Lassiter 2273 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2273 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die Geier vom Mount Hughes kreisten ruhig über den Baumwipfeln und gaben keinen Laut von sich. Sie hoben sich mit mächtigen Schwingenschlägen in die Höhe und glitten sanft durch die Lüfte.
Wells F. Cole streckte sich auf dem Rücken aus und legte die Evans-Muskete neben sich. Er richtete die Mündung gegen seinen Schädel und griff nach dem Ladestock, mit dem er den Abzug betätigen würde. Als alles seine Ordnung hatte, starrte Cole hinauf zu den Geiern.

Die Vögel kannten den Tod und wussten von seiner süßen Verlockung. Sie rochen die Verzweiflung, die in dieser Sekunde durch Coles Adern pulsierte. Die Hand des Achtundzwanzigjährigen schloss sich fest um das Holz. Er murmelte ein Vaterunser und schloss die Augen.

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Geier kennen keine Gnade

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Sanjulian/Bassols

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-2493-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Geier kennen keine Gnade

Die Geier vom Mount Hughes kreisten ruhig über den Baumwipfeln und gaben keinen Laut von sich. Sie erhoben sich mit mächtigen Schwingenschlägen und glitten sanft durch die Lüfte.

Wells F. Cole streckte sich auf dem Rücken aus und legte die Evans-Muskete neben sich. Er richtete die Mündung gegen seinen Schädel und griff nach dem Ladestock, mit dem er den Abzug betätigen würde.

Als alles seine Ordnung hatte, starrte Cole hinauf zu den Geiern. Die Vögel kannten den Tod und wussten von seiner süßen Verlockung. Sie rochen die Verzweiflung, die in dieser Sekunde durch Coles Adern pulsierte.

Die Hand des Achtundzwanzigjährigen schloss sich fest um das Holz. Er murmelte ein Vaterunser und schloss die Augen.

Der verdammte Morgen brach mit derart grellem Sonnenschein an, dass Lassiter die Decke über die Augen zog und sich mit einem Knurren zur Wand drehte. Er befeuchtete die Lippen und schmeckte den Whiskey des vergangenen Abends darauf. Die beiden Flaschen, die er im Beisein irgendeines Mädchens geleert hatte, mussten noch unter dem Bett liegen. Sie waren mit einem vergilbten Etikett beklebt gewesen, auf dem ein Kerl mit einem Ballon oder einer Glaskaraffe abgebildet waren.

Verflucht!

Der Mann der Brigade Sieben riss die Augen auf und starrte die Adobesteine vor sich an. Nach einigen Minuten fiel ihm der Name des Mädchens ein, das mit ihm die Gläser geleert hatte.

»Zur Hölle damit!«, brummte Lassiter und wälzte sich auf den Rücken. Er seufzte vor Erschöpfung. »Blanche Stone.«

Neben ihm regte sich eine zweite Gestalt und hob träge den Kopf. Es war eine rehäugige Frau von etwa fünfundzwanzig Jahren, die ihn erstaunt anblickte. Sie war offensichtlich ebenso betrunken wie er. »Lassiter? Wie … ist’s dir? Mir geht’s übler als ’nem Hund.«

Ohne eine Erwiderung winkte Lassiter ab. Er rollte sich wieder zur Seite und fasste stumm nach der Hand des Mädchens. Allmählich kehrten die Erinnerungen an die Nacht zurück, die er zu großen Teilen mit der Whiskeyflasche in der einen und Blanches Hüfte in der anderen Hand verbracht hatte.

»Kannst du nicht reden?«, fragte das Mädchen neben Lassiter. »Ich muss … langsam aufstehen.«

»Geh nur«, flüsterte Lassiter und kämpfte gegen das Brennen in der Kehle an. »Ich werd’ noch ein Stündchen schlafen.«

Blanche versetzte ihm einen groben Stoß in den Rücken und beugte sich über ihn. Sie strich sich die Locken hinter das Ohr und setzte eine gespielt strenge Miene auf. »Du kannst nicht mehr schlafen, Lassiter! Du musst um acht Uhr bei Mister O’Greece sein.«

Die Erwähnung des hiesigen Mittelsmannes der Brigade Sieben sorgte dafür, dass Lassiter noch tiefer in die Kissen sank. Er hatte das Telegramm vor zwei Tagen erhalten, in dem man ihn an Raymond O’Greece verwiesen hatte, doch nach der Sache mit Wells F. Cole spielte all das keine Rolle mehr. Er würde weder einen Mittelsmann aufsuchen noch einen Auftrag annehmen.

»Nun steh schon auf!«, sagte Blanche und rüttelte an Lassiter. Sie schob die Hände unter seine Achseln und zog ihn zur Bettkante. Als er sich nicht rührte, gab sie seufzend auf. »Vom Jammern wird Wells auch nicht wieder lebendig.«

Im selben Augenblick schoss Lassiter wieder in den Sinn, unter welchen Umständen er Blanche Stone kennen gelernt hatte. Die Rancherin mit den schwarzen Locken hatte vor dem Totenhaus gestanden, in dem Wells F. Cole gelegen hatte. Sie hatte ein schwarzes Trauerkleid getragen und sich als einzige Bekannte von Cole ausgegeben.

Sein alter Freund Wells F. Cole.

Cole hatte sich in einem Canyon des Mount Hughes flach auf die Steine gelegt, sich eine rostige Muskete an den Schädel gehalten und mit einem Stöckchen in der Hand abgedrückt.

Die Kugel hatte ihm den halben Schädel weggeblasen.

Die beiden Deputies von Sheriff Hanks hatten Wells erst zwei Tage später gefunden. Sie hatten ihn auf zwei Äste gebunden und hinunter nach Patagonia gebracht. Die Todesmeldung war eine Woche darauf im Arizona Sentinel erschienen, in dem sie Lassiter wie durch eine Fügung entdeckt hatte. Er war zu diesem Zeitpunkt in Phoenix gewesen und hatte auf einen Sträfling gewartet, der hinauf nach Fort Crittendon gebracht werden musste.

Bei Licht besehen waren Wells und er nicht einmal gute Freunde gewesen.

Sie waren einander vor Jahren in Mesilla begegnet, als Lassiter einem Schmugglerring auf den Fersen gewesen war und dessen Anführer gerade hinter Gitter gebracht hatte. Wells F. Cole hatte dem Älteren einen Drink ausgegeben, um seine Bewunderung für Lassiters Mut zum Ausdruck zu bringen. Sie hatten die halbe Nacht im schäbigsten Saloon von Mesilla miteinander geredet. Lassiter hatte dem jungen Geschäftsmann eine Menge Dinge erzählt, die er sonst mit keinem anderen besprach. Es hatte ein Vertrauen zwischen ihnen bestanden, wie es sonst zwischen zwei Fremden selten herrschte.

Nun war Wells tot.

»Du musst zu O’Greece!«, gab Blanche Lassiter abermals einen Stoß. »Ich will nicht schuld sein, wenn Mister O’Greece die Geduld verliert. Er war früher Marshal im Patagonia District.«

Das Geplauder seiner Geliebten ging an Lassiter vorüber wie ein Windhauch. Er richtete sich auf und sah sich mit vernebeltem Blick in der Kammer um. Sie waren auf der Stone Ranch – dessen entsann sich der Mann der Brigade Sieben – und hatten gemeinsam drei Flaschen feinsten Kentucky Bourbon geleert. »Mir vollkommen gleich, was O’Greece mal gewesen ist. Ich gehe nicht in die Stadt. Ich brauche meine Ruhe.«

»Und ob du gehst!«, entgegnete Blanche und setzte sich ebenfalls auf. Sie brauchte einige Sekunden, um das Gleichgewicht zu finden. Außer ihrem halb durchsichtigen Negligé trug sie lediglich ein Samthalsband um den Hals. »Ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass du von meiner Ranch verschwindest. Ich hatte … eine schöne Nacht mit dir, aber jetzt …« Sie schaute zu ihm auf und hickste. »Jetzt ist’s genug!«

Sie lieferten sich eine halbherzige Kissenschlacht, an deren Schluss sie einander wieder in die Arme sanken und ernst wurden.

»Du musst herausfinden, was Wells in den Tod getrieben hat«, meinte Blanche und fasste mit ihren zierlichen Fingern Lassiters ungleich kräftigere Hände. »Er hätte sich nicht ohne Grund umgebracht.«

Mit einem trägen Nicken pflichtete Lassiter ihr bei. Er griff nach seiner Hose, kleidete sich langsam an und trat mit dem Fuß eine der leeren Bourbonflaschen zur Seite.

Die Flasche zersplitterte am Bettpfosten.

***

Das Uhrengeschäft von Phil Schussler in der Hauptstraße von Yuma war in einem zweistöckigen Holzbau untergebracht, der den früheren Frachtdetektiv und jetzigen Landagenten Noah J. Walker an einen eleganten Salon eines Ostküstenbewohners erinnerte. Das filigrane Vordach wurde von zwei schmalen Säulen getragen, die an den Kapitellen mit gotischem Schnitzwerk verziert waren und für Yuma in etwa so charakteristisch waren wie Balletttänzerinnen in einer Eisenerzmühle. Die Auslagen in den Schaufenstern zeigten sorgfältig gearbeiteten Schmuck, den Schussler zu ebenso stolzen wie angemessenen Preisen feilbot.

»Sie hätten sich nicht herbemühen müssen«, sagte der Ladenbesitzer zuvorkommend, kaum dass Walker die Tür hinter sich geschlossen hatte. »Ich weiß aus gut unterrichteter Quelle, dass Sie ein vielbeschäftigter Mann sind.«

Der Uhrmacher war ein weißhaariger Mittfünfziger, der sich offenbar ein Vergnügen daraus machte, jeden Tag mit einem frisch gestärkten Hemd in den Laden zu treten. Er trug meist – wie auch an diesem Tag – eine schwarze Weste darüber, aus deren rechter Tasche die goldene Kette seiner Taschenuhr hing. Die Manschettenknöpfe seines Hemds waren aus purem Gold und mit winzigen Edelsteinen besetzt.

»Sie werden mich nicht um diese Ehre bringen«, erwiderte Walker und warf einen Blick auf die Vitrine neben der Tür. Sie enthielt die kostbarsten Arbeiten des Uhrmachers. »Ich wünschte nur, wir hätten einander unter erfreulicheren Umständen wiedergesehen.«

Scheu lächelnd kam Schussler um den Tresen herum. Er musterte Walker, der zwei Köpfe größer als der Ladenbesitzer war, vom Scheitel bis zur Sohle und nickte zufrieden. »Der Tod des bedauernswerten Mister Cole ist in der Tat eine Tragödie. Möge der Herrgott ergründen, welche Seelennöte ihn in diesen verhängnisvollen Entschluss getrieben haben.«

Ohne eine Äußerung durchquerte Walker den Laden und blieb vor dem Standspiegel in der Ecke stehen. Er betrachtete sich und strich sich das graue Haar glatt an den Schädel. »Seelennot ist das eine, Mister Walker, und geschäftliche Verpflichtungen das andere. Man erzählt sich im Patagonia District, dass Mister Cole ein umtriebiger Zeitgenosse war. Seine Verbindungen reichten bis nach San Francisco.«

»San Francisco!«, echote der Uhrmacher und schürzte anerkennend die Lippen. Er räumte sein Arbeitsgerät vom Tresen und verstummte für einen Augenblick. »Soweit ich mich an ihn erinnere, war Cole ein armer Tropf, der sein Glück zu machen suchte. Ich bin wahrlich bemitleidenswerteren Geschöpfen als diesem Mann begegnet.«

»Das Gewehr hat ihm den halben Schädel weggefetzt«, knurrte Walker und tippte auf eine der Uhren hinter dem Glas. »Was verlangen Sie für das gute Stück?«

Mit einer umständlichen Geste klemmte sich Schussler ein Vergrößerungsglas ins rechte Auge. Er beugte sich über den Tresen und begutachtete das von Walker ausgewählte Stück. »Zweihundert Dollar für einen guten Freund wie Sie. Vierhundert für all die armen Teufel dort draußen.«

Die Männer grinsten und wandten sich beide zum Schaufenster um. Sie verfolgten das Treiben auf der Hauptstraße, die um diese Stunde eben zum Leben erwachte. Nach einiger Zeit drehte sich Schussler halb zu seinem Nachbarn um.

»Was haben Sie auf dem Herzen, Phil?«, kam Walker dem Uhrmacher zuvor. »Ich gehe davon aus, dass Sie der Selbstmord von Wells Cole nicht nur aus einem Grund betroffen gestimmt hat.«

Schussler zog erstaunt eine Braue in die Höhe. »So ist es, Noah, verdammt, so ist es. Cole besitzt eine Uhr von mir, die allzu rasch ein schlechtes Licht auf mich werfen könnte. Er trug sie bei sich, als man ihm im Patagonia District fand.«

Arizona Sentinel

»Gut, gut«, gab Schussler sogleich zurück. Er atmete erleichtert durch. »Ich wäre Ihnen äußerst verbunden, wenn Sie mir diese Uhr beschaffen könnten. Sie könnte ein höchst fragwürdiges Licht auf meine Rolle bei Mister Coles Tod werfen.«

Mit einem schmalen Lächeln kehrte sich auch Walker seinem Gesprächspartner zu. Er hatte Schussler aus einem ganz bestimmten Grund aufgesucht, und nun zeigte sich, dass er bei dem Uhrmacher damit offene Türen einlief. Sie würden nicht lange miteinander verhandeln müssen, um das leidige Thema Wells F. Cole aus der Welt zu schaffen.

»Wissen Sie um die Redensart, dass eine Hand die andere wäscht?«, fragte Walker und kniff listig die Augen zusammen. »Nicht mehr und nicht weniger erwarte ich von Ihnen, Phil.«

»Selbstverständlich bin ich mit dieser Redensart vertraut«, versicherte Schussler rasch. Er kehrte zu seinem Tresen zurück und öffnete die Kassenschublade. »Es wird Ihr Schaden nicht sein, wenn Sie mir in dieser Angelegenheit behilflich sind, Mister Walker.«

Als der Uhrmacher eine Handvoll Scheine abzählte, wehrte Walker mit einer beschwichtigenden Geste ab. Er schritt gleichfalls zum Tresen zurück und stützte sich mit beiden Armen darauf ab. »Lassen Sie Ihre Dollars, wo sie sind. Ich will kein Geld von Ihnen. Ich möchte Ihre Loyalität. Sie müssen Stein und Bein schwören, dass Sie ausschließlich meine Interessen im Blick behalten werden.«

Zögerlich ließ Schussler das Bündel Geldscheine zurück in die Schublade sinken. Er setzte einige Male zu einer Entgegnung an, besann sich jedoch ebenso oft eines Besseren. »Sie … wollen kein Geld …?«

»Keinen einzigen Cent«, erklärte Walker mit Nachdruck. »Ich möchte lediglich, dass Sie jedermann gegenüber Stillschweigen bewahren, welche Waren Sie an Wells F. Cole geliefert haben. Es darf keine Menschenseele erfahren, in wessen Auftrag Sie gehandelt haben.«

Die Fältchen auf Schusslers Stirn vertieften sich einen Moment lang, ehe sie einem zufriedenen Gesichtsausdruck wichen. »Sie haben mein Wort darauf, dass aus meinen Büchern niemand etwas über Cole erfährt. Von Wells F. Cole habe ich nie einen einzigen Dollar erhalten.«

Über Walkers schmal geschnittene Züge ging ein sparsames Lächeln. Er deutete mit dem Finger erneut auf die Uhr unter dem Glas. »Ich nehme das gute Stück gleich mit. In diesen Zeiten ist man über jedes Stück Luxus froh, das man mit sich herumschleppen darf.«

Der Uhrmacher schloss die Auslage auf und griff die Taschenuhr mit einem Samttuch. Er polierte den gravierten Deckel des Chronographen und suchte nach einer passenden Schachtel.

»Ausgezeichnete Wahl«, murmelte Schussler vor sich hin. »Ausgezeichnete Wahl.«

***

»Gottverflucht, Sie sind der beste Mann der Brigade Sieben!«

Raymond O’Greece schritt vor Lassiter auf und ab und schüttelte wieder und wieder den Kopf. Er war ein kräftig gebauter Mann von sechzig Jahren, dem es sichtlich Mühe bereitete, angesichts seiner Entrüstung die Fassung zu bewahren. Seit einer halben Stunde erging er sich in einer Strafpredigt, die sich gewaschen hatte.

»Ich bin ein Mann der Brigade Sieben«, gab Lassiter verkatert zurück. »Sie werden leicht jemanden finden, der diesen Auftrag übernehmen kann.«

»Reden Sie keinen verdammten Pferdemist!«, brauste O’Greece auf. »Ich habe in Washington nicht ohne Grund Sie angefordert! Sie müssen uns aus dieser Misere helfen!« Er schüttelte den Kopf. »Wie hätte ich ahnen können, dass Wells F. Cole ein Freund von Ihnen ist!«

»Ein guter Freund«, bestätigte Lassiter und rieb sich das Gesicht. Der Whiskey vernebelte ihm noch immer die Sicht. »Ich habe Cole vor ein paar Jahren in Mesilla kennen gelernt. Sie würden keinen Mann finden, der anständiger ist als er.«

»Offenkundig nicht!«, donnerte O’Greece gereizt zurück. »Ich muss mit einem versoffenen Agenten vorlieb nehmen, dem sein Selbstmitleid wichtiger ist als sein Auftrag.« Er schritt in dem beengten Büro umher, das von einem abgewetzten Holzschreibtisch dominiert wurde. »Ich werde nach Washington telegraphieren, dass Sie gegenwärtig unpässlich sind. Die Sache muss an einen anderen Agenten abgetreten werden.«

»Warten Sie!«, widersprach Lassiter und stützte sich auf der Stuhllehne ab. Er schluckte den brennenden Nachgeschmack des Bourbon herunter. »Ich werde mich um den Fall kümmern. Es ist nur … Cole hat sich aus Verzweiflung getötet. Er muss an einer Angelegenheit wirklich zerbrochen sein, wenn er sich das Gewehr an den Schädel gesetzt hat. Er war der gutmütigste und wohlwollendste Mensch, den man sich vorstellen kann.«

»Ganz ohne Zweifel«, erwiderte O’Greece spöttisch. Er setzte sich an den Schreibtisch und griff nach einem Kuvert, das zuoberst lag. »Er war so gutmütig, dass er sich mit gefährlichen Männern in dieser Gegend eingelassen hat. Die Geschäfte hätten ihm den Tod bringen können, ohne dass er selbst hätte Hand anlegen müssen.«

Allmählich wurden Lassiters Gedanken klarer. »Wovon reden Sie? In welche Geschäfte war er verwickelt?«

»Landspekulation und Wasserrechte«, kam O’Greece’ Antwort wie aus der Pistole geschossen. Er zog einige Dokumente aus dem Kuvert. »Das Handelsministerium hat Abschriften von Geheimpapieren geschickt, in denen man Coles Geschäftsgebaren unter die Lupe nimmt. Ein unbescholtener Bürger scheint Ihr Freund nicht gewesen zu sein.«

Der Mann der Brigade Sieben ergriff die Papiere, die O’Greece ihm reichte. Er blätterte sie durch und überging dabei den drückenden Schmerz in seiner Stirn. »Jack Ludlow? Von der Double L Ranch?«

Als früherer Marshal spürte O’Greece offenkundig, sobald er jemanden an der Angel hatte. Er lehnte sich zurück und faltete die Hände auf dem Tisch. »Ludlow ist der unumstrittene Strippenzieher im Patagonia District. Er hat beinahe den gesamten Rinderhandel unter seiner Kontrolle.« Er lächelte. »Selbst Ihre kleine Gespielin verkauft kein Stück Vieh ohne seine Zustimmung.«

»Sie meinen Miss Stone?«, gab sich Lassiter ungerührt. »Seitdem ihr Vater tot ist, muss sie mit der Ranch allein zurechtkommen. Es verwundert mich nicht, dass sie nach einem Geschäftspartner sucht.«

»Ludlow ist eher ein Patriarch als ein Geschäftspartner«, meinte O’Greece grimmig. »Die Stone Ranch ist für ihn lediglich eine Schachfigur, die er nach Belieben von einer Stelle zur anderen schiebt. In Washington behält man Ludlow aus diesen und anderen Gründen schon länger im Auge.«