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Der Glücksritter Charles Knapp war auf dem Weg ins Jenseits, aber das wusste er noch nicht. Sein Schicksal traf ihn wie aus heiterem Himmel.
Er ritt gerade auf seinem Maultier um den kegelförmigen Hügel unweit des Hogart Pass am Rio Grande, als er unvermittelt das Signal einer Dampfpfeife vernahm. Knapp saß ab und umrundete die Anhöhe. Auf dem nahe gelegenen Bahndamm stand ein Eisenbahnzug mit mehreren Waggons. Zischender Dampf entwich aus den Ventilen des Kessels. Die Maschine stampfte im Leerlauf.
Seltsam, dachte Knapp. Ob die Lok einen Defekt hatte? Oder war dem Heizer das Brennmaterial ausgegangen?
Da erschien ein Mann, der ein Gewehr trug. Knapp zog den Kopf zwischen die Schultern. Denn er kannte das Gesicht des Mannes von einem Steckbrief aus Albuquerque...
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Seitenzahl: 131
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Der Railway-Clan
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Néstor Taylor/Bassols
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4637-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Railway-Clan
Der Glücksritter Charles Knapp war auf dem Weg ins Jenseits, aber das wusste er noch nicht. Sein Schicksal traf ihn wie aus heiterem Himmel.
Er ritt gerade auf seinem Maultier um den kegelförmigen Hügel unweit des Hogart Pass am Rio Grande, als er unvermittelt das Signal einer Dampfpfeife vernahm. Knapp saß ab und umrundete die Anhöhe. Auf dem nahe gelegenen Bahndamm stand ein Eisenbahnzug mit mehreren Waggons. Zischender Dampf entwich aus den Ventilen des Kessels. Die Maschine stampfte im Leerlauf.
Seltsam, dachte Knapp. Ob die Lok einen Defekt hatte? Oder war dem Heizer das Brennmaterial ausgegangen?
Da erschien ein Mann, der ein Gewehr trug. Knapp zog den Kopf zwischen die Schultern. Denn er kannte das Gesicht des Mannes von einem Steckbrief aus Albuquerque …
»Holla!«, sagte er und grinste schief.
Der Mann brachte das Gewehr in Anschlag. »Gehen Sie von Ihrem Muli weg«, schnauzte er. »Mindestens drei Schritte!«
»Warum?«
»Machen Sie schon!«
Knapp bekam es mit der Angst zu tun. An der rechten Flanke seines Maultiers hing der Scabbard mit der Winchester. »Was ist mit dem Zug los?«, fragte er. »Warum hält er? Gibt es ein Problem mit der Maschine? Ich könnte helfen. Hab in Omaha in einer Reparaturwerkstatt für Dampfrösser gearbeitet.«
Der Mann legte das Gewehr auf ihn an. Die Mündung zielte auf den Kopf des Mulireiters.
Knapp merkte, dass er zu zittern anfing. Folgsam trat er drei Schritte zur Seite. Von seinem neuen Standort konnte er die aufgesperrte Schiebetür eines Wagens erkennen. In der Öffnung kauerte ein Mann in Uniform, der Kopf mit dem kurz geschnittenen blonden Haar hing ihm schlaff auf die Brust. Dunkle Flecke sprenkelten seine Jacke.
Ein Überfall! Knapp schlug das Herz bis zum Hals.
Der Mann mit dem Gewehr kam auf ihn zu. »Die Hände hoch«, sagte er.
Knapp gehorchte. Der Bandit vom Steckbrief wurde wegen Eisenbahnraub und mehrfachen Mordes gesucht. Er klopfte Knapp nach Waffen ab.
»Nicht schießen«, murmelte der.
Die Dampfpfeife schrillte. Stampfend setzte sich der Zug in Bewegung. Den Tod vor Augen, betete Knapp ein lautloses Vaterunser. Die Zeit schien still zu stehen.
Der Zug rumpelte im Schritttempo vorbei. Auf einem offenen Wagen kam ein zweiter Mann in Sicht: groß und dick, mit langem Graubart und einem Peacemaker in der Faust. »Wir nehmen ihn mit, Roger!«, rief er dem anderen zu. »Los! Springt schon auf! Beide!«
»Mein Muli«, sagte Knapp.
Der große Mann nahm seinen Colt hoch und gab drei Schüsse ab. Das Maultier brach zusammen und starb.
»Lauf!«, sagte der erste Mann.
Knapp rannte mit hochgestreckten Armen neben den vorbei polternden Anhängern her. Als er auf gleicher Höhe war wie der offene Wagen, sprang er auf die Plattform und kletterte über die Seitenwand an Bord.
Der Bandit namens Roger folgte ihm wie ein Schatten.
Knapp brach der Schweiß aus. »Was ist hier los?«, keuchte er. »Was wollt ihr von mir?«
Die Männer blieben stumm.
Der Zug gewann langsam an Fahrt. Hinter dem Hogart Pass kam der Rio Grande in Sicht. Dampf wallte über das verschlammte Wasser. Knapp kniff die Augen zusammen. Aus dem Schornstein der Lokomotive flogen glühende Aschestückchen in die Luft. Die Kuhfänger schabten über den Sand auf den Gleisen.
»Was geschieht mit mir?«, rief Knapp.
Seine Entführer gaben keine Antwort.
Inzwischen war der Zug schon einige hundert Yards gefahren. Die Lok zog die Wagen in eine Kurve. Am Ende der Wegkrümmung wurde eine Brücke sichtbar. Tief unter ihr rauschte der Fluss.
Knapps Herz wummerte wie eine Glocke.
Im nächsten Augenblick hatte der Zug die Brücke erreicht. Die Banditen packten Knapp und zerrten ihn an die Seitenwand. Er wehrte sich mit aller Kraft, doch gegen die starken Arme seiner Widersacher war er machtlos.
Knapp schrie vor Entsetzen.
Sie warfen ihn über Bord, und wenig später versank der Glücksritter Charles Knapp in den Fluten des Rio Grande.
***
Jorges Cantina lag an der Plaza, nur einen Steinwurf von der Town Hall entfernt. Der Wirt servierte hier die besten Tortillas in ganz El Brazos, und auch Jorges Rote-Bohnen-Chili war weit über die Grenzen der Boomstadt berühmt.
Heute Abend herrschte aber nur wenig Betrieb. Es war mitten in der Woche. Die Leute blieben zu Hause. Kaum ein Viertel der Tische war besetzt.
Jorge stand am Servicetisch und wischte gerade einen Klecks Tomatensoße von der Menage, da betrat eine junge Dame das Esslokal.
Die Frau sah ziemlich gut aus, mochte ungefähr Ende zwanzig sein und trug ein elegantes Kostüm nach der neuesten New Yorker Mode. Das rotblonde Haar hatte sie zur Turmfrisur aufgebaut, doch eine lange Strähne hing ihr vorwitzig ins Gesicht.
Sie warf einen Blick auf die Wanduhr über dem Büfett. »Ich bin etwas zu früh dran«, sagte sie und bedachte den Wirt mit einem zauberhaften Lächeln. »Mr. Lassiter ist wohl noch nicht da?«
Jorge war beeindruckt. Lassiter war sein Gast und logierte in dem Bettenhaus hinter der Cantina. In der Stadt munkelte man, der Mann sei ein hammerharter Kopfgeldjäger und habe schon etliche Desperados hinter Gitter gebracht. Jorge war stolz, dass ein solcher Haudegen bei ihm gastierte. Vielleicht sollte er ein Gästebuch anlegen, in dem sich Kapazitäten wie dieser Menschenjäger mit einem kurzen Lex verewigten. Das Buch könnte man aufgeschlagen in eine Vitrine legen, an der die Neuankömmlinge vorbeigehen mussten, um ins Lokal zu gelangen. Bestimmt erregten die Eintragungen Interesse und lockten Gäste aus anderen Regionen an.
»Mr. Lassiter sitzt im Separee hinter der spanischen Wand«, sagte Jorge. »Wen darf ich melden?«
»Saskia Roland. Ich bin die Mitarbeiterin von Dr. Abrams.« Abrams war der meistbeschäftigte Rechtsanwalt im County. Dass der Advokat sich eine Assistentin zugelegt hatte, war Jorge neu.
Er lächelte. »Ich freue mich, Sie in meiner Cantina begrüßen zu dürfen, Miss Saskia.«
Sie schulterte ihren Pompadour und nickte ihm vergnügt zu. Er geleitete sie zwischen den Tischen hindurch bis zu dem Raumteiler, den blühende Ranken einer exotischen Grünpflanze zierten.
»Miss Saskia Roland«, sagte er zu dem Mann, der am Tisch dahinter die Zeitung las.
Lassiter stand auf. Er war von hoher Statur und stieß mit dem Kopf fast an den Querbalken. Mit sichtlichem Vergnügen küsste er der Rotblonden die Hand.
»Darf ich Ihnen schon etwas bringen?«, fragte Jorge.
»Ich nehme ein Glas Pinto.«
»Sofort.« Der Wirt verschwand.
Galant rückte Lassiter der Frau den Stuhl zurecht. Die Rotblonde nahm Platz, und er inhalierte einen Hauch ihres atemberaubenden Parfüms. Sie erinnerte ihn an Lora Crabtree, der hübschen Schauspielerin, die in den Theaterhäusern westlich des Mississippi rauschende Erfolge feierte.
»Ich habe mit Dr. Abrams gerechnet«, sagte er.
Sie hängte ihren Pompadour über die Lehne. »Der Chef lässt sich entschuldigen. Er muss an einer Sitzung in der Town Hall teilnehmen. Der Bürgermeister hat das Meeting ganz kurzfristig anberaumt. Deshalb hat Abrams mich geschickt.«
Lassiter lehnte sich zurück. Er fragte sich, inwieweit der Kontaktmann seine Assistentin in die Geheimnisse um das Wirken der Brigade Sieben eingeweiht hatte.
Jorge brachte den Rotwein. »Wohl bekomm’s.«
»Mit dem Essen warten wir noch«, sagte Lassiter zu ihm.
»Si, si.« Der Wirt ging. Als er außer Hörweite war, beugte sich die Frau vor. »Sie können mir vertrauen«, wisperte sie. »Ich bin im Bilde. Dr. Abrams hat mir alle Vollmachten erteilt.«
Lassiter blieb wachsam. »Freut mich zu hören, Miss. Da können Sie mich ja gleich über alles aufklären.«
Sie machte die Augen schmal. »Um was es sich handelt, wissen Sie ja schon, oder?«
»In seinem Telegramm hat Dr. Abrams nur eine vage Andeutung gemacht.«
Zwei Tische weiter wurde herzhaft gelacht. Eine Frau mit französischem Zopf betupfte sich mit einer maisfarbenen Serviette die Lippen. Sie quietschte vor Vergnügen. Der Mann, der sie zum Lachen gebracht hatte, strahlte wie ein beschenktes Kind.
»Es geht um den Eisenbahnraub am Hogart Pass«, sagte sie leise.
Lassiter hatte von dem Überfall in der Zeitung gelesen. »Noch weiß man nicht, wer dahinter steckt«, sagte er. »Die Polizei hat nur einen Verdacht. Es soll sich um eine Bande handeln, die schon mehrmals Züge überfallen hat.«
»Die Zeitungsleute haben die Typen Railway-Clan genannt.«
Er strich sich über sein glatt rasiertes Kinn. »Weiß man schon Näheres über die Höhe der Beute?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es war ein normaler Güterzug. Bauholz, Werkzeuge, eine Menge Waren von Versandhäusern in St. Louis. So viel ich weiß, ist nichts Wertvolles transportiert worden.«
»Passagiere?«
»Keine.«
Lassiter runzelte die Stirn. »Sind Sie sicher?«
Sie nickte. »Dr. Abrams hat die Information aus erster Hand.«
»Von der Eisenbahngesellschaft?«
»So ist es.«
Lassiter sah sie an. »Was ist mit der Besatzung?«
Sie stieß einen Seufzer aus. »Lokführer, Heizer und Bremser sind wie vom Erdboden verschwunden. Nicht die geringste Spur. Der Verdacht liegt nahe, dass sie umgebracht und ihre Leichen im Rio Grande versenkt wurden.«
Lassiter kniff die Augen zusammen. Der Railway-Clan hatte keine Zeugen hinterlassen. Die Schurken gingen auf Nummer sicher. Sie wollten vermeiden, erkannt zu werden. Womöglich führten die Mitglieder ein Doppelleben.
Trübe Aussichten. Er fragte sich gerade, wo er ansetzen sollte, da langte Saskia in ihren Pompadour und legte ein Blatt Papier neben ihr Weinglas – der ausgeschnittene Artikel aus einer Zeitung.
»Schauen Sie sich das mal an, Mr. Lassiter«, sagte sie.
Er nahm das Blatt und betrachtete es: die verkleinerte Abbildung eines Steckbriefs von einem Banditen, der Phil Roger genannt wurde. »In welcher Stadt ist die Zeitung erschienen?«, fragte er.
»In Albuquerque, vor ungefähr vier Wochen.«
Lassiter legte das Blatt zurück. Phil Roger wurde wegen Zugraub und Mord gesucht. Aber nichts wies darauf hin, dass er mit dem Verbrechen am Hogart Pass in Verbindung stand.
Saskia nippte an ihrem Pinto, dann faltete sie das Papier zusammen und schob es zurück in die Handtasche. »Sind Sie an dem Fall interessiert?«, fragte sie.
»Detektiv spielen gehört nicht gerade zu meinen Stärken«, räumte er ein.
»Ich weiß.« Sie lächelte. »Sie sind der Mann, der die harte Tour bevorzugt. Aber in diesem Fall ist eine Spürnase gefragt. Dr. Abrams weiß das. Aus diesem Grund hat er Ihnen einen Partner zugewiesen.«
»Ach so?« Verwundert runzelte Lassiter die Stirn. Im Allgemeinen führte er seine Missionen im Alleingang aus. Es waren Ein-Mann-Jobs mit hohem Risiko. Jetzt wollte Abrams ihm einen Partner aufbrummen? Ob der Anwalt das mit der Zentrale abgestimmt hatte?
Saskia beobachtete ihn lauernd.
Er gab sich locker. »Sie machen mich neugierig, Miss Saskia.«
»Saskia, wenn Sie mögen.«
»Ja, ich mag, Saskia.« Er atmete tief durch. Diese junge Dame war wirklich ein Hauptgewinn. »Ich bekomme also einen Detektiv spendiert«, fuhr er fort. »Ja, warum eigentlich nicht? Der Zweck heiligt die Mittel. Will nur hoffen, dass der Gent sein Handwerk versteht.«
Die Frau hob ihre Hand vor den Mund und kicherte.
Lassiter senkte die Augenbrauen. »Was in aller Welt finden Sie so lustig daran, Saskia?«
Über ihr Glas hinweg sah sie ihn fröhlich an. »Der Gent, der Ihnen zugeteilt wurde, bin ich.«
Holy spirit! Lassiter gab sich gelassen, doch sein Herz machte einen Sprung. Die Aussicht, mit der gut aussehenden Rotblonden gemeinsam einen Fall zu übernehmen, übte einen gewissen Reiz auf ihn aus.
Saskia zögerte, dann sagte sie: »Offen gestanden weiß ich noch nicht, wo ich ansetzen soll. Es gibt kaum Anhaltspunkte, bis auf den Steckbrief von diesem Roger.«
»Was ist mit den Leuten, die den Fall offiziell bearbeiten?« Er sah ihr fest in die Augen. »Die Bahnpolizei, die County Sheriffs, die Marshals aus den umliegenden Städten? Bekommen wir Einsicht in ihre Unterlagen?«
Sie ließ leise die Luft aus ihren Lungen. »Einsicht? Das wär’ zu schön, um wahr zu sein.«
»Wie wär’s, wenn Dr. Abrams seinen Einfluss geltend macht und die zuständigen Behörden dazu zwingt.«
»Das hat er bereits versucht, aber die Bürohengste haben eine lange Leitung und lassen ihn zappeln.«
Lassiter ärgerte sich. »Merkwürdig. Ist man denn nicht daran interessiert, den Fall aufzuklären?«
Saskia seufzte. »Doch, man will die Sache vom Tisch haben. Aber man möchte nicht, dass Außenstehende den Erfolg einheimsen.«
»Verstehe.« Lassiter verschränkte die Arme. »Mit anderen Worten – wir sind auf uns allein gestellt.«
Saskia fingerte an ihrem Glas. »Dr. Abrams wird uns unterstützen, so weit es in seinen Kräften steht.«
»Na, besser als nichts.« Lassiter hielt Ausschau nach der Bedienung. »Wie auch immer, ich denke, es ist an der Zeit, dass wir zum gemütlichen Teil des Abends übergehen.« Er rollte mit den Augen und blähte seine breite Brust. »Ich habe einen Bärenhunger.«
***
Phil Roger saß auf dem Schaukelstuhl in seiner kleinen Stube im Carson House. Er blätterte in der Harper’s Weekly, trank Bourbon aus einem Tumbler und hielt eine Zigarette im Mundwinkel, von der er hin und wieder einen Zug nahm.
Da ertönten auf dem Korridor kurze, schnelle Schritte. Vor Rogers Tür hörten sie auf.
Es wurde zaghaft geklopft.
Roger leckte sich über die Lippen, als er zur Tür ging. Er war gut bei Kasse und hatte sich ein Amüsiergirl bestellt. Gegen einen Aufpreis machten die Damen des horizontalen Gewerbes Hausbesuche. So eine Konsultation war nicht billig, aber Roger hatte das Geld. Der Coup beim Hogart Pass hatte ihm einen Haufen Dollars beschert.
Die Zigarette im Mund, öffnete er die Tür.
Auf dem Flur stand ein schlankes Mädchen von knapp zwanzig Jahren. Sie trug ein tailliertes, blattgrünes Kleid, einen Blazer mit bestickten Revers, dazu eine weiße Bluse, über der eine Halskette aus falschen Perlen hing.
Das Girl sah nicht schlecht aus. Bei ihrem Anblick lief Roger das Wasser im Mund zusammen. »Komm rein, Babe«, raunte er.
Sie rückte die Henkel ihres Pompadours zurecht, als sie an ihm vorbei trippelte. »Die Agentur schickt mich. Ich heiße Patricia Keel, aber alle sagen Trisha zu mir.«
»Hi, Trisha. Ich bin Phil.«
»Freut mich, dich kennenzulernen, Phil«, sagte sie mit dünner Stimme.
Bevor der Mann die Tür zudrückte, spähte er auf den Gang hinaus. Links und rechts war niemand zu sehen. Er schloss ab und drehte sich um.
Sekundenlang musterte er seine Besucherin. Sie ähnelte seiner älteren Kusine Emma aus Baton Rouge, war aber nicht so fraulich gebaut wie diese. Mit Emma hatte er seine ersten Erfahrungen gemacht, was die Liebe anging. Das frühreife Mädchen hatte ihm vor Augen geführt, wie eine unverhüllte Mädchenbrust aussah. Beim bloßen Ansehen ihrer üppigen Auslagen hatte er einen mordsmäßigen Ständer bekommen. Die Wollust hätte ihn fast in Stücke gerissen.
Emma hatte ihn gefragt, ob er sie irgendwo berühren wolle. Er könnte sich aussuchen, wo, sie sei mit allem einverstanden. Zuerst hatte er sich nicht getraut. Noch nie hatte ein Mädchen ihm ein solches Angebot gemacht. Aber dann, als sie anfing, die immer größer werdende Beule auf seinem Hosenlatz zu betasten, hatte er sich ein Herz gefasst. Behutsam, als könne er etwas kaputtmachen, hatte er ihren rundlichen Busen geknetet.
Bei der süßen Erinnerung entschlüpfte ihm ein langer Seufzer.
Trisha fragte ihn: »Alles in Ordnung, Phil?«
»Ich hab gerade an meine Kusine denken müssen«, sagte er.
»Deine Kusine?«
»Du hast Ähnlichkeit mit ihr, aber Emma hatte mehr Fleisch auf den Rippen.«
Trisha hängte ihre Tasche über den Stuhl. »Soll das heißen, du hast es mit deiner Kusine getan?«
»Nein, hab ich nicht.« Roger ließ seine Kippe fallen und trat die Glut aus. »Emma hat es mit mir getan.«
Sie lachten.
Trisha hielt den Kopf schief. »War es dein erstes Mal, dieser Flirt mit Emma?«
Er zog die Stirn kraus. »Was geht’s dich an?«
»Nichts. Aber ich rede gern über solche Dinge.«
Er zertrat das letzte Fünkchen Glut auf der Diele. Dann schlang er seine Arme um ihre Mitte. Trisha juchte auf. Er roch ihr Parfüm. Eine Mischung von Veilchen und Lavendel. Der Duft gefiel ihm. Auch Emma hatte damals ein Parfüm benutzt, das nach Lavendel duftete.
»Erzähl weiter«, sagte Trisha.