb ist das Küssen im Märchen ein Lebenselixier und häufig mit einem Erweckungserlebnis verbunden. Denken Sie nur an Dornröschen, die durch einen Kuss wieder ins Leben zurückkehrt. Und die meisten Menschen erzählen sich das Märchen vom Froschkönig so, dass man einen Frosch küssen müsse, damit er zum Prinzen wird. Offenbar hat das Küssen eine magische Bedeutung und macht uns und den anderen lebendig.
Wir alle kennen diese große Bedeutung des Küssens, denn in unserer Gesellschaft beginnt eine Liebesbeziehung meist mit innigen Küssen. Dies sorgt dann auch für die emotionale Verbundenheit in der Partnerschaft und die Entfremdung in der Beziehung ist hingegen stets mit einem Rückgang des Küssens verbunden. Deshalb fragen Psychotherapeuten immer beide Partner, ob sie sich noch intensiv und leidenschaftlich küssen. Wenn das nicht der Fall ist, ist dies ein Frühwarnsignal dafür, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt.
Küsse sind offenbar ein effektives Bindemittel der Liebe. Darum ist es bedenklich, dass bei einer Statistika-Umfrage nur 18% gesagt haben, sie würden sehr gut küssen, während 21% bekannten, ihre Fähigkeit zu Küssen sei mittelmäßig. 1 Bereits diese Zahlen zeigen, dass die wirklich guten Küsser rar sind. Deshalb verwundert es auch nicht, dass 15% aller in einer Partnerschaft lebenden Erwachsenen mit der Kussqualität in ihrer Beziehung unzufrieden sind. Sie würden sich wünschen, dass der/die Partner/in besser küssen könnte. 2
Sind Sie mit dem Küssen in der Partnerschaft glücklich? Was könnte man verbessern? Sie können zunächst versuchen, dem Partner kleine Körpersignale zu senden. Dann küssen Sie bewusst langsamer, streichen ihm mit den Händen zärtlich über den Kopf und beruhigen auf diese Weise den Kussprozess. Doch das gelingt nicht immer und dann sollten Sie den Versuch starten, dem Partner in einem ausführlichen Gespräch zu vermitteln, wie er besser küssen könnte.
Allerdings merken wir schnell, dass dies heikel ist. Sobald der Partner auch nur ansatzweise spürt, dass wir ihn kritisieren könnten, ist er gekränkt. Vielleicht ist er bei den Themen Geld, Ordnung oder Pünktlichkeit noch zugänglich, aber bei der Erotik ist er empfindlich. Und das hängt auch damit zusammen, dass wir alle davon überzeugt sind, es sei selbstverständlich, gut zu küssen. Man tut so, als habe man die Fähigkeit zum Küssen gleichsam mit der Muttermilch aufgesogen. Aber die Empfindlichkeit beruht auch darauf, dass sich unser Kussverhalten nur mit größeren Anstrengungen ändern lässt. Letztlich ist es immer das Endergebnis vieler Emotionen, die auch einen Ausgleich zwischen sehr konflikthaften Prozessen beinhalten. Schließlich suchen wir alle Nähe, sind gleichzeitig aber auf einen genügenden Abstand angewiesen und dieser Konflikt prägt selbst die Art und Weise unseres Küssens.
Dennoch ist es wichtig, dass wir unsere Wünsche ansprechen und dem Partner, der Partnerin klar sagen, wie er bzw. sie küssen sollte, damit wir uns wohlfühlen. Was Sie allerdings dabei beachten sollten, werde ich Ihnen in diesem Buch erklären. Ich werde Ihnen zeigen, warum das intensive Küssen so oft einen Dämpfer erleidet. Und ich werde Ihnen zeigen, wie auch Sie zu einem guten Küsser werden können, falls Sie es noch nicht sind.
Doch nun behauptet der Kommunikationsexperte Hektor Haarkötter, die Zeit des Küssens sei vorbei. Die großen Filme über das Küssen seien vor Jahrzehnten entstanden und selbst im Schlager wäre das Küssen kein Thema mehr. Durch die sexuelle Revolution käme man viel schneller zur Sache, die langwierige Vorbereitung, das ‚Tändeln‘ wäre nicht mehr notwendig. Man brauche sich daher im Kino nicht mehr so lange mit dem Küssen aufzuhalten, sondern würde gleich ‚in der Kiste‘ landen. Im Zeitalter von Speed-Dating und Tinder habe es sich ausgeküsst.
Das ist natürlich eine gewagte These. Aber auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob einiges davon stimmen könnte. Man könnte vermuten, dass das Küssen in der Kennenlernphase durch die sexuelle Aufklärung an Bedeutung verloren hat. Doch wissenschaftliche Untersuchungen widersprechen dieser Vermutung, indem sie zeigen, dass das Küssen bei Jugendlichen sehr beliebt ist. So beliebt, dass die WAZ schrieb: Jugend will nur küssen und kuscheln. 3 Das bestätigt eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Sie zeigt, dass junge Menschen das erste Mal Sex immer später erleben. Ein Beispiel:
2009 hatten 21% der Mädchen und 17% der Jungen im Alter von 15 Jahren sexuelle Erfahrungen.
Zehn Jahre später waren es nur noch 13% und 10%.
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Offenbar lassen sich Jugendliche wieder mehr Zeit mit der ersten Sexualität und mit der Wahl einer Partnerin, eines Partners. Und deshalb spielt das Küssen in diesem Prozess der Annäherung, in diesem Beginn des Abenteuers der Liebe eine große Rolle. Insofern wird klar: Jugendliche küssen heutzutage gern und viel.
Doch auch bei den Erwachsenen ist die Bedeutung des Küssens in den letzten Jahrzehnten gestiegen. Denn die Dauer der Küsse hat sehr zugenommen. Heute küsst man sich ca. zwölf Sekunden lang. Vor etwa 40 Jahren war es nur knapp die Hälfte. 5
Allerdings gibt es durchaus einige Irritationen hinsichtlich des Küssens. Beispielsweise geht das Küssen in Japan unter jungen Menschen immer weiter zurück. Nur jeder fünfte Junge zwischen 15 und 18 Jahren wurde bereits geküsst. Bei den Mädchen ist es sogar nur jede Vierte. Dabei handelt es sich um den niedrigsten Wert seit dem Beginn der Erhebungen im Jahre 1974. Letztlich ist dies ist ein Rückgang um 13,6% bei Mädchen und 11% bei Jungen seit 2017.6
Experten zeigen sich darüber alarmiert. Denn der Rückgang beim Küssen liegt nicht daran, dass die Jugendlichen sofort auf den Sex zusteuern. Vielmehr sind die jungen Japaner bei der Sexualität noch zurückhaltender. Nur 12% der männlichen Jugendlichen hatten bereits sexuelle Erfahrungen, bei den jungen Frauen waren es 14,8%. Dies wirkt sich natürlich auf die Geburtenrate aus, die in Japan ohnehin sehr niedrig ist, so dass sich das bereits sehr hohe Durchschnittsalter der Bevölkerung noch weiter erhöhen wird.
Klar ist, dass es sich hier um eine grundlegende Entwicklung und nicht nur um kurzfristige Veränderungen handelt. Dies zeigt auch die Tatsache, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler sehr angestiegen ist, die schon einmal masturbiert haben. Insofern kommt der Kolumnist und Soziologe Tamaki Kawasaki zu der Überzeugung, junge Japaner würden sich nach der Pandemie vom Sex abwenden, es gäbe eine Abkehr von echter körperlicher sexueller Aktivität.
Nun ist ein solcher Rückzug von der Liebe, die man offenbar als schwierig und kompliziert betrachtet, nicht neu. Bereits Anfang der dreißiger Jahre beschrieb Aldous Huxley in dem Roman ‚Schöne neue Welt‘ eine Gesellschaft, in der das Glück wie eine Droge verabreicht wurde. Es gab keine echten Gefühle mehr, keine Konflikte, keine Kriege. Es war eine sterile Welt, in der es keine echten Begegnungen mehr gab. Durch einen naturwissenschaftlichen Fortschritt wurde eine Welt geschaffen, in der man kein Herzklopfen, keinen Liebeskummer, keine schmachtenden Küsse mehr kannte. Also Chemie anstelle von Leidenschaften.
Daran fühlte ich mich erinnert als ich las, dass ein Chinese eine Kussmaschine erfunden hatte. Ihm ging es um eine technische Lösung von Kussproblemen, indem er das Küssen auf weite Entfernungen realisieren wollte. Schließlich würden viele Menschen unter einer Fernbeziehung leiden. Für sie ist das kleine Gerät mit den Silikon-Lippen gedacht, das man an das Handy anschließen kann. Sie sollen auf diese Weise lebensechte Küsse austauschen können.
Der Erfinder Jiang Zhongli führte selbst zu Studienzeiten eine Fernbeziehung und daraus entstand die Inspiration für die Kussmaschine, die sich über einen Ladeanschluss mit einem Smartphone koppeln lässt. Über eine App können sich Paare miteinander verbinden, ein Videogespräch beginnen und sich küssen.
Für die Kusserfahrung sorgen Sensoren, die die Bewegungen der Lippen in elektrische Signale umwandeln und an den Anderen übertragen, wo dann die Signale wieder in mechanische Bewegungen umgesetzt werden. Auf diese Weise wird ein Kuss nachgeahmt, und selbst die entsprechenden Geräusche werden reproduziert. Die patentierte Kussmaschine kostet etwas mehr als 40 Dollar.
Bei Menschen mit einer Fernbeziehung stieß diese Erfindung durchaus auf Interesse. Auf der chinesischen Shopping-Website Taobao hinterließen dutzende Kunden eine positive Bewertung. So schrieb ein Mann von der ‚besten Überraschung‘, die er seiner Freundin bereitet habe. Ihr sei die Kinnlade heruntergefallen, als sie es benutzte. Doch die Werbevideos des handgroßen Geräts führten mitunter eher zu einer Reaktion von Belustigung oder massiver Ablehnung und die meisten Kommentare im Netz sind eine Mischung aus Ekel und Entsetzen. Und das war auch die Reaktion meiner Interviewpartner. Einer meinte: „Küssen ist etwas wunderschönes, da ich den anderen schmecke, rieche, die Haut spüre, die Zunge, die Nase, die Haare und jetzt gibt es ein Gerät, das mich eher an eine Zahnreinigung erinnert.“
Allerdings gab ein befreundeter Soziologe zu bedenken, dass an dieser Kussmaschine immerhin zwei Menschen beteiligt seien. Das ist nicht selbstverständlich, denn Lust sei häufig etwas, was wir allein erleben. Schließlich benutzen über 60% der Frauen Sextoys zur Selbstbefriedigung, über 50% der Männer onanieren mindestens jeden zweiten Tag, 25% der Suchanfragen im Internet drehen sich um Pornographie. 7 Im Vergleich dazu ist eine Kussmaschine wenigstens kommunikativ.
Ich fand die Meinung des Soziologen interessant und gleichzeitig löste sie ein tiefes Befremden in mir aus. Denn eine solche Kussmaschine arbeitet letztlich mit viel Elektronik und ein bisschen Kunststoff. Doch gute Küsse sind eine lebendige Begegnung, bei der wir einen Menschen umfänglich spüren, ihn verstehen und seine Phantasien erahnen. Gute Küsse haben etwas Magisches, da ihr Geheimnis aus vielen Faktoren besteht, die wir meist nur mit viel Geduld entschlüsseln können. Schließlich hängen gute Küsse vom Charakter eines Menschen ab, seinen Zielen, seiner Fähigkeit zur Lust und letztlich auch von seiner Kindheit. Darüber hinaus sollten wir jedoch auch die emotionale Dynamik in einer Partnerschaft begreifen, die eng mit der Persönlichkeitsentwicklung beider Beteiligten verbunden ist.
Ich selbst bin Tiefenpsychologe und finde es spannend, wenn ich in meiner Arbeit als Psychotherapeut viel über die Gefühle und auch die Kindheit von Menschen erfahre, weil dies oft ein Schlüssel zum Verständnis der Liebe, der Leidenschaften und des Küssens ist. Gleichzeitig liegt aber ein wichtiger Schwerpunkt meiner Arbeit darin, die Dynamik einer Liebesbeziehung zu erfassen. Das gelingt mir zunehmend, weil ich auch ein Partnerschaftsexperte bin und über die klassischen Probleme in Beziehungen einige Bücher geschrieben habe.
Insofern habe ich einen etwas anderen Zugang zu den Geheimnissen des Kusses als es einem Kulturwissenschaftler oder Philosophen möglich ist. Dabei bewundere ich durchaus jene Wissenschaftler, die andere Kulturen studiert haben, sich in Literatur, der Kunst und Filmen auskennen. Sie verstehen, wie das Küssen entstanden ist und wie man in anderen Ländern küsst.
Als Spezialist für die seelischen Prozesse werde ich Ihnen in diesem Buch jedoch viel über die psychologischen Geheimnisse des Küssens vermitteln. Ich möchte Ihnen zeigen wie gutes Küssen gelingt und warum es so oft scheitert. Doch damit Sie diese Erkenntnisse besser verarbeiten können lade ich Sie ein, zunächst folgende Fragen zu beantworten:
Küssen Sie gern?
Wie sind Sie mit dem Küssen und dem Sex in Ihrer Beziehung zufrieden?
Was würden Sie gern ändern?
Gab es einen Rückgang des Küssens und wenn ja, warum?
Haben Sie sich in der Partnerschaft darüber unterhalten?
Auf diese Fragen werde ich ausführlich im Laufe des Buches eingehen. Und Sie werden meine Ausführungen mit einem tieferen Interesse lesen, wenn Sie einen Zugang zu Ihren eigenen Kusserlebnissen gefunden haben. Vielleicht haben Sie sogar den Mut, dass Sie die Antworten in Ihrer Partnerschaft austauschen und darüber zu reden. Sollten Sie damit zögern, dann warten Sie bitte, bis Sie das Buch zu Ende gelesen haben.
Jeder Kuss von Dir ist so, dass die Welt für mich stillsteht. Ein Jugendlicher
Ich möchte Sie gern auf eine Forschungsreise des Küssens mitnehmen und Ihnen helfen, Ihr eigenes Kussverhalten und Ihre Kusserlebnisse zu verstehen. Dann werden Sie auch erkennen, was Sie möglicherweise verbessern können. Dazu ist es wichtig, dass Sie zunächst die Entwicklung der eigenen Küsse begreifen und besonders bedeutsam ist hierbei der erste Kuss, an den wir uns meist noch sehr gut erinnern können.
Ein älterer Freund sagte mir: „Ich habe inzwischen vieles vergessen, meist waren Ereignisse unwichtig und auch die Namen vieler Klassenkameraden fallen mir nicht mehr ein. Ich muss mir sogar Mühe geben, damit mir die Namen meiner ersten Freundinnen einfallen. Aber den ersten Kuss habe ich regelrecht abgespeichert, denn ich war so aufgeregt und hatte Glück: Meine Partnerin war sehr lieb und einfühlsam und es war einfach schön. Es war ein unglaublich prickelndes Gefühl, ihre Lippen zu spüren, langsam auch ihre Zunge, es war für mich eine Offenbarung.“
Die meisten Jugendlichen küssen zum ersten Mal mit 14 Jahren. Nur 15% waren beim ersten Kuss schon 18 Jahre alt. Zwar gibt es die ersten Küsse, die mit sechs, sieben, acht Jahren beginnen. Sie sind von Neugierde geprägt, sind spielerisch und spannend, aber noch nicht erotisch. So erzählte mir eine Beamtin, sie sei von einem Klassenkameraden geküsst worden, als sie acht Jahre alt war. Sie sei täglich mit ihm zusammen zur Schule gegangen und eines Tages habe er sie an die Rückwand des Hauses geführt, wo sie keiner sehen konnte und habe ihr einen Kuss gestohlen. Das habe ihr gefallen. Danach hätten sie sich weiter getroffen, als wäre nichts geschehen.
Erinnern Sie sich an Küsse im Kindergarten, in der ersten oder zweiten Klasse, die im Vergleich zu späteren Küssen eher unschuldig waren und dennoch eine große Innigkeit aufwiesen?
Schließlich gibt es im Alter von 10 - 13 Jahren jene Küsse, die man als Mutprobe bezeichnen kann. In einer Gruppe verabredet man sich zu Würfelspielen oder es gibt das Flaschenkreisen, bei dem das Prinzip gilt, sich mit dem Nachbarn zur linken oder rechten zu küssen. Gefordert sind Küsse auf den Mund, die meist relativ kurz sind und dennoch aufregend. Mitunter hat es auch einen Aspekt der Komik, sobald sich die Zahnspangen berühren, wenn Metall auf Metall reibt und sich gleichzeitig schüchtern die Lippen begegnen.