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Russell rannte auf die Tür zu und jagte eine Kugel über die linke Schulter. Irgendwo rief eine gellende Stimme nach dem Sheriff. Russell stieß eine Frau zu Boden, sprang über sie hinweg und sprintete am Schanktisch vorbei in Richtung Ausgang.
"Haltet ihn!", brüllte der Salooner. "Er ist ein Betrüger!"
Russell riss seinen Colt herum und feuerte blindlings. Der Barspiegel zersprang in tausend Stücke. Der Barkeeper tauchte hinter der Theke unter.
Endlich erreichte Russell den Ausgang. Ohne dass ihn jemand daran hinderte, schlüpfte er durch die Tür auf den Vorplatz. Gehetzt blickte er sich um. Am Zügelholm standen zwei Männer. Sie starrten ihn an.
Da riss der Kleinere einen Revolver hoch.
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Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2016
Cover
Impressum
Der Kartenhai von Santa Clara
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2698-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Kartenhai von Santa Clara
Russell rannte auf die Tür zu und jagte eine Kugel über die linke Schulter. Irgendwo rief eine gellende Stimme nach dem Sheriff. Russell stieß eine Frau zu Boden, sprang über sie hinweg und sprintete am Schanktisch vorbei in Richtung Ausgang.
»Haltet ihn!«, brüllte der Salooner. »Er ist ein Betrüger!«
Russell riss seinen Colt herum und feuerte blindlings. Der Barspiegel zersprang in tausend Stücke. Der Barkeeper tauchte hinter der Theke unter.
Endlich erreichte Russell den Ausgang. Ohne dass ihn jemand daran hinderte, schlüpfte er durch die Tür auf den Vorplatz. Gehetzt blickte er sich um. Am Zügelholm standen zwei Männer. Sie starrten ihn an.
Da riss der Kleinere einen Revolver hoch.
Dummkopf! Russell schoss dem Angreifer ins Bein. Es gab ein klatschendes Geräusch, als der Mann auf die Bretter krachte.
»Nicht schießen!« Der größere Mann streckte die Hände in die Luft.
Russell rannte weiter. Am Ende des Häuserblocks warf er einen Blick zurück. Die Schwingtüren des Saloons sprangen auf. Ein Knäuel Männer stolperte auf den Vorplatz des Lokals. Smithee und Forley, die Mitspieler, die er mit gezinkten Karten getäuscht hatte, hielten Revolver in den Händen.
Russell legte auf sie an, schoss – aber nicht gezielt. Er wollte seine Verfolger nur festnageln, damit sie ihm nicht zu nahekamen und er ihnen entwischte.
Nachdem er drei Schüsse abgefeuert hatte, bog er um die Ecke.
Die Quergasse lag im Dunkeln.
Russell rannte, so schnell er konnte. Zum Glück war er blendend in Form. Er musste schleunigst aus der Stadt verschwinden. Wenn Smithee und Forley ihn schnappten, sah es düster aus. Die zwei waren nicht zimperlich. Von Smithee hieß es, dass er schon einmal einen Falschspieler zum Krüppel geschlagen und einem anderen ein Ohr abgesäbelt hatte.
Russell sah sich um. Weit und breit kein Mensch in Sicht. Die Meute, die hinter ihm her war, befand sich noch auf der Main Street.
»Russ!« Die Frauenstimme kam aus dem Dunkeln.
Er warf den Kopf herum. »Matilda, du?«
Das Mädchen trat hinter einem Gebüsch hervor. »Komm’, hier lang!«
Er zögerte, für den Bruchteil einer Sekunde.
Da stürmten die Verfolger um die Ecke. Smithee führte den Trupp an. Einige Männer taumelten. Sie hatten mehr getrunken, als sie vertrugen. Trotzdem hielten sie Schusswaffen in den Händen.
»Da vorne!«, grölte einer. »Da vorne ist er!«
Ein Atemzug später fiel ein Schuss.
Russell schlug sich in die Büsche. Matilda flitzte vorneweg. Mit geschürzten Röcken kämpfte sie sich durch das Gesträuch. Russell hatte Mühe, dem leichtfüßigen Mädchen zu folgen.
»Ich muss zum Stall!«, sagte er atemlos.
»Nein«, keuchte sie.
»Aber mein Pferd …«
»Nicht zum Stall! Da erwarten sie dich zuerst.«
Er gab keine Antwort. Matilda hatte recht. Es gab in Tombstone etliche Leute, die wussten, wo er seinen Traber in Pflege gegeben hatte. Wenn er an der Pferdebox auftauchte, würden ihn seine erbosten Pokergenossen womöglich mit blauen Bohnen empfangen.
Matilda blieb stehen. Sie atmete schwer. Vorsichtig drückte sie die Zweige eines weit auskragenden Gestrüpps auseinander.
Ein schmaler Pfad kam zum Vorschein. Rechter Hand gab es einen schulterhohen Flechtzaun, auf der anderen Seite wuchsen niedrige Haselnusssträucher.
»Weiter!« Matilda lief los.
Russell eilte hinter dem Mädchen her. Eine tiefe Dankbarkeit erfüllte ihn. Ohne Matildas Eingreifen wäre er seinen Häschern wohl in die Hände gefallen. Prompt erschien das hasserfüllte Gesicht von Smithee vor seinem geistigen Auge.
»Hierher!« Matilda verschwand hinter einer Bretterwand.
Russell rannte ihr nach. Eine Weile standen sie stumm im Dunkeln. Keiner rührte sich vom Fleck. Die Bretterwand begrenzte das Grundstück des Hufschmieds. Dahinter schlossen sich seine Werkstatt und der Hühnerstall an. Russell hörte Matildas gepressten Atem. Er verspürte den Drang, seiner Retterin etwas Nettes zu sagen. Wie eine gute Fee war sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen.
»Matty, wenn du nicht …«
»Pscht!« Sie presste einen Finger auf den Mund.
Er biss sich auf die Lippe. Mit gerecktem Hals lauschte er ins Dunkel. Irgendwo, nicht allzu weit weg, erklang dumpfes Stimmengemurmel.
Der Mob aus dem Saloon! Die Kerle stritten, wo sie suchen sollten. Sie hatten die Fährte verloren. Gott sei Dank!
Russell betrachtete Matilda. Nur schemenhaft nahm er die Umrisse ihrer schlanken Gestalt wahr. Seine Gedanken glitten in die Vergangenheit zurück. Er hatte die zierliche, hübsche Rotblonde in der Moonshine-Bar, unweit des Oriental Saloons, kennengelernt. Dort hatte sie, von einem Klavierspieler begleitet, anzügliche Texte rezitiert und sich nebenbei bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Das Publikum, fast alles Männer, war vor Begeisterung außer Rand und Band gewesen.
Das erotische Programm hatte auch Russell nicht kalt gelassen. Hals über Kopf hatte er sich in Matilda verliebt. Kurz vor Mitternacht hatte er sie auf einen Drink in ein Separee eingeladen. Es hatte gefunkt, und zwar auf Anhieb. Zwei Stunden später hatte die schöne Rotblonde in seinen Armen gelegen. Aber außer einem sinnlichen Zungenkuss war nichts gewesen. Matilda hatte weitere Annäherungsversuche im Keim erstickt.
»Was ist passiert?«, fragte sie jetzt. »Was hast du angestellt, Russ?«
Er zögerte. Es war ihm peinlich, seinen misslungenen Betrugsversuch einzugestehen. Wieder einmal hatte er eine Sache gegen die Wand gefahren. Es war wie verhext! Seine Pechsträhne wollte nicht abreißen.
Matilda berührte seinen Arm. »Sag’s mir, Russ! Was ist geschehen?«
Die Sekunden verstrichen. »Sie haben mich beim Mogeln erwischt«, erwiderte er.
»Black Jack?«
»Nein, Poker.«
Matilda seufzte. »Mein Gott, Russ! Warum spielst du nicht ehrlich?«
»Weil es … weil es«, er suchte verzweifelt nach Worten, »weil es einfach zu viele gute Spieler gibt.«
Es entstand eine Pause.
Matilda sagte: »Du weißt doch, wie gefährlich das ist, wenn man sich nicht an die Regeln hält.«
Er gab keine Antwort. Natürlich wusste er das. Aber was sollte er tun? Als Berufsspieler war er zum Gewinnen verdammt. Wer verlor, verhungerte.
»Was fängst du jetzt an?«, fragte Matilda. »Hast du einen Plan?«
Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. »Ich habe da mal ein Ding gedreht, vor ein paar Jahren, drüben in Santa Clara. Die Beute musste ich zurücklassen.« Er schaute blicklos zum Himmel empor. »Ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich mir die Bucks endlich hole.«
»Um wie viel geht es?«, fragte Matilda.
»Knapp fünftausend«, versetzte er. »Nicht gerade ein Vermögen, aber immerhin. Für eine gewisse Zeit wäre ich aus dem Schneider.«
»Fünftausend!« Matilda hob die Brauen. »Das ist eine Stange Geld.«
Er nickte. »Ich könnte ein neues Leben anfangen, in Kalifornien, in Chicago, überall. Hauptsache, mich kennt keiner.«
Matilda spann den Faden weiter. »Gehört dir die Beute allein, oder gibt es da noch jemanden, der Ansprüche anmelden kann?«
Russell überlegte einen Augenblick, dann erwiderte er: »Ja, so einen Jemand gibt es. Was meinst du? Sollte ich mal Verbindung mit ihm aufnehmen?«
»Versuch macht klug«, sagte Matilda und nickte. »Wäre ich du, würde ich es tun.«
***
»Bei Gott, ich hab die Frau nicht vergewaltigt!«, rief Jasper Hicks erregt. »Marnie hat sich freiwillig zu mir ins Bett gelegt. – Und wie freiwillig«, fügte er mit Nachdruck hinzu.
Deputy Womack, der Hilfssheriff von Santa Clara, brachte ein kleines Notizbüchlein zum Vorschein. Er schlug es auf. »Wie auch immer – Miss Hillinger hat Anzeige gegen Sie erstattet. Hier steht es schwarz auf weiß: ›Jasper Hicks hat mich auf das Bett geworfen, meine Röcke hochgeschlagen und mich gegen meinen Willen zuerst von vorn und dann von hinten genommen.‹ – Hm, was sagen Sie zu der Anschuldigung, Mister?«
»Gegen ihren Willen von vorn und von hinten genommen?« Hicks kam sich vor wie im falschen Stück. »Tod und Teufel! Marnie lügt das Blaue vom Himmel! Sie hat den Anfang gemacht. Und wie sie mir eingeheizt hat. Möchten Sie Einzelheiten hören?«
Die zwei Männer standen auf der Veranda von Hicks’ Blockhaus.
Der Deputy tippte auf sein Büchlein. »Warum zum Kuckuck sollte Miss Hillinger Sie grundlos so schwer belasten, Hicks?«
»Das weiß Gott allein«, erwiderte Hicks. »Am besten, Sie nehmen Marnie in die Mangel und quetschen aus ihr heraus, was sie sich dabei denkt, solche Lügen zu verbreiten.«
»Irgendwas muss an der Sache dran sein«, beharrte Womack. »Ich kann die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Gewalt gegen hilflose Frauen ist ein abscheuliches Verbrechen.«
»Da stimme ich Ihnen zu«, sagte Hicks. »Aber ich habe nie Gewalt gegen hilflose Frauen ausgeübt. Schon gar nicht gegen Marnie Hillinger. Ganz im Gegenteil. Marnie ist MIR an die Wäsche gegangen. Dabei wusste sie, dass ich ein verheirateter Mann bin.«
Womack trat von einem Fuß auf den anderen. »Können Sie wenigstens einen Zeugen benennen, der Ihre Behauptung bestätigen kann?«
Hicks starrte den Sternträger an wie einen Geist. »Woher zum Geier soll ich einen Zeugen nehmen? Schauen Sie mich an, Womack! Sehe ich aus wie ein gottverdammter Zauberer?«
»Mäßigen Sie sich!« In dem Sternträger erwachte die Bulldogge. Er legte warnend eine Hand auf sein Holster. »Wenn Sie Schwierigkeiten machen, belege ich Sie mit einer Geldstrafe. Widerstand gegen einen Deputy im Amt. Das wird nicht billig.«
»Hat Marnie denn einen Zeugen?«
»Was?«
»Ob Marnie Hillinger einen Zeugen hat, der ihre Fantasterei bestätigt?«
»Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben«, versetzte der Hilfssheriff. »Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.«
Hicks atmete schwer. Am liebsten hätte er den Deputy am Schlafittchen gepackt, kräftig durchgeschüttelt und von der Veranda geschmissen.
Doch er riss sich zusammen.
Womack bekam es fertig und buchtete ihn ein.
Susan, Hicks Frau, bog um die Ecke. Sie kam vom Markt und trug einen aus Weidenruten geflochtenen Korb. Rasch kam sie näher. »Da ist jemand, der mit dir sprechen will, Jasper«, sagte sie.
»Wo?«
»In Flander’s Drugstore, an der Plaza.«
»Das Verhör ist noch nicht zu Ende«, sagte Womack. »Ich brauche noch einige Angaben von Ihnen, Hicks.«
Hicks ignorierte ihn und sah seine Frau an. »Wer will mich sprechen?«
»Ich weiß nicht, wie der Mann heißt. Ein großer Hagerer mit Schnauzbart. Wollte seinen Namen nicht nennen. Er sagte, ihr kennt euch von früher. Er würde dich gern wiedersehen.«
»Warum ist er nicht mitgekommen?«
Susan hob eine Achsel. »Keine Ahnung. Vielleicht ist er schüchtern. Wer weiß?«
Hicks wandte sich zum Gehen.
»Sie können jetzt nicht weggehen, Hicks«, sagte der Deputy gereizt.
»Doch, ich kann.« Hicks hatte die Nase voll von Womacks Anschuldigungen. Im Übrigen war er neugierig, wer ihn im Drugstore erwartete. »Wir setzen das Palaver später fort, Womack«, erklärte er. »Ich komme nachher zu Ihnen ins Büro, okay?«
Der Sternträger zog eine Grimasse, dann entspannte sich seine Miene. Er gab klein bei. »Na, meinetwegen. Wir sehen uns später.«
Damit schlug er sein Büchlein zu, schob es in die Jackentasche, legte grüßend zwei Finger an den Hutrand und entfernte sich.
Susan sah ihm nach. »Was wollte Womack von dir?«, fragte sie.
Hicks hatte schon eine Ausrede parat. »Er sucht nach Zeugen wegen der Schießerei neulich am Belford-Corral.«
»Das ist alles?«
»Ja, das ist alles.« Hicks tätschelte seiner Frau mit dem Handrücken die Wange.
Sie warf den Kopf zurück, griff nach dem Einkaufskorb und trug ihn ins Haus.
Hicks zündete sich eine Zigarette an. Mit gemächlichen Schritten begab er sich zu Flander’s Drugstore.
***
Russell erreichte Santa Clara am späten Vormittag.
Die Sonne brannte unbarmherzig herab. Der Kutscher wuchtete Russells Reisesack vom Dach der Kalesche. Auch zwei andere Passagiere stiegen aus: Frauen mit großen, leeren Körben, die den Wochenmarkt an der Plaza besuchen wollten.
Als Russell an Flander’s Drugstore vorbeikam, sah er durchs offene Fenster und erkannte Susan Hicks an der Ladentheke stehen. Bei Jasper, ihrem Mann, hatte er mal ein Foto von ihr gesehen. Susan hatte sich seit jener Zeit kaum verändert. Russell ging in das Geschäft und sprach sie an. Sie sollte Jasper mitteilen, dass jemand auf ihn wartete.
Im Drugstore war es heiß wie in einer Backstube. Russell lief der Schweiß in Strömen den Rücken entlang. Nicht auszuhalten, in dieser Hütte! Russell trat ins Freie heraus.
An der Plaza herrschte reges Markttreiben. Vor den Buden und Marktständen schoben sich die Menschen zu Haufen zusammen. Barfüßige Habenichtse spähten neugierig in fremde Einkaufskörbe. Die Verkäufer priesen mit viel Geschrei ihren Waren an. Ein hemdsärmeliger Mann mit Hickok-Schnurrbart zupfte die Saiten eines Violincellos. Von Musikliebhabern umringt, spielte er unablässig dasselbe Stück: »Home sweet Home«. Wahrsagerinnen mit bunten Kopftüchern lungerten umher. Ein grün-roter Papagei zog Briefumschläge mit Zukunftsvisionen aus einem umgestülpten Sombrero. Die Trödlerstände schienen kein Ende zu nehmen. Sie zogen sich bis zu dem Vorplatz des Hotel Imperial.
Russell schlenderte hin und her. Dabei hielt er ständig Ausschau nach Jasper Hicks.
Schließlich blieb er am Stand eines Antiquars stehen, der mit dünnen Romanen handelte. Die grellbunten Titelbilder gefielen ihm. Er griff nach dem obersten Heft eines Stapels: »Pat Parker und das Massaker im Whiskey Canyon«. Er schlug das Büchlein auf fing an zu schmökern. Gleich auf der ersten Seite gab es einen Toten.
Russell blätterte um, da tippte ihm jemand von hinten auf die Schulter.
Er drehte sich um und erblickte den Mann, mit dem er seinerzeit den Überfall verübt hatte. Jasper Hicks trug einen steingrauen Gehrock mit gestreifter Weste und eine übertrieben große Krawatte, dazu einen Bowlerhut nach neuester New Yorker Mode.
Die Männer sahen sich an und grinsten.
»Russell«, sagte Hicks. »Alter Schwede. Mit dir hab ich am wenigsten gerechnet.«
Russell drückte dem anderen kräftig die Hand. »Freut mich, dich so gesund und munter wiederzusehen, Jasper.«
»Gleichfalls.«
»Deine Susan ist noch genau so hübsch wie damals. Wie macht sie das bloß?«
»Gute Pflege.«
Sie lachten.
Hicks kniff die Augen zusammen. »Du bist doch nicht extra nach Santa Clara gekommen, um Süßholz zu raspeln, Russ. Da ist doch was im Busch. Was hat dich hierhergeführt, Amigo.«
Neben ihnen ertönte die krächzende Stimme des Papageis. Der Vogel saß bei einer kleinen, verhutzelten Wahrsagerin auf der Schulter. Die Frau blickte aus kleinen, stechenden Augen von einem Mann zum anderen. »Wie sieht’s aus, Gentlemen? Wollt ihr wissen, was euch das Schicksal beschert?«
Hicks hob abwehrend die Hände. »Humbug! Lassen Sie uns zufrieden, gute Frau!«
Die Wahrsagerin sagte nichts. Die Antwort übernahm der Papagei. »Ihr macht einen Fehler, Gents!«, krächzte der bunte Vogel. Dann ahmte er ein Schussgeräusch nach, das täuschend echt klang.
Die umstehenden Leute drehten erschrocken die Köpfe.
»Halt deinen Schnabel, Wild Bill.« Die Alte wandte sich ab. »Des Menschen Wille ist sein Himmelreich«, murmelte sie im Weggehen.
Russell zeigte auf das Hotel Imperial. »Komm, Jasper, gehen wir rüber ins Lokal. Ich hab ein ernstes Wort mit dir zu reden.«
Hicks erhob keine Einwände.
Die Männer schritten zum Hotel hinüber.
Durch das sonnenüberflutete Foyer gelangten sie zu dem kleinen Restaurant. Zum Glück lag der Raum im Schatten. An den Wänden hingen in bunter Reihe holzgerahmte Aquarelle von wildromantischen Landschaften: Kakteenfelder am Rio Grande, Pueblofelsen der Anasazi, geheimnisvolle Canyons im Schein des Vollmondes, eine Büffelherde beim Überqueren von Eisenbahnschienen. In einem Schaukasten lag ein großer Revolver, der dem zum Tode verurteilten Hurenmörder James Clark aus Laredo gehört hatte.
Es gab ungefähr ein halbes Dutzend Tische, an denen vereinzelt Gäste saßen. Der Kellner trug eine lange, weiße Schürze und eine Weste mit Blumenmustern. Er lehnte am Büfett und las die Zeitung. Als Russell auf ihn zutrat, legte er seine Lektüre beiseite. Zuvorkommend führte er die neuen Gäste zu einer Sitzecke im hintersten Winkel des Restaurants.
Russell bestellte Bier.
»Sofort.« Der dienstbare Geist verschwand.