Lassiter 2327 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2327 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Dumpf hallten die schweren Stiefeltritte von den Dielen des Saloons wider. Der Mann, der sich durch die Schwingtüren geschoben hatte, bewegte sich achtsam, aber zielstrebig. Flüchtig nur kreiste sein Blick durch den Raum, doch das schien ihm zu genügen, um jeden der Gäste einschätzen zu können.

Am Tresen blieb er stehen, stützte seine Arme darauf und beugte sich zum Barkeeper vor. Durchdringend waren seine Augen auf den Fettleibigen hinter der Theke gerichtet. In ihnen lag ein teuflisches Glitzern.

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Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Lady und der Satteltramp

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Aboy

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4376-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Lady und der Satteltramp

Dumpf hallten die schweren Stiefeltritte von den Dielen des Saloons wider. Der Mann, der sich durch die Schwingtüren geschoben hatte, bewegte sich achtsam, aber zielstrebig. Flüchtig nur kreiste sein Blick durch den Raum, doch das schien ihm zu genügen, um jeden der Gäste einschätzen zu können.

Am Tresen blieb er stehen, stützte seine Arme darauf und beugte sich zum Barkeeper vor. Durchdringend waren seine Augen auf den Fettleibigen hinter der Theke gerichtet. In ihnen lag ein teuflisches Glitzern.

»Whiskey, Mister?«, fragte der Schankwirt.

Der Unbekannte lächelte schmal, sagte jedoch kein Wort. Unverwandt starrte er sein Gegenüber an. Und er tat es immer noch, als der Barkeeper ein Glas vor ihm abstellte, er danach griff und es an seine Lippen führte. Schluck für Schluck leerte er das Glas bis zur Neige und stellte es vor sich ab.

»Noch einen?«, wollte der Dicke wissen, gewann an Selbstsicherheit und grinste plötzlich. »Für einen Totengräber gibt es in dieser Stadt nicht viel zu tun.«

Die Bemerkung kam nicht von ungefähr. Vom Hut bis zu den Stiefeln war der Fremde in Schwarz gekleidet. Doch statt auf die Äußerung zu reagieren, zupfte er an seinen Lederhandschuhen, streifte sie ab und legte sie ordentlich neben sich auf den Tresen.

»Sie reden nicht viel, was?«, meinte der Wirt in dem Versuch, ein paar Worte aus seinem Gast herauszukitzeln. Und dieses Mal bekam er auch eine Antwort.

»Ich bin nicht hier, um zu quatschen.« Die Stimme war volltönend und rau und ebenso wie der Blick des Mannes von einer Schärfe, die den Barkeeper unwillkürlich zusammenzucken ließ. Auch den Saloonbesuchern war die bedrückende Stimmung, die sich schlagartig ausgebreitet hatte, anscheinend auf den Magen geschlagen. Die Gespräche waren verstummt, und nur hier und da hörte man ein ängstliches Flüstern.

»Bleiben Sie länger hier?« Der Tonfall des Wirts drückte seine Verlegenheit aus. Es war ihm anzusehen, dass er sich mit einem Mal nicht mehr wohl in seiner Haut fühlte.

»Nun ja … Sagen wir einfach, ich wäre auf der Durchreise …« Das Funkeln in den Augen des Fremden verstärkte sich. »Ich mag diese kleinen Städtchen. Oft findet man hier die besten Souvenirs.«

»Sir!«, klang plötzlich eine Stimme unter den Gästen auf. »Sie sehen mir aus wie ein Ehrenmann. Die Höflichkeit sollte es gebieten, dass wir uns einander vorstellen.«

Langsam drehte sich der Schwarzgekleidete um und lehnte sich mit dem Rücken an den Tresen. Seine Augen richteten sich auf einen hageren Mann mit Melone und krausem blonden Haar. Er trug ein schwarzes Jackett, darunter eine gestreifte Weste, aus deren Brusttasche die goldene Kette einer Taschenuhr hing. In seiner Linken hielt er einen eingeklappten Regenschirm, in dessen Falten undeutlich Symbole und Schriftzeichen zu erkennen waren, schwenkte ihn lässig herum und stieß die Spitze schließlich hart auf den Boden.

»Nun, wie sieht es aus, Sir? Werden wir heute noch Ihren Namen erfahren?«

»Wie wär’s, wenn Sie damit anfingen?« Wie zufällig glitt die Hand des Unbekannten hinab zu seinem Colt.

»Sinclair«, erwiderte der Angesprochene. »Jason Sinclair. Ich bin Engländer. Gewissermaßen.«

»Wer hätte das gedacht?«, kam die spöttische Erwiderung. »Mein Name ist Maynard Cain. Vielleicht haben Sie schon von mir gehört.«

»Sollte ich?« Sinclairs Verwunderung wirkte echt. »Was für ein Ruf auch immer Ihrem Namen anhaften mag, sehe ich keine Veranlassung, unsere Begegnung in einem Streit enden zu lassen.« Mit der Spitze seines Schirms deutete er auf Cains Rechte, die nach wie vor auf dem Knauf seines Revolvers lag.

»Sie haben nichts zu befürchten, Sinclair«, meinte Cain gelassen. »Sie sind nicht die Beute, die ich erlegen will.«

»Eine Beute, Sir?«, erkundigte sich der Engländer interessiert. »Dann sind Sie ein Jäger! Ich selbst bin nicht unbedingt der Freund einer wilden Hatz, aber die Fuchsjagd hat in Großbritannien eine lange Tradition.«

»Es ist kein Raubtier, das ich jage«, versetzte Cain, und jede Freundlichkeit war aus seiner Stimme gewichen. »Es ist ein fettes Schwein …«

Hinter der Theke erklang ein ersticktes Keuchen, gleich darauf das Schnappen eines Gewehrhahns. »Eine falsche Bewegung«, stieß der Barkeeper hervor, »und ich verteile die Grütze in deinem Schädel über den ganzen Fußboden!«

Maynard Cain war nicht aus der Ruhe zu bringen. »Hältst du mir da gerade eine doppelläufige Schrotflinte an den Hinterkopf, Roscoe?« Deutlich spürte er den Druck des stählernen Laufs.

»Verdammt richtig, du Bastard!«

»Gentlemen!«, mischte sich Sinclair ein. »Ich möchte Sie dringend bitten, es nicht zu einer Eskalation der Gewalt kommen zu lassen! Ihren Konflikt können wir doch sicher wie zivilisierte Menschen lösen!«

»Halt dich da raus!«, fauchte Roscoe. »Du wärst am besten auf deiner beschissenen Insel geblieben, dann wäre dir das hier erspart geblieben!«

Der Druck in Cains Nacken verschwand, als der Barkeeper sein Gewehr herumschwenkte und auf Sinclair richtete. Im Bruchteil einer Sekunde wirbelte der Schwarzgekleidete herum, zog seinen Colt und hielt die Mündung an Roscoes Stirn. »Du bist nicht nur fett«, brummte er, »du bist auch noch dumm.«

Ein Schuss donnerte und schleuderte den Schankwirt in ein Flaschenregal. Unter dem Bersten zerbrechenden Glases fiel er wie ein Mehlsack zur Seite und schlug hart auf den Boden.

»Das reicht, Mister Cain!«, schrie Sinclair und zauberte aus seinem Hosenträger-Holster einen Derringer hervor. »Lassen Sie Ihre Waffe fallen und drehen Sie sich mit erhobenen Händen zu mir um!«

Äußerst vorsichtig legte Maynard Cain seinen langläufigen Buntline-Special-Revolver neben seine Handschuhe auf die Theke. Seine Hände erhob er bis knapp über die Hüfte. »Dieser Mann ist ein gesuchter Mörder«, sagte er. »Seinen Steckbrief habe ich in der Tasche.«

»Zeigen Sie ihn mir!«, forderte Sinclair. »Sie dürfen zwei Finger benutzen, um ihn herauszuholen. Keinesfalls möchte ich drei und mehr Finger sehen!«

Ohne die geringsten Anzeichen von Aufregung wandte sich Maynard Cain dem Briten zu, zupfte den Steckbrief aus der Brusttasche seines Hemds und hielt ihn in die Höhe.

»Legen Sie das Schriftstück auf den Tresen und entfernen Sie sich vier Schritte davon!«

Cain grinste. »Ein gewöhnlicher Tourist scheinen Sie nicht zu sein …«

»Ich bin Jurist«, erklärte Sinclair, »arbeite aber auch gelegentlich mit Scotland Yard zusammen, falls Ihnen diese großartige Polizeiorganisation ein Begriff sein sollte.« Er übergab seinen Derringer einem Gast. »Halten Sie bitte Mister Cain in Schach, während ich sein amtliches Dokument prüfe.«

»Nie davon gehört«, entgegnete Cain. »Aber ich erkenne die Ironie: Schottische Gesetzeshüter sorgen in England für Ordnung.«

»Nun, es ist erst einmal nur ein Name«, murmelte Sinclair und las sich aufmerksam den Steckbrief durch. »Man munkelt, er gründet sich auf die frühere Residenz der schottischen Könige, wenn sie es denn einmal vorzogen, sich in London aufzuhalten.« Kaum hatte er seine Prüfung beendet, runzelte er die Stirn und schaute Maynard Cain an. »Matthew Roscoe – jener Mann, dem wir arglos Getränke abkauften – ist gemäß dem mir vorliegenden Schriftstück ein gesuchter Räuber und Mörder, ganz zu schweigen davon, dass er sich in unsittlicher Manier an jungen Frauen vergriffen oder diese zur Prostitution gezwungen hat.«

»Ihr britischer Spürsinn spricht für Sie«, sagte Cain in mildem Spott.

»Gesucht wurde er tot oder lebendig«, fuhr Sinclair fort, »womit Sie den gesetzlichen Anforderungen des Staates Arizona Genüge getan haben.« Er streckte seine Hand nach hinten aus und ließ sich seinen Derringer reichen. »Abgesehen von dem Blutbad, das Sie angerichtet haben, kann ich an Ihrem Verhalten keinerlei Kritik üben.«

»Beruhigend. Es hätte mir schlaflose Nächte bereitet.« Cain spitzte seine Lippen, spuckte aus und steckte seinen Buntline Special zurück ins Holster.

»Eine wirklich hässliche Angewohnheit, die Sie da haben«, meinte Jason Sinclair und deutete auf den Speichelfleck am Boden. Rasch aber hellte sich seine Miene wieder auf. »Wohin wird Sie Ihre weitere Reise führen, Sir?«

»Nicht, dass es Sie etwas angehen würde, aber nachdem ich Roscoe beim Marshal in Tucson abgeliefert und meine Prämie eingesteckt habe, gibt es für mich in der Provinz einiges zu tun. Corona, um genau zu sein.«

»Corona?«, tat Sinclair verblüfft. »Welch ein Zufall! Auch mich wird es dorthin verschlagen.«

Maynard Cain ließ nicht erkennen, was er von der Eröffnung hielt. Das Einzige, was er sagte, war: »Geben Sie auf sich acht, Mister Sinclair. Bis Corona sind es zwei Tagesritte. Banditen und Wegelagerer werden sich von Ihrem Spielzeug nicht abschrecken lassen.«

»Ich fühle mich gut gerüstet«, versicherte der Engländer, wog die Derringer-Pistole in seiner Hand und steckte sie ein. »Zur Not habe ich aber auch ein paar außergewöhnliche Überraschungen parat.«

Cain nahm es wortlos zur Kenntnis, begab sich hinter die Theke und schleifte Matthew Roscoe hinter sich her. Mit einiger Anstrengung wuchtete er den Leichnam auf sein Packpferd und stieg in den Sattel eines braunen Morgan.

Sein nächster Auftrag wartete bereits. Dieses Mal aber hatte er nichts mit Recht und Gesetz zu tun.

***

Norman Whitaker! Dieser Name hatte sich Lassiter ins Gedächtnis gebrannt, seit er die Unterlagen der Brigade Sieben studiert und die wichtigsten Details in einer geistigen Notiz abgelegt hatte. Whitaker war nicht nur der Inhaber eines Transportunternehmens, das unter anderem die Eisenbahngesellschaften belieferte, sondern verfügte weiterhin über umfangreiche Schürfrechte und beutete Silbermine um Silbermine im nahen und weiten Umkreis aus. Dass es dabei nicht immer mit rechten Dingen zuging, war ein offenes Geheimnis, fiel jedoch in den Bereich der örtlichen Gerichtsbarkeit. Diese war aber entweder zu blind, um die Morde der jüngeren Vergangenheit mit Whitaker in Verbindung zu bringen, oder schloss schlichtweg die Augen und ließ den einflussreichen Mann gewähren.

Zur Angelegenheit der Brigade Sieben aber wurden die Vorkommnisse aus einem anderen Grund. Da Whitaker sein Fuhrunternehmen mit staatlichen Geldern aufgebaut hatte, sah man sich von Regierungsseite in der Pflicht, den ordnungsgemäßen Ablauf der Geschäfte zu gewährleisten.

Kein Politiker konnte sich schlechte Presse erlauben. Weshalb sie dennoch erst recht spät reagiert hatten, führte Lassiter auf den simplen Umstand zurück, dass allem Anschein nach nicht nur die Mühlen der Justiz träge mahlten, sondern auch der Senat. Es mochte dringlichere Probleme geben, als die Köpfe einiger Verantwortlicher zu retten, die in die Staatskasse gegriffen und Norman Whitaker auf die Füße geholfen hatten.

Jetzt allerdings sah es danach aus, als hätte man auch in Washington begriffen, dass Schlamm immer von unten nach oben spritzte.

Die Silhouette von Corona, der kleinen Town etwa zwanzig Meilen südlich von Tucson, flirrte in der Mittagshitze. Staubtrocken war die Luft, und mit jedem Atemzug glaubte Lassiter, seine Lungen mit Sand zu füllen. Doch so heiß es auch am Tage war, würde die Nacht geradezu frostige Kälte mit sich bringen, was der Nähe zu den Rocky Mountains geschuldet war.

Im gemäßigten Trab ritt der Mann der Brigade Sieben in Corona ein. Das Städtchen würde für ihn der Ausgangspunkt seiner Untersuchungen gegen Norman Whitaker sein, sodass er sich sofort nach einer geeigneten Unterkunft umsah. Bereits auf den ersten Metern, die er auf der Mainstreet zurücklegte, fielen ihm die abweisenden Blicke einiger Passanten auf. Sie betrachteten ihn, als wäre er ein fleischgewordener biblischer Fluch. Doch es waren immer nur flüchtige Blicke, die ihn streiften. Rasch wandten sich die Menschen wieder ab und gingen ihrer Wege.

Nicht so allerdings eine sechsköpfige Gruppe, die nichtsnutzig am Gatter eines Korrals lehnte. Die Männer übten sich darin, kleine Kunststücke mit ihren Revolvern und Messern vorzuführen, lachten über ihre dümmlichen Witze und machten sich über den einen oder anderen Fußgänger lustig. Und noch ehe sie auf Lassiter aufmerksam wurden, wusste er, dass er das nächste Ziel ihres Spotts sein würde.

Es kam, wie der Agent es vorausgesehen hatte. Mehr zufällig linste einer der Kerle zu Lassiter herüber, stieß seine Kumpane an und deutete auf den Reiter, der auf seinem Grauschimmel gemächlich herantrabte.

»He, Freundchen! Schlaf mir bloß nicht im Sattel ein!«

»Der hat sich wohl im Kaff geirrt!«, rief ein anderer.

Lassiter schenkte ihnen keine weitere Beachtung. Ob er sich nun auf ein Wortgefecht einließ oder die Kerle ignorierte, lief auf dasselbe hinaus. Sie würden ihn nicht in Ruhe lassen.

»Ganz schön dreist!«, krächzte einer aus der Gruppe und erhob sogleich seine Stimme. »Bist wohl taub und stumm!« Er gab seinen Leuten ein Zeichen. Nacheinander lösten sie sich von der Einzäunung und traten auf die Straße. Breit stellten sie sich nebeneinander auf und versperrten Lassiter den Weg. Drohend wurde ihm ein Messer entgegengereckt.

»Ein Willkommensgruß sieht anders aus«, brummte der Agent unbeeindruckt.

»Du bist hier nicht willkommen!«, kam es scharf zurück. Der Kerl mit dem Messer rückte näher. Zwei seiner Kumpane griffen nach ihren Revolvern.

»Deutlicher kann man es nicht sagen«, meinte Lassiter. »Sobald ich meine Geschäfte in Corona erledigt habe, seid ihr mich wieder los.«

»Für dich gibt es nichts bei uns zu erledigen.« Die Stimme des Mannes, der gesprochen hatte, war gefährlich leise. Und die verhaltene Drohung, die in ihr mitschwang, ließ den Lassiter ahnen, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis die Kerle ihren Worten Taten folgen ließen.

Ein Schuss krachte. Die Kugel schlug Lassiters Grauschimmel zwischen die Vorderläufe und ließ den Hengst in die Höhe steigen. Rücklings wurde Lassiter aus dem Sattel geworfen und krachte zu Boden.

Doch dabei beließen es die Streitsuchenden nicht. Zwei von ihnen packten das Pferd, während ein dritter die Sattelgurte durchschnitt. Und noch ehe Lassiter sich aufgerappelt hatte, jagten die Kerle den Hengst die Mainstreet hinunter. Dabei verlor er seinen Sattel, der mitten auf der Straße liegen blieb.

»Hast du jetzt kapiert, wie es bei uns läuft?«, rief einer der Kerle. »Fang dir deinen Gaul ein und verschwinde von hier!« Danach zerstreute sich die Gruppe.

Lassiter klopfte sich den Staub von der Kleidung. Er überlegte noch, ob es sich rentierte, den Burschen Manieren beizubringen, als ihn ein Ruf erreichte und den Kopf drehen ließ.

»He, Mister!« Vor den Saloontüren stand ein robuster Kerl mit Kittelschürze und buschigem Schnauzbart. Er winkte Lassiter verstohlen heran.

»Besser, Sie lassen die Jungs ziehen«, sagte er flüsternd, als Lassiter den Boardwalk erklomm. »Das sind keine Bauerntölpel, die einen über den Durst trinken und danach Dampf ablassen. Die gehören zu Whitakers Mannschaft.«

Lassiter sah keine Veranlassung, den Grund seines Aufenthalts zu verheimlichen. »Wegen Whitaker bin ich in der Stadt«, erklärte er frei heraus.

Der Saloonbesitzer wurde blass. »Wenn Sie mit Whitaker einen Handel abschließen wollen, werden Sie den Kürzeren ziehen! Der Mann ist das Gegenteil von einem Menschenfreund.«

»Ich habe nicht vor, mit ihm Geschäfte zu machen.«

»Um Gottes willen – Sie wollen sich mit ihm anlegen?« Der Schrecken stand dem Schnauzbartträger ins Gesicht geschrieben. »Sie haben bisher nur ein paar von seinen Rowdys kennengelernt, aber Whitakers hat noch mehr von der Sorte!«

Lassiter ging nicht darauf ein. »Gibt es in Corona ein Hotel, das Sie empfehlen können?«

Beinahe hätte sich der Wirt verschluckt, räusperte sich laut und stieß gedämpft hervor: »Haben Sie mir nicht zugehört? Whitaker wird Sie auseinandernehmen lassen und ihre Einzelteile dem Undertaker übergeben!«

»Ich werde mich wohl selbst ein wenig umschauen müssen«, gab Lassiter zurück. »Aber erst sammle ich mein Pferd wieder ein.«

»Ihnen ist nicht zu helfen! Aber sagen Sie nachher nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.«

Flüchtig nickte Lassiter und wandte sich ab. Einen ersten Eindruck von Corona hatte er bereits gewonnen. Hier draußen in der Prärie herrschten andere Gesetze als in den Großstädten. Ein Sheriff war nirgends zu sehen, ganz zu schweigen von einer schlagkräftigen Polizeitruppe. Das Recht des Stärkeren zählte, und allem Anschein nach hielten sich Whitaker und seine Gefolgsleute für diesen Menschenschlag.

Aber das Blatt würde sich wenden. Nur ahnte Norman Whitaker noch nichts davon.

***

Das »Harem’s Lot« versprach vom Namen, was die Räumlichkeiten nur unzureichend halten konnten. Abgesehen von der Tatsache, dass sich nur die Wenigsten unter dem Begriff »Harem« etwas vorstellen konnten, hatte sich Inhaber Habib allergrößte Mühe gegeben, in diesem entlegenen Landstrich ein Freudenhaus mit orientalischem Ambiente zu schaffen.

Elaine Hamlin musste unwillkürlich immer wieder schmunzeln, dachte sie daran, welche Anstrengungen Habib unternommen hatte, um die exklusive Ausstattung des »Harem’s Lot« zusammenzutragen. Oft war er wochenlang unterwegs gewesen, nur um mit einem Teppich zurückzukehren, der zwar ausgefallen und bunt gemustert, aber wohl kaum mit dem Inventar eines echten Harems zu vergleichen war, von der Habib nur allzu gern schwärmte.