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Der Jeremiah-Stollen der Moulton Mine lag in düsterem Halbdunkel. Er führte mit leichtem Gefälle in die Tiefe und traf nach knapp hundert Fuß auf den kleineren Sweet-Mary-Stollen. Der kahlköpfige Kanadier hätte keinen geeigneteren Ort finden können. Er füllte die Trommel seines 44er Pettengill-Revolvers und richtete die Waffe auf den Gefangenen. Die Augen des Gefesselten weiteten sich. "Gnade... Zeigen Sie Gnade!", flehte Rick Willow mit brüchiger Stimme. "Ich... ich kann nicht tun, was Sie verlangen." Der Glatzköpfige spannte den Finger um den Abzug. "Gnade ist eine Sache Gottes", sagte er. "Aber nicht meine."
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Lassiter und der Kupferkönig
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-5826-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Lassiter und der Kupferkönig
Der Jeremiah-Stollen der Moulton Mine lag in düsterem Halbdunkel. Er führte mit leichtem Gefälle in die Tiefe und traf nach knapp hundert Fuß auf den kleineren Sweet-Mary-Stollen.
Der kahlköpfige Kanadier hätte keinen geeigneteren Ort finden können. Er füllte die Trommel seines .44er Pettengill-Revolvers und richtete die Waffe auf den Gefangenen.
Die Augen des Gefesselten weiteten sich. »Gnade … Zeigen Sie Gnade!«, flehte Rick Willow mit brüchiger Stimme. »Ich … ich kann nicht tun, was Sie verlangen.«
Der Glatzköpfige spannte den Finger um den Abzug. »Gnade ist eine Sache Gottes«, sagte er. »Aber nicht meine.«
Über die glänzende Stirn von Rick Willow rann ein einzelner Schweißtropfen. Er suchte sich einen Weg von der Nasenwurzel zu den bebenden Lippen des Vorarbeiters und blieb als kristallene Kugel in dessen Kinnbart hängen.
»Was ist nun?«, ertönte die raue Stimme des Kanadiers. »Kann ich auf dich zählen oder nicht?«
Willow befeuchtete sich mit der Zunge den trockenen Mund und schloss die Augen. Er sah die vertrauten Hügelketten seiner Heimat Maryland vor sich aufsteigen, die Gegend um Boonsboro, die im Herbst goldgelb vom Ahorn leuchtete und nach trockenem Gras roch. Das Haus seines Vaters hatte am Rugged Creek gestanden und war mit seinem roten Anstrich selbst vom Ufer des fünf Meilen entfernten Solomon Lake aus zu sehen gewesen.
»Kopf oder Zahl, Rick?«, riss ihn der Kanadier aus seinen Tagträumen. »Brauchst nicht einmal ’ne Münze dafür.«
Der Vorarbeiter riss die Augen auf und starrte in die Mündung des Pettengill-Revolvers, die vor seinem Gesicht auf und ab tanzte. Willow kannte die Vorliebe des Kanadiers, sich mit viel Bohei zum Großmaul der Nation aufzuspielen. Der Kahlköpfige war für seine bissigen Sprüche berüchtigt, mit denen er jeden piesackte, der ihm über dem Weg lief. Als rechte Hand von William Andrews Clark, dem Besitzer der Moulton Mine, der Gambetta, der Mountain Chief, der Original und der Colusa hatte er in Butte nichts zu befürchten. Jede Woche zog er pöbelnd und mit locker sitzendem Colt durch die Saloons, bis man ihm eine Abreibung verpasste und ihn auf die Straße jagte.
»Seien … seien Sie vernünftig!«, stotterte Willow und blinzelte zu dem Kanadier empor. »Es gibt gewiss einen anderen Ausweg –«
»Nur durch die Hölle, Freundchen!«, schnitt ihm der Kahlköpfige grinsend das Wort ab. »Aus dir mach ich mir ’nen hübschen Patronensack.«
In Willow stieg Todesangst auf. »Denken Sie an die anderen Männer in der Mine … Sie werden draufgehen, wenn wir das Staubrett öffnen.« Er blickte auf die nassglänzende Felswand hinter dem Kanadier. »Die Männer müssen heraus, bevor das Wasser in den Stollen schießt.«
»Was du nicht sagst!«, zischte der Glatzköpfige und trat mit dem Revolver in der Hand einen Schritt zurück. Er hielt die Finger an den nassen Felsen, benetzte sie und spritzte Willow einige Tropfen ins Gesicht. »Der Befehl kommt von William A. Clark persönlich, Schwachkopf!«
Der Name des angesehenen Minenbesitzers löste lähmende Beklommenheit in Willow aus. Kein Handel im Jefferson County kam zustande, ohne dass der klein gewachsene Mann mit den schottisch-irischen Wurzeln seine Einwilligung erteilt hätte. Clark hatte ein Vermögen damit gemacht, sich die Claims enttäuschter Glücksritter unter den Nagel zu reißen und bis auf das letzte Silberkorn auszubeuten. Er hatte sich die einzige Erzmühle in Butte gesichert und sein Silber zu niedrigeren Frachtkosten nach Utah und Colorado gebracht als seine Rivalen. An Clarks Ruhm hatte zuletzt nur der Erfolg eines geschickten Kaliforniers namens Marcus Daly gekratzt, der ebenfalls ins Minengeschäft von Montana eingestiegen war.
Doch Willow mochte sich nicht vorstellen, dass der teuflische Plan des Kanadiers mit dieser Sache zusammenhing. Selbst ein Mann vom Schlage eines William A. Clark musste wissen, dass er keine unschuldigen Leben opfern durfte.
»Mr. Clark würde einen solchen Befehl nie erteilen«, protestierte der Willow. »Er ist der Wohltäter von Butte und zu derlei Gräueln nicht imstande. Sie lügen mir geradewegs ins Gesicht.«
»Sieht das Schießeisen wie ’ne Lüge aus?«, knurrte der Kanadier. Er deutete mit dem Kinn auf den.44er Pettengill. »Darfst dir gern ’ne Kostprobe abholen!«
Willow begriff, dass seine Lage aussichtslos war.
Er würde den Glatzköpfigen nicht davon überzeugen können, dass den Männern in der Mine der sichere Tod drohte. Gute hundert Fuß unter ihnen schlugen sie mit schweißglänzenden Oberkörpern das Kupfererz aus dem Fels. Sie würden binnen weniger Minuten im eiskalten Grubenwasser ertrinken, stand erst das obere Staubrett offen.
»Diese Männer … Ich kenne jeden Einzelnen von ihnen«, flehte Willow. »Da ist Josh … ein baumlanger Kerl mit Brauen wie Seetang. Er hat vor kurzem ’ne kleine Tochter bekommen. Oder Winnie, der kleine Dicke mit den Schmalzlocken. Er hat letztens ’nem Freund aus der Patsche geholfen, als der klamm war. Und Greg … der Kerl mit den Strohhaaren. Er hat ein Mädchen drüben in Deer Lodge. Schreibt jeden Tag schwülstige Briefe und fährt am Wochenende zu ihr rüber. Diese Himmelhunde … sie haben’s nicht verdient, auf diese Art zu sterben.«
»Seh’ ich aus wie’n gottverfluchter Heiliger?«, zischte der Glatzkopf zurück. »Ich bin nicht in nach Butte gekommen, um ein Wohlfahrtsheim zu gründen. Clark will, dass der Stollen vor Mitternacht unter Wasser steht.« Er schwenkte den Colt in der Hand. »Sei auf meiner Seite oder fahr mit den anderen zur Hölle, Rick!«
Der Vorarbeiter senkte den Blick und starrte auf den nackten Fels unter seinen Stiefeln. Er hätte den Kanadier aufhalten müssen, als er die Gelegenheit dazu hatte. Stattdessen hatte er sich von den Worten des Glatzköpfigen blenden und am Schluss überrumpeln lassen. Er hatte sich in eine ausweglose Lage gebracht, aus der ihn höchstens ein Wunder erlösen konnte.
Doch auf ein Wunder durfte Willow nicht warten.
»Meinetwegen«, flüsterte er, tonlos vor Scham. »Mach mich los. Ich öffne das Staubrett.«
Der Kanadier grinste und zog das Messer aus dem Gürtel. Er packte Willow am Kragen, zerrte ihn nach vorn und schnitt ihm die Fesseln los. »Clark soll denken, dass du bei der Flutung Mist gebaut hast. Also verwisch die Spuren ordentlich.«
Willow stand auf und blickte in die Schwärze des Stollens hinunter. Er fühlte sich miserabel. »Das Staubrett ist mit ’nem Bolzen festgemacht. Hilf mir, das Ding loszubekommen.« Er blickte den Glatzköpfigen an. »Zweihundert Dollar dafür, dass ich den Mund halte. Gott erbarme sich dieser armen Seelen.«
In den Augen des Kanadiers glühte erwartungsvolle Erregung. »Abgemacht, Ricky. Und jetzt mach dich an die Arbeit.«
***
Butte, Montana, zehn Jahre später
Der Mann, der mit einem Whiskeyglas in der Hand lässig an der Bar lehnte, hatte kein einziges Wort gesprochen. Er verfolgte mit aufmerksamem Blick das Kommen und Gehen der Gäste im Centennial Hotel, zündete sich einen Zigarillo an und blies genüsslich den Rauch in die Luft.
Nach einiger Zeit winkte er den Barkeeper heran.
»Einen nehm’ ich noch«, sagte Lassiter und leerte das Glas bis auf den Grund. »Ist der Beste, den ich seit langem hatte.«
»Ist ’n guter Old Crow«, erwiderte der Mann hinter dem Tresen und griff galant nach der Whiskeyflasche. Er hatte ein schmal geschnittenes Gesicht, in das ein verschmitztes Lächeln eingebrannt war. »Der alte J. W. Beal weiß, was er Gästen aus der Ferne vorsetzen muss.«
Lassiter lüftete erstaunt eine Braue. Er hatte niemandem in der Stadt erzählt, woher er kam. »Aus der Ferne? Wie kommen Sie darauf?«
»Sie tragen keine Minenkluft«, erwiderte der Barkeeper lakonisch. Die dünnen Lachfältchen um seine Augen wurden zahlreicher. »Nach einer Weile im Centennial kann man Einheimische und Fremde auseinanderhalten.«
Das Telegramm aus Washington, das Lassiter in Salt Lake City erhalten hatte, war einsilbig geblieben, was den Auftrag für den Mann der Brigade Sieben betraf. Man hatte ihm lediglich einen Mittelsmann in Butte, Montana, genannt, um Eile gebeten und darauf verwiesen, dass höchste Regierungskreise eingeweiht waren.
»Erwarten Sie jemanden?«, fragte der Barkeeper und deutete auf Lassiters trommelnde Hand. Er füllte das Glas auf und schob es über den Tresen. »Oder suchen Sie Gesellschaft? Das Bordell von Henry Deveraux hat Augenweiden aus Deer Lodge bekommen.«
»Später gern«, brummte Lassiter und trank das Whiskeyglas leer. Nach dem mormonischen Salt Lake City konnte er frivole Abwechslung gut gebrauchen. »Ich suche nach Howard Minshall.«
»Der Anwalt?«, fragte der Barkeeper. »Ist ’n anständiger Kerl. Er sitzt seit einer halben Stunde dort drüben.« Er zeigte auf einen Ecktisch, an dem ein hagerer Mann mit Nickelbrille und gestutzten Koteletten saß. »Ich hätte ihn herübergewunken, hätten Sie’s eher gesagt.«
»Nicht nötig«, sagte Lassiter und stand auf. Er warf zwei Vierteldollar auf den Tresen, richtete das Holster unter der Jacke und ging langsam auf den Tisch des Mittelsmannes zu. Der Hagere hob den Kopf und beäugte den Fremden misstrauisch.
»Wollen Sie zu mir?«, fragte Minshall. »Ich bin beschäftigt.«
Lassiter zog sich einen Stuhl heran und nahm Platz. Er sah sich nach dem Barkeeper um, der die Begrüßung der beiden Männer neugierig verfolgte, und senkte die Stimme. »Mein Name ist Lassiter. Ich komme aus Salt Lake City.«
Auf dem schmalen Antlitz Minshalls zeichnete sich Erleichterung ab. Er neigte den Kopf zu Lassiter und sprach ebenfalls in gedämpftem Ton. »Gott sei Dank, dass Sie endlich eingetroffen sind. In Washington ist man wegen der Vorfälle in Butte auf das Äußerste besorgt. Ich bin dringend gehalten worden, Sie unverzüglich mit allen Einzelheiten vertraut zu machen.«
»Das Telegramm in Salt Lake City war äußerst knapp gehalten«, erwiderte der Mann der Brigade Sieben. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie etwas Licht in die Sache brächten.«
Der Blick des hageren Minshall wanderte durch den Saloon und kehrte zu Lassiter zurück. Der Anwalt griff unter den Tisch und nahm eine zusammengefaltete Zeitung vom Schoß. »Lesen Sie.«
Nach kurzem Zögern nahm Lassiter das Zeitungsblatt zur Hand und schlug es auseinander. Er studierte die Spalten mit den Meldungen, die vom Pan-America-Kongress in Boston, einem Schiffsunglück in New York und dem Opernhaus in Pettygrove, Pennsylvania, handelten. Als er nichts Erwähnenswertes fand, zuckte er mit den Schultern.
»Worauf wollen Sie hinaus, Mr. Minshall?«, fragte er. »Der Anaconda Standard druckt das Gleiche wie die Blätter in Salt Lake City.«
Der Finger des Anwalts bewegte sich langsam auf eine Meldung, die Lassiter lediglich flüchtig wahrgenommen hatte. Sie war in großen Lettern mit den Worten Tod in den Minen überschrieben.
»Mit diesem Artikel hat vor zwei Tagen alles begonnen«, meinte Minshall und sah Lassiter ernst an. »Sagen Ihnen die Namen von Marcus Daly und William A. Clark etwas?«
Der Mann der Brigade Sieben hätte lügen müssen, hätte er behaupten wollen, dass er einen dieser Männer kannte. Er wusste von den beiden »Kupferkönigen« lediglich, dass sie ihre Reichtümer jeweils einem Imperium aus Kupferminen, Schmelzwerken und Eisenbahngesellschaften verdankten und seit Jahren erbittert miteinander stritten. Die Wochenblätter in Utah hatten sich in Hohn und Spott darüber ergangen, dass das Duell bisher keinen Sieger hervorgebracht hatte.
»Die ’Kupferkönige’?«, fragte Lassiter und lächelte. »Ich habe von ihnen gehört.«
»Clark und Daly sind die mächtigsten Männer in der Gegend«, sagte Minshall und starrte auf die Zeitung. »Daly ist mit kalifornischen Investoren im Bunde, Clark gehören fast sämtliche Minen in Butte. Die Minen und Schmerzwerke der beiden decken über die Hälfte des amerikanischen Kupferbedarfs.« Er nahm einen tiefen Atemzug. »Ich muss Ihnen nicht sagen, welche verheerende Wirkung ein offener Streit von Clark und Daly auf den Kupferhandel in den Vereinigten Staaten hätte. Die Regierung fürchtet, dass weniger Telegraphen- und Elektrizitätsleitungen gezogen werden können, sobald der Nachschub aus Montana zusammenbricht.«
»Der Streit zwischen Daly und Clark tobt doch schon jahrelang«, wandte Lassiter ein. »Die fangen nicht urplötzlich an, sich die Schädel einzuschlagen.«
»Ich hoffe, Sie täuschen sich nicht«, erwiderte Minshall und furchte die Stirn. »Vor einigen Tagen hat man in der Moulton Mine die Knochen von acht Minenarbeitern gefunden. Sie müssen eine halbe Ewigkeit dort unten gelegen haben.« Er deutete mit einer Geste auf den Anaconda Standard. »Der Standard gehört Daly. Er gibt Clark die Schuld an dem Verbrechen.«
»Verbrechen?«, stutzte Lassiter. »Ich nahm an, die Männer seien verschüttet worden.«
»Was in der Moulton vorgefallen ist, weiß in Butte keiner so genau«, antwortete der Mittelsmann und beugte sich über den Tisch. »Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass die Männer bei einem Grubenunglück vor zehn Jahren ums Leben gekommen sind. Clark wollte Daly damals aus dem Geschäft drängen. Er ließ einen Stollen oberhalb von Dalys Mine fluten und setzte dessen Schächte unter Wasser.«
»Daly hat es ihm augenscheinlich nicht verziehen«, bemerkte Lassiter trocken. »Wie komme ich an Clark oder Daly heran?«
Minshall griff abermals unter den Tisch und brachte ein bräunliches Kuvert zum Vorschein. Es war mit der Kanzleiadresse des Anwalts beschriftet. »Die Brigade Sieben hat Ihnen über Gewährsleute eine Anstellung im Büro von William A. Clark verschafft. Clark wird glauben, dass Sie der berühmte Mineraloge Joseph Holdridge sind und im Auftrag eines seiner Investoren kommen.« Er heftete den Blick auf den Umschlag in seiner Hand. »Diese Sendung enthält alle notwendigen Unterlagen zur Gesteinsbeschaffenheit, der Lage der Minen rings um Butte und Anaconda City sowie zu William Clark. Sie werden einige Zeit brauchen, um sich mit allen Fakten vertraut zu machen, doch in Clarks Büro wird es Ihnen nutzen.«
Lassiter nahm das Kuvert entgegen und ließ es unter der Jacke verschwinden. Er sah Minshall an und nickte zum Abschied.
»Ich werde Mr. Clark nicht warten lassen.«
***
Der Erzbrocken in der Hand von Marcus Daly schimmerte rötlich im Sonnenlicht. Durch das poröse Gestein zog sich eine dünne Kupferader, die mit bloßem Auge kaum auszumachen war. Sie teilte den Erzklumpen in zwei Hälften und endete einen halben Zoll über Dalys Fingerkuppen.
»Dieses Stück wertloser Felsen«, erklärte der rundliche Ire mit dem weißen Schnauzbart pathetisch, »ist der Grundstock meines Vermögens, Mrs. Lightfoot. Er fiel mir vor über zehn Jahren in die Hände, als ich dreihundert Fuß tief in der Anaconda Mine grub und auf mein erstes Kupferflöz stieß.«
Daly wandte sich zu der jungen Frau um, die hinter ihm in einem Sessel seines Büros saß. Sie hatte die Hände im Schoß gefaltet und lauschte ihrem Gegenüber mit aufmerksamer Miene. Als sie zu keiner Erwiderung ansetzte, fuhr der Besitzer der Anaconda Copper Mining Company mit seiner Ansprache fort.
»Kupfer, Mrs. Lightfoot«, sagte er in bedeutungsvollem Ton. »Kupfer ist das Metall der neuen Welt. Es ist gleichsam das Blut, das durch die Adern unserer neuen Industrien, Manufakturen, Fabriken und Handelsstätten fließt. Mit Kupfer spannen wir die Leitungen der neuen Telegraphenverbindungen, mit Kupfer bringen wir die Elektrizität in die Metropolen des Ostens, mit Kupfer begründen wir den Pulsschlag des kommenden Jahrhunderts.« Er drehte sich wieder zum Fenster und sah ins Freie. »Die Anaconda Copper Mining besitzt die größte Kupferschmelze, die je von Menschenhand errichtet worden ist. Auf unseren Lohnlisten stehen über eintausendsiebenhundert Männer. In den Hallen und Gebäuden, die Sie dort draußen sehen, wird nicht nur Kupfer gegossen, sondern die Zukunft Amerikas.«
Der Ire hing dem Klang seiner eigenen Worte noch eine Weile nach, ehe er sich endgültig vom Fenster abkehrte und zu seinem Schreibtisch zurückbegab. Die Frau im Sessel folgte dem Kupfermagnaten mit den Augen und suchte nach den passenden Worten.
»Mr. Daly … Ich weiß nicht, was ich Ihnen erwidern soll … Die Anaconda Copper Mining ist eine der mächtigsten Gesellschaften unseres Landes … Aber ich bin nur im Interesse meines Mannes gekommen …«
Auf Dalys ernstem Gesicht zeigte sich eine Spur Verunsicherung.
Der Minenbesitzer hatte die junge Frau, die seit Stunden vor dem Hauptquartier der Gesellschaft ausgeharrt hatte, erst auf Drängen seines Sekretärs ins Büro gebeten. Er war überzeugt gewesen, dass es der Besucherin um eine Anstellung bei der Anaconda Copper Mining ging.
»Ihr Mann?«, fragte Daly erstaunt und schürzte die Lippen. »Falls Ihr Mann für mich arbeiten möchte, sollte er den Weg über das Rekrutierungsbüro wählen.«