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Es war nach Mitternacht, als der große Mann mit dem Marshal-Stern an der Weste in die Seitengasse einbog. Mit schweren Schritten stapfte er bis zum Walker House, wo er zur Untermiete wohnte. An der Vordertür blieb er stehen und kramte in seinen Taschen nach seinem Hausschlüssel. Ohne Erfolg. Hatte er ihn etwa im Saloon verloren? Während er darüber nachsann, ob er noch einmal seinen Heimweg abschreiten sollte, öffnete sich die Tür. Mrs. Walker, die Hausbesitzerin, erschien. Ein viel zu großer Morgenmantel verhüllte ihre schmächtige Gestalt. "Marshal Lassiter", sagte sie, "hatten Sie mir nicht versprochen, keinen Schnaps mehr zu trinken?" Der große Mann gab seiner Stimme einen lallenden Klang. "Jawoll, Ma'am, aber manchmal kommt es anders, als man denkt ..."
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2014
Cover
Impressum
Lassiter auf Abwegen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-8387-7484-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Lassiter auf Abwegen
Es war nach Mitternacht, als der große Mann mit dem Marshalstern an der Weste in die Seitengasse einbog. Mit schweren Schritten stapfte er bis zum Walker House, wo er zur Untermiete wohnte. An der Vordertür blieb er stehen und kramte in seinen Taschen nach seinem Hausschlüssel. Ohne Erfolg. Hatte er ihn etwa im Saloon verloren? Während er darüber nachsann, ob er noch einmal seinen Heimweg abschreiten sollte, öffnete sich die Tür. Mrs. Walker, die Hausbesitzerin, erschien. Ein viel zu großer Morgenmantel verhüllte ihre schmächtige Gestalt. »Marshal Lassiter«, sagte sie, »hatten Sie mir nicht versprochen, keinen Schnaps mehr zu trinken?«
Der große Mann gab seiner Stimme einen lallenden Klang. »Jawoll, Ma’am, aber manchmal kommt es anders, als man denkt …«
Neben einem rauen Trail, der von Osten kam und sich in Schlangenlinien nach Westen hinzog, lagerten auf einer Anhöhe vier Männer. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet. Auf den ersten Blick glichen sie Desperados, doch beim genaueren Hinsehen erkannte man, dass auf jeder Hemdbrust ein rautenförmiges Metallschild funkelte.
Es waren Newmex-Ranger unter dem Kommando des 1. Lieutenants Cramer. Sie warteten auf die Linienkutsche, die aus El Jacinto kam und nach Candlefield unterwegs war. Nach ihren Informationen befand sich an Bord der Kutsche ein gewisser George Barry.
Dieser George Barry hatte zwar nichts ausgefressen, er war ein gesetzestreuer Geschäftsmann, aber er hatte einen unverzeihlichen Fehler begangen. Und dieser wog in den Augen der korrupten Rangertruppe schwerer als das abscheulichste Verbrechen.
Der Kaufmann hatte sich geweigert, das Schutzgeld zu entrichten, das die Ranger allmonatlich kassierten. Er ignorierte die eindringlichen Mahnungen und hatte auch die letzte Zahlungsfrist verstreichen lassen.
Bis Captain Milton der Kragen geplatzt war.
Er befahl seinem 1. Lieutenant, dem rebellischen Barry die Hölle heißzumachen. Schnell hatte Cramer drei hartgesottene Männer aus der Kompanie ausgewählt und sie an die Stelle des Old Candlefield Trails geführt, die ihm am geeignetsten erschien, um Barry das letzte Ultimatum zu stellen. Sollte sich der Querkopf abermals weigern, war es schlecht um ihn bestellt.
Der Lieutenant saß mit gekreuzten Beinen im Schatten seines Pferdes. Mit dem Fernglas suchte er den Horizont ab.
Die flirrenden Hitzeschleier, die durch die Luft waberten, ließen die Berge wie eine Fata Morgana erscheinen. Es war so heiß, dass die Erdhörnchen ins nächste Loch flitzten, um sich die Pfoten nicht zu verbrennen. Im Sonnenglast wirkten die monströsen Säulen-Kakteen in der Halbwüste wie versteinerte Hünen.
Zwei Ranger hatten sich vor einem struppigen Sagebrush-Gestrüpp ausgestreckt. Die schweißnassen Hüte auf der Stirn, dämmerten sie vor sich hin. Der Dritte im Bunde rollte sich auf dem Oberschenkel eine Zigarette. Als der Glimmstängel fertig war, zog er mit spitzen Fingern ein einzelnes Zündholz aus der Westentasche. Geschickt entzündete er es am Daumen der gleichen Hand. Dann paffte er blaue Wölkchen in den Himmel.
Endlos kroch die Zeit dahin.
Da pfiff der Lieutenant plötzlich durch die Zähne. In der Ferne hatte er eine Staubwolke bemerkt. Er stand auf. Spähend wartete er, bis die Staubsäule größer wurde. Schließlich nahm er das Fernglas herunter und wandte sich um. »Sie kommen!«, krächzte er.
Emerson und Garrett, die beiden Ranger vor dem Sagebrush, schoben ihre Hüte zurück. Träge rappelten sie sich auf und klopften den Sand von der Kleidung. Lustlos griffen sie nach ihren Winchestergewehren.
Martinez, der Raucher, nahm einen letzten Zug von seiner Kippe, schnippte sie dann in eine Spurrinne des Pfades.
Mechanisch trat Cramer den glimmenden Stummel aus.
Die drei Ranger traten schweigend neben ihren Vorgesetzten auf den Weg.
Die schussbereiten Gewehre lässig auf den Unterarm gelegt, blickten sie schmaläugig dem Sechsspänner entgegen.
Das Trommeln der Pferdehufe wurde lauter. Bald waren auch das Rasseln der Ketten und das Knarren der Wagenräder zu hören. Ein Peitschenknall erscholl, und die eisernen Reifen knirschten auf dem harten Untergrund.
Aus einer Senke tauchten die ersten beiden Pferde auf. Einen Moment später erschien die staubbedeckte Kutsche.
Der Fahrer erspähte die Männer auf dem Weg.
Cramer repetierte und gab einen Warnschuss in den azurblauen Himmel ab. Seine drei Begleiter brachten die Gewehre in Anschlag. Ihre Bewegungen wirkten synchron, wie einstudiert.
Hart riss der Kutscher an der Bremse. Die Zügel straffend, blickte er verwundert auf die Wegelagerer. Die schwankende Concord-Kutsche hielt. Der Fahrer riss einen Arm hoch. »Alles in Ordnung, amigos«, versicherte er.
Mit ausdruckslosen Mienen traten Emerson, Garrett und Martinez durch den Pulverrauch. Im Nu hatten sie den Kutschwagen umzingelt. Auch Cramer trat näher.
Das Gesicht des Fahrers entspannte sich, als er die Abzeichen der Newmex-Ranger erkannte. Mit dem Ellbogen wischte er sich den Staub aus dem Gesicht. Dann stupste er seine Hutkrempe hoch und grinste breit.
»Wo brennt es denn?«, fragte er leutselig. »Ihr seht ja aus, als wären euch die Läuse pfundweise über die Leber gelaufen.«
Der Lieutenant ging nicht auf den kumpelhaften Tonfall ein. Maulfaul bedeutete er dem Fahrer, abzusteigen. Der Mann auf dem Kutschbock gehorchte. Er band die Zügel fest und kletterte von seinem Arbeitsplatz. Unten angekommen, lockerte er seine steif gewordenen Beine.
Wie aus heiterem Himmel rammte ihm Cramer den Lauf der Winchester in den Bauch.
Der Fahrer riss die Augen auf. »He, Mister, was ist denn in Sie gefahren? Ich habe nichts verbrochen, und Sie behandeln mich wie einen dreckigen Bastard. Ich …«
Weiter kam er nicht. Cramer zog ihm den Gewehrlauf über den Schädel. Im Gesicht des Rangers hatte es nicht einmal gezuckt.
Der Fahrer stieß einen kehligen Schmerzenslaut aus. Er torkelte gegen das vordere Kutschrad. Verständnislos glotzte er den Lieutenant an.
»Du bleibst hier stehen«, knurrte Cramer. »Hast du das kapiert, coachdriver?«
Der eingeschüchterte Fahrer nickte wortlos. Inzwischen hatten die übrigen Ranger die beiden Kutschentüren aufgerissen.
»Aussteigen!«, blaffte Martinez.
»Bisschen plötzlich! Oder sitzt ihr auf euren Löffeln!« Emerson schob von der anderen Seite sein Gewehr in den Kutschenschlag.
In der Concord befanden sich vier Fahrgäste. George Barry, seine erwachsenen Töchter Annie und Lisa sowie sein jüngster Sprössling, der neunjährige Johnny.
»Ihr werdet gehörigen Ärger bekommen«, sagte Barry gereizt. »Das ist blanke Willkür. Ich werde mich beim US-Marshal beschweren. Darauf könnt ihr euch verlassen.« Er wandte sich zu seinen Töchtern. »Steigt aus, Mädchen. Sonst drehen die Jungs noch komplett durch.«
Garrett klappte die Treppe herunter. Die Mädchen rafften ihre Röcke. Nacheinander kletterten sie aus der Kutsche. Beide hatten die gleichen maisfarbenen Haare, die gleichen strahlend blauen Augen und die gleiche schlanke Figur. Lisa, die Jüngere, wirkte wie das kleinere Abziehbild von Annie, der Älteren. Ängstlich fassten sich die Schwestern an den Händen.
Auch Johnny, der ihnen hinterherkam, war ein blauäugiger Blondschopf. Trotzig musterte er die Wegelagerer, die sie zwangen, den Wagen zu verlassen.
»Ich denke, ihr seid die Guten«, schmetterte er Garrett entgegen, als seine Füße den Boden berührten.
Der Ranger war ein kleiner Mann, gerade fünf Fuß groß, der seit Kindesbeinen unter seiner geringer Körperhöhe litt. Daher hatte er seit frühester Jugend eisenhart trainiert, um seinen äußerlichen Nachteil durch Muskelkraft auszugleichen. Das war ihm voll und ganz gelungen. Im ganzen County gab es kaum jemanden, der es im Armdrücken mit ihm aufnehmen konnte.
»Klar sind wir die Guten«, bestätigte Garrett und gab dem Kind eine schallende Ohrfeige.
Johnny biss die Zähne zusammen. Nicht ein Laut kam ihm über die Lippen. Mit feuchten Augen strich er sich über die brennende Wange.
Lisa, die Sechzehnjährige, riss ihren Bruder an sich. Ihre Augen waren dunkel vor Wut. »Tun Sie das nie wieder!«, fauchte sie Garrett an.
Währenddessen hatte der Lieutenant den aufgebrachten Vater daran gehindert, sich auf Garrett zu stürzen. »Hier geblieben, Barry!«, schnappte er. »Wenn Sie Mätzchen machen, garantiere ich für nichts.«
»Verdammt! Was wollen Sie eigentlich von uns, Lieutenant?« Der Geschäftsmann war ein kräftiger Endvierziger mit grauen Schläfen, langen Koteletten und buschigem Schnäuzer. Mühsam kämpfte er um Beherrschung.
Cramer hob einen Fuß. Lässig ließ er seine Sporen klirren. »Captain Milton ist sehr ungehalten«, erklärte er. »Ich denke, Sie können sich vorstellen, was den Chef beunruhigt.«
»Nein, kann ich nicht!«
»Sie spielen den Ahnungslosen?« Cramer drückte den Lauf der Winchester unter das Kinn des Geschäftsmannes.
»Ich habe mir nie etwas zu Schulden kommen lassen.«
Der Lieutenant sah über Barrys Schultern hinweg zu Emerson, der Annie unverschämt auf den fraulichen Busen starrte. »He, Emerson! Er sagt, er habe immer brav das getan, was von ihm verlangt wurde.«
Emerson grinste fies. »Der Kerl lügt wie gedruckt. Wir sollten das nicht einfach so hinnehmen, Lieutenant.«
Cramer drehte sich zu Martinez um. »Und was ist deine Meinung, Felipe?«
»Lügner sind mir ein Gräuel«, erklärte der Mexikaner.
»Und du, Garrett? Wie denkst du darüber?«
Der Kleine spuckte verächtlich aus. »Wer aus der Reihe tanzt, den sollte man an den Kanthaken nehmen.«
»Da haben Sie’s, Barry.« Cramer gab sich gequält. Er tat, als tue es ihm unendlich leid.
Ohne den Lauf des Gewehres herunterzunehmen, griff er unter sein Hemd. Er brachte einen abgewetzten Rohhautbeutel zum Vorschein. Behände löste er die Kordel und zog ein gefaltetes Blatt Papier heraus.
»Was ist das?«, fragte Barry.
»Eine Aufstellung all der Gelder, die Sie Captain Milton in den letzten Monaten schuldig geblieben sind. Fürwahr, ein stattliches Sümmchen ist da zusammengekommen.«
»Ich schulde niemandem etwas«, beharrte Barry.
»In diesem Dokument steht etwas anderes.«
George Barry senkte seinen Blick auf das Schriftstück. »Der Wisch ist wertlos. Ich sehe nirgendwo meine Unterschrift.«
Über Cramers Züge huschte ein düsterer Schatten. »Das ist einer der Gründe, warum wir Sie aufgesucht haben, Barry. Setzen Sie ihren Kringel unter das Papier, zahlen Sie die geforderte Summe – und«, er grinste verbindlich, »schon sind wir über alle Berge und Sie können Ihren Ausflug fortsetzen.«
Eine Zeitlang herrschte Schweigen.
»Und was wird passieren, wenn ich es nicht tue?«, wollte Barry wissen.
Der Ranger-Lieutenant stieß den Lauf fester gegen den Unterkiefer des Geschäftsmannes. Er antwortete nicht, aber sein Stillschweigen war beredt genug.
»Das ist Erpressung!«, rief der kleine Johnny aus und sprang vorsichtshalber einen Schritt zurück.
Garretts Schlag ging ins Leere.
In diesem Augenblick setzte Lisa ihre Drohung in die Tat um. Sie haute dem Ranger eine runter, dass es laut klatschte. Dann riss sie ihren kleinen Bruder an sich.
»Verdammte Kratzbürste!« Garrett schäumte vor Wut. Er hob das Gewehr.
»Ruhig Blut, Garrett!«, sagte der Lieutenant scharf.
Der Gekränkte stieß ein leises Knurren aus. Es war ihm anzusehen, dass er der Sechzehnjährigen am liebsten eine Lektion erteilt hätte.
Die Atmosphäre knisterte vor Spannung.
Jeder der Anwesenden ahnte, dass eine Entscheidung unmittelbar bevorstand. Keine der Parteien zeigte sich kompromissbereit. Die Katastrophe schien unausweichlich.
Da drehte sich Cramer langsam zu Martinez. Mit einer Kopfbewegung winkte er den Mann im bunten Poncho heran.
»Was liegt an, Lieutenant?«, fragte der Mexikaner.
Sein Vorgesetzter zeigte auf Barrys älteste Tochter Annie. Das achtzehnjährige Mädchen hatte die ganze Zeit reglos dagestanden. Ihre verängstigten Augen waren hin und her gehuscht.
»Ich weiß, du hast ein hervorragendes Messer, Felipe«, sagte Cramer gedehnt. »Manche der Jungs behaupten, du könntest eine Feder im Flug in der Mitte zerteilen.«
»Si, si«, bestätigte der Poncho-Mann. Er verzog theatralisch sein wettergegerbtes Gesicht. »Aber, zum Teufel, wo finde ich in dieser Einöde eine Feder?«
Der Lieutenant wies auf Annie. »Wie wär’s mit dem schönen Kind da? Glänzen ihre Haare nicht wie goldene Daunen in der Sonne?«
»Ja, das tun sie.« Martinez zückte sein Messer.
Barry atmete schwer. »Wagen Sie es nicht, meine Tochter anzufassen, Sie Bandit!«
»Warum so aufgeregt?«, höhnte Cramer. »Felipe ist ein Fachmann, was Weiberröcke betrifft. Passen Sie auf, gleich tritt er den Beweis an!«
»Daddy!« Annie wich zurück, als der Mexikaner sich ihr näherte.
George Barry wollte einen Schritt auf das Mädchen zugehen, aber Cramer hinderte ihn daran. Unbarmherzig presste er ihm den Gewehrlauf gegen den Hals.
»Rühren Sie sich nicht von der Stelle«, raunte er. »Sonst sind Sie ein verdammt toter Daddy.«
Mit herausquellenden Augen starrte Barry auf den Mann, der sich seiner Ältesten näherte. Immer weiter wich das Mädchen zurück. Dicht neben dem Pfad wuchs ein hundert Jahre alter Saguaro-Kaktus. Als Annie die Stacheln an ihrem Rücken spürte, blieb sie stehen. Verzweifelt schlug sie die Hände vors Gesicht.
Martinez warf das Messer von einer Hand in die andere. Als er nur noch einen halben Meter von dem Mädchen entfernt war, machte er Halt. »Schönes blondes Haar«, sagte er und grinste.
Dann, ganz unvermittelt, riss er den linken Arm hoch. Er packte die Aufbrüllende an einer Haarsträhne, während seine Rechte wie ein Vogel durch die Luft sauste. Er riss den Kopf des Mädchens herunter und ratschte die scharfe Klinge durch ihren Schopf. Es dauerte nur Sekunden und Annies blonde Haarpracht fiel büschelweise auf die verbrannte Erde.
Als der Mexikaner von ihr abließ, sprossen nur noch Stoppeln auf ihrem Kopf. Weinend sank die Verunstaltete auf die Knie und vergrub ihren Kopf in den Armen.
Martinez feixte hämisch. »Als ich ein Junge war, wollte ich mal Barbier werden. Ich denke, ich wäre ein verteufelt guter Barbier geworden.«
Die Ranger grinsten schadenfroh.
»Das sind also die Männer, die uns beschützen, Dad«, sagte Johnny.
Barry gab einen röchelnden Laut von sich.
»Zahlen Sie Ihre Schulden, Barry«, forderte Cramer. »Dann wollen wir noch einmal Gnade vor Recht ergehen lassen.« Er lockerte den Druck der Waffe, damit der Geschäftsmann antworten konnte.
»Ein Mann wie Sie sollte das Wort Recht nicht in den Mund nehmen«, stieß Barry hervor. »Es bekommt einen widerlichen Beigeschmack. Sobald ich in Candlefield bin, werde ich bei Marshal Lassiter Anzeige erstatten.«
Die Ankündigung schien wenig Eindruck auf die Ranger zu machen. Martinez rollte sich gelassen eine Zigarette. Emerson und Garrett grinsten sich vielsagend an.
Cramer spielte mit dem Finger am Abzug. »Der Marshal kann mir mal im Mondschein begegnen«, verkündete er. »Ich rate allerdings jedem von euch Hübschen, die Klappe zu halten, was unsere heutige Unterredung betrifft. Ich hoffe, das ist in euren Spatzenhirnen angekommen.«
Die Barrys antworteten nicht.
Nur der Kutscher nickte fleißig. »Ehrensache, Lieutenant«, versicherte er unterwürfig. »Wir halten dicht. Versprochen.«
»Aber ich werde alles sagen«, meldete sich Johnny plötzlich. Er riss sich von seiner Schwester Lisa los und lief auf die weinende Annie zu, um sie zu trösten.
»Hier geblieben, Bengel!« Der kleingewachsene Garrett riss seine Winchester hoch.
»Nehmen Sie das Gewehr weg!«, schrie Barry. »Sie wollen doch nicht etwa auf ein unschuldiges Kind schießen?«
Der Ranger antwortete nicht. Er repetierte langsam.
Barry machte eine schnelle Bewegung. In namenloser Wut wollte er sich auf den niederträchtigen Giftzwerg stürzen, um ihm die Waffe aus der Hand zu schlagen. Dabei übersah der Geschäftsmann eine Kleinigkeit.
Dass Cramers Zeigefinger den Abzugsbügel umspannt hielt.
Durch den jähen Ruck, der durch Barrys Körper ging, zog der Ranger-Lieutenant ungewollt den Abzug durch.
Das Geräusch des Schusses klang kurz und trocken.
Die Kugel bohrte sich durch Barrys weiches Kinn, durchschlug seinen Kopf und trat aus der Hutkrone aus.
Cramer sprang überrascht zurück. Barry hatte ihn Halt suchend an der Hemdbrust gepackt. Sterbend sackte er zusammen. Die Mädchen schrien, als hätten sie den Verstand verloren.
Johnny rannte auf seinen Vater zu, versuchte ihn zu stützen. Aber der Junge war zu schwach. Der tödlich Getroffene riss seinen Sohn mit zu Boden. Aus dem schwarzrandigen Loch in seinem Kiefer strömte eine Welle von Blut und versickerte im Sand.
»Shit!«, entfuhr es Cramer.