Lassiter 2313 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2313 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Gütiger Himmel! Das Gejaule der Kojoten war nicht mehr auszuhalten! Marshal Ray Gibson ließ fluchend die Dime Novel sinken, in der er gerade las. Aus verengten Augen spähte er zu dem Hügel, hinter dem die Tierstimmen erklangen. Ein warmer Windhauch strich dem Sternträger ins Gesicht. Er glaubte den schwachen Geruch von Blut zu riechen. Nur Einbildung? Er blickte auf das Heft auf seinem Schoß: Pecos Bill und das Massaker in der Apachenschlucht. Das Geheul schwoll an. Es hörte sich an, als hätten sich alle Kojoten aus Warp County hinter der Anhöhe versammelt. Gibson verspürte große Lust, den Aasfressern mit seinem Colt eins auf den Pelz zu brennen. Als der Lärm sich noch steigerte, platzte dem Marshal der Kragen. Er rappelte sich auf, klopfte sich das Gras von der Hose und rückte seinen Hut zurecht. Dann griff er nach seinem Sechsschüsser.

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Seitenzahl: 134

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Heißes Gold aus Topeka

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-3862-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Heißes Gold aus Topeka

Gütiger Himmel! Das Gejaule der Kojoten war nicht mehr auszuhalten! Marshal Ray Gibson ließ fluchend die Dime Novel sinken, in der er gerade las. Aus verengten Augen spähte er zu dem Hügel, hinter dem die Tierstimmen erklangen. Ein warmer Windhauch strich dem Sternträger ins Gesicht. Er glaubte den schwachen Geruch von Blut wahrzunehmen. Nur Einbildung? Er blickte auf das Heft auf seinem Schoß: Pecos Bill und das Massaker in der Apachenschlucht.

Das Geheul schwoll an. Es hörte sich an, als hätten sich alle Kojoten aus Warp County hinter der Anhöhe versammelt. Gibson verspürte große Lust, den Aasfressern mit seinem Colt eins auf den Pelz zu brennen. Als der Lärm sich noch steigerte, platzte dem Marshal der Kragen. Er rappelte sich auf, klopfte sich das Gras von der Hose und rückte seinen Hut zurecht.

Dann griff er nach seinem Sechsschüsser.

Wie gewöhnlich war die Waffe geladen: In allen sechs Kammern steckten Patronen vom Kaliber 45. Gibson schnalzte mit der Zunge, ließ den Colt von der Rechten in die Linke schnellen und bog auf den Trampelpfad ein, der sich in Schlangenlinien um den Hügel wand.

Auf halbem Wege sah er einen rotköpfigen Truthahngeier, der gemächlich am Himmel kreiste. Hin und wieder ließ sich der hässliche Vogel fallen, stieg dann erneut in die Höhe und zog seine kreisenden Bahnen weiter. Gibson schloss sein linkes Auge, richtete den Revolver auf den Geier – und ließ seine Zunge im Mund knallen.

Der Vogel stieg ein Stück höher.

Von der Sonne geblendet, kniff Gibson die Augen zusammen. Der Geier war nur noch ein Punkt am Himmel, nicht viel größer als ein Staubkorn.

Das Geheule der Kojoten war leiser geworden. Vermutlich hatte ein Kundschafter der Präriewölfe seinen Artgenossen das Nahen des Zweibeiners angekündigt.

Einen Moment lang kam Gibson in den Sinn, zu Pecos Bill und dem Massaker in der Apachenschlucht zurückzukehren. Seit einiger Zeit gehörte es zu seinen lieb gewonnenen Ritualen, nach getaner Arbeit zwei, drei Kapitel in einem spannenden Roman zu lesen, am liebsten unter der Schwarzeiche am Warlock Corral, dem westlichsten Zipfel von Lamarr City.

Sollten die Kojoten ihm den Buckel runterrutschen.

Vielleicht reichten ein paar Schüsse, und die Radaubrüder zerstreuten sich in alle Winde.

An einem Holzpfahl, an dem ein Wegweiser hing, blieb der Marshal stehen. Den Colt im Hüftanschlag, lauschte er angespannt.

Zu seinem Erstaunen heulten die Kojoten nicht mehr. Es war, als hätte man ihnen befohlen, das Maul zu halten.

Gibson war hin und her gerissen. Einerseits zog es ihn mit aller Macht zu seinem Schmöker zurück. Er wollte unbedingt wissen, ob es Pecos Bill gelang, mit heiler Haut aus dem Hinterhalt zu entkommen. Andererseits plagte ihn die Neugierde. Was in aller Welt hatten die Kojoten im Büffelgras hinter dem Hügel entdeckt? Warum veranstalteten sie so einen Rabatz darum?

Versonnen richtete Gibson seinen Blick zu dem Geier empor. Nach wie vor zog der große Vogel seine Bahnen.

Ein Stück hinter ihm kamen einige dunkle Pünktchen in Sicht, die schnell größer wurden.

»Krähen«, murmelte Gibson.

Es war ein ganzer Schwarm. Er kam aus Richtung Nordwesten und steuerte die Anhöhe an, hinter der die Präriewölfe den Lärm veranstaltet hatten.

Gibson ließ den Revolver sinken. Offenbar war ein großes Tier im hohen Gras verendet, und die Ausdünstungen seines Kadavers lockten allerlei fresslustiges Pack herbei. Gibson rümpfte die Nase. Aasgeruch war nicht gerade sein Lieblingsduft. Eigentlich gehörte es nicht zu seinen Aufgaben, verendete Tiere zu beseitigen. Dafür war Doc Mangold, der Tierarzt in Warp County, zuständig.

Die Krähen ließen sich nieder. Gibson hörte sie krächzen. Sogleich bekamen sie Streit mit den Kojoten. Im nächsten Augenblick sank der Geier wie ein Stein vom Himmel. Er verschwand im wogenden Grün.

An vielen Stellen wuchs das Gras so hoch, dass es einen Menschen überragte. Auf einem gemähten Trampelpfad lief Gibson ein Stück, bis er an den Rand der Prärie gelangte. Die höchsten Stängel reichten ihm bis an den Hut, dabei gehörte er zu den größten Männern in Lamarr City.

Knurrig beäugte er die hohen, vom Wind bewegten Stängel. Er wünschte sich sein Pferd herbei. Im Sattel des Rotbraunen hätte er bequem Umschau halten können. Doch der Traber stand eine Meile entfernt im Stall hinter dem Marshal’s Office.

Gibson tauchte in das Grasmeer ein. Die Stängel peitschten sein Gesicht, als er sich eine Gasse bahnte. Mit jedem Schritt, den er tat, schien der unangenehme Geruch stärker zu werden.

Ein dorniger Zweig zerkratzte ihm die Hand. Gibson fluchte laut. Wie so oft hatte er seine Handschuhe vergessen. Sie steckten warm und trocken in der Satteltasche.

Er blieb stehen und lutschte sich das Blut vom Knöchel.

Da sah er ganz in der Nähe etwas Braunes schimmern. Das Fell eines Kojoten? Mit einem lästerlichen Fluch griff er nach seinem Revolver.

Es klickte metallisch, als er den Schlaghahn spannte.

Gibson fasste die Waffe fester, richtete sie in die Luft und feuerte.

Der Abschussknall dröhnte in seinen Ohren.

Er gab noch zwei Schüsse ab.

Die Krähen erhoben sich in die Lüfte und flatterten davon. Auch der Geier nahm Reißaus. Die Kojoten waren schon über alle Berge.

Gibson drückte das Gras beiseite und kämpfte sich vorwärts.

Nach wenigen Yards stand er vor einem Toten. Die Leiche lag auf dem Bauch, das Gesicht auf der Erde. Der entseelte Mann trug eine erdbraune Jacke, zwischen seinen Schulterblättern prangten zwei verkrustete Einschusslöcher.

Gibson schnalzte mit der Zunge und trat näher.

Ein trockener Zweig knackte unter seinen Sohlen. Er atmete tief durch, schob seinen Colt ins Holster und sah sich den Toten genauer an. Der Mann hatte mittelblondes Haar, im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bis über die Schultern baumelte.

Gibson kramte in seiner Erinnerung. Ihm fiel ein, dass es im County nur drei Männer mit dieser Frisur gab: Neil Borkum, der Zimmermann, Arnold Humstetter, der Ingenieur aus Preußen, und Frank McBray, der Fassmacher aus der Macon Street.

Gibson wälzte den Toten auf die Seite, um nach dessen Gesicht zu schauen. Hatte es einen der einheimischen Langhaarigen erwischt?

Fehlanzeige. Der Mann war ein Fremder. Gibson hatte das breite Vollmondgesicht mit der platt gehauenen Boxernase noch nie gesehen.

Er warf einen Blick in die Runde. Hatten die tödlichen Schüsse das Opfer an Ort und Stelle vom Leben zum Tode befördert? Schwer zu sagen. Es sprach mehr dafür, dass der Mann vor jemandem geflüchtet war, sich unterwegs zwei Kugeln eingefangen hatte und hier in der Prärie an seinen Verletzungen gestorben war.

Gibsons Blick blieb auf der zusammengeballten rechten Hand des Toten haften.

Nach kurzem Zögern griff er nach der Faust. Sie war kalt, aber die Starre hatte noch nicht voll eingesetzt. Vorsichtig öffnete Gibson die gekrümmten Finger.

Ein Schlüssel kam zum Vorschein. Nanu? Gibson sah ihn genauer an. Die Machart kam ihm bekannt vor. Irgendwo hatte er so ein Fabrikat schon einmal gesehen. Am Schlüsselbrett einer Hotelrezeption? Im Schloss eines Spindes? Oder in der Registrierkasse im Kramladen des alten Poppins?

Gibson erinnerte sich nicht. Vielleicht kam er später darauf. Er schob den Schlüssel in seine rechte Hosentasche.

Nun begann er die Taschen des Toten zu durchforsten. Womöglich fand er ein Schriftstück, das die Identität des Mannes verriet. Gibson nahm sich Zeit bei der Leibesvisite, doch außer einigen kleinen Münzen, ein paar Krumen Tabak, Zigarettenpapier und einer zerdrückten Schachtel mit Schwefelhölzern konnte er in den Taschen nichts entdecken.

Enttäuscht richtete Gibson sich auf.

Aus der Ferne drang der Ruf eines Kojoten an seine Ohren. Die Biester lauerten darauf, dass er endlich verschwand. Sie hatten Blut geleckt und wollten ihr Mahl beginnen.

»Die Suppe versalze ich euch.« Gibson packte den Toten bei den Schultern und schleifte ihn aus dem Gras auf den Trampelpfad.

Die Kojoten blieben unsichtbar. Auch die Krähen zeigten sich nicht. Nur der Geier war wieder da. Er hing hoch am Himmel und schwebte fast reglos gegen den Wind.

Marshal Gibson zerrte den Leichnam über den holprigen Weg. Am Corralzaun angelangt, lehnte er ihn gegen den Querbalken.

Dem Toten sackte das Kinn auf die Brust.

Gibson schnaufte schwer. Der Transport hatte ihn angestrengt. Er prustete, als hätte er einen Berggipfel bestiegen. Mit seinen fünfundvierzig Jahren war Gibson längst nicht mehr so in Form wie damals, als er als Jüngling nach Kansas kam. Der Zahn der Zeit knabberte an ihm. Der Schweiß lief ihm über die Stirn und brannte wie Feuer in den Augen.

Mit seinem großen Taschentuch wischte er sich das Gesicht trocken. Als er das Tuch wegsteckte, hörte er anschwellendes Hufgetrappel.

Ray Gibson blickte sich um.

***

Zwei Reiter kamen um den Hügel herum. Als sie den Marshal bemerkten, zügelten sie ihre Pferde.

Gibson wehte eine Wolke Staub ins Gesicht. Er hob schützend sein Halstuch vor den Mund.

Die Männer im Sattel brachten ihre Pferde zum Stehen. Sie waren wie Cowboys auf dem Treck gekleidet. An ihren Sätteln hingen Scabbards, aus denen die Kolben von Winchestergewehren lugten.

Der größere Mann zeigte auf den Leichnam, der am Zaun lehnte. »Sieh dir das an, Mark.«

Sein Gefährte beugte sich spähend über das Sattelhorn. »Will verdammt sein, wenn das nicht Old Pancake ist.«

»Sieht nicht gut aus, das Jungchen«, höhnte der Große.

»Kein Wunder, er ist tot.« Gibson fuhr sich mit der Manschette über die Dienstmarke. »Ich bin Marshal Ray Gibson, der Polizeichef von Lamarr City.« Er räusperte sich. »Old Pancake? Sie kannten den Mann?«

Die zwei wechselten einen kurzen, aber vielsagenden Blick.

»Das ist Chuck Morton«, sagte der Kleinere und zeigte auf seinen Nebenmann, »und ich bin sein Vetter Mark Waters. Wir sind auf der Durchreise. Wollen über die Rockies in die Sierra hinüber. In den Farmen dort soll es gut bezahlte Arbeit gehen.« Er machte eine Pause. »Ja, Marshal. Wir kannten den da, aber nur flüchtig, vom Sehen sozusagen!«

Gibson sah von einem zum anderen. »Old Pancake war doch wohl nicht sein richtiger Name, oder?«

»Nein, Marshal«, antwortete Waters. »Old Pancake hieß in Wirklichkeit Jim Webb. Pancake wurde er genannt, weil er so ein breites Gesicht hat, so rund wie ein Kuchen aus der Bratpfanne.«

»Jemand hat ihn von hinten erschossen«, sagte Gibson. »Mit einer Flinte, aus einiger Entfernung. Haben Sie einen Verdacht, Gents?«

Die Cousins schüttelten den Kopf.

»Wissen Sie, ob es Leute gab, die ihm an den Kragen wollten?«, hakte Gibson nach.

»So gut kenne ich Pancake nicht.« Der große Morton drückte sein Rückgrat durch. »Trotzdem würde ich sagen, er hatte eine Menge Feinde. Oder siehst du das anders, Mark?«

»Gott bewahre, nein.« Waters klopfte seinem Pferd den Hals. »Pancake war ein fixer Junge. Alle fixen Jungs haben mehr Feinde als Patronen im Gürtel.«

Der Staub verzog sich. Gibson zog sein Halstuch tiefer und knotete es neu. »Ein fixer Junge? Wie meinen Sie das, Mr. Waters?«

Der kleine Stämmige sagte nichts.

In ruhigem Ton wiederholte Gibson seine Frage.

Waters atmete tief durch. »Nun, sagen wir mal so: Er verschaffte sich gewisse Vorteile, weil er es mit dem Gesetz nicht allzu genau nahm«, sagte er diplomatisch.

»Ach ja?« Gibson spitzte die Ohren. Leute, die es mit dem Gesetz nicht so genau nahmen, interessierten ihn. Auf einmal war er putzmunter. Sein Instinkt verriet ihm, dass er auf eine heiße Spur gestoßen war. »Geben Sie mal ein Beispiel. Was hatte Old Pancake denn so auf dem Kerbholz?«

»So genau weiß ich das auch nicht.« Waters wand sich wie ein Aal. Es war ihm anzusehen, dass ihm die Fragerei mehr und mehr missfiel. Auf seinen Wangen blühten rote Tupfer. »Gerüchte eben«, sagte er. »Was die Leute so reden. Einer meint, er betrügt beim Kartenspiel. Ein anderer spricht von Urkundenfälschung und Wettbetrug. Ein dritter sagt, Pancake bekommt jedes Schloss auf, wenn er will.« Waters zog eine Grimasse, als er den zusammengekrümmten Leichnam ansah. »Wie auch immer – Pancake war ein fixer Junge.«

»Heißt es nicht auch, über Tote sollte man nur Gutes reden?«, warf Morton ein.

Gibson ging nicht auf den Zwischenruf ein. Er war City Marshal und kein Prediger. »Könnte es sein, dass Jim Webb aus Rache umgebracht wurde?«

Waters nickte. »Fixe Kerlchen sind anderen Leuten, die nicht so helle sind, oft ein Dorn im Auge.«

Morton stieg vom Pferd, lockerte seine Glieder und rückte seinen Hut zurecht. Steifbeinig ging er zum Zaun, an dem die Leiche lag. Auf halbem Wege blieb er stehen. »Hatte Pancake nichts bei sich?«, fragte er Gibson. »Einen Sack, einen Tornister oder ein anderes Behältnis?«

»Nichts dergleichen.« Gibson dachte an den Schlüssel, den er dem Toten abgenommen hatte. Er überlegte, ob er den Beiden seinen Fund zeigen sollte, entschied sich letztlich aber dagegen. »Und in seinen Taschen steckt nur Kleinkram. Wertloses Zeugs.«

»Er hatte kein Geld bei sich?«, wollte Waters wissen.

»Zwei Dollar, wenn’s hochkommt.« Gibson straffte die Schultern. »Woher kennen Sie den Mann eigentlich?«

»Old Pancake ist ein Wandervogel, ein Tramp, genau wie wir. Er ist auch auf dem Weg nach Kalifornien. Da bleibt es nicht aus, dass man sich öfter mal über den Weg läuft.«

Gibson fragte, wo sie Old Pancake das letzte Mal gesehen hatten.

Waters zeigte nach Norden. »In einem Mietstall am Brownlow Trail, knapp hundert Meilen von hier. Er tauschte gerade seinen abgehetzten Rotfuchs gegen einen Mustang und ein Packpferd ein.«

»Wann war das?«

»Vor ungefähr zwei Wochen«, sagte Waters.

»Vor exakt fünfzehn Tagen«, ergänzte Morton. »Ich weiß es so genau, weil am Tag davor der Bankraub in Topeka über die Bühne gegangen ist.«

Gibson hatte von dem Bankraub gehört. Jemand hatte sich Zutritt in den Tresorraum des Geldinstituts verschafft und eine Menge wertvoller Sachen aus den Schließfächern mitgehen lassen. Die Bankräuber waren unerkannt entkommen. Für die Ergreifung der Banditen hatte die Bank eine hohe Belohnung ausgesetzt. Die Besitzer der Schließfächer waren in heller Aufregung. Ihr Glaube an das Sicherheitssystem der Banken war bis zu den Grundfesten erschüttert. Bisher waren alle Bemühungen, auf die Spur der Bankräuber zu kommen, im Sande verlaufen.

»War Old Pancake allein unterwegs?«, fragte Gibson. »Ich meine, als Sie ihn in diesem Livery Stable am Trail trafen. War da jemand bei ihm.«

»Ja«, sagte Waters.

»Nein«, sagte Morton.

Gibson blickte erstaunt hin und her.

»Na ja, da war diese Frau«, Waters fuhr sich über die Stirn. »Mein Gott, diese scharfe Lady, die den Schlangentanz erfunden hat. Meine Güte, wie heißt sie gleich? Hilf mir mal, Chuck!«

»Lass mich mal überlegen«, Mortons Stirn bekam ein paar Falten mehr. »Jessie, glaube ich. Sie heißt Jessie, wenn ich mich nicht irre.«

»Jessie.« Waters stieß einen Seufzer aus. »Ja, so heißt sie, die Gute. Wir haben sie im Knockout Saloon tanzen sehen. Allererste Sahne. Die letzte Nummer legte sie im Evaskostüm hin. Barfuß bis zum Hals. Gott im Himmel, was für eine Augenweide, dieses Weib! Seit ich ihre Show gesehen habe, träume ich jede Nacht von ihr.«

Gibson ließ sich die Worte durch den Kopf gehen. »Was hatte diese Jessie denn mit Webb zu tun?«, fragte er nach einer Weile.

»Keine Ahnung.« Waters hob die Achseln. »Offenbar kannten sie sich von früher. Hab die Zwei nur im Stall gesehen. Wie sie miteinander plauschten. Ich glaube, Old Pancake erzählte ihr einen von diesen dreckigen Doc Weston-Witzen. Vor Lachen wäre sie fast erstickt.«

»Diese Tänzerin«, meinte Gibson. »Jessie, oder wie sie heißt, wie kam sie zum Mietstall? Der Laden ist doch mitten in der Prärie. Kam sie in einer Kutsche oder einer Karawane?«

Waters dachte nach, dann sagte er: »Weder noch. Sie reiste allein, mit einem Pferd und einem Muli.«

»Wie? Ganz allein?«

»Ja.«

Gibson rieb grübelnd sein Kinn. Allein reisende Frauen waren nicht die Regel. »Wohin wollte sie?«, fragte er.

»Davon hab ich nichts mitbekommen. Vielleicht wollte sie nach Lamarr City, vielleicht nach Salinas oder Abilene. Wer weiß? Bestimmt will sie dahin, wo es große Saloons und Tanzdielen gibt, in denen sie ihre Revue aufführen kann.« Waters sah Morton an. »Könnte es sein, dass Jessie Pancakes Mörder kennt.«

»Weiß der Geier.« Morton nickte düster. »Im Prinzip wäre es denkbar.« Er hob den Kopf des Leichnams und schaute ihm ins Gesicht.

»Wie ist Jessies Nachname?«, fragte der Marshal.