Lassiter 2321 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2321 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Betsy Malone zog sich den Slip über die ausladenden Hüften, und ihre kirschrot geschminkten Lippen kräuselten sich zu einem verruchten Lächeln. Sie klimperte mit den langen Wimpern, als der ältere Mann eine Handvoll Dollarscheine auf das Bett fallen ließ. "Das ist wirklich großzügig von dir, Burt", gurrte sie, und der Grauhaarige grinste breit.

"Du hast es dir mehr als verdient, Schätzchen", brummte er, bevor er sich zur Tür wandte. "Man sieht sich."

"Jederzeit!", rief sie ihm nach, doch ihr Lächeln erstarb, sobald sich die Tür hinter dem Mann geschlossen hatte. Sie warf sich eine Stola über den nackten Oberkörper und griff nach der glimmenden Zigarette im Aschenbecher, bevor sie auf den Balkon hinaustrat. "Blöder Mistkerl", murmelte sie und rieb sich das schmerzende Hinterteil, während sie hinunter auf die belebte nächtliche Gasse im Hafenviertel von Memphis blickte.

"Betsy, Betsy", flüsterte jemand hinter ihr, und die Dirne erstarrte. "Spricht man so über seine Kunden?"

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EPUB
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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Ripper von Memphis

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4211-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Ripper von Memphis

Betsy Malone zog sich den Slip über die ausladenden Hüften, und ihre kirschrot geschminkten Lippen kräuselten sich zu einem verruchten Lächeln. Sie klimperte mit den langen Wimpern, als der ältere Mann eine Handvoll Dollarscheine auf das Bett fallen ließ. »Das ist wirklich großzügig von dir, Burt«, gurrte sie, und der Grauhaarige grinste breit.

»Du hast es dir mehr als verdient, Schätzchen«, brummte er, bevor er sich zur Tür wandte. »Man sieht sich.«

»Jederzeit!«, rief sie ihm nach, doch ihr Lächeln erstarb, sobald sich die Tür hinter dem Mann geschlossen hatte. Sie warf sich eine Stola über den nackten Oberkörper und griff nach der glimmenden Zigarette im Aschenbecher, bevor sie auf den Balkon hinaustrat. »Blöder Mistkerl«, murmelte sie und rieb sich das schmerzende Hinterteil, während sie hinunter auf die belebte nächtliche Gasse im Hafenviertel von Memphis blickte.

»Betsy, Betsy«, flüsterte jemand hinter ihr, und die Dirne erstarrte. »Spricht man so über seine Kunden?«

Betsy wollte sich umdrehen, doch der Unbekannte umfasste mit eisernem Griff ihren Hals und zog sie in das Zimmer zurück. Als sie die Spitze eines Stiletts an ihrem Rücken spürte, riss sie entsetzt die Augen auf und öffnete den Mund, um zu schreien.

Ein Fausthieb an die Schläfe ließ sie Sterne sehen, und sie sank mit einem erstickten Laut auf die Knie. Dann trat ihr der Fremde ins Kreuz. Der Tritt presste ihr die Luft aus den Lungen, sie verdrehte die Augen und landete mit dem Gesicht auf dem Teppich. Einer ihrer billigen Ohrhänger löste sich und rollte über den Boden unter das Bett.

Kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, hörte Betsy, wie sich hinter ihr der Schlüssel im Schloss drehte, als der Unbekannte die Tür verriegelte. Verzweifelt versuchte sie, sich aufzurichten, während es im Zimmer plötzlich dunkel wurde.

Der Mann hatte die Lampen gelöscht, nun ging er mit eiligen Schritten an ihr vorbei und zog die Vorhänge vor der Balkontür zu.

»Jetzt sind wir ganz ungestört, mein Herzchen«, knurrte er heiser, und Betsy hatte für einen Moment das Gefühl, ihr Herz würde aussetzen.

»Nein, bitte nicht. Ich flehe Sie an, Sir. Tun Sie mir nicht weh«, flüsterte sie, auf einmal unfähig, sich zu bewegen.

Die Panik ließ sie wie ein schnell wirkendes Gift buchstäblich erstarren. Ihr Geist befahl dem Körper, aufzuspringen, die Fäuste zu ballen, irgendetwas zu tun, doch die Muskeln und Gelenke weigerten sich, darauf zu reagieren.

Vor der Zimmertür auf dem Korridor ertönte ein lautes Lachen. Betsy erkannte die Stimme von Heather Grimes, einer Kollegin, die offenbar einen Freier von unten aus der Bar in das Zimmer führte, das sich direkt neben ihrem eigenen befand.

»Heather«, flehte sie verzweifelt, doch ein heftiger Schlag in den Nacken brachte sie augenblicklich zum Schweigen.

»Kein Wort, Betsy. Vielleicht lasse ich dich dann am Leben«, flüsterte der Unbekannte, doch die Dirne wusste, dass er log.

Denn sie hatte kaum noch einen Zweifel daran, dass es sich bei dem Besucher um den Mann handelte, der in den vergangenen Wochen bereits vier Prostituierte in der Stadt auf grausame Art ermordet und dann regelrecht ausgeweidet hatte.

Es gab mittlerweile kaum ein anderes Gesprächsthema unter den Huren des Hafenviertels, und auch die Zeitungen waren voll davon.

Deshalb hatte Betsy auch des Nachts nicht mehr auf der Straße um Freier geworben, sondern sich wie die meisten anderen Frauen nur noch in der Bar aufgehalten. Sex jenseits des Darker Pleasures war tabu, und jeder Besucher des Bordells wurde von zwei eigens engagierten Türstehern einer genauen Betrachtung unterzogen.

Doch nun hatte sich herausgestellt, dass der Schutz innerhalb der Mauern des dreistöckigen Gebäudes trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, die die Bordellchefin Lola LaRouge veranlasst hatte, ein trügerischer war.

Wie hatte es der Mörder angestellt, ungesehen auf ihren Balkon zu gelangen, noch dazu, als sie sich mit Burt in ihrem Zimmer aufhielt? Betsy hatte keine Erklärung dafür, aber Überlegungen dieser Art würden ihr Leben nun ohnehin nicht mehr retten.

Betsy begann leise zu beten. »Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name, vergib uns unsere Schuld, wie auch wir …«

»Halt dein schmutziges Maul, du Schlampe!«, zischte der Killer. »Wie kannst du es wagen, Gott um Vergebung zu bitten?«

Sie spürte, wie die scharfe Klinge sich in ihre nackte Haut bohrte, und schloss die Augen.

Der Mann zerriss ihren Slip und warf ihn zu Boden, sodass Betsy Malone nun splitternackt vor ihm lag. Sie hörte, wie schnell sein Atem ging, und ein kleiner Funken Hoffnung regte sich in ihrem Inneren. Ihre Nacktheit und Wehrlosigkeit erregten ihn, das spürte sie. Vielleicht konnte sie das zu ihrem Vorteil nutzen, ihn weiter aufreizen, und dann in einem unachtsamen Moment …

»Du glaubst jetzt wohl, ich will dich bumsen, Betsy«, keuchte der Mann hinter ihr, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Du denkst, wenn er erst einmal die Hosen runterlässt, bekomme ich schon meine Chance.« Er lachte leise. »Hältst du mich wirklich für so dumm?«

Betsy wimmerte. »Bitte lassen Sie mich leben, ich tue alles, was Sie wollen.«

Der Fremde verstellte seine Stimme, doch sie hätte schwören können, dass sie ihm schon einmal begegnet war. Sicher war das der Fall, woher sollte er sonst ihren Namen kennen?

Plötzlich war er direkt über ihr, packte sie mit einer Hand unter dem Kinn und riss ihren Kopf in den Nacken. Er trug Handschuhe aus weichem Rindsleder, und sie roch den Duft von teurem Parfüm.

»Du tust also alles, was ich will, Betsy?« Seine heisere Stimme erklang direkt neben ihrem Ohr, und sie spürte seinen heißen Atem an ihrem Hals. »Wirklich alles?«

»Alles, Sir«, stieß Betsy erstickt aus. »Was immer Sie sich wünschen.« Sein Griff überdehnte ihren Hals so stark, dass sie kaum atmen konnte.

»Also gut«, murmelte er gleichmütig. »Dann stirb doch einfach!«

Mit diesen Worten stieß er Betsy das spitze Messer tief in den Rücken.

Als ihr Blick in den Spiegel an der Wand gegenüber fiel, sah sie für einen kurzen Moment in die vor Hass verzerrten Züge ihres Mörders, und Erkennen blitzte in ihren aufgerissenen Augen auf.

Es war ihr letzter Gedanken, bevor sie von der Welt Abschied nahm.

***

»Grundgütiger!« Town-Marshal Marten Bloom wandte sich ab, als er des Gemetzels auf dem breiten Bett gewahr wurde. Das bedauernswerte Opfer bot einen schauerlichen Anblick, der ihm leider sehr vertraut vorkam.

»Sie heißt, oder besser hieß Betsy Malone, Sir«, ließ sich der Deputy neben ihm vernehmen. Die Stimme von Phil Newton klang der Situation entsprechend gedämpft und stand damit in krassem Gegensatz zu dem aufgeregten Stimmengewirr, das aus dem Korridor ins Zimmer drang.

»Kann vielleicht mal jemand die Tür zumachen?«, rief Bloom über die Schulter. »Das geht hier ja zu wie in einem Tollhaus!«

Einer der uniformierten Ordnungshüter, die am Eingang Wache hielten, beeilte sich, dem Befehl Folge zu leisten, und der Marshal atmete auf. Er hatte natürlich Verständnis dafür, dass die anderen Damen aufgewühlt waren, doch das hysterische Geschnatter verhinderte jeden klaren Gedankengang.

Er war erst vor wenigen Minuten am Schauplatz des Verbrechens eingetroffen, doch schon jetzt hatte er keinerlei Zweifel daran, dass der unheimliche Killer, den die örtliche Presse den »Ripper von Memphis« nannte, zum fünften Mal binnen weniger Wochen zugeschlagen hatte.

Obwohl er seit dem letzten Mord sein Personal deutlich aufgestockt und ein Dutzend Beamter in Zivil sich unauffällig unter die Nachtschwärmer im Hafenviertel gemischt hatte, trotz aller Bemühungen und ungezählter Verhöre, die er und seine Männer in den vergangenen zwei Monaten geführt hatten, war es dem Ripper wieder gelungen, ein Opfer zu finden, es in aller Ruhe zu verstümmeln und sich anschließend unerkannt aus dem Staub zu machen. Die Dreistigkeit, mit der dieser Kerl vorging, war kaum noch zu überbieten.

Heute am Samstagabend herrschte Hochbetrieb im Darker Pleasures, und beide Nebenzimmer waren belegt gewesen, während der Ripper hier sein blutiges Werk vollbrachte. Die Leiche der armen Betsy war nur durch Zufall entdeckt worden, weil sich einer der Freier im Zimmer geirrt hatte.

Was bedeutete, dass der Killer sogar noch die Kaltblütigkeit besessen hatte, die Zimmertür unverschlossen zu lassen, als er den Raum verließ.

»Was glaubst du, wie er hier reingekommen ist, Phil?«, fragte Bloom seinen Deputy.

Der zuckte die Achseln. »Möglicherweise ist er über das Dach auf den Balkon geklettert. Wegen der Hitze stand die Tür nach draußen auf. Die LaRouge hat mir gesagt, Betsy hatte noch kurz zuvor einen Kunden im Zimmer.«

»Macht den Kerl ausfindig und bestellt ihn zum Verhör ein«, brummte der Marshal, und Newton nickte.

»Kannst du mir etwas sagen, was uns weiterbringt?«, wandte sich Bloom an den Gerichtsmediziner, einen jungen Arzt namens Curt Davis, der sich über die Leiche beugte und ihrem zerschlitzten Unterleib dabei so nahe kam, dass sich Bloom der Magen umdrehte.

Es war ihm immer wieder ein Rätsel, wie der Arzt derart unverdrossen mit diesen Scheußlichkeiten umgehen konnte.

»Nicht wirklich«, murmelte Davis. »Sie ist noch nicht lange tot, höchstens zwei Stunden. Es wurden zwei äußerst scharfe Messer benutzt. Das eine ist ein Stilett mit spitzer, zweischneidiger Klinge, schmal, nicht viel breiter als ein Daumen. Bei dem anderen könnte es sich um ein Jagd- oder Metzgermesser handeln.«

»Also vermutlich dieselben Tatwaffen wie bei den anderen Opfern?«

»Davon kann man ausgehen.« Davis hob bedauernd die Hände und blinzelte den Marshal durch die dicken Gläser seiner Nickelbrille hindurch an. »Tut mir leid, Sir. Mehr kann ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Nur eins vielleicht …«

»Ja?« Bloom hob hoffnungsvoll die buschigen Augenbrauen.

»Der Killer hat zumindest rudimentäre Kenntnisse in Anatomie, denke ich.« Davis deutete auf die Tote. »Auch wenn es den Anschein haben mag, dass das Ganze hier ein wildes Gemetzel ist, kann man doch erkennen, dass der Mann planvoll vorgegangen ist.«

»Was meinen Sie?«, fragte Deputy Newton.

»Nun, wie sie sehen, hat er die Gebärmutter entfernt …« Davis deutete auf einen blutig grauen Haufen neben der Toten auf dem Laken. »Und das hat er ziemlich akkurat erledigt.«

Bloom spürte, wie sein Magen rumorte. Er würde heute keinen Bissen mehr hinunter bekommen. »Sie meinen, er wusste, was er seinem Opfer herausschneiden wollte? Kann das nicht einfach Zufall sein?«

Der Arzt wog zweifelnd den Kopf. »Das glaube ich eigentlich nicht. Ein Mann in blindwütiger Mordlust hätte alle möglichen Organe verletzt.«

»Was ist mit den anderen Opfern?«, fragte der Marshal.

»Das macht mir ehrlich gesagt ein wenig zu schaffen, Sir. Zwar konnte ich da auch eine gewisse Zielstrebigkeit erkennen. Bei Sarah Miles zum Beispiel fehlte die Leber, die der Ripper offenbar mitgenommen hat.«

»Aber?«

»Hier ist es anders, irgendwie filigraner …«

»Sie denken, er hat dazugelernt?«, vermutete Deputy Newton.

Davis zuckte ratlos die Achseln. »Vielleicht.«

»Okay, danke, Doc.« Marshal Bloom seufzte. »Möglicherweise hilft uns das ja weiter, wenn wir irgendwann auf einen Tatverdächtigen stoßen.«

Er wandte sich Newton zu. »Schnapp dir Winston und Zachary. Ich möchte, dass ihr heute Nacht noch sämtliche Mädels hier im Darker Pleasures verhört. Irgendjemand muss doch etwas Verdächtiges bemerkt haben. Ich werde mich mit Madame LaRouge unterhalten. Und ihr zwei«, er deutete auf die beiden Uniformierten an der Tür. »Postiert euch vorn am Eingang. Keiner von uns glaubt, dass der Kerl heute Nacht noch einmal hier aufkreuzt, aber alle werden etwas ruhiger schlafen, wenn ihr Wache haltet.«

Bloom verließ das Zimmer und bahnte sich seinen Weg durch aufgeregte Dirnen und verstört dreinblickende Gäste des Bordells. Den fragenden Blicken begegnete der grauhaarige Sternträger mit stoischem Kopfschütteln.

Auch in dieser Nacht hatte Bloom nur eine Menge Fragen, aber keine Antworten parat.

Die Bar im Erdgeschoss war mittlerweile fast menschenleer. Nur ein paar hartgesottenen Gästen war der Durst nicht vergangen, doch es herrschte die Stille des Schocks im Schankraum.

Lola LaRouge stand hinter der Theke und begrüßte den Marshal mit einer Grimasse, die nur schwer als schiefes Lächeln durchging.

»Ein Bier, Marten?«

»Ich denke, ich kann jetzt etwas Stärkeres vertragen, Lola«, antwortete er und ließ sich auf einem Hocker am Tresen nieder.

Die Rothaarige stellte einen doppelten Whiskey vor ihm ab. »Wir dachten, wir hätten alles getan, um meine Mädchen zu schützen«, sagte sie leise. »Betsy …«, sie schluckte hart. »… sie war noch so jung.«

Der Marshal legte den schwarzen Stetson auf der Theke ab und fuhr sich durch sein graues Haar, bevor er einen kräftigen Schluck nahm. »Ich weiß, Lola. Es tut mir leid. Dich und deine Männer trifft keine Schuld. Dieser Bastard ist einfach zu clever.«

Er sah sich kurz im Raum um, bevor er sich wieder an die Frau wandte. »Ist euch irgendetwas aufgefallen heute Abend? Jemand, den du nicht kanntest, oder der sich ungewöhnlich verhalten hat?«

Lola LaRouge schüttelte traurig den Kopf. »Nein. Ich habe heute eigentlich nur Stammgäste gesehen, obwohl natürlich sehr viel los war. Aber die Zwillinge nehmen jeden, der durch die Schwingtür kommt, genau unter die Lupe.« Sie deutete auf die beiden vierschrötigen Glatzköpfe, die mit Leichenbittermiene am Tisch neben dem Eingang saßen. »Frag sie ruhig, vielleicht haben sie ja doch irgendetwas bemerkt. Aber ich habe selbst schon mit ihnen gesprochen …«

»Schon gut.« Bloom winkte ab. »Das wird Deputy Newton nachher übernehmen.«

Er sah ihr ernst in ihre grünen Augen, die vom Weinen gerötet waren. »Möglicherweise ist der Kerl über das Dach gekommen. Wir werden das noch genauer untersuchen, aber du solltest in jedem Fall einen deiner Männer dort oben postieren.«

»Über das Dach?« Sie hob überrascht die Augenbrauen, dann schlug sie die Hand vor den Mund. »Jesus, das könnte sein. Warum habe ich daran nicht gedacht?«

Bloom legte die Stirn in Falten. »Weil uns dieses Schwein immer einen Schritt voraus ist, Lola.« Er fixierte sie, und seine Miene war grimmig. »Aber wenn es so gewesen ist, musste sich der Ripper im Darker Pleasures ziemlich gut auskennen. Und das bedeutet, dass er kein Fremder ist.«

Die Frau erblasste. »Sondern jemand, der schon oft hier zu Gast war, meinst du …«

Er nickte grimmig. »Ganz genau.«

***

Lassiter zügelte seinen Wallach und schob sich den Stetson in den Nacken. Die schwüle Mittagshitze von Tennessee trieb ihm den Schweiß aus allen Poren. Er ließ seinen Blick über die Baumwollfelder schweifen, hinter denen träge und majestätisch der Mississippi gen Süden floss. Ein Schwarm Raben zog krächzend am Himmel über ihn hinweg, ehe er sich in den dichten, dunkelgrünen Wipfeln eines Wäldchens am Flussufer niederließ.

Lassiter war bis nach Nashville mit dem Zug gereist, hatte dort aber beschlossen, ein Pferd zu erstehen, um den Rest seiner Reise im Sattel fortzusetzen. Der Wallach, auf dem er saß, war ein Pferd aus Armeebeständen in mittleren Jahren, kräftig, ausdauernd, erfahren und gehorsam.

Er war lange nicht mehr hier unten im Süden gewesen, dem Ort seiner Kindheit und Jugend. Und er wollte die Landschaft nicht nur hinter den Fenstern eines Eisenbahnwagens an sich vorüberziehen lassen.

Während er den Wallach durch den Fichtenwald lenkte, ging Lassiter das Telegramm der Brigade Sieben durch den Kopf, das ihn vor fünf Tagen knapp zweihundert Meilen nordwestlich von hier in St. Louis erreicht hatte.

Ein Serienmörder trieb in Memphis sein Unwesen, und in vielen Details erinnerten die Morde an den unbekannten Psychopathen, der im vergangenen Jahr fünf Prostituierte im fernen London umgebracht und verstümmelt hatte.

Die Presse hatte dem Mann den griffigen Namen Jack the Ripper verliehen, und die Brutalität der Verbrechen sowie die Tatsache, dass es den Londoner Ordnungshütern nicht gelungen war, diesen mysteriösen Jack zu fassen, hatte dafür gesorgt, dass die Geschichte über den großen Teich hinweg auch in den Gazetten der amerikanischen Presse gelandet war.

Es gab ein paar Hinweise, die den Verdacht nahelegten, dass der Ripper aus England geflohen war und sich nun hier im Süden der Vereinigten Staaten neue Opfer gesucht hatte.

Aber Lassiter hielt diesen Gedanken für abwegig. Viel wahrscheinlicher erschien es ihm, dass sich in Memphis ein mordlustiger Irrer herumtrieb, der von den reißerischen Artikeln über den Serienmörder von London inspiriert worden war.

Ein paar Übereinstimmungen waren allerdings nicht von der Hand zu weisen, das musste er zugeben. Der Killer in Memphis hatte seine Opfer verstümmelt und zum Teil regelrecht ausgeweidet. Er war mit einer kaltblütigen Ruhe vorgegangen, als er den Frauen Organe entfernt und diese dann teilweise mitgenommen, teilweise aber auch am Tatort zurückgelassen hatte.

Außerdem gab es Briefe.

Zwei Mitteilungen waren auf Umwegen in die Hände des Town-Marshals von Memphis gelangt, in denen sich der Mörder mit den Taten brüstete und die Ordnungshüter verhöhnte. Unterzeichnet waren die beiden Pamphlete mit Jack – I’m back!

Mittlerweile waren vier Dirnen Opfer des Mörders geworden, ohne dass der Town-Marshal von Memphis die geringste Spur vom Täter hatte. Als der Sternträger sich nach dem letzten Mord schließlich hilfesuchend an die Justizbehörde von Tennessee gewandt hatte, war der Fall kurz darauf bei der Brigade Sieben in Washington gelandet.

Denn selbst die theoretische Möglichkeit, dass ein Brite in Memphis sein Unwesen trieb, machte den Fall zu einer Bundesangelegenheit.

Lassiter erinnerte sich noch gut an die spektakulär aufgemachten Artikel in den billigen Gazetten, die über Jack the Ripper berichteten und dabei den Mangel an echten Informationen mit fadenscheinigen Spekulationen kaschierten. Illustrationen zeigten den unheimlichen Serienmörder, wie er mit riesigem Zylinder und einem ellenlangen Messer über seinem Opfer kniete, den Kragen seines langen Mantels hochgeschlagen und das Gesicht zum größten Teil von einem Schal verborgen.

Eine lächerliche Darstellung des Schwarzen Mannes, mit dem man kleine Kinder und einfältige Frauen erschreckte.

Es war das Problem der englischen Polizei, den Mann zur Strecke zu bringen, denn er konnte sich nur schwer vorstellen, dass ein derart kranker Psychopath in der Lage wäre, planvoll sein Revier zu verlassen, um am anderen Ende der Welt sein blutiges Werk fortzusetzen.