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Das Signalhorn der Lokomotive pfiff. Der Zug bremste ab, Sand knirschte zwischen Schienen und Waggonrädern. Kathrin sah ihre Eltern aus dem Schlaf hochfahren. "Sind wir schon in Fort Wallace?" Ihr Vater zog seine Uhr aus der Westentasche. "Das kann doch gar nicht sein!" Er spähte zum Fenster. "Seht ihr eine Bahnstation?"
Kathrin und Billy zogen das Fenster hoch, lehnten sich hinaus. Bergland und Waldhänge, so weit das Auge reichte. Neben der Lokomotive standen Männer und schimpften. "Steinschlag", sagte Billy. "Ich gehe raus und helfe, die Gleise frei zu räumen." Kathrin stieg mit ihm aus dem Waggon. Keine Sekunde wich sie mehr von Billys Seite seit ihrer Trauung drei Tage zuvor. Von draußen winkte sie ihren Eltern zu, die jetzt auch aus dem Zugfenster lehnten.
Es war das letzte Mal, dass sie einander lebend sahen.
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Die rechte Hand des Killers
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2695-6
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die rechte Hand des Killers
Das Signalhorn der Lokomotive pfiff, der Zug bremste ab, Sand knirschte zwischen Schienen und Waggonrädern. Kathrin sah ihre Eltern aus dem Schlaf hochfahren. »Sind wir schon in Fort Wallace?« Ihr Vater zog seine Uhr aus der Westentasche. »Das kann doch gar nicht sein!« Er spähte zum Fenster. »Seht ihr eine Bahnstation?«
Kathrin und Billy zogen das Fenster hoch, lehnten sich hinaus. Bergland und Waldhänge, so weit das Auge reichte. Neben der Lokomotive standen Männer und schimpften. »Steinschlag«, sagte Billy. »Ich gehe raus und helfe, die Gleise freizuräumen.« Kathrin stieg mit ihm aus dem Waggon. Keine Sekunde wich sie mehr von Billys Seite seit ihrer Trauung drei Tage zuvor. Von draußen winkte sie ihren Eltern zu, die jetzt auch aus dem Zugfenster lehnten.
Es war das letzte Mal, dass sie einander lebend sahen.
Der Sonnenuntergang stand kurz bevor, Abendrot waberte über der Bergsilhouette im Westen. An allen Waggons wurden Türen aufgestoßen; Fahrgäste stiegen aus, meist Männer. Viele steckten sich Zigarillos oder Zigarren zwischen die Zähne und rissen Schwefelhölzer an.
Kathrin hakte sich bei ihrem Mann unter und drängte sich an ihn. »Na, Mrs. Madison?« Billy lächelte verliebt. »Wie fühlt es sich an, endlich auf Hochzeitsreise zu sein?«
»Fantastisch!« Sie rieb die Wange an seinem Arm. »Und ich bin so gespannt auf San Francisco!«
Ein Haufen Geröll lag auf den Gleisen. Nichts Ungewöhnliches, wie Kathrin gelesen hatte: Manchmal blockierte eine Büffelherde die Trasse, manchmal entwurzelte Bäume, manchmal eben auch Steinschlag.
Der Lokomotivführer fluchte trotzdem, fuchtelte mit den Armen und teilte seine Bremser und die freiwilligen Helfer unter den Fahrgästen zur Arbeit ein. Einige schickte er mit Äxten in den Waldhang, um geeignete Stämme zu schlagen, mit denen man die größeren Felsbrocken von der Trasse hebeln konnte.
Die anderen zogen die Jacken aus, krempelten sich die Hemdsärmel hoch und griffen nach den kleineren Brocken, um sie neben das Gleisbett in die Böschung zu werfen. Auch Billy. Er war groß und kräftig und konnte zupacken wie ein Zimmermann. Dabei arbeitete er hauptsächlich im Büro. In Saint Louis führte er die Reederei seines alten Vaters.
Voller Bewunderung und mit verliebtem Blick beobachtete Kathrin das Muskelspiel seiner starken Arme während der Arbeit. Billy war mehr als zehn Jahre älter als sie. »Genau richtig für eine Zwanzigjährige«, hatte ihre Mutter erklärt, als Bill Madison um Kathrins Hand angehalten hatte. Kathrin war sich ziemlich sicher, dass sie dabei eher seine Reederei als sein reiferes Alter im Auge gehabt hatte.
Der Lokomotivführer blickte zu dem felsigen Waldhang, der etwa zwanzig Schritte links der Gleistrasse anstieg. »Frage mich, wie all die großen Brocken es trotz der vielen Bäume und der leichten Steigung bis hier herauf zu den Gleisen geschafft haben.«
Plötzlich fielen Schüsse. Die Männer, die der Lokomotivführer nach rechts in den Wald geschickt hatte, rannten schreiend zurück zum Zug – ohne Äxte und ohne Stämme. Reiter folgten ihnen, drei oder vier. Sie schossen aus Revolvern.
Die Männer vor der Lokomotive warfen sich hinter den Geröllhaufen in Deckung. Wer eine Waffe dabei hatte, legte auf die Reiter an. Keiner allerdings schoss – die Gefahr, einen der Bremser oder der Fahrgäste zwischen Zug und Reiter zu treffen, war einfach zu groß.
Kathrin stand starr vor Schreck. Anfangs begriff sie überhaupt nicht, was geschah. Billy packte sie am Arm, zog sie zwischen Geröllhaufen und Lokomotive auf die andere Seite der Trasse. Kugeln trafen den Kessel der Lok, schlugen Funken, heulten als Querschläger durch die Gegend.
»Verdammt!« Billy zischte. »Ein Überfall!« Er zog seinen Revolver. Plötzlich heulten Gewehrkugeln aus dem Felshang herunter. Einer der Männer hinter dem Geröllhaufen riss seine Arme hoch und schrie auf. Kathy sah einen Blutfleck im Rücken seines weißen Hemdes. Konnte das wahr sein?
Sie hatte von solchen Zwischenfällen gelesen, sicher. Doch in der Wirklichkeit Schüsse krachen zu hören und Blut und vermummte Männer zu sehen, war etwas ganz anderes. Kein klarer Gedanke wollte ihr gelingen in diesen Minuten.
»Weg hier!« Wieder packte Billy sie. Diesmal zog er sie an Lokomotive, Kohletender und Gepäckwagen entlang zu den Waggons. »Du musst zurück in den Zug, Sweetheart«, sagte er. »Dort bist du sicherer.«
Plötzlich tauchten Reiter auch am Zugende auf. Einige sprangen aus den Sätteln und stiegen in die hinteren Luxuswaggons, andere galoppierten weiter am Zug entlang. Mindestens sieben Reiter zählte Kathrin. Sie schossen aus Revolvern in die Waggons hinein.
»In Deckung!« Billy riss sie mit sich zu Boden. »Unter den Waggon!« Sie krochen auf das Gleis unter dem Gepäckwagen.
»Mom und Dad!«, flüsterte Kathrin.
»Wir können nichts für sie tun.« Billy lag halb auf ihr, streichelte ihren Hinterkopf und ihren Nacken, wie um sie zu beruhigen. Oder sich selbst? Sie glaubte, seine Hand zittern zu spüren.
»Ich will zu Mom und Dad.« Kathrin wusste kaum noch, was sie sagte.
»Zugräuber schießen in der Regel nicht auf Frauen«, flüsterte Billy. »Und auf Männer nur dann, wenn sie bewaffnet sind und sich wehren. Wir wissen beide, wie besonnen dein Vater ist.«
Er hatte recht, und Kathrin griff nach seiner Hand, die auf ihrem Kopf lag, zog sie auf ihre Wange, hielt sich daran fest. Billys starke warme Hand – niemals würde sie vergessen, wie die sich anfühlte.
Von allen Seiten hörten sie nun Schüsse, Hufschlag und Schrittlärm. Frauen schrien, Männer brüllten und fluchten. »Wir können weiter nichts tun, als hier liegenbleiben und abwarten, bis es vorbei ist«, versicherte Billy.
Und dann war es vorbei – jedenfalls schoss keiner mehr. Hufschlag, Schritte und Flüche verstummten. Nur da und dort hörte Kathrin noch eine Frau schreien oder eine raue Männerstimme blaffen.
Plötzlich entdeckte sie Männerstiefel. Die rannten von der Lokomotive her neben ihrem Wagen entlang, mindestens fünf Paar. Vor der Mitte des Wagens blieben die Männer stehen und traktierten den Waggon oder die Waggontür mit Brechstangen und Äxten.
Sie wollen den Gepäckwagen ausräumen, schoss es ihr durch den Kopf. Kathrin wagte nicht mehr zu atmen. Eine Brechstange knallte plötzlich auf den Fels. Der Mann, dem sie aus der Hand geglitten war, bückte sich nach ihr – und entdeckte Billy und Kathrin unter dem Waggon.
»Wen haben wir denn da?« Blitzschnell griff er zu, packte Kathrins Knöchel und zerrte sie unter dem Gepäckwagen hervor. Vergeblich versuchte Billy sie festzuhalten. Also kroch er hinter ihr her.
»Das ist meine Frau!« Er richtete sich auf, streckte die Arme in die Luft. »Bitte tun sie ihr nichts! Wir haben gerade geheiratet.«
»Glückwunsch.« Der hochgewachsene Mann, der Kathrin unter dem Wagen herausgezogen hatte, half ihr auf die Beine, hielt sie am Arm fest, betrachtete sie von den Schuhspitzen bis zum Scheitel. »Glückwunsch, sag ich.« Ein Tuch bedeckte sein Gesicht bis zur Nase. Er hatte breite Schultern. Dunkelbraunes Haar quoll unter seinem Hut hervor, seine Augen waren sehr blau. »Was für ein süßer Fang!« Er feixte, griff in Kathrins Blondhaar und wickelte es um sein Handgelenk. »Wirklich allerliebst!« Weil er ihren Kopf zur Seite riss, sah Kathrin viele Fahrgäste mit erhobenen Händen am Rand des Gleisbettes stehen. Vermummte Banditen durchsuchten sie.
»Die nehmen wir mit, Rouven!«, rief ein anderer, ein pockennarbiger junger Bursche, ähnlich blond wie Kathrin. »Die heben wir uns für heute Abend auf! Jetzt muss erst mal der Gepäckwagen ausgeräumt werden! Das Gold steckt sicher ganz hinten.«
Kathrin sah, dass Billys hochgestreckte Arme zitterten. Sie sah die blanke Angst in seinem Blick. Ihre Augäpfel drehten sich zu dem Banditen, der sie am Haar festhielt. Der feixte, zog sich plötzlich das Halstuch herunter – sein Gesicht war kantig, seine Lippen schmal – und riss Kathrins Mund an seinen. Kaum spürte sie seine Zunge in sie eindringen, schoss schon eine Faust an ihr vorbei und traf den Mann an der Schläfe.
»Lauf!«, brüllte Billy und schlug erneut zu. Der Mann, der ihr den Kuss aufzwingen wollte, ging zu Boden. Kathrin rannte los. Zwanzig Schritte bis zum Waldhang! Nur zwanzig Schritte!
Schon hörte sie Schritte hinter sich. Sie blickte zurück – der pockennarbige Blonde rannte hinter ihr her. »Weg von meiner Tochter!«, rief eine heisere und verzweifelte Männerstimme.
Kathrin raffte das Kleid hoch, rannte schneller. Von irgendwo her hört sie wieder die Stimme ihres Vaters. »Hände weg von meiner Tochter!« Erneut fielen Schüsse.
Und dann wieder Billy, ganz dicht hinter: »Lauf, Sweetheart! Lauf, so schnell du kannst!«
Der Mann hinter ihr fluchte, schlug auf dem Boden auf. Zwischen den ersten Bäumen angekommen, blickte Kathrin hinter sich. Billy lag auf dem Blonden und rang mit ihm. Ihren Vater sah sie nirgends. »Lauf!«, rief Billy. »Wenn du mich liebst, dann lauf!«
Der große Kerl, der sie unter dem Zug hervorgezogen hatte, rannte auf ihn zu, zielte mit einem Revolver auf seinen Rücken. Mündungsfeuer blitzte auf, ein Schuss fiel, Billy brüllte auf vor Schmerzen.
Kathrin fuhr herum, rannte in den Waldhang hinein. Neuer Schusslärm erhob sich, Kugeln heulten dicht an ihr vorbei.
***
Sie bogen in die First Street ein. Von weitem sah man schon Turm und Kreuz der katholischen Kirche und die Dächer der alten Militärgebäude entlang der Mainstreet. Endlich zurück zu Hause!
Captain John Stoner, rechts neben dem Colonel, drehte sich im Sattel um und nickte den Männern zu. Er sah fast ausschließlich strahlende Gesichter. Abgesehen natürlich von seinem Sergeanten, William Oaken; Big Bill Oaken hielt es für seine verdammte Pflicht, hart und grimmig aus der Uniformjacke zu gucken.
Mit drei Schwadronen waren sie im Norden unterwegs gewesen, im Indianer-Territorium. Auf der Jagd nach aufsässigen Comanchen, die im nördlichen Weideland von Texas Pferde und Vieh geraubt hatten.
Stoner war zufrieden – seine Männer hatten die Bande aufreiben, sieben räuberische Comanchen töten und zwei Dutzend gefangen nehmen können. Die hatten sie auf dem Heimweg im Staatsgefängnis von Dallas abgeliefert.
Die Schwadronen selbst hatten nur drei Mann verloren – einen hatte eine Klapperschlange gebissen, einer hatte sich beim Sturz vom Pferd das Genick gebrochen, und der dritte hatte sich einen Pfeil gefangen.
Sie bogen nach rechts in die Mainstreet ein. Frauen und Kinder liefen schon zusammen, winkten und riefen. Viele Männer hatten ihre Familien hierhergeholt. Es lebte sich gar nicht so schlecht hier in der Einöde am Trinity River.
Fort Worth war längst nicht mehr der kleine Militärposten am Ende der Welt wie noch vor zwanzig Jahren. Seit die Southern Pacific Union die Eisenbahn nach Kalifornien fertig gestellt und die Station am Nordrand der Stadt gebaut hatte, kamen immer mehr Leute nach Fort Worth. Manchmal glaubte Stoner zusehen zu können, wie die Stadt wuchs.
Sie ritten auf den Exerzierplatz hinter den alten Verwaltungsgebäuden des Forts. Captain Stoner ließ die drei Schwadronen in Reih und Glied zusammenreiten, drei Blöcke zu jeweils sechzig Mann, und nahm jedem Lieutenant die Meldung ab. Sein eigener, Timothy Mountainer, konnte sich sogar bei solchen Gelegenheiten sein angeborenes Grinsen nicht verkneifen.
Stoner ritt neben den Colonel und machte Meldung, und der Colonel richtete ein paar lobende und dankende Worte an die Männer. Kam selten vor. Schließlich verkündete er drei Tage Urlaub und ließ absitzen. Die Männer brachten ihre Pferde in die Stallungen.
Später, an der Poststelle, traf Stoner seinen Lieutenant wieder. Timmy Mountainer verschlang einen Brief, der bis zur Tür nach Parfüm duftete. Er strahlte von einem Ohr zum anderen.
»Na?« Stoner schlug ihm auf die Schulter. »Kommt sie endlich, Timmy?«
»Sie kommt!« Der hagere blonde Bursche hob den Blick, lachte in die Runde. »Yeah!« Er riss die Faust hoch. »In zwei Monaten gibt’s eine Hochzeit in Fort Worth!«
»Dann spar deinen Sold, Junge!«, rief der Major, der gerade zur Tür hereinkam. »Du weißt ja, wie viel Durst wir haben.«
»Armes Schwein!« Kopfschüttelnd und mit todtraurigem Blick fuhr Sergeant William Oaken dem Lieutenant durch den Blondschopf. »Vorbei mit der Freiheit. Nächstes Jahr um die Zeit schleichst du nach Hause wie ich jetzt und holst dir dein tägliches Donnerwetter ab. Und nach drei Monaten hat sich da bereits einiges aufgestaut, das kann ich dir versichern.«
Die Männer lachten. »Aber hinterher nimmt sie dich doch hoffentlich mit ins Bett?«, wollte der Major wissen.
»Ich mache gleich einen Umweg über die Kirche und bete dafür«, sagte der Sergeant. Gelächter begleitete ihn hinaus. »Big Bill«, wie sie ihn nannten, war ein stämmiger, stoppelhaariger Mann von Mitte dreißig, knurrig und streng, aber mit einem guten Herzen. Die Männer fraßen ihm aus der Hand, wenn es sein musste.
Stoner selbst fand keine Post in seinem Fach. Ein bitterer Geschmack kroch ihm auf die Zunge.
»Hallo, Captain.« Der Major nahm Stoner beiseite. »Schön, dass alles geklappt hat und Sie wieder gesund zurück sind. Hab mir schon erzählen lassen.« Stoner nickte, musterte den anderen wachsam. Irgendetwas wollte er von ihm. »Der General bittet Sie zu sich.«
»Nach dem Urlaub?« Eine Audienz beim Alten bedeutete meistens Arbeit. Oder Ärger. Selten eine Beförderung.
Dem Major gefror das Lächeln auf den Lippen. »Sofort, Captain. Es ist dringend.«
»Wie immer, was?« Stoner grüßte und trat ab.
Captain John Stoner war ein großer Mann mit breiten Schultern und einem kantigen Gesicht, scharf geschnittener Nase und leicht nach vorn geschobenem Kinn. Er ging auf die Vierzig zu, und in seinem dunkelblonden Haar, das ihm bis zur Schulter herabfiel, schimmerten bereits silbrige Fäden. Früher, bevor er zur Army kam, hatte er sein Geld als Boxer in den großen Städten der Ostküste verdient.
Minuten später klopfte er an der Tür der Kommandantur. Der General empfing ihn mit warmen Worten, hatte wohl schon den Bericht des Colonels gehört. Er wies ihm einen Platz am kleinen Konferenztisch unter der großen Karte, bot ihm eine Zigarre an, holte Cognac und zwei Gläser aus dem Schrank.
Sie rauchten, stießen an, plauderten ein paar Takte über die zurückliegende Expedition ins Indianer-Territorium und ein paar Bauprojekte in Fort Worth.
»Ich habe einen Auftrag für Sie, Captain.« Der General kam zum Punkt. »Eine Sache, für die ich einen Mann brauche, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann. Einen wie Sie also.«
»Danke, General, Sir. Das ehrt mich. Wann geht es los?«
»In sieben Tagen.« Der General runzelte die Stirn, grinste zugleich. »Sie wollen gleich wissen, wann es losgeht? Ohne Näheres über den Auftrag erfahren zu haben?«
»Ich bin Soldat, General, Sir. Die Army gibt mir einen Auftrag, ich steige in den Sattel und erledige ihn.«
Der General schenkte Cognac nach. Vermutlich, um zu verbergen, wie beeindruckt er war. Dann lehnte er sich zurück, musterte Stoner zufrieden und saugte an seiner Zigarre. »Erinnern Sie sich an den Zugüberfall vor zwei Jahren zwischen Grinnell und Fort Wallace?«
»Die Bridgestone-Bande, General, Sir.« Stoner nickte. »Elf Tote. Das ganze Land hat tagelang von nichts anderem gesprochen.«
»Scheußliche Geschichte.« Der General nahm sein Glas und nippte am Cognac. »Ich habe mich auf so manchem Schlachtfeld geprügelt, Captain, das können Sie mir glauben. Doch die Brutalität, mit der Foster Bridgestones Männer unter den Fahrgästen gewütet haben, ging selbst mir unter die Haut.«
»Die Köpfe der Bande laufen noch immer frei herum, wenn ich mich nicht täusche, General, Sir.« Die Zigarre schmeckte verdammt gut. Und der Cognac sowieso. Unterredungen mit dem Alten hatten auch ihre Vorteile.
»Zwei sind letzten Monat geschnappt worden.«
»Ach!«
»Am Rio Grande. Wollten sich nach Mexiko absetzen. Irgendwer war hinter ihnen her.« Der General leerte sein Glas und stieß seufzend die Luft aus. »Rouven Bentley, die rechte Hand von Foster Bridgestone, und Harley Bridgestone, der jüngere Bruder des Bandenbosses.«
»Gute Nachrichten.« Das klang nach einer bewaffneten Eskorte für einen Gefangenentransport.
»Man hat die beiden in ein Gefängnis nach El Paso gebracht.«
»El Paso?« Stoner zog überrascht die Brauen hoch. »Das liegt nicht gerade um die Ecke.«
»Mitnichten, Captain. Und die Männer sollen in Kansas vor Gericht gestellt werden, dort, wo sie die Taten verübt haben, für die sie hängen werden. In Fort Wallace, um genau zu sein.«
»In Fort Wallace?« Stoner ließ seine Zigarre ausgehen. Dann würde er heute Abend, während er sich wegen des ausgebliebenen Briefes von seiner Frau volllaufen ließ, noch etwas davon haben. »Verdammt weiter Weg, General, Sir.«
Der General nickte. »Suchen Sie sich die zehn besten Männer ihrer Schwadron aus, fahren sie mit dem Zug nach El Paso und holen Sie die beiden Gefangenen hierher. Danach bringen Sie die Galgenstricke über Land nach Vicksburg. Von dort aus geht es mit einem Dampfer über den Mississippi und den Missouri nach Kansas City, danach wieder mit der Eisenbahn bis Fort Wallace.«
»Das ist mein Auftrag, General, Sir?« Stoner hatte Schlimmeres erwartet. Auf dem Rückweg würde er in Memphis Halt machen und bei seiner Frau vorbeischauen können. Und den Kerl erschießen, mit dem sie ihn betrog.
»Das ist Ihr Auftrag, Captain.« Der General beugte sich vor und musterte ihn. »Der Major wird die technischen Dinge organisieren.«
»Verstanden, General, Sir.« Stoner war ziemlich sicher, dass seine Frau ihn betrog. Allerdings war er nicht ganz sicher, mit wie vielen Männern. Er würde auch zwei erschießen. Oder drei. »War’s das, Sir?« Der General musterte ihn noch immer. Kam da noch etwas?
»Ich sagte vorhin, ich bräuchte für diesen Auftrag einen Mann wie Sie, einen, auf den ich mich hundertprozentig verlassen kann, Captain Stoner.« Der General sprach plötzlich mit gesenkter Stimme.
»Das ist mir nicht entgangen, General, Sir.«