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Ein abgelegener Bauernhof betreibt einen zwielichtigen Handel mit Neufundländer-Welpen, was vielen Eifelanern ein Dorn im Auge ist. Immer wieder kommt es vor dem Hof zu lautstarken Protesten, die zunehmend außer Kontrolle geraten. Die tierliebe Tilla will sich selbst von den anscheinend katastrophalen Zuständen überzeugen. Gemeinsam mit ihrer Mutter gibt sie vor, einen Welpen kaufen zu wollen. Doch als sie zum verabredeten Termin eintreffen, finden sie den Züchter tot vor. Schnell stellt sich heraus: Er wurde ermordet. Verdächtige gibt es genug: Eine militante Tierschützerin, erboste Anwohner und auch einige Kunden hatten einen Groll gegen den Mann ...
Über die Serie:
Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und ... Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab - und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein abgelegener Bauernhof betreibt einen zwielichtigen Handel mit Neufundländer-Welpen, was vielen Eifelanern ein Dorn im Auge ist. Immer wieder kommt es vor dem Hof zu lautstarken Protesten, die zunehmend außer Kontrolle geraten. Die tierliebe Tilla will sich selbst von den anscheinend katastrophalen Zuständen überzeugen. Gemeinsam mit ihrer Mutter gibt sie vor, einen Welpen kaufen zu wollen. Doch als sie zum verabredeten Termin eintreffen, finden sie den Züchter tot vor. Schnell stellt sich heraus: Er wurde ermordet. Verdächtige gibt es genug: Eine militante Tierschützerin, erboste Anwohner und auch einige Kunden hatten einen Groll gegen den Mann …
Tilla liebt ihr Leben in einer restaurierten Wassermühle in der idyllischen Eifel. Ihr ganzer Stolz ist der liebevoll aufbereitete Oldtimer-Kastenwagen, mit dem sie als fahrendem Krämerladen die Eifeler Kundschaft mit allem Möglichen und Unmöglichen versorgt. Dabei kriegt die Mittdreißigerin eine Menge mit: Gerüchte, Geheimnisse und … Morde! Und auch sonst ist ihr Leben alles andere als ruhig: Romantische Avancen, ihre chaotische Mutter und allerlei alltägliche Katastrophen halten Tilla auf Trab – und doch würde sie ihr Eifelglück um nichts in der Welt tauschen.
Fellnasen in Gefahr
»Ist das nicht ein herrlicher Morgen?« In einer überschwänglichen Geste breitete Renate die Arme aus, als wollte sie den gesamten Marktplatz umarmen. Dabei wedelte sie Tilla mit dem Trompetenärmel ihrer Tunika direkt vor dem Gesicht herum.
»Lass das!« Diese versuchte, der Stoffattacke zu entkommen, was in der Enge des Transporters ein Ding der Unmöglichkeit war. »Und überhaupt«, beschwerte Tilla sich weiter. »Das ganze Zeug hier drinnen raubt mir glatt den Atem. Den Geruch von Lavendel, Kamille und Ringelblumen bekomme ich nie wieder aus meinem Wagen.« Sie rümpfte die Nase. »Und dieses Parfüm, das du trägst, was ist das?«
»Selbst angemischt«, sagte Renate, ohne das überschwängliche Grinsen zu vernachlässigen. »Als Hauptbestandteil Yasmin.« Sie drehte ihr den Kopf zu und zwinkerte sie vielsagend an. »Joos liebt diesen Duft an mir. Er wird davon immer ganz wusch…«
»Renate!«
Mutter grinste noch mehr.
Tilla verdrehte die Augen, brummte und zählte innerlich bis zehn. Weil sie damit noch immer nicht die gewünschte innere Ruhe erreichte, zählte sie einfach weiter. Eigentlich wollte sie nicht genervt, schon gar nicht schlecht gelaunt sein. Dafür war der Morgen wirklich viel zu schön, nämlich genau so, wie man sich ein Sommerwochenende vorstellte. Und auch der Ausblick, der sich vom Verkaufstresen ihres alten Citroën HY aus bot, wusste zu gefallen. Der gesamte Marktplatz war gefüllt mit Besuchern, die durch die Gassen der Stände schlenderten und aufmerksam die Waren betrachteten. Der erste Elzbacher Eifelmarkt war ein voller Erfolg.
Überall wuselten Menschen umher, plauderten und lachten. Weiter vorne bot ein Metzger seine Würste an, die auf einem riesigen Schwenkgrill brutzelten und mit ihrem rauchigen Aroma nicht nur die hungrigen Marktbesucher anzogen.
Gleich nebenan hatte ein Imker seinen Stand aufgebaut, und schräg gegenüber bot eine Bäuerin Proben ihres selbst gemachten Ziegenkäses an. Ein paar Meter weiter hatte die Blumenhändlerin Lilly ihren Stand errichtet und war gerade dabei, einen kunterbunten Strauß zu arrangieren.
Tilla wischte sich eine Haarsträhne aus der verschwitzten Stirn. Okay, das Wetter war zwar schön, aber die angestaute Wärme in ihrem Transporter machte ihr trotz offen stehender Luke zu schaffen. Sie trug eine Leinenbluse, die bereits an ihrem Rücken klebte, und einen bequemen Petticoat-Rock, der zumindest ihre Bewegungsfreiheit nicht einschränkte. Das jedoch schaffte Renate, die neben ihr stand und gerade die nächste Kundin mit einem strahlenden Lächeln begrüßte, indem sie ihr eine Dose der selbst gemachten Ringelblumensalbe in die Hand drückte.
»Diese Creme ist einfach wunderbar«, schwärmte Renate und erklärte der Frau vor der Theke, wie man die Salbe am besten auftrug. »Meine eigene Rezeptur. Nur natürliche Zutaten, alles frisch aus meinem Garten. Sie werden sehen, Ihre Haut wird sich anfühlen wie die eines Neugeborenen.«
Tilla presste die Lippen zusammen. Sie hatte diesen Satz heute schon mindestens zehnmal gehört, und jedes Mal klang er genauso enthusiastisch und überzeugend wie beim ersten Mal. Und das wiederum spannte ihre Nerven dramatisch. Renate hatte einfach dieses Talent, die Menschen mit ihrer Art einzuwickeln. Ob es nun die Kräuteröle, Seifen oder Salben waren – die Leute kauften ihr alles ab. Als wäre ihre Mutter ein zum Leben erwachter Magnet, der die Käufer anzog. Ihre Verkaufszahlen sprachen für sich – und das, obwohl der Eifelmarkt gerade erst seit zwei Stunden eröffnet war. Tilla hätte es wissen müssen. Nahm ihre Mutter etwas in die Hand, war es von Erfolg gekrönt. Und natürlich stellte Renate sie auch mit ihrem Verkaufstalent in den Schatten.
Sie trat ein Stück zur Seite, um die Bühne für Renate frei zu machen. Brummend verschränkte sie die Arme und ließ ihre Augen einmal mehr über den Marktplatz schweifen. Hier und da entdeckte sie bekannte Gesichter – Leute aus dem Dorf, mit denen sie täglich zu tun hatte. Trafen sich ihre Blicke, wurde freundlich genickt. Erkannten sie Renate, stürmten sie auf den Transporter zu und verwickelten sie in eine Plauderei. So war ihre Mutter eben. Irgendetwas hatte sie an sich, mit dem sie die Herzen der Menschen im Sturm eroberte. Tilla rümpfte wieder die Nase, als Renate wild zu winken begann, um Frau Adenbach aus der Yoga-Runde zu grüßen, die am Transporter vorbeischlenderte. Obwohl Tilla sich bemühte, sich unbedarft zu geben, konnte sie nicht umhin, sich ein wenig ausgeschlossen zu fühlen. Weil ihre Mutter einmal mehr im Mittelpunkt stand. Und eben auch, weil es sich heute nicht um ihr Gemüse drehte, sondern ausschließlich um Renates Pflegeprodukte.
»Tilla, Schätzchen, kannst du mir bitte noch ein paar von den Lavendelbädern aus dem Karton suchen? Die Leute reißen sie mir regelrecht aus den Händen«, rief Renate über die Schulter, während sie sich umdrehte, um eine neue Kundin zu begrüßen. Tilla nickte brummend, ging in die Hocke und wühlte sich durch die Kartons, die sie heute Morgen in aller Herrgottsfrühe gemeinsam mit Joos in den Transporter geladen hatte, weil ihre Mutter sich noch zurechtmachen musste.
Es war schon ironisch: Heute war sie nicht die Gemüsehändlerin, die die Bewohner der Altenheime in der Gegend nicht nur mit frischen Vitaminen, sondern auch allen möglichen anderen notwendigen und das Leben verschönernden Dingen belieferte, sondern einfach nur die Assistentin ihrer Mutter. Innerlich fluchte sie. Sie hätte doch wissen müssen, worauf sie sich da eingelassen hatte. Als sie wieder auftauchte, hatte sich eine stattliche Schlange vor ihrem Transporter gebildet.
»Ich glaube, du musst mir helfen, Tilla. Allein dauert das alles viel zu lange.« Renate drückte ihr ein paar Creme-Dosen in die Hände. »Die Dame mit der gelben Rüschen-Bluse möchte die Ringelblumensalbe«, sagte sie. »Die junge Dame mit dem lachsfarbenen T-Shirt die Kamille-Lotion, und …«
Das Aufheulen von Polizeisirenen zerschnitt Renates Worte. Sämtliche Blicke fuhren herum in Richtung Hauptstraße, wo erst ein Streifenwagen in rasantem Tempo vorbeirauschte und direkt darauf ein zweiter mit blinkendem Blaulicht folgte.
»Nanu«, wunderte sich die junge Frau im lachsfarbenen Shirt lautstark. »Ist etwa wieder ein Tiger entflohen?« Niemand stimmte in ihr Lachen ein, vermutlich, weil die Erinnerungen an dieses tatsächliche geschehene Ereignis bei den meisten Bewohnern des Ortes noch zu frisch waren.
Tilla sah den beiden Polizeiwagen stirnrunzelnd hinterher.
»Ob etwas passiert ist?«, fragte Renate ausgerechnet sie. Und dabei sah sie ihre Tochter fast schon vorwurfsvoll an.
»Himmel, ich vermute, dass sie die Festbeleuchtung nicht zum Spaß eingeschaltet haben, aber woher soll ich das denn wissen?«, fragte Tilla säuerlich zurück.
»Na, weil du doch so gut mit diesem Ben kannst«, hörte sie Frau Adenbach, die sich in die Schlange eingereiht hatte.
»Ja, äh, schon«, stammelte Tilla vollkommen perplex. »Aber das heißt doch noch lange nicht, dass …«
»Und wenn du ihn mal anrufst?«, schlug Renate vor.
Tilla starrte sie an. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass die Kundschaft vor der Theke in entschiedener Zustimmung nickte.
»Wäre ja schon gut zu wissen, was da los ist«, befand das Lachs-Shirt. »Man ist ja schließlich besorgt.« Damit erntete sie noch mehr Nicken.
»Hm. Ich bin mir sicher, er hat jetzt Besseres zu tun, als mit mir zu telefonieren, aber schön.« Schnaufend zückte Tilla ihr Smartphone und scrollte sich durch ihre Kontakte zu Ben.
Es tutete in der Leitung, und Tilla hörte das zischende Flüstern ihrer Mutter. »Lautsprecher!«
Also drückte Tilla die Lautsprechertaste und bemerkte aus dem Augenwinkel, wie die Spannung um sie herum wuchs. Die Schlange vor der Verkaufsluke rückte näher zusammen, und das Gemurmel verstummte, als hätte jemand den Ton heruntergedreht.
»Tilla?« Bens Stimme wurde übertönt von einer Sirene, die auch an diesem Ende der Leitung laut und deutlich zu hören war. »Du, gerade ist es wirklich schlecht, ich …«
»Er soll die Sirene ausmachen!«, rief Renate dazwischen. »Man versteht ja kein Wort!«
»War das deine Mutter?!«, fragte Ben irritiert. »Bin ich auf Lautsprecher?«
Die Sirene verstummte.
»Wir haben gesehen, wie du und Sabine mit Blaulicht durch das Dorf gerast seid, und man hat mich genötigt, dich anzurufen«, sagte Tilla und verdrehte die Augen. »Was ist los?«
»Was los ist?« Ben schnaubte, und Tilla konnte sich vorstellen, wie er dabei das Lenkrad fest umklammerte. »Eine Menge ist los! ›Lass dich in die Eifel versetzen‹, haben sie gesagt. ›Da geht es ruhig zu, da kannst du dich vom Großstadtstress erholen.‹ Pah! Von wegen!«
Ein belustigtes Raunen ging durch die Menge, doch alle lauschten gespannt weiter.
»Wer hat denn da gelacht?«, fragte Ben verwundert. Da er keine Antwort erhielt, sprach er weiter. »Wir haben einen Doppeleinsatz. So etwas passiert zwar selten, kommt aber hin und wieder vor. Sabrina muss zur Neufundland-Ranch, dort läuft eine Demonstration aus dem Ruder, und sie muss die Gemüter beschwichtigen.«
Ben holte tief Luft und fuhr dann fort, ehe Tilla nachfragen konnte: »Tja, und ich – ich wurde nach Bischofswald beordert, um einen Einbruch aufzunehmen. Es ist alles ziemlich … nun … schräg«, erklärte er weiter, nachdem er einen Moment geschwiegen hatte. »Seit einiger Zeit häufen sich die Einbrüche in umliegenden Heimatmuseen.« Er stieß ein Schnauben aus, das einem Lachen nahekam. »Wer um Himmels willen bestiehlt Heimatmuseen?«
Auch darauf wusste Tilla nichts zu erwidern.
»Gut, ich muss weiter. Melde mich heute Abend, okay? Ciao! Ach, und Tilla?«
»Ja?«
»Richte Renate doch bitte liebe Grüße von mir aus.«
Prompt war die Verbindung unterbrochen. Tilla hielt noch immer den Hörer in der Hand und versuchte, aus den Informationen schlau zu werden, die sie gerade bekommen hatte.
»Also kein Tiger«, sagte die Frau im Lachs-Shirt, nunmehr mit einem etwas verhaltenen Lächeln. »Welch ein Glück.«
»Die Neufundländer-Ranch also.« Frau Adenbach schürzte die Lippen. »Das wundert mich nicht, dass dort demonstriert wird. Die Zustände sind unhaltbar. Was ich darüber schon alles gehört habe.«
Tilla wühlte in ihren Erinnerungen. Sollte ihr diese Ranch etwas sagen? Anscheinend sah sie so verwirrt aus, dass die Frau in der gelben Bluse sie regelrecht anstarrte und erklärte: »Die Ranch ist ein alter Bauernhof, außerhalb des Dorfes. Der Besitzer hat sich der Zucht von Neufundländern verschrieben. Sie wissen schon, diese riesigen treuherzigen Tiere.«
Tilla nickte langsam und rief sich in Gedanken ein Bild der Hunde hervor. Diese großen Tiere mit dem dichten schwarzen Fell und den treuen Augen hatte sie immer gemocht. Wieder schoben sich ihre Brauen zusammen. »Aber warum sollte es ausgerechnet dort Demonstrationen geben?«
Frau Adenbach schaute drein, als könne sie Tillas Unwissenheit kaum fassen. »Es geht um die Bedingungen, unter denen die Hunde dort gehalten werden. Ich habe gehört, dass die Tiere in Zwingern leben, die noch dazu viel zu klein sind, kaum Auslauf oder gar Familienanschluss haben und dass die Hygiene katastrophal sein soll. Einige Leute behaupten sogar, dass es den Hunden gesundheitlich schlecht geht und sich niemand kümmert. Daher die Demonstrationen. Tierfreunde aus der ganzen Region haben sich zusammengeschlossen, um gegen die Zustände dort zu protestieren.«
»Außerdem wurde der Besitzer vor einer Weile dabei beobachtet«, fügte die Frau im gelben Hemd hinzu, »dass er seine Welpen auf einem Flohmarkt angeboten hat. Das war sogar ein großes Thema in den Lokalzeitungen.«
»Auf einem Flohmarkt?«, wiederholte Renate schrill. »Das geht ja gar nicht. Die armen Hunde!«
»Eben«, befand Frau Adenbach. »Recht so, dass sie dort demonstrieren.«
Dem schloss sich auch die Frau mit dem lachsfarbenen Shirt an. »Hoffentlich legen sie ihm bald das Handwerk, damit das Elend endlich ein Ende hat.«
Frau Adenbach reckte Tilla ihr kantiges Kinn entgegen. »Dein Ben sollte ihn verhaften!«
»Er ist nicht mein Ben!«, entgegnete sie im Affekt. »Also … nicht so richtig zumindest.«
Plötzlich waren alle Augen vor der Theke auf sie gerichtet, sahen sie erwartungsfroh an.
»Nicht?«, hakte Frau Adenbach nach, und Tilla sah es ihrer Nasenspitze an, dass sie hier neues Material für ihre Dorfklatsch-Runden vermutete. Es war ein offenes Geheimnis, dass Tilla und Ben sich mochten, etwas füreinander empfanden. Vermutlich sogar mehr als nur etwas. Nun aber lebte er mit einer anderen Frau zusammen. Mit seiner Oma zwar. Aber trotzdem. Seufzend winkte Tilla ab.
»Ach, es ist kompliziert.«
Als Ben aus dem Wagen stieg, wurde er bereits belagert von einer Frau und zwei Männern älteren Semesters, die allesamt auf ihn einredeten. Und das schnell und gleichzeitig.
»Wir haben den Einbruch eben erst bemerkt«, offenbarte ihm einer der Männer, hochgewachsen, mit Vollbart und Halbglatze, in theatralischer Gestik, in der er seine Hände in eine bestimmte Richtung warf, wo sich vermutlich der Seiteneingang des Heimatmuseums befand.
»Aber eingebrochen wurde schon viel früher«, entgegnete die neben ihm stehende Frau, die eine frappierende Ähnlichkeit mit dem Mann hatte – nur eben ohne Halbglatze und Vollbart, aber die freundlichen Gesichtszüge mit den etwas zu lang geratenen Nasen ließen darauf schließen, dass es Geschwister waren.
»Ich bin es, der Sie angerufen hat«, sagte der Mann, der sich direkt vor Ben aufbaute und erst mit mahnendem Blick seine Armbanduhr fixierte und dann Ben. »Vor einer halben Stunde!«, warf er vorwurfsvoll hinterher. Er hatte rötliches Haar, und ebenso rote Bartstoppeln standen in seinem Gesicht, dessen Wangen mit hellen Sommersprossen übersät waren. Ben konnte sich nicht helfen, aber irgendwie kam ihm dieser Mann bekannt vor. Er bekam ihn nur nicht eingeordnet.
»Nun ja.« Ben kratzte sich ein wenig verlegen am Nacken, weil er vollkommen überrumpelt wurde. »Elzbach ist nicht gerade um die Ecke, und die Zustände der Straßen hier …«
Die Sommersprosse wedelte nervös mit dem Arm herum, an dem die klobige Uhr hing. »Ist ja auch egal. Jetzt sind Sie da. Also … folgen Sie mir!«
Ben blieb stehen. Denn ihm gefiel der Befehlston nicht, den der Mann ihm gegenüber an den Tag legte. Als dieser Bens Zögern bemerkte, blieb er ebenfalls erneut stehen und wandte sich zu ihm um. »Ich bin übrigens der Ortsvorsteher von Bischofswald.«
Hinter Bens Stirn machte es laut klick. Eben erst war er an den Wahlplakaten vorbeigefahren, die das Konterfei genau dieses Mannes zeigten.
»Sie sind Bodo Hübner«, sagte er im Affekt, woraufhin der Ortsvorsteher ein klein wenig die nicht vorhandene Brust anhob und recht stolz wirkte. »Ganz recht.«
Nun stellten sich auch die anderen des Gespanns vor. Beate und Holger Ramsau waren entweder tatsächlich Geschwister oder verheiratet, auf jeden Fall betrieben sie das Heimatmuseum von Bischofswald und wohnten gemeinsam direkt über dem Museum. Dass sie dennoch nichts von dem Einbruch mitbekommen hatten, lag daran, dass Holger unter Schlafapnoe litt und deshalb in jeder Nacht ein lärmendes Atemgerät angelegt hatte, was wiederum Beate dazu veranlasste, keine Nacht ohne Ohrenstöpsel hinter sich zu bringen. Ben liebte es, in seinem Job immer wieder mit diesen kleinen, menschlichen Dramen konfrontiert zu werden.
»Wenn mein Mann schläft«, sagte Beate und lieferte Ben damit sogleich die Antwort über deren Familienstand, »dann bekäme ihn nicht mal eine Elefantenherde wach, wenn sie durch unser Schlafzimmer poltern würde.«
Ihr Mann nickte zustimmend.
»Soso.« Ben griff nach seinem Notizblock, klappte ihn auf und schrieb das Wort Elefantenherde drauf. Nicht, dass es ihn ermittlungstechnisch irgendwie weiterbringen würde, aber die Erfahrung hatte ihm gezeigt, dass es äußerst dienlich war, absurde Begriffe aufzuschreiben, um seinen Kopf für die wichtigen Dinge freizubekommen.
»Und wenn ich meine Ohrenstöpsel drinnen habe«, sprach Frau Ramsau weiter, bekomme ich auch gar nichts mehr mit.«
»Es wurde also in der vergangenen Nacht eingebrochen«, lenkte Ben das Gespräch zurück auf den eigentlichen Grund seines Besuchs. »Im Heimatmuseum von Bischofswald.«
Seine drei Gesprächspartner nickten synchron, als hätten sie das schon unzählige Male bestätigt. Ben schüttelte leicht den Kopf und kratzte sich nachdenklich mit dem Kugelschreiber am Ohrläppchen. Das Ganze ergab für ihn einfach keinen Sinn. Er nahm die Atmosphäre der unspektakulären Dorfstraße in sich auf. Links und rechts von ihm erstreckte sich das typische Dorfbild: ein Bäcker, ein verblasster Kaugummiautomat und ein Zebrastreifen, der so abgenutzt war, dass er fast mit dem Asphalt verschmolz. Nicht mal die paar Tauben auf dem Gehweg schienen sich für ihn zu interessieren.
Nur der Bankautomat der Raiffeisenbank stach ins Auge. Ungewöhnlich, dachte Ben, wo solche Automaten in kleinen Orten doch immer seltener wurden. Bis vor einer halben Stunde hatte er nicht mal gewusst, dass dieses verschlafene Dorf, etwa fünfzehn Kilometer von Elzbach entfernt, überhaupt existierte. Mit seinen vielleicht zweihundert Einwohnern war es klein, reizlos, fast schon vergessen. Und genau das machte den Einbruch umso seltsamer.
Bodo Hübner deutete mit einem Nicken auf das Heimatmuseum. »Kommen Sie mit, wir zeigen Ihnen, was wir meinen.«
Während sie auf das unscheinbare Gebäude zugingen, das eher einem alten Bauernhaus als einem Museum glich, versuchte Ben, seinen Fokus zu schärfen. Die erste Begehung eines Tatorts war entscheidend. Jeder Eindruck, jedes noch so kleine Detail konnte wichtig sein.
Sie betraten das Museum durch eine schwere Holztür. Ben blieb kurz stehen und atmete tief durch. Der Geruch von Staub und altem Holz hing in der Luft, vermischt mit dem faden Duft von Antiquitäten.
Wohl eher Gerümpel, verbesserte er seinen ersten Gedanken.
Der Raum schien eine alte Scheune zu sein. Die Wände waren vollgestellt mit Vitrinen und Regalen, die verschiedene Ausstellungsstücke beherbergten – alte bäuerliche Werkzeuge, Haushaltsgeräte und historische Fotografien aus der Region. Nichts schien auf den ersten Blick ungewöhnlich und in irgendeiner Weise so bedeutend, dass es einen Einbruch rechtfertigte.