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Die Gespräche verstummten schlagartig, als Lemuel Reargon den Saloon betrat. Die Gäste traten respektvoll zur Seite, während er mit schweren Schritten in Richtung Tresen marschierte.
"Prescott", knurrte er. "Mir ist gerade zu Ohren gekommen, dass du üble Gerüchte über mich verbreitest."
Der junge Mann an der Theke erbleichte, und die Männer links und rechts von ihm wichen zurück, als hätte er die Blattern. Seine Hände umklammerten den Bierkrug, während er antwortete: "Das sind keine Gerüchte, Reargon. Sie haben meinen Onkel ermordet, und ich kann es beweisen!"
"Ach, wirklich?" Reargons vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Lächeln, als er sich an die Theke lehnte und Daniel Prescott musterte. Der starrte stur geradeaus.
Reargon wandte sich an den Bartender. "Gib Mr. Prescott einen Whiskey, Brad. Auf meine Rechnung." Er lachte heiser. "Den wird er jetzt brauchen."
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Showdown in Black Hills
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: TXUS/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4314-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Showdown in Black Hills
Die Gespräche verstummten schlagartig, als Lemuel Reargon den Saloon betrat. Die Gäste traten respektvoll zur Seite, während er mit schweren Schritten in Richtung Tresen marschierte.
»Prescott«, knurrte er. »Mir ist gerade zu Ohren gekommen, dass du üble Gerüchte über mich verbreitest.«
Der junge Mann an der Theke erbleichte, und die Männer links und rechts von ihm wichen zurück, als hätte er die Blattern. Seine Hände umklammerten den Bierkrug, während er antwortete: »Das sind keine Gerüchte, Reargon. Sie haben meinen Onkel ermordet, und ich kann es beweisen!«
»Ach, wirklich?« Reargons vernarbtes Gesicht verzog sich zu einem amüsierten Lächeln, als er sich an die Theke lehnte und Daniel Prescott musterte. Der starrte stur geradeaus.
Reargon wandte sich an den Bartender. »Gib Mr. Prescott einen Whiskey, Brad. Auf meine Rechnung.« Er lachte heiser. »Den wird er jetzt brauchen.«
Als der Keeper das Glas vor ihm abstellte, würdigte Daniel Prescott es keines Blickes. Stattdessen nahm er einen kräftigen Schluck aus dem Bierkrug, bevor er den vierschrötigen Hünen, der neben ihm stand, mit einem abschätzigen Blick bedachte.
»Sie werden damit nicht davonkommen, Mr. Reargon«, sagte er. »Sie glauben vielleicht, dass Sie hier in Black Hills tun können, was immer Sie wollen, weil alle Angst vor Ihnen haben. Aber ich werde dafür sorgen, dass man Sie zur Rechenschaft zieht!«
Reargon hob die Augenbrauen und drehte sich zum Schankraum um. »Hohooh! Jetzt hör sich einer dieses Kerlchen an!«
Ein paar der Gäste lachten, doch die meisten wichen Reargons stechenden Blicken aus. Eine ungemütliche Stille hatte sich im Raum ausgebreitet.
Reargon beugte sich zu Prescott hinunter, den er um fast zwei Köpfe überragte, und legte ihm freundschaftlich die Hand auf die Schulter. Der junge Mann rührte sich nicht, doch sein Rücken schien sich unter der Berührung zu versteifen.
»Willst du den Whiskey nicht, Junge?«, fragte Reargon und lächelte jovial.
»Mit Ihnen trinke ich nicht, Mister«, entgegnete Prescott und presste die Lippen aufeinander, als wolle er sich dagegen wappnen, dass Reargon ihm den Whiskey mit Gewalt einflößte. Ein nervöses Zucken ließ ihn blinzeln, während er immer noch die aufgereihten Flaschen im Regal hinter dem Tresen anstarrte.
»Oje«, murmelte der Hüne und verzog betrübt die Lippen. »Schätze, damit stehst du hier ziemlich alleine da.«
Er hob die Hände und zwinkerte dem Barkeeper zu. »Eine Runde für alle hier. Das geht aufs Haus, Leute!«
Als hätte er einen unsichtbaren Schalter umgelegt, ertönte nun ein vielstimmiges Gelächter, und einzelne Hurra-Rufe erfüllten den Raum. Die Anwesenden, die noch kurz zuvor wie gelähmt auf die Szene am Tresen gestarrt hatten, begannen nun, ihre Gespräche wiederaufzunehmen, und ein halbes Dutzend Männer drängte sich an die Theke, während Brad Curtis, der Barkeeper, sich beeilte, Gläser einzuschenken, und die dralle rothaarige Bedienung neben ihm Tabletts füllte, um die Drinks zu den Tischen zu bringen.
Zwei Digger mit struppigen Bärten nahmen ihre Gläser von der Theke und prosteten Reargon zu. Der langte nach Prescotts unberührtem Whiskey und leerte ihn in einem Zug, bevor er den Männern mit dem leeren Glas zuwinkte.
»Siehst du, Bürschchen«, murmelte er mit gesenkter Stimme in Prescotts Ohr. »Ich sagte doch, dass du ganz alleine bist.«
Der junge Mann stand von seinem Barhocker auf und starrte den Riesen verkniffen an. »Was sind Sie nur für ein Mensch, Mr. Reargon?«, sagte er, und in seinem Gesicht mischte sich Zorn mit Verachtung.
Sein Gegenüber breitete die Hände aus. »Ein beliebter offenbar, oder sieht man das nicht?«
Die ausgelassene Stimmung im Saloon war mit der Hausrunde zurückgekehrt, und nun kümmerte sich niemand mehr um Reargon und Prescott, die sich vor dem Tresen gegenüberstanden.
»Wo kommst du her, Daniel Prescott?«, fragte Reargon beiläufig, und seine Miene war so freundlich, wie die groben, von tiefen Narben durchzogenen Züge nur sein konnten. Die Augenbrauen des Hünen hoben sich interessiert, während er mit der rechten, von vier klobigen Siegelringen geschmückten Hand auf die Platte des Tresens trommelte.
»Chicago«, gab Prescott widerwillig zur Antwort, und Reargon grinste schmal.
»So siehst du auch aus«, sagte er heiter. »Ein feiner Pinkel aus der großen Stadt, der glaubt, er könne hier den harten Hund markieren.«
Er hob die Achseln und furchte in einer Miene gespielten Mitleids die Stirn. Dabei sah er auf Prescott hinab wie auf einen kleinen verirrten Jungen. »Jede Woche kommen Dutzende Menschen hierher, weißt du? Sie denken, man kann in den Black Hills das schnelle Geld machen, weil die Nachricht von den Goldfunden sich inzwischen bis zur Ostküste ausgebreitet hat. Seit dem letzten Frühjahr ist aus diesem Kaff eine Stadt mit dreitausend Einwohnern geworden. Und jeder Einzelne von diesen Leuten glaubt, er müsse einfach nur aus dem Zug steigen und wäre ein paar Wochen später ein gemachter Mann.«
Reargon schaute über die Männer an den Tischen hinweg ins Leere, während im Saloon der Geräuschpegel stieg und Prescott ihm schweigend zuhörte. Der junge Mann hatte nicht die geringste Ahnung, was sein Gegenüber ihm zu vermitteln versuchte, aber er beschloss, auf eine vermeintliche Pointe zu warten.
»Diese Stadt ist ein Sündenpfuhl, Junge«, fuhr Reargon fort. »Ein Hexenkessel voll mit menschlichem Abschaum, und der Teufel selbst facht das Feuer darunter an.« Er hob seinen Zeigefinger, und die Goldringe glitzerten im schummrigen Licht. »Ein paar von den Leuten, die der Zug täglich ausspuckt, sind Naivlinge wie du. Aber die meisten, mein junger Freund, sind Menschen wie ich. Männer, die wissen, was sie hier erwartet. Männer, die zu allem bereit sind. Deshalb vergeht kaum ein Tag in dieser Stadt, ohne dass der Undertaker etwas zu tun bekommt.«
Plötzlich schoss Reargons Zeigefinger vor und bohrte sich wie ein eiserner Nagel dicht unterhalb des Brustbeins in Prescotts Solarplexus. Der schnappte nach Luft und taumelte einen Schritt zurück. Er griff nach dem Handlauf des Tresens und wäre um ein Haar lang auf den mit Holzspänen bestreuten Boden des Schankraums gefallen.
Reargon packte ihn an der Schulter und zog ihn zu sich heran, bevor er sein Gesicht dicht vor das des jungen Mannes brachte.
»Jetzt hör mir gut zu, Jungchen«, zischte er. »Ich sage dir das nämlich nur einmal. Dein Onkel Winston hat sich aufgehängt, warum auch immer. Ich hatte ihm ein Angebot für seinen Claim gemacht, und er hat mir hier an diesem Tresen gesagt, dass er darüber nachdenken will. Er hätte mit einer Menge Dollars dahin verschwinden können, wo er herkam.«
»Sie lügen, Reargon«, stieß Prescott hervor und hustete. Vor seinen Augen tanzten Sterne.
»Dafür habe ich jede Menge Zeugen, Bürschchen«, entgegnete Reargon ungerührt. »Und wenn du keinen Ärger willst, denk drüber nach: Mein Angebot steht noch – vier Riesen für den Claim, bar auf die Hand. Das ist genau die Summe, die ich deinem Onkel angeboten habe, und niemand sonst wird auch nur annähernd so viel zahlen. Dafür kannst du dir in Chicago ein hübsches Geschäft kaufen.«
Der Hüne ließ ihn los, und Prescott versuchte schwankend, sein Gleichgewicht wiederzufinden. Er zog sein Jackett zurecht und strich sein Haar zurück, das ihm in wirren Strähnen im Gesicht hing.
»Wir sehen uns, Mister«, murmelte er, doch er blickte zu Boden, bevor er mit unsicheren Schritten zum Ausgang ging.
Reargon sah ihm nach und schmunzelte, als Prescott fast gestürzt wäre, während er durch die Schwingtüren des Saloons taumelte.
»Was sollte das Geschwätz, Lemuel?«, erklang die Stimme von Brad Curtis hinter ihm. »Du wirst diesen Winston Prescott doch nicht etwa umgebracht haben?«
Reargon wandte sich zum Tresen um und sah dem kahlköpfigen Bartender sekundenlang wortlos in die Augen.
Dann brachen die beiden Männer in dröhnendes Gelächter aus.
***
Lassiter hob den Blick, als von vorn ein langgezogenes Pfeifen ertönte. Die Lok, die die Waggons an den Berghängen vorbei in Richtung Westen zog, schien ihre Fahrt zu verlangsamen, und er öffnete das Fenster in der Hoffnung, einen Grund dafür entdecken zu können.
»Ist irgendetwas nicht in Ordnung?« Der Mann mit dem lang gezogenen Pferdegesicht, der ihm gegenübersaß, sah beunruhigt zu ihm auf. Dabei strich er einem kleinen Mädchen neben sich über den blonden Haarschopf, das darauf nur unwillig den Kopf schüttelte. Sie war in ein Buch vertieft und nahm die Berührung nicht als schlechtes Zeichen, sondern nur als Störung wahr.
Lassiter beugte sich aus dem Fenster und schaute sich um. Neben dem Bahndamm stiegen die dicht mit Bäumen und Büschen bestandenen Hänge steil an, und die Strecke beschrieb vor ihm eine Linkskurve, sodass er nur etwa hundert Yards weit blicken konnte, bevor die Gleise hinter dem Berg verschwanden. Das wenige, was außerhalb des Zuges von der Landschaft zu sehen war, bot keinen Anlass zur Besorgnis.
»Keine Ahnung, Mister«, antwortete Lassiter zögernd und schloss das Fenster. »Aber ich werde mal nachfragen.«
Er ging an den Reihen der Bänke vorbei, die in diesem Wagen nur von wenigen Reisenden besetzt waren. Eine Gruppe von fünf dunkelhäutigen Männern in einfacher Arbeiterkleidung, die vermutlich aus dem nahegelegenen Rapid City kam, spielte Karten auf einer Holzkiste, die sie in die Mitte zwischen sich gestellt hatte. Die Burschen waren voll auf ihr Spiel konzentriert und hatten keinen Blick dafür übrig, was um sie herum geschah.
Dahinter saßen zwei Männer in Anzügen, die vermutlich einmal teuer gewesen waren, nun aber einen fast schon schäbigen Eindruck machten. Sie wechselten leise ein paar Worte miteinander, und einer der beiden hielt einen Flachmann in der Hand, den er ab und zu an die Lippen führte.
Auf der anderen Seite drängte sich eine Familie mit drei Kindern. Die Frau war damit beschäftigt, ihre beiden etwa zehn Jahre alten Söhne zur Ordnung zu rufen, die auf der gegenüberliegenden Bank miteinander rangen, während der Vater ein kleines Mädchen in den Armen hielt und dabei müde und geistesabwesend aus dem Fenster schaute.
Die Frau sah ihm beunruhigt entgegen, als er an ihr vorbeiging, und er setzte ein gleichmütiges Lächeln auf.
Als er am Ende des Wagens ankam, fiel ihm eine dunkelhaarige Frau auf, die in lederner Männerkleidung am Fenster saß und die Augen geschlossen hatte. Neben ihr auf der Bank stand eine kleine Reisetasche, darauf lag ein Hut, doch sonst schien sie keinerlei Gepäck bei sich zu haben.
Er öffnete die Tür des Wagens, als die Frau ihre Augen öffnete und ihn ansah.
Ihre Lippen öffneten sich leicht, als sie ein Gähnen unterdrückte. »Entschuldigen Sie, Mister«, sagte sie leise. »Sind wir etwa schon da?«
Lassiter lächelte. »Nein, Ma’am. Bis nach Black Hills brauchen wir noch eine knappe Stunde, schätze ich.«
Sie nickte und erwiderte sein Lächeln, bevor sie sich wieder zurücklehnte und ihre Lider senkte.
Draußen zwischen den Wagen bemerkte Lassiter, dass der Zug die Geschwindigkeit weiter verringert hatte. Die Tür vor ihm öffnete sich, und der Conductor trat ihm entgegen.
»Gibt es Probleme?«, fragte Lassiter.
Der Schaffner hob die Achseln. »Nur ein toter Hirsch auf den Gleisen, Sir. Nicht weiter schlimm, das Fanggitter vorn an der Lok wird den Kadaver beiseiteschieben. Der Zugführer möchte nur auf Nummer sicher gehen und hat deshalb etwas Dampf vom Kessel genommen.«
Im selben Moment war über den Männern ein dumpfer Laut zu hören. Dann ein weiterer.
Lassiters Augen verengten sich, und er zog den Remington aus dem Holster. »Zurück in den Wagen, Conductor«, knurrte er. »Wir haben es mit mehr als totem Rotwild zu tun.«
Er packte den Handlauf der kleinen Metallleiter, die links neben dem Podest nach oben zum Wagendach führte. Mit ein paar schnellen Bewegungen stieg er die Sprossen hoch und spähte vorsichtig über die Kante des Wagendaches.
Zwei Indianer waren aus den tief über die Bahnstrecke hängenden Ästen der Bäume auf das Dach des Zuges gesprungen und kamen, Karabiner in den Fäusten haltend, direkt auf ihn zu.
Als einer der beiden Lassiter bemerkte, hob er ohne zu zögern sein Gewehr. Lassiter duckte sich.
Keinen Moment zu früh. Die Kugel zischte nur eine Handbreit über ihn hinweg und schlug mit einem hässlichen Geräusch in die Dachkante des hinteren Bahnwagens ein.
Lassiter stieß einen Fluch aus und zog sich mit der Linken wieder nach oben, während er mit der Rechten den Remington nach vorn riss. Er biss die Zähne zusammen und zog den Abzugsbügel durch.
Der Indianer, der auf ihn gefeuert hatte und nur noch drei Yards entfernt war, wurde mitten in die Brust getroffen. Der Einschlag des großkalibrigen Geschosses ließ ihn zurücktaumeln; er riss die Arme hoch, und das Gewehr rutschte aus seinen Händen, bevor er rücklings auf das Dach des Wagens stürzte. Der zweite Krieger stieß einen Schrei aus und zielte auf Lassiter, doch der Mann der Brigade Sieben war schneller.
Der Remington brüllte auf, und eine tödliche Feuerlanze zuckte aus dem Lauf.
Die erste Kugel erwischte seinen Gegner in der Schulter, und er drehte sich halb um die eigene Achse, bevor ihn die zweite Kugel in den Kopf traf und er lautlos über die Dachkante aus Lassiters Sichtfeld verschwand.
Der Mann der Brigade Sieben sprang mit einem Satz auf das Wagendach und sah sich fieberhaft um, während er unter sich entsetzte Schreie und Stimmengewirr vernahm. Die Reisenden hatten die Schüsse gehört, und binnen kürzester Zeit würde sich Panik unter ihnen ausbreiten.
Am anderen Ende des Wagens, aus dem er gekommen war, erblickte er drei Indianer auf dem Dach, die bereits hinunterkletterten auf das Podest, über das sie in den Wagen gelangen würden.
Er langte nach dem Karabiner des toten Kriegers, der vor ihm leblos auf dem Blechdach lag, während er in den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm.
Geistesgegenwärtig ließ er sich fallen, und nur Sekundenbruchteile später pfiff eine Geschossgarbe über ihn hinweg. Er packte das Gewehr, fuhr gebückt herum und feuerte blindlings in die Richtung, aus der das tödliche Blei gekommen war.
Ein Schmerzensschrei aus dem dichten Grün jenseits des Bahndammes ließ ihn grimmig grinsen. Offenbar hatten sich dort weitere Gegner versteckt. Er gab noch drei Schüsse ab, bevor er es wagte, geduckt über das Dach zurück zu der Leiter zu hasten.
Mit einem beherzten Sprung von der Dachkante landete er direkt auf dem Podest und wurde kurz darauf gegen die Tür des hinteren Wagens geschleudert, als der Zug plötzlich mit quietschenden Rädern zum Stehen kam.
»Goddam«, fluchte er leise. Das war kein gutes Zeichen.
Hatten die Indianer den Zugführer überwältigt und dafür gesorgt, dass die Lok gestoppt wurde? Er wusste weder, wo seine Gegner sich befanden noch wie viele es waren.
Er stieß kurzentschlossen die Tür zu dem Wagen auf, den er noch vor wenigen Minuten verlassen hatte, und stürmte mit erhobenem Karabiner hinein.
Ein einziges Tohuwabohu empfing ihn. Die Reisenden schrien und heulten wild durcheinander, während sie sich aus dem hinteren Bereich des Wagens fluchtartig vor den grimmig dreinblickenden drei Kriegern zurückzogen, die sie mit erhobenen Gewehren vor sich hertrieben.
Als er in die versteinerten Mienen der Indianer blickte, wurde ihm klar, dass er weder die Zeit noch die Gelegenheit bekommen würde, um zu verhandeln.
»Alle auf den Boden!«, brüllte er, dann begann er ohne Unterlass zu feuern.
Die drei Krieger hatten nicht mit Gegenwehr gerechnet. Zwei von ihnen waren bereits tot, bevor sie überhaupt reagieren konnten.
Doch der dritte hatte das Glück gehabt, durch seinen Vordermann vor Lassiters gezielten Schüssen geschützt zu werden und duckte sich hinter eine der Bänke, wobei er mit einer Hand nach dem am Boden liegenden Mädchen griff, das immer noch ihr Buch umklammert hielt. An ihrem Fuß zog der Krieger sie zu sich, während sie wimmernd die Hand in Richtung Lassiter ausstreckte.
»Helen!« Das war die Stimme ihres Vaters, der sich zwei Bankreihen weiter vorn hinter die Lehne duckte und nun entsetzt den Kopf hob.
Während sich der Pulverdampf in beißenden Schwaden in dem Zug ausbreitete, sah sich Lassiter um. Alle Passagiere duckten sich tief hinter den zweifelhaften Schutz der Holzbänke, und einige warfen ihm dabei ängstliche Blicke zu.
Nur von der Frau, die vorn auf der Bank gesessen hatte, fehlte jede Spur.
»Du lässt Waffe fallen, sonst stirbt Kind!«
Lassiter wandte den Blick und sah zum anderen Ende des Wagens hinüber. Der Indianer hielt das blonde Mädchen mit dem linken Arm umklammert. In der rechten Faust hielt er ein Messer, das er der Kleinen an die Kehle drückte. Der Ausdruck im Gesicht seines Gegners ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass er zu allem entschlossen war.
»Du hast keine Chance, Hombre«, knurrte Lassiter. »Lass sie los, wenn du am Leben bleiben willst.«
»Bitte, Mister! Er wird sie töten«, stieß der Vater des Mädchens hervor. »Lassen Sie ihn doch einfach …«
Plötzlich krachte ein Schuss, und der Gesichtsausdruck des Indianers veränderte sich. Lassiter hob den Lauf des Karabiners, bevor er sah, wie sich die Augen des Kriegers weiteten, das Messer aus seiner Hand fiel und der Arm, mit dem er das Mädchen hielt, kraftlos herabsank, bevor er selbst hinter der Bank zu Boden sackte.
Die Frau in der Lederkluft, die noch vor Kurzem so verschlafen gewirkt hatte, erhob sich hinter dem toten Indianer und hielt einen rauchenden Colt in ihrer Hand. Sie nickte ihm mit grimmiger Miene zu.
Hinter ihm erfüllte nun lautes Geschrei den vorderen Wagen, und er hatte nur die Zeit für ein schmales Lächeln, bevor er herumfuhr und wieder aus dem Wagen stürzte.
Er hätte fast geschossen, als ihm ein Mann mit aufgerissenen Augen entgegenkam. »Sie haben die Lok!«, brüllte der Trapper durch seinen struppigen Bart hindurch und wedelte mit seinem Peacemaker. »Und ich habe keine einzige verdammte Kugel mehr!«
Der Mann blutete aus einer Wunde in der Schulter, doch in seiner Miene erkannte Lassiter kaltblütige Entschlossenheit.
Er drückte dem Trapper die Winchester in die Hand. »Wie viele sind es?«, fragte er.
»Vier oder fünf leben noch, zwei habe ich in die ewigen Jagdgründe geschickt«, entgegnete der Bärtige, ohne dabei den Anschein von Triumph zu erwecken. Es klang so, als würde er über ein Rudel hungriger Wölfe sprechen.
»Folgen Sie mir, Mister«, knurrte Lassiter und zog den Remington.
Als er die Tür zum Wagen öffnete, wurde das mit einem halben Dutzend Kugeln beantwortet, und er musste sich ducken. Er nickte dem Trapper zu, bevor er die Tür wieder aufstieß und in den Wagen sprang.