Lassiter 2323 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2323 E-Book

Jack Slade

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Louis Hayden zitterte. Der Gewölbekeller war nass und kalt. Nicht der kleinste Hauch warmer Luft drang von oben in die Tiefe herab. Doch es war nicht nur die Kälte, die den Mann frösteln ließ - es war die nackte Angst um sein Leben!

Wieder und wieder rüttelte Hayden an den Eisenmanschetten, die seine Handgelenke an die gemauerte Wand ketteten, doch außer Hautabschürfungen brachten ihm seine verzweifelten Bemühungen nichts ein.

Und dann kamen sie! Sieben an der Zahl. Ihre Gesichter waren von Stoffmasken verhüllt, Öffnungen für Augen und Mund grob herausgeschnitten. Wie eine Wand bauten sie sich vor Hayden auf, und er wusste, dass er die nächsten Minuten nicht überleben würde.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2017

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Todesmelodie in Blei

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: TXUS/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4313-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Todesmelodie in Blei

Louis Hayden zitterte. Der Gewölbekeller war nass und kalt. Nicht der kleinste Hauch warmer Luft drang von oben in die Tiefe herab. Doch es war nicht nur die Kälte, die den Mann frösteln ließ – es war die nackte Angst um sein Leben!

Wieder und wieder rüttelte Hayden an den Eisenmanschetten, die seine Handgelenke an die gemauerte Wand ketteten, doch außer Hautabschürfungen brachten ihm seine verzweifelten Bemühungen nichts ein.

Und dann kamen sie! Sieben an der Zahl. Ihre Gesichter waren von Stoffmasken verhüllt, Öffnungen für Augen und Mund grob herausgeschnitten. Wie eine Wand bauten sie sich vor Hayden auf, und er wusste, dass er die nächsten Minuten nicht überleben würde.

»Es ist so weit!«, hallte ihm eine Stimme entgegen. »Das Tribunal hat entschieden! Du bist des Todes, Louis Hayden!«

Der Angekettete versteifte und presste sich mit dem Rücken an die feuchte Backsteinwand. Faulige Nässe tränkte sein Hemd und ließ einen weiteren Schauer durch seinen Körper jagen. Er sah die ausdruckslosen Mienen der Männer, die ihn bedrohten, sah das feurige Glitzern der Augen, die ihn durch die Schlitze der Stoffmasken anstarrten, und bäumte sich ein letztes Mal auf. »Was wollt ihr von mir? Ich habe niemandem etwas zuleide getan!« Angstvoll richtete er seinen Blick auf die Eisenstange, die der Sprecher der Vermummten drohend emporhielt. Das obere Ende war zugespitzt und glühte vor Hitze. Es musste geraume Zeit im Feuer einer Esse gelegen haben.

»Wir haben dich gewarnt!«, sprach der zuvorderst stehende Mann weiter. »Und mehr als eine Warnung wird es von uns nicht geben. Du hast sie ignoriert! Die Strafe dafür ist der Tod!«

»Ihr habt mich auf meiner Farm überfallen!«, schrie Hayden. »In meinem Zuhause, wo meine Familie lebt!«

»Deiner Tochter ist nichts geschehen!«, erwiderte Haydens Gegenüber, und durch den Mundschlitz seiner Maske war zu erkennen, wie sich seine Lippen zu einem höhnischen Grinsen verzogen. »Sei froh, dass es nur dich erwischt.«

In Louis Hayden regte sich Widerstand. Er überwand seine Starre und zerrte mit aller Kraft, die er aufzubieten vermochte, an den Eisenklammern. Wütend spie er aus. »Ihr werdet nichts verändern, ganz gleich, wie viele Plantagenbesitzer ihr tötet! Die Zeit der Sklaverei ist vorbei – und eure ist es auch!«

Keuchend zuckte er zusammen. Die weißglühende Spitze der Eisenstange war herangeruckt und verharrte eine Handbreit vor seinem Gesicht. Bereits jetzt war die ausgestrahlte Hitze kaum zu ertragen, sodass Hayden seinen Kopf zur Seite drehte, ohne jedoch das Folterinstrument aus den Augen zu lassen.

»Weiße gehören nicht auf die Tabakfelder, Hayden! Wir haben nicht unser Blut gegen die Blauröcke vergossen, um tatenlos mitanzusehen, wie sie uns plündern und ausrauben! Alle, die sie dabei unterstützen, werden ihren Verrat teuer bezahlen. So wie du!«

Energisch reckte Louis Hayden sein Kinn vor. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, machte ihm plötzlich nichts mehr aus. Ihm war klar, dass es für ihn keine Rettung mehr gab. »Ihr habt die Niederlage im Krieg nie verwunden, nicht wahr?«, sagte er gefasst und ließ einen Anflug von Spott erkennen. »Der Clan eurer Vorgänger ist zerschlagen worden, aber ihr wollt ihn erneut aufleben lassen. – Schaut euch an! Für mich seid ihr nicht mehr als ein Haufen lächerlicher Kapuzenmänner, die zu feige sind, ihre Gesichter zu zeigen! Ihr vergreift euch an Wehrlosen und fühlt euch in der Gruppe stark, aber allein auf euch gestellt seid ihr erbärmliche Jammerlappen!«

Der Anführer der Vermummten ließ sich nicht provozieren. Spielerisch drehte er die Eisenstange vor Haydens Gesicht und musterte seinen Gefangenen mit kalter Grausamkeit. »Ich sehe schon, du hast mit deinem Leben abgeschlossen. Und einen tapferen Mann wie dich will ich keinesfalls enttäuschen …«

Ein gellender Schrei hallte durch den Gewölbekeller; der Gestank verbrannten Fleisches breitete sich aus. Louis Hayden glaubte, der entsetzliche Schmerz würde ihm die Besinnung rauben, doch die Macht eines unbarmherzigen Schicksals hielt ihn bei Bewusstsein.

»Wenn man dich findet«, raunte sein Peiniger, »wird jeder wissen, mit wem du dich angelegt hast. Und die, die nicht verstehen, werden lernen.« Sichtlich zufrieden begutachtete er sein Werk. »Das Mal unseres Ordens auf der Stirn eines Verräters! Sobald die alte Ordnung wiederhergestellt ist, wird man auf Leute wie dich spucken.«

Haydens kochender Hass ließ ihn seine Schmerzen vergessen. Aber da war noch ein anderes Gefühl, das wie ein belebender Quell durch seine Adern strömte. Es war die spontane Erkenntnis, mit wem er es zu tun hatte. »Deine Stimme!«, stieß er aufgebracht hervor. »Ich erkenne sie! Du bist …!«

»… der Aufschrei der Unterdrückten!«, vollendete der Angesprochene. »Ein Grund mehr, deiner beschämenden Existenz ein Ende zu setzen!« Er warf die Eisenstange zu Boden, und von einer Sekunde zur nächsten hielten die sieben Männer Revolver in ihren Händen.

Angewidert verzog Hayden seinen Mund, brachte aber keinen Laut mehr hervor. In stummer Billigung seiner bevorstehenden Exekution schaute er verächtlich in die Mündungen der Waffen und bemerkte, wie seine Gedanken abschweiften. Er sah das Antlitz seiner viel zu früh verstorbenen Frau vor sich und das lachende Gesicht seiner Tochter Crissie. Sie war sein Ein und Alles, doch er würde nicht mehr verhindern können, dass sie sich in Zukunft allein durchschlagen musste.

Grelle Mündungsblitze flammten auf. Hayden nahm sie nur nebenher zur Kenntnis, war der Welt bereits entrückt und hörte auch nicht das Donnern, mit dem sich das tödliche Blei entlud.

Kurz bevor ihn die ewige Nacht umfing, spürte er den tiefen Frieden in sich und hatte die Gewissheit, seine geliebte Haley-Jade im Jenseits wieder in seine Arme schließen zu können …

***

Über die Zubringerlinie der Southern Pacific war Lassiter bis Lexington gereist und hatte von dort aus die knapp über zwanzig Meilen bis Richmond auf seinem Grauschimmel zurückgelegt. Der Auftrag der Brigade Sieben, der ihn nach Kentucky verschlagen hatte, war heikel. Und das nicht nur aufgrund der Tatsache, dass die Hintergründe, die zur Ermordung eines Agenten geführt hatten, aufgeklärt werden mussten. Der Tote – bei der Brigade unter dem Namen Santiago geführt – war im Zuge seiner Ermittlungen auf eine Organisation gestoßen, die verdächtig an den vergessen geglaubten Ku-Klux-Klan erinnerte. In seinem letzten Telegramm hatte Santiago lediglich vage Hinweise geben können, doch es war halbwegs ersichtlich gewesen, dass es eine Vereinigung von Maskierten gab, die gewaltsam gegen Plantagenbesitzer vorging und auch nicht davor zurückschreckte, sich an Verfechtern der Gleichstellungspolitik von Weißen und Schwarzen zu vergreifen.

Für Lassiter war klar, dass ein paar in aller Eile entworfene Gesetze zur Abschaffung der Sklaverei die Bevölkerung im Osten und Süden des Landes nicht von heute auf morgen auf den neuen Regierungskurs einschwören konnten. Die Tradition, Schwarze auf den Feldern für sich arbeiten zu lassen, war tief verwurzelt und der Grundstein eines Wohlstandes, den man nicht freiwillig herzugeben bereit war. Dennoch musste das Aufflackern rassistischer Tendenzen unverzüglich im Keim erstickt werden, um nicht in einen neuen Krieg zu münden. Santiagos Tod war nur ein weiterer Beweis, dass rasches Handeln erforderlich war. Denn sollte der Ku-Klux-Klan erneut eine stabile Basis finden, mochte er nicht so einfach aufzulösen sein, wie es im Jahre 1871 geschehen war.

Während seines Ritts rief sich Lassiter weitere Details ins Gedächtnis, die er seinen umfangreichen Unterlagen entnommen hatte. Zur Blütezeit des Clans hatte die Anzahl seiner Mitglieder etwa eine halbe Million umfasst. Um die weitgehend selbstständig operierenden Bezirksgruppen zu koordinieren, war auf einem Kongress in Nashville der Ex-Südstaatengeneral Nathan Bedford zum Grand Wizard erhoben worden, eine Bezeichnung, die den okkulten Charakter des Zirkels deutlich unterstrich. Wobei die Herkunft ihrer ungewöhnlichen Bezeichnung nicht eindeutig hatte geklärt werden können. Viele sahen in den Begriffen »Ku Klux« die lautmalerische Umschreibung des Spannens eines Gewehrhahns, andere führten sie auf die Maya-Gottheit Kukulkan zurück, wieder andere auf das griechische Wort »Kyklos«, das nichts anderes bedeutete als »Kreis«.

Letztlich waren diese Informationen, die man Lassiter mit auf den Weg gegeben hatte, bedeutungslos. Wichtig war einzig die Spur, die Santiago zu erkennen geglaubt hatte. Und diese Fährte führte seiner Ansicht nach zum in Richmond ansässigen Gunsmith. Inwiefern sie sich als brauchbar herausstellen würde, musste Lassiter vor Ort erst noch in Erfahrung bringen, aber er war fest entschlossen, das Aufkeimen einer neuen Terrororganisation mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aufzuhalten.

Gemächlich ritt er in Richmond ein und ließ seinen Hengst die Mainstreet entlangtraben. Lange brauchte er sich nicht umzuschauen, um ein Hotel zu finden, von dem aus er seine Nachforschungen durchführen konnte. »Feel Good Town Inn« prangte in riesigen Lettern über dem Eingang des Gasthofs. Lassiter musste schmunzeln und nahm sich vor, das angepriesene Wohlgefühl auf die Probe zu stellen. Er brachte seinen Grauschimmel in einem Mietstall nicht weit entfernt unter und stand wenige Minuten darauf bereits an der Rezeption.

Auf Anhieb fielen ihm die Damen auf, die abseits in einer Lounge saßen und trotz aufreizender Kleidung nicht den Eindruck erweckten, einen schnellen Dollar verdienen zu wollen. Ebenso wie der Clerk wirkten sie übermüdet und nur unter Androhung von Gewalt bereit, den Neuankömmling mit ihren Diensten zu verwöhnen. Trotz einiger enthaltsamer Tage war Lassiter gegenwärtig auch gar nicht auf ein Stelldichein aus, würde erst sein weiteres Vorgehen planen und am späten Abend die Laune der Liebesdienerinnen einer neuerlichen Begutachtung unterziehen.

Er bezahlte für drei Tage im Voraus und nahm seinen Zimmerschlüssel entgegen. Seine Unterkunft lag gleich im ersten Stockwerk in der Mitte eines Flurs, der mit einer hauchdünnen Teppichbahn ausgelegt war, die weder seine Schritte dämpfte noch eine Bereicherung des Ambientes darstellte.

Kaum hatte der große Mann die Tür seines Zimmers aufgeschlossen und seine Aktenmappe aufs Bett geworfen, erregten laute Rufe, die von der Straße kamen, seine Aufmerksamkeit. Beim ersten Blick aus dem Fenster sah er einen Karren, der von einem Maultier gezogen wurde, und sich rumpelnd über die Mainstreet schob. Gleich darauf erst fiel ihm eine verwachsene Gestalt auf, die dem Wagen voran humpelte, eine Faust zum Himmel reckte und schrie: »Elendes Mörderpack! Ich habe euch gewarnt, aber ihr wolltet nicht hören!«

Die Tirade setzte sich fort, doch Lassiter hörte nicht mehr hin. Einzig das Gelächter, das dem Buckligen galt, verfolgte ihn durch den Korridor, den er hinuntereilte, und verstummte, als er beim Treppenabsatz anlangte. An der Rezeption vorbei trat er mit ausgreifenden Schritten hinaus auf den Boardwalk und schaute der schweigenden Prozession nach, die sich hinter dem Fuhrwerk gebildet hatte. Der Verwachsene hatte sich abgesetzt und auf der gegenüberliegenden Straßenseite an einen Stützpfeiler gekauert. Ein Kerl, der gaffend hinter ihm stand, versetzte ihm einen Tritt und scheuchte ihn davon.

»Was ist geschehen?«, erkundigte sich Lassiter bei einem Passanten, der fassungslos und kopfschüttelnd seine Frau im Arm hielt. Ihr Gesicht ruhte an seiner Brust, und nur ganz leise war ihr verhaltenes Schluchzen zu hören.

»Wieder ein Mord!«, entfuhr es dem Mann. »Diesmal hat es Louis Hayden erwischt! Der alte Nesbit hat die Leiche draußen vor der Stadt gefunden! Wie soll es nur mit uns weitergehen?«

»Wie viel Tote hat es bereits gegeben?«

»Erst McCarthy von der Sägemühle im Südwesten, dann Sheriff Raskin, ein Durchreisender und jetzt …« Er wandte sich ab, strich seiner Frau über den Kopf und flüsterte ihr beruhigende Worte zu.

Lassiter horchte auf. Mit dem Durchreisenden konnte bloß Agent Santiago gemeint sein. »Gibt es Vermutungen, wer dahintersteckt?«, wollte er wissen.

»Vermutungen?«, ächzte der Mann verständnislos. »Sehen Sie sich die Brandzeichen auf der Stirn der Opfer an, und Sie wissen Bescheid!« Auf Nachfrage beschrieb er das Stigma mit dem Buchstaben K. Für Lassiter eine zusätzliche Bestätigung von Santiagos Mutmaßungen.

Der Brigade-Agent ließ das Pärchen stehen, wanderte einige Schritte über den Boardwalk und sah dem Zug der Trauernden hinterher. Offenbar hatte sich der Ku-Klux-Klan bisher nur an Menschen weißer Hautfarbe ausgelassen, doch sein Hass mochte sich schon bald auch auf die schwarze Bevölkerung ausdehnen. Trotzdem geriet Lassiter ins Grübeln, da er sich momentan noch keinen Reim auf die wahren Absichten der Bewegung machen konnte.

Ehe er jedoch seine Ermittlungen aufnehmen würde, wollte er sich noch um eine Angelegenheit privater Natur kümmern.

***

Crissie Hayden stand unter Schock. Erst wenige Stunden war es her, dass sie die furchtbare Nachricht vom Tode ihres Vaters erhalten hatte. Sie hatte in der Stadt Einkäufe erledigt und war von besorgten Bürgern auf offener Straße angesprochen worden. Alles hatte sie stehen und liegen lassen, war zum Bestatter geeilt und hatte die grausige Wahrheit mit eigenen Augen gesehen. Wäre Brent Walker, Vormann der Hayden-Plantage, nicht an ihrer Seite gewesen, hätte sie unweigerlich einen Zusammenbruch erlitten. Er hatte sie nach Hause auf die Farm gebracht, in ihr Bett gelegt und ihr Ruhe gegönnt. Jetzt war sie schweißgebadet zu sich gekommen und hatte im ersten Moment geglaubt, lediglich einen bösen Traum gehabt zu haben.

Doch es war kein Traum gewesen. Sie hatte die Leiche ihres Vaters gesehen, die Stirn mit einem Mal verunstaltet, der Körper von zahllosen Einschüssen durchlöchert. Natürlich war von den Tätern weit und breit keine Spur vorhanden. Sie waren eine eingeschworene Gemeinschaft, lebten mitten unter den Bewohnern von Richmond und verstanden es ausgezeichnet, ihre wahre Identität zu verschleiern. Einige befürworteten ungeniert das Vorgehen des Clans, doch die meisten lehnten es ab. Nicht unbedingt aus Überzeugung, aber aus Angst vor dem Gesetz.

Louis Hayden hatte zu den Ersten gehört, die ihren Sklaven die Freiheit geschenkt hatten. Für die Arbeit auf den Tabakfeldern hatte er sich in den umliegenden Städten Erntehelfer zusammengesucht, oftmals Tagelöhner, die kamen und gingen, aber auch eine feste Mannschaft, die bereits viele Monate für ihn tätig war.

Und was hatte ihm seine Großzügigkeit eingebracht? Militante Schergen, die die Zustände vor dem Bürgerkrieg wieder herzustellen gedachten, hatten ihn brutal ermordet. Sollte es auf dieser Welt noch einen Funken Gerechtigkeit geben, dachte Crissie Hayden, würde diesen Bestien weit Schlimmeres widerfahren als das, was sie ihren Opfern angetan hatten.

Sie merkte, dass sich ihre Finger im Laken verkrallt hatten, warf es beiseite und stieg aus ihrem Bett. Auf nackten Füßen, nur mit einem dünnen Kittel bekleidet, tappte sie zur Tür, öffnete sie spaltbreit und rief: »Brent? Ich bin wach! Bist du da?« Es wäre nicht ungewöhnlich gewesen, wenn der Vormann sich nicht im Haus befunden hätte. Auf den Feldern der Plantage gab es genügend Arbeit für ihn. Daher war Crissie leicht überrascht, schon nach wenigen Sekunden eine Antwort zu erhalten.

»Einen Moment! Ich bin gleich bei dir!«, gab Brent Walker zurück. Nicht lange, und sein schwerer Gang hallte durch den Vorraum, der zu Crissies Schlafraum führte. Die junge Blondine zog die Tür auf und bemerkte flüchtig Walkers abschätzigen Blick, dachte sich aber nichts dabei. Immerhin sah sie nicht gerade ladylike aus und hoffte, den Vormann nicht in Verlegenheit gebracht zu haben.

»Ich kann es immer noch nicht fassen«, seufzte sie und verkniff sich die Tränen, die ihr in die Augen schießen wollten. Crissie ging zurück zum Bett und setzte sich auf die Kante. »Gestern noch habe ich mich mit meinem Vater unterhalten – und heute schon ist er nicht mehr da.«

»Wenn es irgendetwas gibt, was ich tun kann …«, brachte Brent Walker zögerlich hervor.

»Es ist gut, dich auf der Farm zu haben«, erwiderte Crissie. »Die Produktion darf nicht stillstehen.« Sie zögerte mehrere Augenblicke. »Obwohl ich nicht weiß, ob das alles überhaupt noch einen Sinn ergibt. Ich bin keine Geschäftsfrau. Wie soll ich den Betrieb aufrechterhalten?«

Tief sog Walker die Luft ein. »Es wird schwer, aber ich bin für dich da. So, wie für deinen Vater. Das weißt du.« Auf seinen Zügen erschien ein angedeutetes Lächeln; seine wasserblauen Augen strahlten Zuversicht aus.

»Ja, das weiß ich«, hauchte Crissie. Walker hatte als junger Bursche auf der Hayden-Plantage angefangen, hatte die harte Arbeit klaglos hingenommen und bald schon bessere Ernteerträge erzielt als die meisten Schwarzen. Als Louis Hayden beschlossen hatte kürzerzutreten, war es ihm leichtgefallen, Walker in die Position eines Vormanns zu erheben und ihn mit jenen Aufgaben zu betreuen, für die er sich zu alt fühlte. Seiner Tochter hatte er in aller Vertraulichkeit sogar einmal erzählt, dass er Brent Walker als eine Art Sohn betrachtete und sich nichts mehr wünschen würde, als dass sein Vormann irgendwann einmal seine Geschäfte übernahm.