Lassiter 2307 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2307 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Das klickende Geräusch kam von links. Aufdringlich laut hallte es über das weite Land. Lassiter wandte sich zur Seite. Im selben Moment zischte es und etwas streifte seinen Hals.

Reaktionsschnell ließ er sich fallen. Bevor er im kniehohen Gras landete, sah er noch das balzende Präriehuhn, das seine Luftsprünge machte und dazu Grunz- und Klicklaute ausstieß. Noch während er sich abrollte, zog der große Mann den Remington. Der nächste Pfeil sirrte dorthin, wo er eben noch gelegen hatte.

Lassiter tat, was sein heimtückischer Gegner am wenigsten erwartete: Er schnellte hoch und wirbelte herum. Der Indianer stand nur zehn Yards entfernt am Waldrand. Er war so riesig, dass Lassiter sich klein dagegen vorkam. Und der Revolver in seiner Rechten schien den Hünen überhaupt nicht zu interessieren.

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Lassiter und die wilde Russin

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3677-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Lassiter und die wilde Russin

Das klickende Geräusch kam von links. Aufdringlich laut hallte es über das weite Land. Lassiter wandte sich zur Seite. Im selben Moment zischte es und etwas streifte seinen Hals.

Reaktionsschnell ließ er sich fallen. Bevor er im kniehohen Gras landete, sah er noch das balzende Präriehuhn, das seine Luftsprünge machte und dazu Grunz- und Klicklaute ausstieß. Noch während er sich abrollte, zog der große Mann den Remington. Der nächste Pfeil sirrte dorthin, wo er eben noch gelegen hatte.

Lassiter tat, was sein heimtückischer Gegner am wenigsten erwartete: Er schnellte hoch und wirbelte herum. Der Indianer stand nur zehn Yards entfernt am Waldrand. Er war so riesig, dass Lassiter sich klein dagegen vorkam. Und der Revolver in seiner Rechten schien den Hünen überhaupt nicht zu interessieren.

Der Jagdbogen wirkte wie Spielzeug in seinen Pranken. Er sah aus, als hätte ihn ein Bildhauer aus Bronze modelliert. Sein muskelbepackter Oberkörper war nackt. Er trug Leggings und Mokassins. Der Köcher mit einem Bündel von Pfeilen hing an seiner rechten Hüfte, gehalten von einem schwarzen Ledergürtel mit einer Messingschließe der US Cavalry.

Die schwarzrote Kriegsbemalung ließ sein Gesicht noch finsterer erscheinen, als es ohnehin schon war. Er trug die jettschwarzen Haare zurückgebunden und am Hinterkopf zu einem Zopf geflochten, der ihm über die linke Schulter bis nach vorn auf die Brust hing.

Einen Moment lang hatte es den Anschein, als würde er überlegen, was er als Nächstes tun sollte. Dabei war der dritte Pfeil längst wie von selbst in seine Rechte geglitten. Seine Handbewegungen waren schnell und routiniert – und zugleich wie abgekoppelt vom Rest des Körpers, der stoische Ruhe ausstrahlte.

»Lass es sein«, warnte Lassiter ihn und ließ ihn in die Mündung des Remington blicken.

Der hünenhafte Indianer zeigte kaum Reaktion. Nichts an seiner Haltung veränderte sich. Nur seine Mundwinkel bewegten sich fast unmerklich abwärts und formten ein verächtliches Grinsen. Beinahe bedächtig legte er das Ende des Pfeils auf die Sehne und führte den Schaft über seine linke Hand, die den Bogen hielt.

Lassiter sah, dass die metallene Pfeilspitze präzise in die Visierlinie seines Sechsschüssers wies. Geradezu gelassen begann der Indianer die Bogensehne zu spannen. Lassiter glaubte es nicht. Der Kerl war entschlossen, ihm den Pfeil in den Kopf zu jagen.

Dass er sich vorher eine 45er-Kugel einfangen würde, schien ihn nicht im Mindesten zu interessieren. Dabei hatte er bis zu diesem Zeitpunkt nicht den Eindruck erweckt, lebensmüde zu sein. Und von gestern konnte er auch nicht sein. Lassiter schätzte ihn auf höchstens auf Mitte zwanzig; deshalb musste er wissen, dass es Feuerwaffen gab.

Der Indianer zog die Bogensehne weiter zu sich heran. Noch eine Handspannenlänge, und er würde den Pfeil losschnellen lassen.

Lassiter schüttelte tadelnd den Kopf, ließ den Revolverlauf nur ein winziges Stück sinken und zog durch.

In das Krachen des Remington mischte sich der Schrei seines Gegners, als ihn die Wucht des Einschusses herumschleuderte. Der Pfeil zischte schräg nach oben in den Himmel. Der Indianer schrie vor Wut und Schmerzen, doch er verstummte schon, als er von seinem Bezwinger wegstolperte.

Im nächsten Augenblick tauchte er ins Unterholz des Waldes und verschwand. Noch für Sekunden war das Knacken und Prasseln der Zweige zu hören. Die Lautlosigkeit des Fliehenden war dahin.

Lassiter ließ die Waffe sinken. Er hatte es noch nie fertiggebracht, einem Menschen in den Rücken zu schießen, und daran würde auch dieser heimtückische Überfall nichts ändern. Er fragte sich, was in dem Angreifer vorgegangen war. Hielt der Kerl sich womöglich für unverwundbar?

Achselzuckend lud der Mann der Brigade Sieben den Remington nach und ließ ihn ins Holster gleiten. Er hatte den Indianer in den rechten Oberarm oder in die Schulter getroffen. Vielleicht war es auch nur ein etwas tieferer Streifschuss.

Hufgeräusche wurden laut und entfernten sich rasch. Immerhin war der Kerl also in der Lage, zu reiten.

Erst jetzt kam Lassiter dazu, nach seinem Hals zu tasten. Schmerzen spürte er nicht, doch als er die Hand herunternahm, war Blut an seinen Fingerkuppen. Er hatte höllisches Glück gehabt. Die Pfeilspitze hatte ihm offenbar nur einen flachen Schnitt in die Haut gezogen.

Lassiter wandte sich in die ursprüngliche Richtung.

Die Villa, derentwegen er hier war, stand einsam und allein in der Weite der Landschaft. Von dem Hügel, auf dem er seinen Beobachtungsposten bezogen hatte, war das palastartige weiße Gebäude nur eine halbe Meile entfernt.

Das Präriehuhn, das ihm das Leben gerettet hatte, war nicht mehr zu sehen.

***

»Sie sind Kreole?«, fragte die Hausherrin. »Sie stammen aus New Orleans?«

Die Fenster des Salons waren weit geöffnet. Eine kräftige Sommerbrise bauschte die langen weißen Vorhänge wie Schiffssegel. Die Luftbewegung, die durch den luxuriös eingerichteten Raum strich, brachte ein wenig Erleichterung von der Hitze des frühen Nachmittags.

»Ursprünglich aus Haiti«, antwortete der Besucher. »Aber ich lebe in New Orleans so lange ich denken kann.«

»Also seit Ihrer Kindheit? Dann haben Ihre Eltern Sie mitgebracht, nicht wahr?«

»Sie sagen es, Madame.« Er sprach die Anrede französisch aus.

Sie fuhr sich mit dem Mundstück der Zigarettenspitze über die vollen Lippen. Anschließend entblößte sie ihre makellosen, perlweißen Zahnreihen, ehe sie auf das kostbare Ebenholz der Spitze biss und ihre Lippen darüber schloss.

Die Hausherrin hatte schulterlanges brünettes Haar, eindrucksvoll ergänzt von ihren melancholisch wirkenden hellbraunen Augen. Sie trug ein Sommerkleid mit einem feinen blauroten Blumenmuster. Dicht an dicht gereihte weiße Knöpfe reichten in einer senkrechten Linie vom Kragen bis zum Saum. In Ermangelung eines Dekolletees hatte sie die oberen zehn Knöpfe geöffnet. Dadurch waren ihre prall gerundeten Brüste mehr als zur Hälfte entblößt.

Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen. Das Kleid bedeckte ihre Beine fast bis hinunter zu den maßgefertigten hellbraunen Stiefeletten. So war nur ein kleines Stück ihrer Waden zu erkennen.

Sie nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette, blies den Rauch mit gespitztem Mund zur Mahagoni getäfelten Decke des Salons und fragte: »Wie war Ihr Name noch mal?«

Sie saßen sich in Sesseln aus weichem Wildleder gegenüber, zwischen ihnen ein Couchtisch. Zwei kristallene Whiskygläser standen darauf. Die großen, durchscheinenden Eisbrocken darin knisterten immer noch leicht, obwohl der Butler die Drinks schon vor zwei Minuten serviert hatte.

»Ich bin Lebrun Thibodeaux«, sagte der Kreole und ließ es so klingen, als ob er berühmt war und jeder seinen Namen kennen musste.

»Und der Grund Ihres Besuchs?«

Er lachte verhalten und tat, als hätte ihre Frage überhört. Gemächlich zupfte er eine noch eingewickelte Zigarre aus der Brusttasche seines weißen Anzugjacketts. »Wissen Sie, Madame, je länger ich Ihr Gast sein darf, desto mehr werde ich mich an Ihre geradezu liebreizende Eigenart gewöhnen.«

Seit der Mann mit seiner Kutsche vorgefahren war, wusste sie, dass sie es mit einem Halsabschneider erster Güte zu tun hatte. Und nun, da sie ihn im Salon ihrer Villa empfangen hatte, versuchte er, sie zu verspotteten – vermutlich, weil sie eine Frau war. So oder so ließ sie sich jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Thibodeaux gefährlich war.

Sie führten ein Scheingefecht mit Worten, belauerten sich und versuchten, sich gegenseitig hereinzulegen. Noch tasteten sie sich mehr oder weniger vorsichtig aneinander heran.

Äußerlich war der Kreole nicht einmal unansehnlich. Seine hellbraune Hautfarbe und die dunkelbraunen Augen bildeten einen Kontrast, der zumindest Aufmerksamkeit erweckte. Sein bartloses Gesicht wies die leichten Rundungen eines wohlgenährten Mannes auf, der sich nur selten körperlich anstrengen musste.

In vielleicht zehn Jahren würde er aufgehen wie ein Hefeteig. Noch war er schlank, und sein durchaus noch kantig zu nennendes Gesicht wurde von naturgewelltem schwarzem Haar gekrönt wie von einer Pelzhaube.

Bei aller Eleganz seines Auftretens konnte er nicht verbergen, dass er noch bis vor wenigen Jahren selbst ein Kämpfer gewesen sein musste. Selbst bei so unbedeutenden Handbewegungen wie dem Öffnen des Zigarrenpapiers offenbarte sich auf verhaltene Weise die raubtierhafte Kraft, die nach wie vor in ihm schlummerte.

Inzwischen aber war er zu einem Rang aufgestiegen, in dem die beiden Leibwächter einfach dazugehörten. Sie waren ein Statussymbol. Durch sie strahlte er bei seinem Auftreten Macht aus.

Sie hatten beiderseits der Tür Aufstellung genommen, elegant in Weiß gekleidet wie ihr Chef, und sie hatten sich nicht dazu überreden lassen, in einem der komfortablen Ledersessel Platz zu nehmen.

Noch wusste die Hausherrin den Kreolen nur ansatzweise einzuschätzen. Doch daran, dass er nicht nur ein harter Bursche, sondern auch ein krummer Hund war, zweifelte sie schon jetzt nicht mehr – auch wenn er bislang nicht damit herausgerückt war, was er mit seinem Besuch eigentlich bezweckte. Wie der typische Kunde ihres Hauses und der käuflichen Ladys sah er jedenfalls nicht aus.

Sie stimmte in sein Lachen ein, fuhr sich erneut mit dem Ebenholzmundstück über die Lippen und gurrte: »Was Sie nicht sagen. Sie haben eine Eigenart an mir erkannt? Darf man erfahren, um was für eine Marotte es sich handelt?«

Er schälte die Zigarre aus dem buntbedruckten Papier. Während er dabei interessiert seine manikürten Finger betrachtete, erwiderte er: »Aber gern.« Er hob den Kopf und sah sie an. »Sie stellen jede Frage zwei Mal.«

»Stört Sie das?« Ihre Miene blieb unbewegt.

»Himmel, nein!«, rief er und lachte erneut, diesmal übertrieben laut. »Ich sagte doch, ich betrachte es als eine liebreizende Eigenart. Im Zuge unserer zukünftigen Geschäftsbeziehung werde ich Ihre Gewissenhaftigkeit, die sich dahinter verbirgt, sehr zu schätzen wissen.« Er zündete seine Zigarre mit kurzen, paffenden Zügen an.

Sie horchte auf, ließ sich aber nichts anmerken. Dass er von einer Geschäftsbeziehung sprach, war ein erster Hinweis auf seine möglichen Absichten.

Nichtsdestoweniger klang ihr sein vermeintliches Lob zu schleimig. Deshalb ging sie weder darauf noch auf die erwähnte Geschäftsbeziehung ein und entgegnete: »Sie interessieren sich also für die Dienstleistungen meines Hauses? Oder sind es eher die Warenangebote?«

»Es ist eher das Gesamtgeschäft«, antwortete er und blickte dem stahlgrauen Tabakrauch nach, wie er sich zur Schwade ballte und der Zimmerdecke entgegenschwebte. Einen Moment lang schien er zu sinnieren, dann richtete er den Blick wieder auf seine Gastgeberin und sagte beinahe unterwürfig: »Entschuldigen Sie, dass ich mir Ihren Namen nicht merken kann – bislang nicht. Man spricht in Medicine Bow und in Cheyenne immer nur von ›der Russin‹, wenn Sie gemeint sind.«

»Damit bin ich sehr zufrieden«, erwiderte sie und lächelte stolz. »Mein Name ist Antonina Rybakova. Wissen Sie, es gefällt mir, wenn man mich ›die Russin‹ nennt. Daraus spricht Respekt. Man achtet mich – und das, was ich hier aufgebaut habe.«

»Mit dem Geld Ihres Mannes.« Thibodeaux stieß neue Rauchwolken aus.

»Meines Ex-Mannes«, verbesserte sie ihn, immer noch lächelnd.

Er überhörte es. »Wie auch immer«, sagte er, sog an der Zigarre und winkte ab, als er sie sinken ließ. »Sie sind eine Frau, Antonina. Ich darf Sie doch Antonina nennen?«

»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Vielleicht später mal – falls wir uns überhaupt näher kennenlernen. Im Übrigen bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich eine Frau bin.«

Thibodeaux schluckte die Demütigung und lächelte überlegen. »Sie sind eine schwache Frau, Madame. Und Sie sind allein auf weiter Flur, im wahrsten Sinn des Wortes. Ihr Unternehmen ist zum Scheitern verurteilt.«

»Was Sie nicht sagen, Monsieur Thibodeaux.« Antonina schürzte spöttisch die Lippen. »Sie schätzen mich völlig falsch ein. Aber das ist ja auch gar kein Wunder, weil Sie mich überhaupt nicht kennen.«

Der Kreole hob die Augenbrauen. »O, wenn Sie sich da nur nicht täuschen. In Medicine Bow wird viel über Sie geredet. Man braucht nur die Ohren zu spitzen, dann erfährt man alles.«

Antonina stieß einen verächtlichen Laut aus. »Sind Sie ein Mann, der etwas auf Gerüchte gibt? Dann sollten Sie wissen, dass man wahrheitsgemäße Informationen nur an der Quelle erhält.«

»Sie haben völlig recht, Madame.« Thibodeaux nickte bekräftigend. »Auf Gerüchte allein sollte man sich nicht verlassen. Deshalb bin ich hier, bei Ihnen. Und es gibt noch einen weiteren Grund. Ich habe Ihnen ein Angebot zu machen, das Sie nicht ablehnen können.«

***

Lassiter zog den Lederbeutel mit seinem Rasierzeug aus der Satteltasche. Er wickelte den runden, messinggefassten Rasierspiegel aus den schützenden Lappen, stopfte den Beutel zurück in die Satteltasche und nahm den Spiegel und das Verbandszeug mit, das er zusammengerollt in weichem Leder mit sich führte.

Im Vorbeigehen tätschelte er den Hals des Rappen. Das hochbeinige ehemalige Kavalleriepferd reagierte, indem es den Kopf zu ihm wandte und ihm mit seiner weichen Nase einen sanften Stups auf den Oberarm versetzte. Nur ein paar Schritte weiter, am Waldrand, setzte sich der große Mann ins hohe Gras und lehnte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm.

Seine Winchester hatte er bereits zu seiner Rechten an den Stamm gelehnt. Er konnte das Gefühl nicht loswerden, dass die Gefahr keineswegs schon vorüber war. Möglich, dass der Indianer seine Wunde verbunden hatte und einen neuen Angriff plante. Möglich aber auch, dass er auf Verstärkung wartete. Es war bekannt, dass Banden von rebellischen jungen Cheyenne die Gegend unsicher machten.

Vielleicht kundschaftete der hünenhafte Indsman das Gebiet am Medicine Bow River aus. Durchaus denkbar, dass er eine Gruppe von Kriegern anführte, die aus einer Reservation ausgebrochen waren und nun einen Überfall auf die einsame Villa planten.

Lassiter machte sich nichts vor. Die Indianer betrachteten ihn womöglich als Störenfried. Wenn es so war, würden sie alles versuchen, um ihn zu beseitigen, bevor er die Bewohner des palastartigen Anwesens warnen und beschützen konnte. Letzteres entsprach sogar der Mission, die ihn hierher führte, ins Carbon County, Wyoming.

Das Unterholz setzte sich als baumloses Dickicht fort und bedeckte den vor ihm abfallenden Hang mit filzigem Grün. Linker Hand, wo die Villa stand, floss der Medicine Bow River ins Blickfeld. Geradeaus, nach Norden hin, endete die Buschzone am Fuß des Hügels und ging über in das spärlich bewachsene, nahezu flache Land der Laramie Plains.

Gelegentlich klangen Hufgeräusche auf und verstummten dann wieder – wahrscheinlich immer dann, wenn der Reiter in einer Bodensenke oder hinter einem Hügel verschwand. So oder so deutete der Hufschlag darauf hin, dass der Indianer noch irgendwo in der Gegend herumgeisterte. Mal schien er weiter entfernt zu sein, mal näher. Zu sehen bekam der Mann der Brigade Sieben ihn jedoch nicht.

Er ließ sich dadurch nicht nervös machen. In aller Ruhe benutzte er den Rasierspiegel, um seine Halswunde zu untersuchen und zu versorgen. Es handelte sich um einen Schnitt von halber Daumenlänge, der die Haut aber nur oberflächlich angekratzt hatte.

In der Lederrolle mit dem Verbandszeug befand sich ein dunkelbraunes Fläschchen, das »Moonshine« enthielt. Das war illegal gebrannter, hochprozentiger Whisky, wie man ihn in den Bergen von Kentucky bei den Schwarzbrennern kaufen konnte.

Zum Trinken eignete sich der Fusel nur bedingt, beim Desinfizieren von Wunden leistete er aber hervorragende Dienste. Lassiter betupfte die Halswunde damit. Er presste die Lippen aufeinander und kniff die Augen zusammen, als das Brennen ihn wie von einem glühenden Messer durchzuckte.

Er ignorierte den Schmerz und legte sich einen Verband an, indem er eine weiße Bindenrolle benutzte. Um den Sitz des Verbands zu kontrollieren, blickte er noch einmal in den Rasierspiegel.

Und da sah er ihn.

Über den Messingrand des Spiegels hinweg.

Der Indianer brach aus einem weiter hügelabwärts gelegenen Waldstück hervor. Er ritt einen stämmigen braun-weißen Schecken, und er legte ein beträchtliches Tempo vor.

Lassiter runzelte die Stirn. Etwas stimmte nicht an dem Bild. Der Mann war auf der Flucht, eindeutig. Hatte er dem bronzehäutigen Hünen mit seiner Kugel einen solchen Respekt eingeflößt, dass er nun plötzlich wie von Furien gehetzt davonjagte? Wohl kaum.

Das Rätsel löste sich Augenblicke später von selbst.