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Es existiert eine Welt, die der unseren ähnlich ist. Der Weg dorthin - führt über unsere Träume. Das Erwachen danach verändert uns ... "Land ohne Schatten" erzählt die Geschichte eines körperlich und geistig gebrochenen Mannes, der, durch ein Gewaltereignis hervorgerufen, auf Galoosan erwacht. Galoosan ist ein mystischer Ort, wo eisige Kälte vorherrscht und der Neuankömmling um sein Leben bangen muss. Die Freundschaft zu einem Schneeleoparden heilt sein verloren geglaubtes Gefühl der Verbundenheit. Um dort zu überleben, muss er kämpfen. In aussichtslos erscheinenden Momenten erwacht der Krieger in ihm. In dieser endlosen Eiswüste findet er wieder zu sich selbst und zu jener Urkraft, die sein Herz zum brennen bringt. Aus einem hilflosen, verängstigten Wesen reift er zu einem Krieger heran. Als er wieder in die alltägliche Welt erwacht, ist nichts mehr so wie früher. Die Gefahren auf Galoosan formten seinen Charakter und richteten sein Leben neu aus...
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Seitenzahl: 226
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Vorwort
Die eine Wirklichkeit des Charakters
Die andere Wirklichkeit des Charakters
Das Erwachen des Kriegers
Zwischen den beiden Wirklichkeiten
Zerrissenheit trotzt beiden Wirklichkeiten
Erlangen der Kraft
Der Morgen danach
Lord of Galoosan
Nachwort
Biographie
Auf meiner ersten und großen schriftstellerischen Abenteuerreise nach Galoosan warst du präsent. Besonders, als ich anfing, mich in diesen unendlichen Weiten des Eises und Sturms zu verlieren. Du gabst mir Wärme, als Galoosan drohte mich zu erfrieren. Du berührtest mein Herz, damit es nicht in den zahllosen Kämpfen verlorenging. Dein Kuss bewahrte die Sanftheit in meinen Berührungen und deine Liebe brachte mein Herz zum Brennen. Du Freude meines Lebens, meine Lebenspartnerin und Kriegerin, ich danke dir, dass du da warst und zu mir gehalten hast, als vieles in diesen Nächten auf Galoosan verloren schien ...
Du hast Dir dieses Buch gekauft und jetzt brennt in Dir eine einzige Frage. Jene, ob es ein guter Kauf war, oder jene, die Du nicht auf Partys und in der alltäglichen Gesellschaft frohlockend stellen kannst, aber die dennoch in Deinem Bewusstsein brennt, dass sie Dir Deine Nächte zum Tage werden lässt. Ist es die eine Frage nach dem Wandel oder nur jene Frage, die pure Angst auslöst, weil der Wandel schon längst jene Grenzen in Dir überschritten hat und Spuren der Vergangenheit … zu verblassen beginnen?
Nun bist Du hier und fragst Dich weiter, was Du tun wirst, wenn dieses Buch Deinen Wünschen nicht entsprechen wird, wenn dieses Buch Dich möglicherweise ängstigt oder tatsächlich eine Veränderung in Dir auslöst. Aber dazu ist es bereits zu spät. Du bist hier und liest meine Zeilen. Also, mach Dir nicht ins Hemd und lies weiter … Triff dafür am Ende des Buches eine Entscheidung. Jene, begleitet mit der Frage, ob dieses Leben, welches Du führst, Dein Herz zum Brennen bringt.
Die Zeit des Menschen liegt im Wandel und die innere Zerrissenheit, die damit einhergeht, verflüchtigt unsere letzten Kraftreserven und formt uns zu einem Wesen – welches hilflos zusieht, wie es unfreier wird. Die innere Zerrissenheit von uns wirkt nicht nur auf die Beziehungsfähigkeit, sondern in all unseren alltäglichen Lebensanforderungen. Unser Emanzipationsprozess wurde nie verwirklicht. Beschnitten durch einen dominanten Vater oder dominante Mutter - oder durch beide. Mit dem Wiederfinden unserer Kraft lösen sich unsere Zerrissenheit und alle Verrenkungen auf, die wir zur Welt und Beziehungen einnehmen.
Der Kraftgewinn, der daraus folgt, verändert harmonisch unser Verhältnis zur Umwelt und lässt uns wieder durchatmen.
Mit diesen Geschichten lade ich die Leser dazu ein, sich über ihre eigene Situation Gedanken zu machen. Im Sinne ihrer männlichen oder weiblichen Seite. Was sie in ihren Handlungen und Gedanken als männlich oder weiblich erkennen und empfinden. Sowie sich darüber im Klaren zu werden, welche Kräfte ihnen zur Verfügung stehen. Wenn dabei eine Verlorenheit im Geiste auftaucht, so mein Rat: Der alten Grundregel folgend, wenn du dich einmal verirrt hast, so kehre zum Ursprungsort zurück, um den Weg wieder zu finden. Die Kraft, die es auf Galoosan zu entdecken gilt, schlummert in allen Menschen, seit Anbeginn der Zeit, gleich. Wir haben diese Kraft in den Wirren unserer Alltagswelt vergessen.
Diese Abenteuergeschichte handelt von einem Mann, der entscheidende Charakterzüge in sich trug und damit konträre Wirklichkeiten seines Umfeldes schuf. Zwei Seiten, die ihn spalteten. Die Brutale und die Sanfte. Diese Ambivalenz beförderte ihn schnurstracks nach Galoosan.
In diesem Sinne, viel Freude beim Lesen ...
Am Morgen des dritten Tages des Jahres 2013, im Jahre des Herrn, erwachte ich in der Hoffnung, dass mich meine Frau noch liebte. Das Beeindruckende dabei, sie war gar nicht mehr da, um das zu tun. Das heißt nicht, dass sie abgehauen ist und mich mit den vierzehn Kindern alleine gelassen hat. Nein, sie war Arbeiten wie alle fleißigen Frauen dieser Welt und ich war durch die letzte nächtliche Zechtour dermaßen leidenskrank im Bett geblieben, dass sie es gewesen war, welche meine Firma anrief und mich krank meldete.
Helga, Froni oder Moni, ganz gleich, gebt ihnen Namen, die sie auch verdienen, aber macht nicht den Fehler, ihren Wert damit fehlzuschätzen. Ich war ein Arsch, welcher es zu gut verstand, dieses verständnisvolle und sozial hilfsbereite Wesen bis aufs Maximum auszunutzen. Manchmal liebte ich es sogar, meine innerlichen Schwächen mit der gewalttätigen Überlegenheit ihr gegenüber aufzufüllen. Und wenn ich sie dabei zu Boden warf und mich auf sie stürzte, dann waren es nur ihre herzzerreißenden und schmerzlichen Hilfeschreie, die mich manchmal am weiteren Zuschlagen hinderten.
Meine nächtlichen Freunde und das Wirtshaus waren mir an manchen Tagen wichtiger als die ganze familiäre Packlrass. Ich dachte, ich sei der Mann im Haus und dass ich machen könne, was ich wolle und dass ohne mich hier nichts laufen würde. Die Frau hatte mir immer zu dienen, und tat sie dies eines Tages nicht, so lag meine künstliche Empörung darüber nur einen Hauch hinter meinen Schlägen für sie verborgen. Das berührte mich nicht sehr, da ich überzeugt davon war, und in vielen Momenten meiner sinnlosen Kindheit selbst erlebt hatte, was Frauen für eine Tortur aushalten konnten. Meine Erziehungsmethoden bei Kindern beschränkten sich nur noch auf das tägliche Verhauen dieser. Da es mir an anderen Einsichten im Hirn fehlte, um zu verstehen, worauf es ankam. Die nervigen Schreie der Bälger waren an manchen Tagen unerträglich, sodass nur eine gesunde Tracht Prügel alle wieder zum Schweigen bringen konnte. Mit alle meinte ich auch Helga, Froni oder Moni, egal; letztendlich verstummten sie alle weinerlich, damit wieder Frieden im Haus einkehrte.
Meine Beziehung war begleitet von der hirnrissigen Ansicht, dass wenn du zur Frau gehst, du die Peitsche keinesfalls vergessen darfst. Und wenn die Peitsche manchmal fehlte, so erfüllten meine Hände, meine Füße und die Fäuste denselben Zweck. Was ich dabei nie verstand, war – was hielt bloß dieses verletzliche und zerbrechliche Wesen an meiner Seite? Was war es, weshalb sie diese seelischen und körperlichen Wunden ertrug? Nur um in meiner Nähe zu sein, nicht von meiner Seite zu weichen, trotz aller Schläge und Wunden, die sie von mir bekam, die manchmal so hart waren, dass mir sogar selbst die Hände wehtaten. Und erreichte ich einmal eine Grenze, wo sie für immer genug hatte, so war ich es, welcher in Mitleid und Selbstzerstörung zerfloss. Ihr innig offenbarte, wie sehr ich sie liebte, um ihr gleich darauf anzudrohen, mich mit den Kindern vor den Zug zu werfen.
Ich verstand nie diese so zerbrechliche Kraft, die trotz meiner Brutalität zu widerstehen vermochte und mich in der nachträglichen Versöhnungsumarmung nie ablehnte. Jene sanfte Kraft, die bei meinem herzzerreißenden Selbstmitleid sowie meinen um Gnade und Verzeihung bittenden Versuchen mich zu umarmen vermochte und Verständnis für mein Handeln suchte. Was immer ich ihr antat, welche Schläge sie hinnehmen musste und welche seelischen Verletzungen ich ihr zufügte, sie sah immer den kleinen, verletzten Jungen in mir, den keiner wollte, welchen sie trotz aller Versuche nicht abtreiben konnten und welchem sie dafür jede Schuld, dass er geboren wurde, gaben. War es Liebe, war es eine verrenkte Geisteshaltung aus einem Verhaltensmuster ihrer Kindheit, welches nicht mehr zu bändigen war, oder war es nur Ausdruck einer Hilflosigkeit, unter welcher wir alle litten, selbst ich, welcher der häuslichen Gewalt nicht abschwören konnte?
Ja, es war der dritte Tag des Jahres 2013, als ich erkannte, dass das Leid nicht vom Gasthaus, nicht von meinen Freunden und nicht von der ungerechten Gesellschaft ausging. Ich erkannte, dass Leid mein stetiger Begleiter war. Jener finstere Geselle, welcher nicht auf andere geschoben werden konnte, sondern nur in meinem innigen Schmerz nach kranker Liebe zu finden war. Und gleichzeitig war es die Erkenntnis darüber, dass nicht ich schuld an meiner Misere war - sondern wir alle.
Helga, Froni oder Moni verließ mich tatsächlich und die vierzehn Kinder nahm sie mit. War gut so, da ich in dieser tiefen Trauer darüber nicht in der Lage war, diese zu erhalten, und selbst wenn, ich hätte sie eh nur geschlagen und verprügelt. Ich litt wie ein Hund und ich litt jahrelang. Der Alkohol, welcher seit Langem mein Freund geworden war, tröstete mich länger über diese Trennung hinweg und er sorgte dafür, dass man mir den Führerschein laufend verweigerte. Die Polizisten, diese blöden Hunde, haben nie verstanden, dass nicht ich es war, sondern der Alkohol, mein Freund, welcher da fuhr. Sie hätten meinem besten Freund, den Schein zwicken sollen und nicht mir, aber dazu reichte ihr trocken gelegtes, vom Alkohol befreites Hirn nicht aus. Aber auch das war nur eine Lüge, wie wir alle wussten.
Als Helga, Froni oder Moni ging, den genauen Namen wusste ich am Schluss schon gar nicht mehr, war mein Leben absolut ruiniert. Und das alles nur wegen diesem Freund Alkohol oder waren es doch die Schläge, die blauen Flecken und die nächtlichen Zechtouren? Mein Gott, da geschah etwas Gravierendes in meinem Leben und ich konnte mir nicht einmal mehr einen Reim darauf machen, was die Ursache dafür war. Sie war tatsächlich gegangen, das hätte ich ihr nicht zugetraut. Ihr Weggehen hinterließ pure Verwüstungen und das reinste Chaos in mir und in der Wohnung. Nichts fand seinen Platz wieder. Trotz meiner halbschwachen Bemühungen und den Versuchen, Ordnung zu schaffen, verursachte ich nur ein größeres Chaos. Irgendwann verlor ich diesen letzten Kampf in meinem Gehirn, welcher sich »Ordnung« nannte, und was danach folgte, richtete meinen Fokus auf »Auslöschung« aus.
Die Nächte wurden lang und manchmal länger und eine Unendlichkeit des Rausches erfüllte mein Leben zwischen den paar wachen Stunden des Tages und der Nacht. Anderseits hatte ich endlich einen guten Grund, auf Dauer zu Hause zu bleiben. Mein Chef verstand das sogar. Bei der Kündigung klopfte er mir verständnisvoll auf die Schulter und meinte, dass ich ihm sogar leidtäte. Was für ein verständnisvoller Mensch, obwohl ich ihn mit meinen nächtlichen Zechtouren am nächsten Tag so oft alleine gelassen und verarscht hatte. Aber so ist es halt einmal in dieser Welt, es gibt einfach keine Gerechtigkeit mehr; kaum geht man einmal mit jemandem verständnisvoll um, wird man gleich darauf hintergangen. Ich denke, das hat er sich redlich verdient, dieser Arsch von Chef.
Am dritten Tage des Jahres 2013 geschah es dann. Ich stand so um die Mittagszeit auf, oder vielmehr wälzte ich mich aus dem Bett. Kratzte mich abwechselnd am Kopf, am Arsch und im Schritt, wobei mir die Unterscheidung der jeweiligen Orte zu diesem Zeitpunkt nicht zumutbar war. Einen Geschmack im Mund, als hätte ich beim Trinken das Bierglas mit der Klomuschel verwechselt, blickte ich in den Spiegel meines Kleiderschrankes. Das, was mir da entgegenstarrte, Ihr werdet es nicht glauben, es war nicht mehr und nicht weniger als ein beschissener Basilisk. Jenes abscheulich hässliche Fabelwesen, welches in den mittelalterlichen Wiener Sagen Jahr für Jahr den aufmüpfigen Kindern, damit sie endlich die Gosch´n halten, vorgelesen wird.
Ich brauche nicht extra zu erwähnen, dass ich diese Geschichten nicht nur auswendig wusste, sondern, mit verbundenen Augen und freihändig, diese rückwärts aufsagen konnte. Nachdem ich mir dieses Märchen zur Genüge hatte anhören müssen, wusste ich sofort, na, der da im Spiegel, des kann nur der Basilisk sein. Jeder, der die Geschichte kennt, weiß, dass ein Spiegel das Letzte ist, was so ein Basilisk sehen möchte. Nur es war zu spät, es riss seine Augen und den schnabelartigen Mund fürchterlich auf und kam mir taumelnd entgegen. Ich versuchte, freundlich dreinzuschauen und ein bisschen blöd zu winken, aber es winkte leider weder freundlich noch gleich blöd zurück. Mit blutunterlaufenen Augen und einer Fratze, die die Abscheulichkeit rückwärts buchstabieren ließ, brüllte mich dieses Wesen an. Aufgequollen von all dem Alkohol und den Zigaretten der letzten Nacht brüllte es mir aus dem Spiegel entgegen und spuckte dabei Galle und Säure in meine Richtung.
Das nackte Grauen packte mich. Und als ich den rettenden Sprung zur Türe machen wollte, stolperte ich über meine Unterhose, die mir mittlerweile bis zu den Fußknöcheln runtergerutscht war. Und während ich zu Boden fiel, sah ich im Spiegel, wie sich das Fabelwesen aufbäumte, grässlich den Mund aufriss und einen Schwall gelblichen, dickflüssigen Breis gegen den Spiegel spie. Ein kurzes Aufflackern in meinem Gehirn sorgte für einen kleinen Feuerzauber an Erkenntnissen. Die mir zu verstehen gaben, warum dieses Fabelwesen, halb Hahn, halb Kröte, sein kleines verschrumpeltes Schwanzerl vorne trug, aber das war bereits unwichtig geworden, da ich es im nächsten Moment vergaß.
Wie in Zeitlupe fiel ich zu Boden, und als ich dort aufschlug, wirbelte ich all den Müll, der dort herumlag, auf. Die Bierflaschen, die Chipstüten, die Bierdosen und Weinflaschen flogen mir regelrecht um die Ohren und einige landeten im Spiegel, im Fenster und ein paar sogar auf dem blöden Luster. Mein Sturz löste ein regelrechtes Trommelfeuer von Querschlägern und herumfliegenden Trümmern aus, die, wieder durch die Anziehungskraft der Erde beflügelt, ihre Ursprungslage suchten und mich kurz darauf vollkommen begruben. Es war der Basilisk, dachte ich in meinen letzten Gedanken, niemand anderer wirbelt mehr Dreck hoch als dieses Arschloch, während ich kurz darauf das Bewusstsein verlor.
Nach einer Weile, oder war es doch etwas länger, als ich wieder meine Augen öffnete, spürte ich die Kälte um mich und Schneeflocken tanzten auf meinem Gesicht.
Die Sonne schien durch das kleine Fenster in unser Schlafzimmer und die sanften Strahlen kitzelten mein Gesicht. Ich öffnete meine Augen und blickte in die schönsten blonden Haare einer Frau. Eike, Heike oder war es Helga? Egal, die Sonne brachte ihre strohblonden Haare zum Erstrahlen, wodurch das kleine Schlafzimmer von diesem Licht durchflutet wurde. Ich umarmte sie sanft und küsste sie auf die Stirn, bevor ich aufstand. Der nächste Blick galt unseren beiden Zwillingstöchtern, welche in der Wiege neben unserem Bett schliefen. Beide so eingekuschelt lagen sie da und träumten ihren Schlaf der Unschuldigen.
Ich zog mich leise an, um nicht meine größte Liebe zu wecken, und schlich mich aus dem Zimmer. Im Vorzimmer begrüßte mich schon unser Hund Wuffi, Trufi, Bello oder so und wir eilten gemeinsam in die Küche, das Frühstück vorzubereiten. Beim Betreten der Küche roch ich unser Meerschweinchen, welches sich über beide Ohren angekackt und darin herumgewälzt hatte. Ich ignorierte sein stinkendes Gequieke und räumte gleich das gestrige Geschirr vom Tisch in die Spülmaschine ein und hätte am liebsten gleich das angeschissene und zur Fettleibigkeit dressierte Schwein mit hineingeworfen.
Aber halt: »Nein, das sind keine schönen Gedanken«, sagte immer Eike, Heike oder war es Helga? Egal, ich liebte dieses Wesen abgöttisch und ich hätte alles für sie gegeben. »Das Meerschwein ist ein Familienmitglied und muss auch so wie eines behandelt werden«, sagte sie ständig. Ich blickte neben dem Geschirrspüler runter und erkundigte mich nach dem Hasen, welchen wir seit fünf Monaten hatten, jenen fünf Monaten, seitdem die Zwillinge auf der Welt waren. »Komm Schatz, lass uns einen Hasen kaufen«, hatte Eike, Heike oder Helga gesagt. »Er soll mit den Kindern mitwachsen und die Kleinen werden ihn sicherlich lieben.« Und deshalb besorgten wir uns gleich darauf auch diesen Hund, weil sie schon immer einen Hund haben wollte, und obendrein dieses blöde Meerschwein. Aber halt: »Nicht ›blöd‹ sagen, das sagt man nicht«, hat sie mir immer fein säuberlich verpackt zugeflüstert.
Ich versorgte den Hund, räumte die Wäsche in die Waschmaschine und man sollte es nicht glauben, während ich die Fenster zum Garten das zweite Mal reinigte, erwachte mein Schatz, meine Liebe, mein Glück, mein Traum vom Leben. Gut, es war zwar schon um die Mittagszeit, aber mein Glücksempfinden war deshalb nicht abgetragener oder abgewaschener, nein, ich schrie fast gleichzeitig wie der Hund vor Glück, als sie, so wie ein ausgespuckter Kaugummi, durch die Küchentüre den Raum betrat und wie eine Sonne den Raum flutete.
Mein Gott, Heike, Eike oder war es Helga? Ich liebte sie alle ganz gleich, wer sie wirklich waren. Bevor sie sich setzen konnte, las ich sehnsüchtig die Wünsche von ihren Lippen, und als ihr Hinterteil dann den Stuhl berühren wollte, schob ich sanft ein weiches, rosafarbenes Polsterstück darunter, sodass ihr dabei entstehendes Lächeln meine Seele zum Erstrahlen brachte. Ja, Heike, Eike oder nur die Helga waren der wahre Grund, welchen ich mir tagtäglich zu Gemüte gab, warum das Aufstehen für dieses wundervolle Wesen immer ein Segen für mich war.
»Hast du den Hund schon gefüttert?«, war ihre erste Frage und ich beantwortete sie mit selben Hecheln und Kopfnicken wie der nette Hund da unten, welchem ich am liebsten eine reingetreten hätte. »Oh nein, nicht das böse Wort, schnell dreimal Pu, Pu, Pu sagen, dann ist es schnell weg«, sagte Eike, Heike oder war es doch Helga; egal, im nächsten Moment sprach sie weiter: »Und was ist mit dem Meerschweinchen, ist es schon satt?« »Aber ja, meine Morgenröte«, erwiderte ich und ihre Worte kaum abwartend ergänzte ich mit bescheuertem Grinsen: »Ja, die Zwillinge habe ich auch schon windelmäßig versorgt, Schatz, sie warten nur noch auf deine Brustwarzen.« »Ach ja, ihr Männer«, sagte sie leicht schmunzelnd, während sie sich genüsslich streckte. »Schade, dass ihr die Babys noch nicht säugen könnt. Wozu habt ihr nur eure Brustwarzen, dann blieben wenigstens meine Brüste schön knackig und straff.« »Ach ja, die Brüste«, sagte ich und versuchte, eine davon für mich zu erwischen. »Nein, nicht jetzt«, sagte sie. »Der Hund schaut zu.« Ich blickte den Hund grimmig an und wir knurrten beide gleichzeitig los.
»Was gibt es zum Frühstück, mein Mausibärli?«, unterbrach ihre süßliche Stimme unser gegenseitiges Balzverhalten. »O ja«, sagte ich, den blöden Hund mit einem Auge fixierend, »ich habe bereits alles für dich vorbereitet, meine Liebe. Magst du heute Orangensaft oder ein Glas Milch dazu?«
Sie setzte sich näher zum Tisch und langte mal so richtig zu, während ich dastand und sie anschwärmte, wie toll sie … alles machte. Ich liebte und bewunderte sie und alles, was sie tat, berührte mich tief, worauf ich unmittelbar vor Rührung zu weinen anfing. »Oh nein, jetzt nicht weinen, mein Herzi«, sagte sie gerührt und hatte dabei ihr Gesicht leicht zur Seite geneigt, sodass ich nur ihre Visage sehen konnte. Und so am Rande, im Schatten ihres Gesichtes, nahm ich eine kleine, kaum wahrnehmbare Bewegung wahr, eine Form des Gesichtsausdrucks, welcher in den Rändern der Augenwinkeln Langeweile signalisierte. Eine widerwärtige, gähnende Langeweile, die selbst auf das schön hergerichtete Frühstück gespien hätte. Nur, der Augenblick war zu kurz, um mehr zu sehen, um mehr zu erkennen, damit sich die kurze Wahrnehmung zu einer Erkenntnis hätte bilden können, denn da war schon der Hungerschrei der Babys im Anmarsch und übertönte diesen sanften Augenblick meiner Erleuchtung.
Sie sah mich mitleiderregend an und ich wusste, nein, ich war bereits in der Türe und holte die beiden Bälger herein. Eike, Heike oder Helga, egal welche, sie lächelten mir alle mit der Kraft der Sonne zu und baten mich, schnell zwei Fläschchen für die beiden zu machen. Dabei drückte und knetete sie mit beiden Händen ihre schönen, festen Brüste zusammen und sagte, dass sie etwas Erholung bräuchten.
Ich starrte auf diese beiden Gewölbe, die sich abwechselnd und sanft durch ihr Nachthemd drückten, und verstand, ganz gleich, was sie noch verlangt hätte, ich solle das Meerschweinchen küssen, den Hund pudern, aus dem Fenster springen, mir den Kopf mit einer Axt spalten, ganz gleich, ich hätte es getan, verdammt … ich hätte es getan.
Doch wie es so ist, spielt das Leben eine andere Musik als die, die wir im Ohr hören. Ein schrilles Läuten unserer Haustürglocke riss mich aus meiner nicht enden wollenden Zuneigung zu dieser Frau. Während Heike, Eike oder Helga, egal, sich das letzte Toastbrot mit Marmelade in den Mund reinschob, sprang ich mit den beiden Zwillingen im Arm zur Tür und war erstaunt festzustellen, dass Martin, unser alter Hausfreund und Nachbar, davorstand. Seine Wortwahl von: »Oh, hast wohl gerade alle Hände voll zu tun?« und »Ist deine Frau da?«, brachte mich leicht aus dem Konzept. Weder das eine noch das andere konnte ich erfolgreich verneinen. Und als ich es doch tat, schritt er an mir wortlos vorbei und verschwand in der Küche. Nicht einmal der blöde Hund knurrte und ich, der sonst so lieblich und zuvorkommend war, schaffte es nicht, ihm einen Stuhl anzubieten. Egal, er setzte sich gleich neben Heike, Eike oder Helga hin, umarmte und küsste sie so freundschaftlich, dass selbst der Hund wieder zu knurren begann. Ich stand da mit offenem Mund, die Gschroppen in meinen Armen haltend, und blickte in eine Szene, die an mir nur so vorbeiging.
»Na, Martin«, hörte ich mich sagen. »Das war ja ein bisserl mehr als der übliche Freundschaftskuss, oder?« Kurz darauf explodierte mein Mausiherzi in einem endlos erscheinenden Redeschwall. Und Martin, welcher sonst immer stumm blieb, artikulierte, als wäre er auf einen Schlag zum Pantomime-Meister geworden, welcher ihre lawinenartigen Worte, die kein Ende finden konnten, sagenhaft in Körperbewegungen umwandelte. Ich stand da und konnte es nicht fassen, mein Mausiherzi veränderte sich schlagartig in eine bestialische Furie und der »Koffer« neben ihr verwandelte zu allem Überfluss ihren Wortschwall in die Bewegungen eines Hummelfluges. Der Hund bellte, die Kinder schrien, das Meerschweinchen schiss sich zum dritten Mal an, während Martin zu mir sprang und mir mit seiner netten, hilfsbereiten Art seine Faust zunächst in den Bauch und dann gleich ins Gesicht rammte.
Während ich fiel und geplagt durch Schuldgefühle darüber nachdachte, was ich bloß falsch gemacht hätte, sah ich, wie sie die beiden Babys aus meinen Armen rissen und Eike, Heike oder war es Helga, egal, mir zum Schluss einen saftigen Fußtritt verpasste, welcher die Fallgeschwindigkeit erhöhte, mit der ich kurz darauf auf den von mir frisch geputzten Fliesenboden der Küche aufschlug. Ich verlor langsam das Bewusstsein, und während ich zaghaft nach Erklärungen mein Hirn durchkämmte, sah ich von Weitem her ein kleines Licht. Es kam immer näher und wurde größer, und als es ganz nahe war, spürte ich die Kälte, die sich dort unaufhaltsam bewegte …
Es war ein Tag wie viele davor. Meine Hände und Füße waren von der Kälte verschluckt. Seit heute Morgen waren auch meine Unterarme taub. Ich weiß nicht, wie ich hierhergekommen bin. Es fehlten mir Erinnerungen dazu. Ich wanderte auf schroffen Felsen und vereisten Flüssen und suchte vergeblich einen Anhaltspunkt, welcher mir so weit bekannt vorkam, dass ich wieder den Weg nach Hause finden konnte. Doch vergebens, nichts Bekanntes gab es hier an diesem sonderbaren Ort, wo es einem erschien, dass sogar die Seele einfrieren könne. Meine Gedanken verloren sich mit der Zeit in dieser Kälte, bis zu jenem Tag, wo mich keine Erinnerung mehr weckte. Alles, was die Form von Gedanken hatte, war verflogen, so, als hätte ich keine Vergangenheit mehr, oder nie gelebt. Eine Leere nahm von mir Besitz, die keine Angst auslöste, sondern mir den inneren Druck nahm.
Von weiter Ferne sah ich kleine Lichter aufleuchten, so wie Leuchtkäfer im Hochsommer. Aber, sobald ich mich aufmachte, diese zu finden, verschwanden sie wieder am Horizont und ich verlor mich in den Weiten des Eissturmes.
Schaute man lange genug auf den Horizont hinaus, dann erschienen von Zeit zu Zeit graue Formationen, die sich, wie von Geisterhand bewegt, dort aufhielten. Wenn man diese mit dem Auge fixierte und näher kam, erkannte man, dass es nur schroffe Felsen waren, die durch den Wind und die Schneeverwehungen sonderbare Formen bildeten. Sah man hinauf zum Himmel, dann war man erst recht erstaunt. Es gab keine Sonne und keine Sterne am Himmel und doch war der Tag mit einem grauen Schimmer erleuchtet. Dieses Land besaß keine Schatten. Der graue Lichtschimmer, den ich Sonne nannte und der Eissturm ließen keine entstehen.
Die Nächte waren stockfinster und man musste ein sensorartiges Gespür entwickeln, um in der vollkommenen Dunkelheit weiterzukommen. Eines Tages fand ich hinter einem kleinen Felsvorsprung eine Höhle. Sie war mannshoch und ermöglichte mir, in ihr aufrecht zu stehen. Kaum überschritt ich ihren Eingang, spürte mein Körper den Temperaturunterschied. Der kalte Wind hatte durch die schräge Lage und die sonderbare Formation der Höhle keinen Zugang in diese und während ich, mich immer mehr vor dem kalten Wind schützend, in die Tiefe bewegte, wurde es wärmer.
Ich setzte mich auf einen kleinen Felsen, den ich an einer Felswand erkannte, und versuchte, mich dabei durch Dehnungen des Körpers der restlichen Kälte in mir zu entledigen. Langsam kehrte wieder Wärme in meine Knochen zurück und ich begann, durch diesen Umstand motiviert, die Höhle zu erkunden. Draußen verteilte der Wind über die Landschaft Schnee und Eis. Ich begann mit dem Abstieg, begleitet vom Pfeifen des Sturmes.
Vorsichtig setzte ich einen Schritt vor den anderen. Aus dem Inneren der Höhle, so wie von weit her, drang ein leiser, kaum hörbarer Ton zu mir. So, als hätte man Ohrensausen, nur, das Geräusch kam von außen und es war um eine Nuance leiser als mein eigener Atem. Ich entdeckte ihn nur deshalb, weil ich mich in einem Moment über einen Felsen heben musste und dabei den Atem anhielt. Ich verharrte in der Bewegung und überlegte kurz, was meine nächsten Schritte sein sollten. Wage ich den tieferen Gang in die Höhle oder gehe ich wieder zurück in die Kälte? Entweder eines Tages da draußen erfrieren oder dem sonderbaren Ton, welcher auch Gefahr bedeuten könnte, in die Tiefe folgen. Ich entschied mich für die Höhle, da ich von der Kälte genug hatte, und trat den weiteren Abstieg an.
Langsam verschwand das graue Leuchten hinter mir, welches mir den Ausgang der Höhle anzeigte, und es wurde mit jedem Schritt immer dunkler, bis es in einem Augenblick vollkommen stockfinster um mich herum wurde. Ich tapste und hantelte mich weiter in diesem dunklen Raum voran und viele Male verletzte ich mich an Steinen und Ästen, die da herumlagen. Manchmal stolperte ich an den Bodenerhebungen oder lief direkt gegen Felsen, die mir, wie wenn sie ein Eigenleben entwickelt hätten, meinen Weg in die Dunkelheit säumten. Dabei war es völlig egal, ob ich meine Augen weit aufriss oder sie schloss, die Finsternis, die sich in dieser Höhle ergoss, glich einer undurchdringlichen schwarzen Masse.
Unendlich lang erschien mir der Abstieg, so, als fände dieser Erdenschlund kein Ende. In einem Moment, während ich wieder kurz die Augen öffnete, sah ich ein blass orangenes und kaum wahrnehmbares Licht aus der Ferne. Zum ersten Mal nach dem Abstieg in dieser schwarzen Höhle kam mir ein zartes Licht entgegen. Erkennbar an den Kanten der Felsen und Wänden der Höhle, die wie sanfte Linien das Licht aus der Ferne spiegelten.
Mit jedem Schritt wurde das Licht heller und stärker, sodass ich langsam Konturen in der Höhle erkennen konnte. Schemenhaft erkannte ich, dass da vor mir eine große Biegung war und dass das Licht hinter dieser stärker sein musste. Der Teil, wo ich mich herausbewegte, war eingehüllt in Dunkelheit und doch drang das sanfte Licht zu meinem Gesicht und erhellte den Raum vor mir. Meine Augen füllten sich mit diesem Licht und ermöglichten mir gleichzeitig, das Umfeld um mich herum zu sehen.