Lassiter 2270 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2270 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Ein milder Spätsommertag. Der Fluss rauschte, die Vögel zwitscherten, einige Squaws sangen, das Licht der Nachmittagssonne glitzerte auf den Wellen des Rapid Creek. White Mare schloss die Augen und sog den Duft des Waldes und des Wassers ein. Die Luft roch nach Leben und Liebe, nicht einmal ein Hauch von Tod und Verderben lag in ihr. Dabei war beides so nah.

Hier, am Oberlauf des Rapid Creek, drei Reitstunden vom Sommerlager entfernt, sammelten sie Beeren: fünf Squaws und zwei Krieger der Crow. Einer stand breitbeinig im seichten Uferwasser und zielte mit seinem Jagdbogen auf einen Fisch. Der zweite kniete neben Little Red Feather vor der Brombeerhecke. Das Paar zupfte Beeren, kicherte, neckte einander. White Mare sah noch, wie der Krieger im Uferwasser die Sehne losließ - dann krachte der erste Schuss.

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EPUB
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Seitenzahl: 147

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Lassiter und die Squaw des Schamanen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Sanjulian/Bassols

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2490-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Lassiter und die Squaw des Schamanen

Es war ein milder Spätsommertag. Der Fluss rauschte, die Vögel zwitscherten, einige Squaws sangen, das Licht der Nachmittagssonne glitzerte auf den Wellen des Rapid Creek. White Mare schloss die Augen und sog den Duft des Waldes und des Wassers ein. Die Luft roch nach Leben und Liebe, nicht einmal ein Hauch von Tod und Verderben lag in ihr. Dabei war beides so nah.

Hier, am Oberlauf des Rapid Creek, drei Reitstunden vom Sommerlager entfernt, sammelten sie Beeren: fünf Squaws und zwei Krieger der Crows. Einer stand breitbeinig im seichten Uferwasser und zielte mit seinem Jagdbogen auf einen Fisch. Der zweite kniete neben Little Red Feather vor der Brombeerhecke. Das Paar zupfte Beeren, kicherte, neckte einander. White Mare sah noch, wie der Krieger im Uferwasser die Sehne losließ – dann krachte der erste Schuss.

Das Echo brach sich in den Waldhängen der Black Hills. Schon heulte die nächste Gewehrkugel über den Fluss. Der Jungkrieger brach zusammen und stürzte mit dem Gesicht voran in den Rapid Creek. Die Wogen schlugen über ihm zusammen.

White Mare sah, wie um ihn herum sich das Wasser rot färbte. Das war der Moment, in dem die Schreckensstarre von ihr abfiel und die Panik die Oberhand gewann. Sie ließ ihren Korb stehen, ließ ihre Decke liegen, ihren Dolch, ihren Mantel – und rannte in die Uferböschung.

Alle ließen alles stehen und liegen und rannten in die Uferböschung. Der zweite Krieger packte den Arm der Häuptlingstochter Little Red Feather und riss sie hinter sich her.

Aus dem Augenwinkel nahm White Mare einen großen Fisch wahr, der auf den Wellen des Rapid Creeks schaukelte. Ein Pfeil ragte aus bläulich schimmernden Schuppen. Und Reiter nahm sie wahr, zwei, Weiße – vom Waldrand aus ritten sie den Hang herab. Sie schossen aus Gewehren in die Flussböschung.

Kugeln schlugen in Buschwerk, Birkenstämme und Uferwasser ein. Manchmal traf ein Geschoss einen der Steine, die hier überall aus der Böschung ragten. White Mare sah Funken sprühen, hörte die Querschläger pfeifen.

Die jüngeren Squaws schrien. Am lautesten Little Red Feather. Die Häuptlingstochter kreischte regelrecht. Der Krieger an ihrer Seite redete auf sie ein, blickte hilfesuchend zu White Mare.

Die machte kehrt, nahm Little Red Feathers Hand und zog sie hinter sich her. »Wir können es schaffen«, raunte sie ihr zu, und dann noch einmal lauter und für alle: »Zu den Mustangs! Wir können es schaffen!«

White Mare war mit Mitte dreißig die älteste unter den Bärensammlerinnen. Die anderen vertrauten ihr. Und als Squaw eines Schamanen genoss sie hohes Ansehen.

Der junge Krieger ging zwischen den Büschen in Deckung. Blitzschnell zog er einen Pfeil aus dem Köcher, spannte ihn in den Bogen und jagte den beiden Reitern im Fluss einen Pfeil entgegen. Einer stürzte aus dem Sattel.

White Mare wollte schon triumphieren, doch dann sah sie in der Böschung am anderen Ufer Mündungsfeuer aufblitzen. Wieder das Echo krachender Schüsse, wieder das Heulen von Gewehrkugeln. Der Krieger zwischen Büschen hatte gerade erneut den Bogen gespannt – da riss er die Arme hoch, schrie auf, drehte sich einmal um sich selbst und stürzte ins Unterholz.

White Mare biss sich auf die Unterlippe. Sie trieb die anderen an, blickte nicht mehr hinter sich. Endlich die scheckigen Leiber der Appaloosas im Eichgehölz zwischen den Birken. Die ersten Squaws schwangen sich schon auf die Rücken ihrer Mustangs. Little Red Feather riss sich von White Mares Hand los und rannte schreiend zurück.

Die Häuptlingstochter zog es mit Macht zu dem gefallenen Krieger, wollte sehen, ob er noch lebte; White Mare wusste, dass sie ihn liebte. »Reitet zum Sommerlager!«, rief sie den anderen drei zu. »Reitet, so schnell ihr könnt!« Dann machte auch sie kehrt und rannte hinter Little Red Feather her.

Sie erwischte die Häuptlingstochter nur, weil die stolperte. »Willst du denn auch sterben, du dummes Ding?« Sie riss sie aus dem Gras, zerrte die schluchzende Jungsquaw hinter sich her. Endlich erreichten sie die Mustangs. White Mare half der Jüngeren auf ihr Tier.

Sie ließen den Creek hinter sich, jagten durch den Wald, preschten den Hang hinauf und dem Bergkamm entgegen. Dahinter lag der White Crow Lake. Von dort aus war es nur noch eine Wegstunde bis ins Sommerlager.

White Mare hörte die Pferde der Verfolger hinter sich, hörte es splittern, rascheln, schnauben und stampfen. Sie bedeutete Little RedFeather, schneller zu reiten. Doch der Schmerz schien die Häuptlingstochter so sehr zu beschlagnahmen, dass es ihr nicht gelang, das Äußerste aus ihrem Mustang herauszuholen.

Die Weißen hängten sich an sie, kamen näher und näher. Sie waren mindestens zu dritt. Irgendwann holten sie White Mare und Little Red Feather beinahe ein, schlugen einen Bogen um sie und drängten sie nach Süden ab.

Kurz darauf, in der Gegend der alten Poststation, tauchte plötzlich ein Reiter neben White Mare auf. Nicht viel mehr als den Schatten von Mann und Pferd sah sie nicht. Hinter sich hörte sie die Häuptlingstochter schreien.

White Mare tastete nach der leeren Stelle an ihrem Gurt, wo sonst immer ihr Dolch hing. Eine Männerhand griff in ihr Haar und riss sie vom Rücken ihres galoppierenden Pferdes.

Vorbei. Sie war verloren. White Mare gab auf und stürzte ins Wurzelgeflecht einer alten Eiche. Ein stechender Schmerz zuckte durch ihren Schädel. Dann wurde es dunkel um sie herum.

***

Die Sonne ging unter. Eine Menge Leute auf der Mainstreet. Fuhrwerke, Postkutschen, Reiter, Fußgänger. Die Straße war eine Schlammtrasse, überall Pfützen. Es regnete. Es hatte schon geregnet, als er zwei Tage zuvor in Fort Collins aufgebrochen war. Sonne, Regen, Schnee oder sonst eine Wetterlaune – nichts, was einen wie den Mann von der Brigade Sieben aus der Ruhe bringen konnte.

Er stieg vom Pferd und band es am Hitchrack vor dem Black Rock Saloon fest. Den nassen Saddlecoat schüttelte er aus und breitete ihn über der Stange aus. »Ich kümmere mich um einen Stall für dich.« Er tätschelte dem Pferd den Hals.

Aus den offenen Fenstern des Saloons drangen Pianoklänge, Gelächter und Stimmengewirr. Er hängte Winchester und Mochilla über die Schultern, stieg den Sidewalk hinauf und öffnete die Schwingtür.

Rauchschwaden schwebten wie kleine Wolkenbänke unter Decke und Lampen. Als er das letzte Mal hier gewesen war, hatte es noch kein elektrisches Licht gegeben. Noch gar nicht so lange her. An den Tischen und um die Theke drängten sich Geschäftsleute, Eisenbahner, ein paar Abenteurer und erfreulich viele Frauen.

Lassiter ließ die Schwingtür los und nahm seinen Stetson ab. Wasser tropfte von der Hutkrempe auf die sandigen Holzdielen des Saloonbodens. Mit dem Hut klopfte er sich die Regentropfen von Jacke und Hose.

Blicke trafen ihn von allen Seiten, neugierige und misstrauische. Er nahm sie zur Kenntnis, doch sie kümmerten ihn nicht.

Der Salooner hinter der Theke beobachtete ihn mit gerunzelter Stirn. Vermutlich erinnerte er sich an ihn. War es nicht erst vor zwei Jahren gewesen, dass der Mann von der Brigade Sieben durch diese Schwingtür getreten war?

Die Männer am Tresen musterten ihn. Sogar der Mann am Piano und der eine oder andere Spieler an den Pokertischen blickten sich nach ihm um. Die Frauen betrachteten ihn mit Wohlgefallen. Lassiter hatte nichts dagegen.

Hinter ihm schwangen die Türflügel aus. Mit federndem Gang schritt er an den Tischen vorbei zur Theke. Er legte erst die Satteltaschen, dann den nassen Hut auf den letzten freien Barhocker. Seine Winchester lehnte er gegen den Thekenschrank.

Der Mann auf dem benachbarten Hocker wandte den Kopf. Er trug einen schwarzen Ledermantel und einen schwarzen Stetson. Seine schmalen grauen Augen musterten Lassiter gleichgültig. Fast ein wenig zu gleichgültig. Sein Gesicht war zerfurcht und sonnenverbrannt. Dabei war er höchstens vierzig Jahre alt.

»’n Abend, Mister«, grüßte Lassiter. Der Mann nickte und widmete sich seinem Drink.

Komischer Bursche. Sein dunkles, stoppelbärtiges Gesicht blieb reglos, als wäre es aus gebranntem Ton. Eine Narbe zog sich von seinem rechten Nasenflügel bis unter den rechten Mundwinkel herab. Blauschwarze Locken quollen unter seinem schwarzen Hut heraus. Aus den Augenwinkeln nahm Lassiter die beiden elfenbeinbeschlagenen Revolver an seinen Hüften wahr: zwei.44er von Smith & Wesson.

Jenseits der Theke baute sich der Salooner auf. »Kaffee«, sagte Lassiter. Der Salooner zog die Brauen hoch, rührte sich nicht. »Das reicht mir fürs Erste«, schob der Mann von der Brigade Sieben hinterher.

Der Salooner zuckte mit den Schultern, drehte sich um und verschwand hinter einer Tür neben dem Barschrank. Vermutlich die Küche, denn ein Hauch von Bratenduft hüllte Lassiter plötzlich ein.

Im Barspiegel sah er, dass der Kerl in Schwarz ihn von der Seite taxierte. Er achtete nicht weiter drauf, schaute sich um. An keinem Tisch entdeckte er einen Mann, auf den die Personenbeschreibung aus dem Telegramm gepasst hätte.

Machte nichts; der Mittelsmann, der ihm seinen neuen Auftrag erklären sollte, wusste ja, wen er anzusprechen hatte: Einen großen, breitschultrigen Mann mit sandfarbenem Haar, blauen Augen, wettergegerbter Haut, hellem Stetson, Mochilla über der linken, Winchestergewehr an der rechten Schulter.

Der Salooner stellte einen Becher Kaffee vor ihn hin. Lassiter löffelte Zucker hinein und rührte in der dampfenden braunen Brühe herum. Die vernarbte Miene des Burschen auf dem Barhocker neben ihm war hart und verschlossen; im Barspiegel sah der Mann von der Brigade Sieben es genau. Und die Blonde, die auf die Theke zuhielt, sah er auch.

»Mr. Lassiter?«, sagte eine rauchige Frauenstimme hinter ihm.

Er fuhr herum. Und blickte in himmelblaue Augen. »Bin ich, stimmt.«

»Dachte ich mir.« Die Blonde lächelte. Ein hübsches Lächeln.

»Kennen wir uns?« Lassiter spürte, wie der Kerl neben ihm die Ohren spitzte. Die Frau lächelte und nickte. Ihr Mund war tiefrot geschminkt, ihr Gesicht bleich und sommersprossig. »Was kann ich für Sie tun, Ma’am?« Lassiter mochte Sommersprossen auf weißer Frauenhaut.

»Mr. Rushmore bittet Sie an seinen Tisch.« Sie legte einen charmanten Augenaufschlag hin.

Rushmore – diesen Namen hatte der Mann von der Brigade Sieben im Telegramm aus Washington gelesen. Dr. George Rushmore, Rechtsanwalt in Cheyenne.

»Dann gehen wir doch einfach mal zu ihm.« Lassiter drückte der Hübschen sein Gewehr in die Hand, schnappte sich seinen Hut und seine Satteltasche und folgte ihr.

So einfach ihr blaues Kleid auf den ersten Blick wirkte, so raffiniert war es geschnitten: Er konnte sich kaum sattsehen an ihrem hin und her tanzenden Gesäß unter dem engen blauen Stoff, während er hinter ihr den Saloon durchquerte.

Sie führte ihn in ein Nebenzimmer. Zwei Tische gab es dort; an einem hockte ein kleiner dürrer Mann mit schütterem weißem Haar und Backenbart. Man sah ihm den Gentleman sofort an. Seine Miene war todernst.

Dieses Gesicht beunruhigte Lassiter irgendwie. Seine ernsten Züge verhießen nichts Gutes.

»Rushmore.« Der Mann stand auf und reichte Lassiter die Hand. »George Rushmore.«

***

Ekel weckte sie aus der Bewusstlosigkeit, Gestank von Zigarettenrauch, Schnaps und altem Schweiß. Und irgendwo schrie jemand. White Mare tastete um sich – sie lag auf feuchtem Lehmboden. Ihr Kopf schmerzte, ihre Hüfte. Sie versuchte die Augen zu öffnen. Alles drehte sich.

Ein Schatten bewegte sich auf sie zu. Ein Tier? Ein riesiger Präriewolf? Sie kniff die Augen zu, riss sie wieder auf – kein Tier, ein weißer Mann. Über ihr blieb er stehen.

Sie stemmte sich auf die Knie, blinzelte zu ihm hinauf. Der Mann trug ein rotes Hemd, dunkelbraune Weste, blaue Hosen und einen hellbraunen Hut. Er feixte.

Sein breiter Schädel, sein teigiges Gesicht, seine klobige Nase, seine kleinen, gierigen Augen – nein, so hässlich sah kein Wolf aus. Und jetzt hörte sie die Schreie deutlicher. Schreie einer Frau. Little Red Feathers Schreie?

Der Schrecken fuhr ihr in alle Glieder und machte sie schlagartig wach. Sie sprang auf, raffte ihr Kleid hoch, wich zurück und stieß gegen einen Bretterstapel. Plötzlich begriff sie, wohin man sie verschleppt hatte – in die alte Poststation.

»Schön, dass wir endlich wach sind.« Der feixende Weiße zog die rauchende Kippe aus seinem Mundwinkel und ließ sie fallen. Er zog ein Messer aus dem Waffengurt. »Dann kann’s ja losgehen.« Er steckte sich die Klinge zwischen die Zähne und öffnete seinen Waffengurt.

White Mares Schädel dröhnte. Irgendwo in einem anderen Raum, vielleicht über ihr, hörte sie einen spitzen Schrei. Little Red Feather. Was machten sie mit ihr? Überflüssige Frage. Es war klar, was sie ihr antaten. Was sie schon anderen Squaws während der letzten Zeit angetan hatten. White Mares Körper wurde ganz steif.

Der Weiße öffnete seinen Hosenbund, nahm das Messer aus dem Mund, kam noch näher. Er griff in seine Hose und White Mare fuhr herum, um nicht sehen zu müssen, was er da herausholte. Angst schnürte ihr die Kehle zu.

»Lass locker, Rothaut, dann tut’s nicht so weh.« Jetzt stand er dicht hinter ihr, sein widerlicher Geruch hüllte sie ein. Er packte ihre Hüften, zog ihr das Kleid hoch und begrapschte sie, wo kein Mann sie gegen ihren Willen berühren durfte.

Die Squaw des Schamanen atmete gegen Ekel und Brechreiz an und wandte den Kopf. Über die Schulter sah sie ihm ins breite, teigige Gesicht. Was für ein schmieriges Feixen! Was für eine dreckige Gier! Was für ein widerlicher Schakal!

Nein, sagte sie sich. Du kriegst mich nicht, niemals. Und tief in ihrem Hirn, wo eben noch Wut, Ekel und Panik gebrodelt hatten, breitete sich eisige Kälte aus. Schlagartig beruhigte sich das Chaos unter ihrer Schädeldecke. White Mare konnte wieder klar denken.

Er zerrte ihr das Kleid über die Hüften. Unentwegt sah sie ihm in die Augen. »Zier dich nicht, Weib«, feixte er. »Sei nett zu mir, dann hast du es schnell hinter dir.« Er packte sie, drehte sie um und presste sie gegen Holzstapel.

Ganz still stand sie. Abendlicht sickerte spärlich durch die schmalen Fenster unter der Decke. Ein dämmriges fahles Licht war das, und die Wände des Raumes wirkten in diesem Licht wie die schroffen Wände einer Höhle. Ein Kellergewölbe? Es roch nach Moder und Mäusekot.

White Mare spürte die Wärme, die der untersetzte Körper des Mannes ausstrahlte, spürte, wie er sich an sie drängte und sein Knie zwischen ihre Beine presste. Er schob die Hände unter ihr Kleid, grapschte nach ihren Brüsten.

Little Red Feather, die Tochter des Häuptlings, schrie lauter und lauter.Geschrei, wie man es aus schlimmen Träumen kannte. Ihr Vater, Häuptling Schwarzer Büffel, würde das Kriegsbeil ausgraben, wenn er davon erfuhr.

Der weiße Mann drückte jetzt ihre Brust zusammen. White Mare hielt den Atem an. Sie wusste genau: Was die Häuptlingstochter in diesen Augenblicken durchmachte, stand ihr noch bevor. Das Lächeln des Weißen wurde breiter, seine Augen noch schmaler und gieriger. Er griff ihr ins Haar und riss ihr Gesicht an seines.

Die Squaw des Schamanen fühlte nicht seine Lippen auf ihrem Mund, spürte nicht seine Zunge. Sie fühlte nichts außer Ekel und diese ungeheure Kälte in ihrem schmerzenden Kopf. Sie riss das Knie hoch, hörte ihn schreien, sah ihn gebückt und verkrümmt zur Seite torkeln.

Dann griff sie hinter sich, wo sie in dem Holzstapel eine Dachlatte ertastet hatte. Sie bekam sie zu fassen, riss sie aus dem Stapel, stieß sie dem Weißen mit voller Wucht in die Nieren.

Er stieß den nächsten Schmerzensschrei aus, und White Mare hob die Dachlatte hoch über den Kopf. Sie zielte auf seine Schläfe und schlug mit aller Kraft zu.

Sie hörte den dumpfen Schlag, hörte, wie ein jämmerlicher Seufzer das Geschrei des Mannes erstickte. Er kippte vornüber und schlug auf dem feuchten Boden auf.

Sie lief zur Tür, in den Gang hinaus und die schmale Treppe hinauf. Schnell, schneller! Zwei-, dreimal glitt sie auf den ausgetretenen Stufen aus. Einmal verharrte sie, lauschte. Doch von Little Red Feather war kein Schrei mehr zu hören, kein Jammern, kein Wimmern.

Weiter. Es hatte keinen Sinn, der Jüngeren beistehen zu wollen. Zu viele Männer, zu viele Waffen. Raus aus der alten Poststation, dem vertrauten Schnauben der Pferde entgegen. Undeutlich erkannte sie die Maserung ihres Mustangs, schwang sich auf seinen Rücken und hieb dem scheckigen Appaloosa die Fersen in die Flanken.

Sie jagte aus dem Innenhof der alten Poststation und zwischen die Hütten des kleinen Bergarbeiter-Nestes, das die Weißen aufgegeben hatten. Von Süden her, auf dem Reitweg, näherten sich ein Ochsenkarren und einige Reiter. Die Männer zogen an den Zügeln ihrer Pferde und blieben stehen. Es waren Weiße. Neugierig schauten sie nach ihr.

White Mare klammerte sich in der Mähne ihres Mustangs fest und beugte sich tief über den Hals des Tieres. Nur weg von der alten Siedlung! In gestrecktem Galopp jagte sie über den Reitweg, lenkte das Pferd den Hang hinauf und preschte in den Wald hinein.

Im Schutz der Douglasien riss sie an den Zügeln. Der Mustang schnaubte und stieg hoch. White Mare blickte zurück.

Zwei Pfeilschüsse entfernt lag die Poststation auf der anderen Seite des Reitweges, halb verdeckt vom Gebüsch des Waldrandes. Sie hörte das Rattern des Ochsenkarrens, hörte laute Männerstimmen und sah zwei Reiter auf schweren Wallachen aus dem Hof der Poststation kommen.

Einer trug ein gelbes Hemd und ein rotes Halstuch; langes schwarzes Haar hing ihm weit über die Schulter. Der zweite hatte ein graues Hemd an, ein gelbes Halstuch und braune Hosen. Seine hünenhafte Gestalt fiel White Mare auf.

Hinter ihnen torkelte der hässliche Kerl im roten Hemd aus dem Stationshof. Er hielt sich den hutlosen Schädel und zog einen Apfelschimmel hinter sich her.

Heißer Schreck durchzuckte White Mare. Wo war die Häuptlingstochter? Für einen Moment wich ihr das Blut aus dem Kopf. Was, bei allen Geistern des Waldes, hatten diese verfluchten Weißen mit Little Red Feather getan?

Die Squaw des Schamanen trieb ihr Pferd an, hinein in den Wald! Das Unterholz splitterte unter den Hufen des wendigen Appaloosas, Äste peitschten White Mare