Lassiter 2336 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2336 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Das glühende Abendrot über der Monument Mesa war zu einem bläulichen Silberschimmer geschrumpft, als sich Richard Baines nach getaner Arbeit die Pfeife ansteckte. Der Besitzer der Junction Stables hatte die meisten Pferde allein gefüttert, weil sein Nichtsnutz von einem Stallknecht schon bei Anbruch der Dämmerung zu betrunken dafür gewesen war.

Baines seufzte und schüttelte den Kopf. Die guten Zeiten in Grand Junction waren vorüber, und wenn ein alter Haudegen wie er nicht aufpasste, würde man ihn aufs Abstellgleis schieben. Der Tod schonte niemanden. Schon gar nicht einen, der Woche für Woche den Buckel krumm machte. Noch ahnte Baines nicht, dass er damit recht behalten würde...

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Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Am seidenen Faden

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: TXUS/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4639-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Am seidenen Faden

Das glühende Abendrot über der Monument Mesa war zu einem bläulichen Silberschimmer geschrumpft, als sich Richard Baines nach getaner Arbeit die Pfeife ansteckte. Der Besitzer der Junction Stables hatte die meisten Pferde allein gefüttert, weil sein Nichtsnutz von einem Stallknecht schon bei Anbruch der Dämmerung zu betrunken dafür gewesen war.

Baines seufzte und schüttelte den Kopf. Die guten Zeiten in Grand Junction waren vorüber, und wenn ein alter Haudegen wie er nicht aufpasste, würde man ihn aufs Abstellgleis schieben. Der Tod schonte niemanden. Schon gar nicht einen, der Woche für Woche den Buckel krumm machte. Noch ahnte Baines nicht, dass er damit recht behalten würde …

Die Schweißtropfen auf dem faltigen Gesicht von Nate Greedy glitzerten wie winzige Diamanten, als der Landstreicher sein Spiegelbild auf der staubigen Glasscheibe erblickte. Er fühlte sich an den Beutel mit Diamantsplittern erinnert, den er einmal in Dodge City bei einer Wette gewonnen und der ihm ein ansehnliches Sümmchen eingebracht hatte. Die Handvoll Pferde, die Greedy und seine Leute zu stehlen im Begriff waren, würden nicht annähernd so viel einbringen.

»Schwingt die Hacken!«, zischte Greedy und trieb seine Begleiter an. Er war mit drei Männern unterwegs, was für Greedys Geschmack mindestens einer zu viel war. »Jeder von euch nimmt einen Gaul! Wir verschwinden durch das hintere Tor!«

»Was ist mit Baines?«, flüsterte Crooky-Jim, der mit seinen fast vierundsechzig Jahren der Älteste in der Bande war. »Er steht vorn am Stall und pafft seine Pfeife.«

Tagelang hatten Greedys Leute den Mietstall ausgespäht, ehe ihr Anführer den Raubzug angeordnet hatte. Sie wollten vier oder fünf Pferde stehlen, die kräftig genug waren, um die Bande wenigstens hinunter ins San Juan County zu bringen. Sie würden die Tiere kaum rasten lassen können, wollten sie dem Sheriff und seinen Deputies entkommen, die nur darauf warteten, dass sie etwas gegen Greedys Männer in die Hand bekamen.

»Um Baines kümmere ich mich!«, knurrte Greedy und drückte mit dem Geweihkopf seines Spazierstocks das Fenster über sich auf. »Geht ihr anderen nach Plan vor!«

Der Spazierstock, mit dem sich Greedy nun unter der Fensterbank festhakte und an dem er sich in die Höhe zog, hatte zu den Dingen gehört, die er und seine Leute vor zwei Tagen von der Grand Junction Poor Relief erhalten hatten. Sie hatten sich vor dem Wohlfahrtskomitee als mittellose Tagelöhner ausgegeben, was zumindest in dem Sinne der Wahrheit entsprach, als dass keiner von ihnen durch ehrliche Arbeit seine Spielschulden abbezahlen konnte.

Der Stall roch nach trockenem Heu und Pferdemist.

Mit einem Satz sprang Greedy vom Fenster ins Stroh hinunter und hielt dem Pferd vor ihm die Nüstern zu. Als sich das Tier beruhigte, hielt er nach Richard Baines Ausschau. Der Eigentümer der Junction Stables war für sein Misstrauen berüchtigt.

Endlich entdeckte er die schmale Gestalt des Stallbesitzers. Greedy stahl sich zwischen zwei anderen Pferden hindurch, die gleichgültig das Heu aus ihren Raufen zupften, und ging neben dem vorderen Stalltor in die Hocke. Von Baines trennte ihn nur noch ein Katzensprung.

Behutsam nahm Greedy den Spazierstock in beide Hände.

Der Kopf des Stocks war aus Hirschgeweih geschnitzt und gewiss zu kostbar, um jemandem damit den Schädel zu zertrümmern. Die polierte Oberfläche fühlte sich glatt und kühl an, als striche man mit dem Finger über einen trockenen Viehknochen. Der frühere Eigentümer des Spazierstocks musste ein vermögender Mann gewesen sein.

Aus dem Stall waren die verstohlenen Laute von Greedys Männern zu vernehmen, die einer nach dem anderen die Pferde abbanden und in die hintere Stallhälfte führten. Sie stellten sich dabei weitaus geschickter an als gedacht und hatten nach wenigen Minuten sämtliche Tiere beisammen.

Nun war Greedy selbst an der Reihe.

Der einstige Minenarbeiter mit dem silbergrauen Bart und den kräftigen Händen setzte sich in Bewegung und richtete sich hinter dem ahnungslosen Baines auf. Als der Stallbesitzer die qualmende Pfeife aus dem Mund nahm, legte ihm Greedy den Spazierstock um den Hals und drückte zu.

Von Baines war zunächst nur ein heiseres Röcheln zu vernehmen.

Dann aber trat der Besitzer der Junction Stables Greedy gegen das Schienbein und wirbelte zu ihm herum. Die beiden Kontrahenten starrten sich einen Moment lang in die Augen, ehe Baines Greedy mit aller Kraft gegen die Bretterwand quetschte. »Verdammt, glaubst du, ich hätte euch nicht gehört? Ich höre den Gäulen jeden Abend beim Fressen zu!«

Überrascht schielte Greedy auf den Hirschgeweihkopf seines Spazierstocks, der hinter Baines rechter Schulter in die Höhe ragte. Er rang nun seinerseits um Atem und rammte seinem Gegner den Spazierstock in den Rücken.

Stöhnend ließ Baines von ihm ab und sank in die Knie.

In derselben Sekunde erschienen zwei von Greedys Leuten im Stalltor und stürzten sich auf ihren Widersacher. Die glimmende Pfeife von Baines rollte durch den Sand und verlosch. Als die Landstreicher ihr Opfer fest im Griff hatten, setzte Greedy ihm die Spitze seines Spazierstocks auf die Brust. »Wo bewahrst du die Sättel auf? Die mit den silbernen Conchos, verstehst sich?«

»Conchos?«, keuchte Baines und wehrte sich gegen den stahlharten Griff der Männer. »Weiß nicht, wovon du redest! Wenn du die Pferde willst, dann nimm sie und verschwinde!«

Greedy hatte die Pferde ohne großes Aufheben stehlen und sich mit den Männern in den Süden absetzen wollen. Er hatte nicht vorgehabt, Baines mehr als die Reittiere abzuluchsen. Aber Gelegenheit macht bekanntlich Diebe.

»Lüg mich nicht an!«, polterte Greedy aufgebracht. »Ich hab sie gesehen, die silbernen Conchos. Erst letzte Woche hast du ’nen Pfeffersack aus Missouri damit reiten lassen.« Er wirbelte den Spazierstock durch die Luft und tippte mit dem ’nen Pfeffersack aus Missouri damit reiten lassen.« Er wirbelte den Spazierstock durch die Luft und tippte mit dem Hirschgeweihkopf gegen Baines’ Schädel. »Rück besser heraus mit der Sprache.«

Durch den Leib des Mietstallbesitzers ging ein zorniges Beben. Er riss sich mit einem Arm los und schlug nach den beiden Landstreichern, die ihn am Boden hielten. Als ihn die Männer abermals überwältigten, stieß Baines ein Knurren aus. »Von mir erfahrt ihr nichts! Ich hab nicht ein verdammtes Leben lang geschuftet, damit Nichtsnutze wie ihr den großen Reibach machen!«

Auf Greedys Gesicht trat ein entschlossener Ausdruck. Von Männern wie Baines hatte ein Landstreicher nichts zu erwarten. »Schleift ihn in den Stall! Ich erledige ihn auf meine Weise!«

***

Die Frau auf dem Pritschenwagen der Grand Junction Poor Relief, die Lassiter seit einer guten halben Stunde vom Saloon aus beobachtete, war von hinreißender Schönheit. Sie hatte die anmutige Erscheinung einer Broadway-Tänzerin, die jeden Mann allein mit ihrem Hüftschwung bannte, und besaß zugleich eine fast mütterliche Wärme, während sie den Hoffnungslosen von Grand Junction Kleidung oder Schuhe ausgab. Ein oder zwei Mal rief jemand ihren Namen, doch im Saloon herrschte zu viel Lärm, als dass der Mann der Brigade Sieben ihn hätte verstehen können.

»Zwei Bourbon«, sagte das blondhaarige Saloonmädchen zu ihm und strahlte über beide Wangen. Sie streckte ihm die flache Hand entgegen. »Macht einen Vierteldollar, Sir.«

Ohne den Blick vom Fenster zu wenden, fischte Lassiter einen Quarter aus der Jackentasche und drückte ihn dem Mädchen in der Hand. »Wissen Sie etwas über die Grand Junction Poor Relief, Miss? Wer ist die Dame auf dem Wagen?«

Das Saloongirl beugte sich zu Lassiter hinunter und gewährte ihm so einen Blick in ihr gut gefülltes Dekolleté. Sie spähte gleichfalls aus dem Fenster und winkte ab. »Oh, das ist nur Miss Laura Timbers. Sie leitet das Komitee schon seit fünf Jahren.«

»Komitee?«, fragte Lassiter zurück. »Sie meinen das Grand Junction Poor Relief?«

Unter eifrigem Nicken sammelte die Blondine die beiden Gläser ein, die Lassiter in der vergangenen Stunde geleert hatte. Sie ließ den Vierteldollar in der Hand springen und steckte ihn ein. »Seit die meisten Minen in den Uncompahgre Mountains nichts mehr abwerfen, sammeln sich die Verarmten am Colorado. Einige gehen auf Raubzug, andere lungern in den Gassen herum.« Sie wischte den Tisch ab und faltete das Tuch zusammen. »Als Frau geht man nach Einbruch der Dunkelheit besser nicht mehr allein auf die Straße.«

Das Telegramm aus Washington hatte Lassiter davor gewarnt, sich allzu auffällig in Grand Junction umzuhören. Die Siedlung am Zusammenfluss von Colorado und Gunnison River war voller enttäuschter Goldgräber, die in den Bergen nichts außer staubigem Geröll gefunden oder den berittenen Kriegern der Ute-Stämme in die Arme gelaufen waren.

»Wollen Sie noch etwas?«, fragte das Saloongirl und eilte, als Lassiter den Kopf schüttelte, zwischen den Tischen davon. Der große Mann zog den Staubmantel über, in dessen rechter Tasche sich das Telegramm befand, und trat durch die Schwingtüren auf den hölzernen Boardwalk hinaus. Einige der zerlumpten Gestalten, die sich um den Pritschenwagen des Grand Junction Poor Relief scharten, wollten ihn mit fahrigen Gesten verscheuchen.

»Was willst du bei uns?«, rief ein älterer Mann mit geröteter Nase. Er stapfte auf Lassiter zu und hielt erst kurz vor ihm inne. »Bist zu gut gekleidet, um dir Almosen zu holen! Deinen Mantel … den könnte ich brauchen!« Er kniff ein Auge zusammen. »Was willst du dafür?«

Als ihn der Alte mit seinen Blicken unablässig fixiert hielt, streifte Lassiter den Mantel von den Schultern und warf ihn dem Zerlumpten zu. Er kratzte sich am Kinn und spähte wieder zum Pritschenwagen des Komitees. »Du kannst ihn haben. Aber bring mich zu Miss Timbers.«

Der Alte drehte den Mantel nach allen Seiten und konnte sein Glück nicht fassen. Er beugte demütig das Haupt und murmelte ein Dankeschön. »Möge der Herr Sie segnen, Mister! Kommen Sie, ich bringe Sie zu Miss Timbers! Bringe sie gleich zu ihr, kommen Sie!«

Ungeduldig stieß der Alte einige seiner Kameraden zur Seite und bahnte Lassiter einen Weg durch die Menge. Er führte den Mann der Brigade Sieben bis zum Pritschenwagen und hieb mit der Faust auf dessen Ladefläche. »Hey, Laura, schönes Kind! Habe dir ’nen stattlichen Mann mitgebracht! Ist eine Augenweide und ein anständiger Kerl!«

Die Frau auf dem Pritschenwagen, deren Handgriffe Lassiter inzwischen kannte, hatte soeben den Deckel einer Kiste mit Kleidungsstücken angehoben. Sie unterbrach ihre Arbeit für einen Moment und legte bei Lassiters Anblick die Stirn in Falten. »Was wollen Sie von uns? Wir geben nur an die Bedürftigen aus.«

»Ich komme nicht wegen einer Spende!«, rief Lassiter zurück und schritt am Pritschenwagen entlang. Er blieb nach einigen Yards stehen und wies zu den verarmten Männern auf der Straße. »Ich wollte nur die Frau kennenlernen, die diesen Männern Hoffnung und Kraft gibt.«

Die Falten in der Stirn der schönen Braunhaarigen vertieften sich zusehends. »Wollen Sie mir nicht gleich einen Antrag machen? Wie Sie sehen, bin ich beschäftigt! Ich habe genug von vermögenden Schwätzern, die im Herzen nichts für diese Leute übrig haben.«

Der Alte neben Lassiter riss empört die Arme in die Höhe. »Miss, er gab mir seinen Mantel! Dieser Mann schenkte mir seinen Mantel!«

Das Haupt von Laura Timbers tauchte erneut über dem Deckel der Kleidertruhe auf. »Ist das wahr? Sie haben dem alten Jack ihren Mantel gegeben?«

Anstelle einer Erwiderung nickte Lassiter lediglich und trat näher an den Pritschenwagen heran. »Ich bin auf der Suche nach Herman Murkey, Miss. Er ist Boarding Officer für die Colorado Transport Association.«

Die Komiteeleiterin sah zu dem alten Jack und wieder zurück zu Lassiter. Sie schwang sich vom Wagen und begutachtete ihren Gesprächspartner vom Scheitel bis zur Sohle. »Sie scheinen mir gar kein übler Kerl zu sein, Mister …?«

»Lassiter«, stellte sich der große Mann mit einem Lächeln vor. »Ich muss den Boarding Officer in einer dringenden Sache sprechen.«

»Also gut, Mr. Lassiter«, erwiderte sein Gegenüber. »Ich hatte dieser Tage genug Ärger mit Männern wie Ihnen. Ein wohlhabender Kongressabgeordneter schickte uns Kleider und verlangt sie nun zurück.« Sie rang sich ebenfalls zu einem Lächeln durch. »Wie kann ich Ihnen helfen?«

»Herman Murkey«, wiederholte Lassiter den Namen seines Mittelsmannes. Das Telegramm hatte ihn in einem Zug mit dem Namen von Laura Timbers genannt. »Er ist Boarding Officer für die -«

»Für die Colorado Transport Association«, unterbrach Laura ihn kühl. »Ich hatte Sie schon verstanden. Er inspiziert derzeit die Kutschen der Grayfield Overland. Sie finden ihn unten am Fluss bei der Kutschenstation.«

»Vielen Dank, Miss. Sie haben mir sehr geholfen.«

Das Lächeln der Brünetten wurde sanfter und spielerischer. »Nichts zu danken, Mr. Lassiter.«

***

Unter dem stählernen Torbogen der Grayfield Overland Mail rollten vier Kutschen hindurch, die einige Wagenlängen dahinter nebeneinander zum Stehen kamen. Die Kutscher sprangen ab und begrüßten den wartenden Boarding Officer, der ihnen einige Formulare aushändigte. Der Officer mit dem tief in der Stirn sitzenden Hut schritt um die Postkutschen herum und blätterte seinen Notizblock um.

»Die Frachtgesellschaften werden von Jahr zu Jahr dreister«, beklagte sich Herman Murkey und blickte zu Lassiter. Der Mann der Brigade Sieben lehnte am Geländer vor dem Haus. »Sie tauschen die Räder erst aus, sobald die ersten Speichen knacken. Die Achsen rosten, die Deichseln leiern aus, das Gepäcknetz reißt.«

»Die Fracht-Companys fürchten gewiss Ihr scharfes Auge«, bemerkte Lassiter und zog das Telegramm aus der Tasche. »Ich komme wegen dieser Botschaft aus Washington.«

Murkey kniete sich unter eine Kutsche und untersuchte die vor Fett triefende Achse. Als er sich wieder aufrichtete, winkte er ab. »Sie müssen mir nichts beweisen, Mr. Lassiter. Das Justizministerium hat mich von Ihrer Ankunft unterrichtet. Sie gelten als der härteste Mann der Brigade Sieben.«

Vor dem zweistöckigen Gebäude der Grayfield Overland Mail lachten die Kutscher auf und widmeten sich gleich darauf wieder ihrem Pokerspiel. Der Boarding Officer und Lassiter zogen sich ein Stück hinter die Kutschen zurück.

»Hören Sie, Mr. Lassiter«, sagte Murkey mit gedämpfter Stimme. »Man hat mich angewiesen, Ihnen einen Auftrag zu erteilen, der unsere Nation im Falle eines Scheiterns ins Verderben stürzen könnte. Sollten Sie versagen, ist unser stolzes Amerika in höchster Gefahr.«

»Zu versagen ist nicht meine Art«, erwiderte Lassiter und blickte Murkey fest an. »Worum geht es?«

Sie entfernten sich noch ein Stück weiter von den Kutschen, bis nur noch die zirpenden Zikaden am Ufer des Colorado River zu hören waren. Der Mittelsmann zog einen Umschlag unter der Jacke hervor und reichte ihn Lassiter. »In diesem Kuvert finden Sie sämtliche Erkenntnisse, die man in der Brigade Sieben über diesen Fall hat. Es geht im Kern um eine Kleiderlieferung nach Grand Junction.«

Wortlos nahm Lassiter den Umschlag entgegen und warf einen Blick hinein. Ein Stoß Papiere und einige Fotoplatten befanden sich darin. »Eine Ladung Kleider? Was für eine Art Kleider?«

»Genau genommen der halbe Hausstand des Kongressabgeordneten Joseph M. Johnson«, fuhr Murkey fort und blickte auf den in der Sonne schimmernden Colorado hinaus. »Johnson sandte seine Kleider vor einem guten Monat an Miss Timbers in Grand Junction. Miss Timbers leitet die –«

»Grand Junction Poor Relief«, warf Lassiter ein. »Ich kenne das Komitee und bin Miss Timbers bereits begegnet. Man erwähnte ihren Namen im Telegramm.«

»Ausgezeichnet«, sagte Murkey und atmete erleichtert auf. »Dann kennen Sie Miss Timbers und ihr Komitee für die Armen in Grand Junction bereits. Das ganze Unglück nahm damit seinen Lauf, dass Miss Timbers begann, die Kleider von Johnson an die Bedürftigen zu verschenken.« Ein Lächeln erhellte Murkeys Gesicht. »Sie hatte die Lieferung für eine Spende gehalten.«

»Noch erkenne ich nichts Ungewöhnliches daran«, erwiderte Lassiter und blickte erneut in das Kuvert. »Ich vermute allerdings, dass es nicht um eine schlichte Verwechslung geht.«