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Mahpee stand auf dem dunklen Platz hinter dem Saloon und spürte, wie der Schnaps in seinem Magen brannte. Durch die ungeputzten Scheiben des Fensters fiel ein Lichtviereck auf den Hinterhof. Im Innern des Hauses ertönten Stimmen. Füße stampften. Gläser klirrten. Manchmal erhob sich dröhnendes Gelächter. Lacht nur, dachte Mahpee. Lacht, so lange ihr's noch könnt!
Eine mächtige Vision überkam den Indianer. Die Bilder in seinem Kopf waren so plastisch, dass ihm der Atem stockte. Er sah sich selbst, wie er mit dem Schnellschussgewehr in den Saloon stürmte. Die weißen Männer erschraken, wandten sich entsetzt zur Flucht. Doch sie kamen nicht weit. Die Türen nach draußen waren versperrt.
Die Trugbilder erloschen. Mahpee trank noch einen Schluck aus der großen Flasche ...
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2015
Cover
Impressum
Trommeln am Seton Pass
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-1295-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Trommeln am Seton Pass
Mahpee stand auf dem dunklen Platz hinter dem Saloon und spürte, wie der Schnaps in seinem Magen brannte. Durch die ungeputzten Scheiben des Fensters fiel ein Lichtviereck auf den Hinterhof. Im Innern des Hauses ertönten Stimmen. Füße stampften. Gläser klirrten. Manchmal erhob sich dröhnendes Gelächter. Lacht nur, dachte Mahpee. Lacht, so lange ihr’s noch könnt!
Eine mächtige Vision überkam den Indianer. Die Bilder in seinem Kopf waren so plastisch, dass ihm der Atem stockte. Er sah sich selbst, wie er mit dem Schnellschussgewehr in den Saloon stürmte. Die weißen Männer erschraken, wandten sich entsetzt zur Flucht. Doch sie kamen nicht weit. Die Türen nach draußen waren versperrt.
Die Trugbilder erloschen. Mahpee trank noch einen Schluck aus der großen Flasche …
Lassiters Mission in Hot Springs war zu Ende.
Der Mann von der Brigade Sieben konnte es kaum erwarten, aus den Black Hills herauszukommen. Auf schnellstem Wege wollte er nach Texas, um Molly Grant wiederzusehen. Mit jeder Faser seines Körpers sehnte er sich nach der Weiblichkeit der betörend hübschen Barsängerin.
Er packte seine Sachen, bezahlte die Hotelrechnung und wollte das Connor House gerade verlassen, da stürzte Logan ins Foyer. Der Rechtsanwalt Paul Logan war der Kontaktmann der Brigade Sieben für das Territorium Montana-West-Dakota. Logan wirkte gehetzt, als würde er von einem Rudel Wölfe verfolgt.
Als er Lassiter sah, entspannte sich seine Miene. »Ich dachte mir, bevor Sie Hot Springs verlassen, sollten Sie noch mal kurz einen Abstecher zu einem alten Freund machen.«
Lassiter schulterte seinen Reisesack. »Der Freund muss ohne mich auskommen. Ich bin auf dem Weg zur schönsten Frau der Welt.«
»Fürwahr, ein schwerwiegendes Argument.« Logan rang nach Luft. »Aber vielleicht überlegen Sie sich es noch einmal.«
»Aber warum?«
»Ihr Freund braucht Sie.«
»Mein Freund braucht mich?« Lassiter überlegte. Er konnte sich gar nicht erinnern, dass er in Hot Springs einen Freund hatte. Selbst seine Beziehung zu Logan war eher distanziert als freundschaftlich. Lassiter krauste die Stirn. »Von wem sprechen Sie, Paul?«
Mit einem sauberen Tuch wischte sich der Anwalt den Schweiß von der Stirn. Er war ein massiger Mann von gut zweihundert Pfund Lebendgewicht. Unter seinem Bowlerhut quoll langes, grau durchwirktes Haar hervor. Logan keuchte schwer. Offenbar hatte er die Strecke von seiner Kanzlei zum Connor House im Dauerlauf zurückgelegt. »Sein Name ist Mahpee«, brachte er hervor. »So viel ich weiß, hat er Ihnen neulich den Hintern gerettet.«
»Mahpee?«
»Der Indianer, der letzte Woche die durchgegangenen Ponys in die Quergasse lenkte.«
»Ah, jetzt entsinne ich mich.« Lassiter wechselte seinen Reisesack auf die andere Schulter. »Ein patenter Kerl, dieser Sioux.«
»So ist es.« Logan nickte. »Sie kamen gerade aus dem Drugstore, als die Gäule auf Sie zujagten. Mahpee hat die Gefahr blitzschnell erkannt. Nun, das wissen Sie ja selbst am besten. Jetzt braucht der Bursche selbst jemanden, der ihm aus der Patsche hilft.«
Lassiter beschlich ein ungutes Gefühl. »Worum zum Geier geht’s hier eigentlich?«
Logan kniffte das Tuch in der Mitte und steckte es in die Hosentasche. »Mahpee hat zu viel getrunken. In diesem Augenblick bedroht er gerade ein paar weiße Männer. Mit einer Winchester.«
»Wo?«
»In einem Saloon, nur einen Pfeilschuss von hier entfernt.«
Lassiter stutzte. »Wie ist das möglich? Der Mahpee, den ich kenne, verabscheut Alkohol. Ein gesetzestreuer Mann. Ein Mitbürger, wie er im Buche steht.«
»Das mag sein. Aber jetzt ist Mahpee nicht mehr der vorbildliche Mitbürger, jetzt ist voll wie eine Haubitze und sieht rot.«
Lassiter dachte an Molly Grant im weit entfernten Laredo. Er war im Zwiespalt. Wenn er jetzt in das Geschehen eingriff, würde er den Zug verpassen. »Soll sich der Marshal um die Sache kümmern«, sagte er. »So viel ich weiß, hat er zwei Deputies. Wozu bezahlt die Stadt drei Sternträger? Es ist ihr Job, Betrunkene zur Räson zu bringen.«
Logan hob die Brauen. »Heißt das, Sie lassen Ihren Freund im Stich?«
»Wieso Freund? Ich kenne diesen Sioux kaum.« Lassiter packte seinen Reisesack fester. »Und überhaupt: Ich glaube nicht, dass er gerade auf mich hören wird.«
»Oh doch, das wird er.« Logan nickte zu seinen Worten. »Ich weiß es, Lassiter. Sie sind der Einzige, der die Situation entschärfen kann.«
Lassiter schwieg. Die Vorstellung, dass der junge Sioux im Säuferwahn womöglich auf andere Menschen schoss, bereitete ihm Kopfzerbrechen. Vielleicht hatte Logan Recht, und er, Lassiter, war tatsächlich der einzige Mensch weit und breit, der Mahpee und die Männer im Saloon retten konnte.
Mit einem unwilligen Schnaufen ließ Lassiter den Reisesack auf den Boden sinken.
In Logans Augen blitzte Hoffnung. »Sie sind dabei?«
»Was ist, wenn Mahpee die Waffe auf mich richtet? Könnte doch sein, oder?«
»Sie sind doch nicht von gestern«, meinte Logan. »Sprechen Sie mit ihm, Lassiter. Ich weiß, dass er viel von Ihnen hält. Er wird auf Sie hören.«
»Ihr Wort und Gottes Ohr.« Lassiter rückte seinen Hut tiefer in die Stirn.
»Ich kümmere mich um Ihr Gepäck«, sagte Logan.
Lassiter schob die Pendeltür auf und trat hinaus auf die Mainstreet. Von der Bahnstation hörte er die Pfeife einer Lokomotive. Der Zug war bereits eingelaufen. Die Puffer der Waggons prallten gegeneinander. Lassiter sehnte sich danach, in einem komfortablen Abteil zu sitzen und von Molly zu träumen, die so leidenschaftlich zu küssen vermochte.
Doch es ging um Menschenleben.
Da musste das Vergnügen warten.
***
Larry’s Saloon befand sich im Amüsierbezirk von Hot Springs, der im Volksmund Lucky Hills genannt wurde. Neben dem Saloon lag das Spielcasino, und auf der anderen Straßenseite erstreckte sich die große, rosa angestrichene Baracke, in dem die Sidewalkdohlen ihre Freier empfingen. Dazwischen lag eine unbefestigte Sandpiste mit Zügelholmen und Plankensteigen für die Fußgänger.
In der Nähe des Saloons hatten sich ein paar Leute versammelt, die schwatzend die Köpfe zusammensteckten. Zwei Deputies mit Blechmarken auf der Hemdbrust versuchten, die Neugierigen von den Schwingtüren fernzuhalten.
»Erschießen!«, rief ein Mann mit Augenklappe. »Pustet den Roten um und schmeißt ihn den Schweinen vor!«
Jemand klatschte in die Hände. Doch niemand beteiligte sich an dem Applaus. Rasch verklang das Händeklatschen.
In einiger Entfernung hatte ein geschäftstüchtiger Händler einen Verkaufsstand aus dem Boden gestampft und bot Hurensohn-Stew, Maisbrot und Bier aus dem Fass an. Zwei stark angetuschte Frauen blieben vor der Theke stehen und stellten ungeniert ihre Reize zur Schau. Die Größere hatte sich einen Weißkopf-Adler auf den Busen tätowieren lassen. Die Kleinere trug gerüschte Unterhosen und knallrote Strumpfbänder.
Als Logan und Lassiter ankamen, zog der Mann mit der Augenklappe gerade seinen Colt und feuerte einen Schuss in die Luft. Die Leute, die neben ihm standen, hielten sich die Ohren zu. Der Einäugige zog ein Gesicht, als hätte er etwas furchtbar Wichtiges getan. Beifallheischend blickte er sich um.
Nur mit Mühe konnte sich Lassiter beherrschen. Er kannte den Rüpel vom Stadtbild. Der Typ nannte sich Wallace Wilde und lebte davon, ahnungslose Greenhorns beim Pokern zu betrügen.
Tom Nelson, einer der Deputies, erschien.
Lassiter musterte den Mann misstrauisch. Nelson sah aus, als wäre er eine Woche auf Sauftour gewesen: rote Nase, dunkle Ringe unter den glasigen Augen, Stoppelbart, schmuddeliges Hemd und ungeputzte Stiefel. Er schwenkte einen großen Peacemaker-Revolver.
»Das ist der Mann, der Mahpee zur Aufgabe bewegen kann«, sagte Logan und zeigte auf Lassiter.
»Willkommen bei Larry’s.« Nelson tippte sich mit dem Coltlauf an die Stirn. »Die Rothaut hat nicht mehr alle Pfeile im Köcher. Völlig verrückt, der Bastard. Er glaubt, Uncle Sam wolle ihm sein Land stehlen, um es an Immobilienhaie weiterzuverhökern. Deshalb ist er mit ’ner Knarre in den Saloon gestürmt.«
»Was fordert er?«, hakte Lassiter nach.
»Keine Ahnung.«
»Wie? Sie haben noch nicht mit ihm gesprochen?«
»Der Kerl ist besoffen. Voll wie ein Nachttopf. Der kapiert doch eh nichts.« Nelson betrachtete seinen Revolver. »Es gibt nur eine Sprache, die diese rote Brut versteht.«
Es entstand eine Pause. Der Hass, mit dem der Hilfsmarshal die Worte ausgestoßen hatte, war unüberhörbar. Es gab keinen Zweifel: Am liebsten hätte der Mann den Indianer sofort in die Ewigen Jagdgründe expediert.
Lassiter sah Logan an. »Stimmt es, dass die Regierung Mahpee das Land wegnehmen will?«
»Ach was! Fantasien eines Saufboldes«, mischte sich Nelson ein.
»Wie kommt er denn darauf?«
Der Anwalt seufzte. »Vermutlich hat der Sioux gar nicht so Unrecht. Seinen Leuten gehört ein kleines Areal in den Bergen, oben beim Seton Pass. Das Dorf ist bestimmten Leuten ein Dorn im Auge. Es gibt Gerüchte, dass es dort wertvolle Erze gibt.«
Lassiter biss sich auf die Lippe. Wenn es am Seton Pass tatsächlich wertvolle Bodenschätze gab, hatte Mahpee nicht die geringste Chance. Früher oder später würde man das Indianerdorf überfallen und die Bewohner vertreiben. So war es bisher immer gewesen.
Ein Schussknall unterbrach Lassiters Gedanken. Im Saloon hatte jemand eine Waffe abgefeuert.
Der Deputy, der am Eingang Posten bezogen hatte, duckte sich und brachte seinen Revolver in Schussposition. Unter den Zuschauern wurde Unmut laut.
»Abknallen!«, grölte der Einäugige. »Gehen wir rein und reißen dem Indsman die Kaldaunen aus dem Leib!«
»Das wäre das Dümmste, was man tun könnte«, sagte Lassiter so laut, dass es auch die anderen Beteiligten verstanden. »Soviel ich weiß, ist Mahpee ein begnadeter Schütze. Es würde ein Blutbad geben, wenn man ihn mit Gewalt zur Aufgabe zwingen wollte.« Lassiter hob die Stimme. »Stimmen wir ab! Wer von uns hier und heute sterben will, der hebe die rechte Hand.«
Alle Hände blieben unten. Man schaute woandershin, aber keiner ging weg. Der Einäugige stapfte zum Stand und ließ sich ein Bier einschenken.
»Ich gehe jetzt rein«, sagte Lassiter.
»Warten Sie!« Nelson streckte eine Hand aus. »Geben Sie mir Ihr Schießeisen. Wenn der Redneck sieht, dass Sie ’ne Plempe haben, könnte er durchdrehen.«
Lassiter überlegte kurz. Schließlich lupfte er seinen Remington aus dem Holster. Nelson steckte sich die Waffe in den Hosenbund und stieß einen scharfen Pfiff aus.
Der Sternträger an der Saloontür warf den Kopf herum.
»Es geht los, Max!«, rief Nelson.
***
Lassiter trat an Max vorbei in den Saloon. »Ich will dir helfen, Mahpee«, sagte er laut ins Dunkel. »Sag, was du für Forderungen hast.«
Aus dem Innern des Lokals drang das dumpfe Gemurmel von Stimmen. Lassiter strengte seine Augen an, konnte aber kaum etwas erkennen. Im Raum brannte kein Licht. Alle Lampen und Kerzen waren gelöscht. Man erkannte nur schemenhafte Umrisse. Von den Geiseln war nichts zu sehen. Auch Mahpee blieb unsichtbar.
Lassiter stellte sich an das untere Ende der Bar. »Mahpee, hörst du mich?«
»Ja«, kam es von irgendwo her.
»Du weißt, wer ich bin?«
»Ja, ich kenne Sie. Sie heißen Lassiter.«
Die Antworten kamen zügig, fast ohne Lallen. Lassiter atmete auf. Womöglich war der Sioux doch nicht so betrunken wie angenommen.
»Ich möchte mit dir reden, Mahpee«, fuhr er fort.
Keine Antwort.
»Aber zuerst musst du die Männer gehen lassen.« Lassiter wartete. »Mahpee?«
»Ich habe verstanden.«
»Heißt das, du gibst sie frei?«
»Nein.«
Lassiter schob seinen Hut höher. »Wie viele Leute hast du bei dir?«
»Sechs.«
»Wer sind die Männer?«
Stille. Nur das Atmen der Geiseln war zu hören. Irgendwo, in Bodennähe, hüstelte jemand. Lassiter war nicht sicher, aber er glaubte die Stimme von Jesse Bollinger, dem Schreiner, zu erkennen.
»Mahpee?«
»Ich will ein Dokument«, sagte der Indianer, »ein Papier, in dem steht, dass mir das Land am Seton Pass auf ewig gehört.«
Nach kurzem Zögern trat Lassiter ein Stück vor. »Ich werde das Problem zur Sprache bringen«, entgegnete er. »Im Büro für Indianerangelegenheiten und beim Gouverneur, wenn es sein muss.«
»Ist das wahr?«
»Ja, das ist mein voller Ernst.« Prompt verspürte Lassiter Druck in seinem Magen. Was er da versprach, war ziemlich hochgegriffen. Ein Gouverneur, der sich für die Belange von Indianern einsetzte? Lassiter spürte, dass er sich in eine Sackgasse manövrierte. »Ich werde dafür sorgen, dass dir und deinen Leuten Gerechtigkeit widerfährt«, verkündete er.
»Wie wollen Sie das anstellen?«, fragte Mahpee nach kurzem Zögern.
»Wo ein Wille ist, da ist ein Weg.«
»Pah – nichts als Worte. Leere Worte.«
»Vertrau mir, Mahpee.«
»Warum sollte ich das tun?«
»Weil ich auf deiner Seite bin. Ich will dir helfen. Dir und deinen Leuten am Seton Pass.« Lassiter hob die Stimme. »Aber du musst mir entgegenkommen. Versprichst du mir das?«
»Was soll mich tun?«
»Lass die Männer gehen. Alle.«
Eine Zeitlang blieb alles ruhig. Nur leises Getuschel, Waffenklirren und Füßescharren, irgendwo im hintersten Winkel des Raumes.
Alsbald schälte sich eine gedrungene Gestalt aus dem Dunkel: Jesse Bollinger, der Schreiner aus der Butcher Street. Er eilte, an Lassiter vorbei, durch die Pendeltür auf die Plattform vor dem Haus.
Draußen wurde er mit großem »Hallo!« empfangen.
»Das hast du gut gemacht, Mahpee«, lobte Lassiter. »Wenn du die übrigen Männer auch gehen lässt, können wir uns sofort zusammensetzen und beraten, was wir in deinem Fall unternehmen werden.«
»Ich bin ein Indianer«, antwortete Mahpee. »Wenn ich jetzt meine Waffe niederlege, gebe ich meinen letzten Trumpf aus der Hand. Man wird mich abknallen, und kein Hahn kräht danach.«
»Niemand wird auf dich schießen. Dafür verbürge ich mich.« Trotz seiner großen Worte nagte der Zwiespalt an Lassiter. Ihm fiel das hasserfüllte Gesicht von Deputy Nelson ein. Der Mann bekam es fertig und eröffnete das Feuer, sobald er Mahpee im Visier hatte.
Lassiter biss die Zähne zusammen.
»Ich will das Dokument«, beharrte Mahpee. »Das Papier, das mir und meinen Stammesangehörigen alle Rechte auf das Land unserer Ahnen zusichert.«
»Du bekommst es, nachdem du die Männer frei gelassen hast.«
»Warum bekomme ich es nicht gleich?«
»Das wäre Erpressung.« Lassiter schnaufte. »Wo kämen wir hin, wenn jeder einen anderen bedroht, nur um zu bekommen, was er will?«
»Bin ich ein Erpresser, weil ich mein Recht einfordere?«
Ein Teufelskreis. Lassiter war nicht wohl in seiner Haut. »Lass noch eine Geisel frei, Mahpee«, sagte er halblaut. »Zeig deinen guten Willen.«
»Was ist, wenn ich es tue?«
»Dann hast du bewiesen, dass du ein ebenbürtiger Partner bist«, lautete die Antwort. »Ein Mann, mit dem man auf Augenhöhe verhandeln kann.«
Was rede ich da? Lassiter seufzte.
Drei Atemzüge später erschien die zweite Geisel, ein lang aufgeschossener Bursche in einem abgewetzten Gehrock, der als Gehilfe in der Apotheke neben dem Connor House arbeitete. Wie ein Wiesel flitzte er am Schanktisch vorbei, stieß die Schwingtüren auf und sprang hinaus ins Freie.
Erneut brandete Jubel auf.
Als er abschwoll, drang das Geräusch einer Dampfpfeife an Lassiters Ohr. Das Abfahrtssignal. Der Zug, der ihn zu Molly Grant nach Laredo bringen sollte, verließ gerade die Station.
Der nächste Zug fuhr in einer Woche.
Verdammt.
Derweil hatten sich Lassiters Augen an die Dunkelheit im Saloon gewöhnt. Er sah, dass die Geiseln hinter dem Billardtisch standen. Mahpee lauerte ein Stück weiter, hinter einer brusthohen Trennwand, an der Henkelgläser und gerahmte Fotografien hingen.
Drohend lugte die Spitze des Gewehrlaufs aus der Ecke.
Lassiter trat drei Schritte vor.
»Bleib, wo du bist!«, rief Mahpee. »Keinen Schritt weiter! Sonst knallt’s!«
Lassiter blieb stehen. Er spürte, wie sein Herz klopfte. Die Entscheidung nahte. Seine Augen durchdrangen die Dunkelheit. Er konnte den Sioux-Indianer jetzt gut erkennen.
Mahpee hatte die Deckung der Brustwehr verlassen. Jetzt stand er vor der Außenwand, die mit Ölbildern, Plakaten und Dekowaffen bedeckt war. Das Gewehr in seinen Händen zielte abwechselnd auf Lassiter und die Männer hinter dem Billardtisch.
»Das Dokument!«, keuchte Mahpee. »Ich will es sofort!«