Lassiter 2245 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2245 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Es war heller Tag, als Lisa Taylor das Fuhrwerk vor dem Leichenhaus in Walton Bluff zum Stehen brachte. Während sie noch einen Moment auf dem Kutschbock sitzen blieb, klopfte ihr das Herz wild in der Brust. Nach einer Weile gab Lisa sich einen Ruck und sprang vom Wagen. Das Zugpferd warf den Kopf hoch und schnaubte. Lisa kraulte dem Wallach die Ohren. "Keine Angst, Kit, ich komme gleich wieder."

Steifbeinig überquerte sie die Straße. An der Tür des Leichenhauses prangte ein blinkendes Messingschild: Stiller & McRudge, Bestatter. Lisa hob schnuppernd den Kopf. Der penetrante Geruch nach Karbol stieg ihr in die Nase. Sie schloss die Augen und murmelte ein kurzes Gebet. Dann drückte sie die Tür auf. Ein Mann kam in Sicht.

"Ich will meinen Bruder sehen", sagte Lisa.

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Inhalt

Cover

Impressum

Chacos Vermächtnis

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-1545-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Chacos Vermächtnis

Es war heller Tag, als Lisa Taylor das Fuhrwerk vor dem Leichenhaus in Walton Bluff zum Stehen brachte. Während sie noch einen Moment auf dem Kutschbock sitzen blieb, klopfte ihr das Herz wild in der Brust. Nach einer Weile gab Lisa sich einen Ruck und sprang vom Wagen. Das Zugpferd warf den Kopf hoch und schnaubte. Lisa kraulte dem Wallach die Ohren. »Keine Angst, Kit, ich komme gleich wieder.«

Steifbeinig überquerte sie die Straße. An der Tür des Leichenhauses prangte ein blinkendes Messingschild: Stiller & McRudge, Bestatter. Lisa hob schnuppernd den Kopf. Der penetrante Geruch nach Karbol stieg ihr in die Nase. Sie schloss die Augen und murmelte ein kurzes Gebet. Dann drückte sie die Tür auf. Ein Mann kam in Sicht.

»Ich will meinen Bruder sehen«, sagte Lisa.

Der Mann sah sie an. »Ihr Bruder? Wie ist sein Name, Miss?«

»Charles Taylor, aber alle sagten Chaco zu ihm.« Lisa merkte, dass ihr die Knie zitterten. Es war das erste Mal, dass sie ein Beerdigungsinstitut betrat. »Ich bin seine Schwester Lisa«, fügte sie hinzu.

»Ich heiße John Stiller«, versetzte der Bestatter. Er musterte die junge Frau. Lisa trug grobe Cottonhosen, eine gestreifte Hemdbluse und eine Weste aus Rohleder. Blonde Locken lugten unter der Krempe ihres Stetson-Huts hervor. Stiller schätzte das Mädchen auf knapp zwanzig Jahre. Obwohl es Männerkleidung trug, gehörte es genau zu dem Typ Frauen, nach denen er sich in seinen einsamen Männerträumen sehnte. Nachdem er sich erkundigt hatte, ob Lisa eine gute Reise gehabt hatte, führte er sie durch die Verbindungstür ins Leichenabteil.

Der Raum befand sich im rückwärtigen Teil der Baracke. Er war rechteckig und besaß keine Fenster. Für Licht sorgten zwei Öllampen, die an den Querbalken unter der niedrigen Decke hingen. Rechter Hand standen ein halbes Dutzend Pritschen, auf denen flache Strohsäcke lagen. Auf der hintersten Liege erkannte Lisa einen länglichen Körper. Das Laken, das ihn bedeckte, war mit dunklen Flecken gesprenkelt.

»Chaco?«, flüsterte sie.

Stiller stellte sich an das Kopfende der Liege. Er zog ein kummervolles Gesicht. »Sie müssen jetzt sehr stark sein, Miss.«

Lisa nahm den Hut ab. Ohne ein Wort starrte sie auf das fleckige Tuch. Hundert Meilen war sie gefahren, um dem toten Bruder die letzte Ehre zu erweisen. Chaco war Cowboy und Wrangler auf einer Ranch unweit von Walton Bluff gewesen. Es hieß, bei einem Umtrunk hätte er mit einem Revolver gespielt und sich dabei versehentlich eine tödliche Verletzung beigebracht.

Lisa seufzte schwer. Schon als kleiner Junge war Chaco ein Wildfang gewesen. Dauernd passierte ihm irgendein Missgeschick. Er war mehrmals von Bäumen gefallen, wäre einmal fast im Fluss ertrunken, war zweimal unter die Räder der Postkutsche gekommen und hatte sogar einmal eine verirrte Kugel in den Allerwertesten bekommen, als fliehende Bankräuber wild um sich ballerten.

Nun hatte ihn eine Ungeschicklichkeit das Leben gekostet. Der vom Pech verfolgte Bruder war nur sechsundzwanzig Jahre alt geworden.

Lisa war den Tränen nahe. Am liebsten hätte sie laut losgeheult. Doch sie riss sich zusammen. »Das Tuch, Mr. Stiller«, flüsterte sie, »nehmen Sie es hoch. Ich möchte sein Gesicht sehen.«

Der Mann im dunklen Anzug zögerte.

»Bitte, Mr. Stiller«, drängte sie.

»Okay, wie Sie wünschen.«

Lisa krallte die Zehen in ihre Schuhe und hielt die Luft an.

Der Bestatter beugte sich vor. Er ergriff das Laken an den oberen zwei Zipfeln. Dabei sah er Lisa noch einmal an, als wolle er sich vergewissern, dass sie dem Toten wirklich ins Gesicht sehen wollte.

Lisa nickte mehrmals.

Ohne ein Wort schlug Stiller das Tuch um.

Lisa bekam einen höllischen Schreck. Chaco glotzte sie starräugig an. Sein Kiefer klaffte weit auf, sein Mund formte einen ovalen Kreis. Der Geruch, der von seiner Leiche ausging, nahm Lisa fast den Atem.

Rasch hob sie ihr Halstuch an die Lippen.

Stiller deckte das Gesicht wieder ab. »Ich denke, das reicht«, sagte er. »Der Anblick toter Angehöriger ist nicht jedermanns Sache. Kommen Sie, Miss Lisa. Die Formalitäten klären wir besser draußen. Auf dem Hinterhof gibt es eine Terrasse mit Sitzecke. Dort können wir ungestört reden. Kann ich Ihnen eine Erfrischung reichen?«

Das Angebot des Bestatters verwirrte Lisa. Eine Erfrischung? »Ähm … nun ja. Vielleicht später.«

»Später?«

»Ich würde gern noch etwas hier bleiben.«

Stiller trat von einem Bein aufs andere. »Tatsächlich? Trotz der schlechten Luft?«

»Ja. Könnte ich bitte einen Stuhl haben?«

»Sind Sie sicher, dass …?«

»Bitte, Sir.« Lisa sah ihn groß an. »Ich bestehe darauf.«

»Ja, schon gut. Natürlich.« Es war Stiller anzusehen, dass ihm die Sache nicht recht war. Er brachte Lisa einen niedrigen Hocker, den er neben das Totenbett stellte.

»Danke.« Lisa setzte sich, legte ihren Hut auf den Schoß und strich mit gespreizten Fingern ihr Blondhaar zurück.

Stiller stand da und gab keinen Mucks von sich.

»Bitte, Sir, ich möchte allein sein.«

»Wenn ich Ihnen einen Rat geben dürfte …«

Lisa schnitt ihm das Wort ab. »Später, Mr. Stiller. Jetzt möchte ich mich von Chaco verabschieden. Ganz persönlich, Sie verstehen?«

Der Mann lächelte dünn. »Natürlich. Wenn Sie mich suchen: Ich bin draußen bei der Scheune. Gleich hinter dem Vorderhaus. Also, bis dann.«

»Ja, bis gleich.«

Auf leisen Sohlen entfernte sich der Bestatter.

Lisa blieb mit den sterblichen Überresten ihres Bruders allein. Nachdem Stillers Schritte verhallt waren, umgab sie Totenstille. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen gehört. Feierlich faltete Lisa die Hände und sprach ein leises Vaterunser.

In ihrer Erinnerung zog ein Reigen lebhafter Bilder entlang: Chaco, der sie als kleines Mädchen auf ein Pony hob. Chaco, der ihr im Silver Lake geduldig das Schwimmen beibrachte. Chaco auf der Jagd nach Eselhasen, nach Indianerart mit einem selbst gefertigten Bogen bewaffnet. Chaco als junger Mann, als er hinter einem Mesquitestrauch die rothaarige Mabel Travers küsste. Chaco als junger Cowboy, im Sattel auf einem staubbedeckten Quarterhorse. Chaco, wie er mit seinem nagelneuen Navy Colt auf Flaschen schoss.

Lisa stutzte. Auf einmal kamen ihr Zweifel. Eigentlich war ihr Bruder ein sehr guter Shooter gewesen. Mit Colt oder Winchester machte ihm so schnell keiner etwas vor. Schon seit Kindesbeinen war er mit der Handhabung von Waffen vertraut. Sogar mit einer alten Hawken-Rifle konnte er umgehen.

Seltsam. Eine dunkle Ahnung überkam Lisa. Man hatte ihr geschrieben, Chaco sei durch eigene Unvorsichtigkeit ums Leben gekommen. Dabei war er ein Experte im Umgang mit Waffen.

Lange blickte Lisa auf das befleckte Leinentuch. Trotz des unsteten Lichts zeichneten sich die Umrisse des Leichnams gut sichtbar darauf ab.

Lisa stand auf. Sie wollte einen Blick auf Chacos tödliche Verletzung werfen. Von draußen drang die Stimme von Mr. Stiller an ihr Ohr. Der Bestatter gab jemand den Befehl zum Anspannen. Hufschläge klapperten. Ein Pferd wieherte. Lisa drückte sich den Hut auf den Kopf. Dabei rutschte ihr das Halstuch vom Mund. Sie achtete nicht darauf. Sie hatte sich an den Verwesungsgeruch gewöhnt. Stück für Stück zog sie das Laken vom Gesicht des Leichnams.

Chacos verzerrte Miene ließ ihr Herz schneller schlagen. Wie er sie anstarrte! Als wolle er ihr etwas mitteilen. Lisa zauderte, aber nur ganz kurz, dann zog sie das Laken bis zum Bauch des Toten hinab.

Verblüfft betrachtete sie den unversehrten Körper. So sehr sie auch suchte, im Brust- und Bauchbereich war keine Schusswunde zu entdecken. Chacos Hemd wies nicht das winzigste Loch auf.

Lisa runzelte die Stirn. Merkwürdig. Hatte sich Chaco in den Unterleib geschossen?

Langsam zog sie das Laken tiefer. Doch auch die untere Körperregion wies keine Verletzung auf. Die grobe Cottonhose war zwar geflickt, ansonsten aber unversehrt.

Lisas Puls hämmerte. Mit einem Ruck riss sie das Tuch von der Leiche. Auf der Kleidung des Toten waren nur einige Flecke zu erkennen. Eingetrocknete Blutspritzer. Von der Schusswunde keine Spur.

Was zum Henker hat das zu bedeuten?

Die Gedanken kugelten wie Felsbrocken bei einer Steinlawine durch Lisas Schädel. Sie spürte, dass etwas in der Luft lag. Etwas furchtbar Schlimmes. Vor Anspannung spreizte sie die Finger. Es raschelte, als ihr das Leichentuch aus der Hand fiel.

Ich brauche Gewissheit.

Wild entschlossen drehte Lisa den Leichnam auf die Seite. Das Knarren des Bettgestells klang wie ein Kanonenschuss in ihren Ohren.

Jetzt, endlich, sah sie das Einschussloch – es klaffte fast mittig zwischen Chacos Schulterblättern!

»Mein Gott!«

Die Erkenntnis traf Lisa wie ein Blitz aus heiterem Himmel: Jemand hatte ihrem Bruder in den Rücken geschossen. Das tödliche Projektil war in seinem Leib steckengeblieben. Eine Unvorsichtigkeit, weil er mit der Waffe gespielt hatte? Lächerlich! Nie im Leben war das ein Unfall gewesen.

Es gab nur eine einzige Erklärung: Mord!

Lisa ließ sich fassungslos auf den Hocker fallen. Sie war wie vom Donner gerührt. Wie gebannt starrte sie auf das rußgeschwärzte Einschussloch. Kein Zweifel, ihr Bruder Chaco war hinterhältig ermordet worden!

»Was in Gottes Namen geht hier vor?«, murmelte sie.

Draußen auf dem Hof klapperten Hufschläge. Jemand knallte mit der Peitsche. Eine rauhalsige Stimme brüllte einen Fluch. Im nächsten Augenblick schepperten Wagenräder über den harten Boden.

Lisa presste sich die Hände auf die Ohren. Im Nu füllten sich ihre Augen mit Tränen. Um ein Haar hätte sie laut aufgeschrien, doch im letzten Moment riss sie sich zusammen.

Was nun?

***

Lassiter hatte schlechte Laune. Die kesse Margie Mondale hatte ihm die kalte Schulter gezeigt.

Das bildhübsche Ladenmädchen mit der traumhaften Figur tat so, als wenn sie nicht das geringste Gefühl für ihn empfand. Jedes Mal, wenn er sich mit ihr verabreden wollte, gab sie ihm einen Korb.

Die Gründe für die Abweisungen waren aus der Luft gegriffen. Lassiter glaubte Margie kein Wort. Einmal musste sie ihre an Gicht erkrankte Tante Victoria pflegen, ein andermal musste sie nach Dienstschluss in Pollmer’s Drugstore Ware auspacken, dann wiederum musste sie einer Freundin Beistand leisten, die sich unglücklich in den Kommandanten des nahe gelegenen Fort Rigg verliebt hatte. Vorgestern schützte Margie starke Kopfschmerzen vor, und gestern musste sie wieder zu dieser liebeskranken Freundin, die als Wirtschafterin auf einer Ranch arbeitete. Unentwegt erfand Margie neue Vorwände, um sich Lassiter vom Leibe zu halten.

Die ständige Erfolglosigkeit nagte an Lassiters Ehre als Frauenfreund und Verführer. Margie führte ihn an der Nase herum. Offensichtlich bereitete ihr das Spielchen großes Vergnügen.

Dass sie ihn mochte, daran bestand für Lassiter kein Zweifel. Schon bei der ersten Begegnung hatte er bemerkt, wie ihre Augen gefunkelt hatten, als er an den Ladentisch trat.

Jetzt marschierte Lassiter über den Sidewalk die Mainstreet entlang. Er war auf dem Weg zu Pollmer’s Drugstore. In seinem Kopf geisterte der Plan herum, den er am Vorabend ausgeheckt hatte. Um die Festung Margie Mondale zu erobern, musste er seine Taktik ändern.

Genau damit würde er heute anfangen.

Schon kam der Drugstore in Sicht. Das Gebäude befand sich in einem langen Häuserblock, zu dem auch eine Apotheke, ein Schmuckgeschäft und ein Metzgerladen gehörten. An dem Haltegeländer vor dem Block standen zwei gesattelte Pferde: ein Grauschimmel und ein Falbe. Beide dösten mit hängenden Köpfen vor sich hin.

Das Türglöckchen klingelte, als Lassiter in den Laden trat. Margie trug eine rot geblümte Schürze und ein maisgelbes Häubchen im Haar. Sie war gerade dabei, einen Kunden zu bedienen. Die Registrierkasse rasselte, als sie einige Tasten drückte. Mit einem Klingelton sprang die Geldschublade hervor. Margie zählte einige, kleine Münzen auf den Zahlteller. Der Kunde, ein Frisör namens Pepperson, fegte das Wechselgeld in seine hohle Hand und stopfte es sich achtlos in die Hosentasche.

Lassiter stellte sich hinter ihn.

Plötzlich hob Pepperson seinen Zeigefinger. »Ehe ich’s vergesse, Miss Margie. Zufällig ist mir ein neuer Doc-Weston-Witz zu Ohren gekommen. Ein Handelsvertreter aus St. Louis hat ihn mir erzählt. Wahnsinnig lustig, der Joke. Möchten Sie ihn hören?«

Margie bekam rote Wangen. Doc-Weston-Witze galten als ziemlich frivol. Verlegen blickte sie von einem Mann zum anderen. »Na ja,«, druckste sie, »wenn er nicht allzu lang ist.«

»Nein.« Pepperson rieb sich die Wange. »Lang ist er nicht«, sagte er und grinste anzüglich.

Maggie errötete leicht. »Na meinetwegen, erzählen Sie ihn ruhig«, sagte sie matt.

Der Frisör war ein Schwarzschopf mit einem braun gebrannten Gesicht und dunklen Haselnussaugen. Sein dünner Schnurrbart sah aus wie angeklebt. »Passen Sie auf«, sagte Pepperson und strich sich genüsslich über das pomadige Haar. »Doc Weston untersucht eine Patientin, eine lange Latte, die sechs Fuß groß ist. Er erkundigt sich, wie sie verhütet. ›Mit einer leeren Kiste‹, sagt sie. Doc Weston ist baff. ›Wie soll denn das funktionieren?‹, fragt er. ›Ganz einfach‹, versetzt die Frau. ›Mein Mann ist einen Kopf kleiner als ich. Wenn wir es tun, stellt er sich auf eine leere Munitionskiste und genau in dem Moment, in dem er glasige Augen bekommt, gebe ich der Kiste einen Tritt.‹« Pepperson lachte, dass ihm die Tränen über die Wangen kullerten.

Lassiter schüttelte den Kopf. Das war nun wirklich kein Witz für ein junges Mädchen. Solche Zoten gehörten in einen Saloon, der mit Männern gefüllt war.

Margie schlug beschämt die Augen nieder.

Der Frisör schnappte seinen Einkaufssack und warf ihn über die Schulter. »So long, Leute!« Er tippte sich an den Hutrand und ging.

Margie fummelte an ihrer Haube, als sie den Blick hob. »Was kann ich für Sie tun, Sir?«

Allein der Klang ihrer Stimme sorgte für ein Prickeln auf Lassiters Haut. Er war drauf und dran, die hübsche Verkäuferin an sich zu reißen, um sie nach Herzenslust zu küssen. Doch er rang seine Gelüste nieder und gab sich wehmütig. »Eigentlich bin ich nicht gekommen, um etwas zu kaufen, Miss Margie.« Er machte eine Kunstpause. »Ich bin hier, um mich bei Ihnen zu verabschieden.«

Sie machte große Augen. »Verabschieden? Heißt das, Sie verlassen Walton Bluff?«

»Schon morgen früh«, schwindelte er.

»Oh.« Sie ringelte eine herabfallende Locke um ihren Finger. »Ich dachte, Sie sind noch den ganzen Monat in der Stadt.«

»Dachte ich auch.« Er zog eine Leidensmiene. »Aber die Firma, für die ich arbeitete, braucht mich woanders.«

Margie griff nach einem Lappen und wischte über die Theke, obwohl diese völlig sauber war.

Lassiter wies auf das Regal, in dem Spirituosen und Weine einsortiert waren. »Ich sehe gerade, Sie haben den Whiskey da, den ich so gern trinke. Bitte geben Sie mir eine Flasche. Für unterwegs. Wenn ich mir dann einen Drink genehmige, denke ich an Sie.«

Einige Sekunden fiel kein Wort.

Margie nahm den Schnaps aus dem Regal und stellte ihn neben die Kasse. Mit flinken Fingern tippte sie den Preis ein und nannte den Preis.

Lassiter schob eine Münze auf den Zahlteller.

Margie griff danach, dabei berührten sich ihre Finger. Lassiter ließ seine Hand liegen. Er bedachte die junge Frau hinter der Barriere mit einem Blick, mit dem man Steine erweichen konnte.

Sein Plan trug erste Früchte. Margie zog die Hand nicht fort. Sekundenlang blickten sich Mann und Frau fest in die Augen.

Yeah! Lassiter fühlte, wie ihn schauderte. »Margie«, murmelte er.

Die Wangen des Ladenmädchens röteten sich.

Auf den Planken vor dem Geschäft polterten Schritte. Durch das Schaufenster erkannte Lassiter eine matronenhafte Frau mit Witwenhaube. Sie trug einen großen Einkaufskorb unter dem Arm.

Margie beugte sich über die Theke. »Heute Abend, acht Uhr«, sagte sie hastig.

»Wo?«

»Kennen Sie den Blue Point?«

»Na klar. Die Badestelle am Calm River.«

Die Tür ging auf, und die Frau mit dem Korb walzte herein. Misstrauisch beäugte sie die Anwesenden.

»Soll ich Ihnen den Whiskey in eine Tüte stecken?«, fragte Margie mit geschäftsmäßiger Stimme.

Lassiter nickte. »Ja, das wäre furchtbar nett von Ihnen, Miss.«

Unter den strengen Blicken der neuen Kundin verpackte Margie die Flasche.

Lassiter schob den Whiskey in seine geräumige Jackentasche. Leichten Herzens verließ er das Geschäft. Die Attacke auf die Festung Margie Mondale war erfolgreich verlaufen. Jetzt brauchte er nur noch ein wenig Geduld. Bis acht war es nicht mehr lange.

Durch das Schaufenster warf Lassiter noch einen raschen Blick in das Geschäft. Margie, hinter dem Ladentisch, zwinkerte ihm spitzbübisch zu.

Er zwinkerte zurück.

***