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Die Mittagshitze lag wie eine alles erstickende Glocke über Grapevine. Kaum jemand war auf den staubigen Straßen des Örtchens zu sehen. Jene, die ihrer Arbeit nachgingen, sehnten sich der Kühle des Abends entgegen; alle anderen hatten ihre Häuser aufgesucht und die Vorhänge zugezogen.
Dem Mann, der gemächlich über den Boardwalk der Bank entgegenging, konnte es nur recht sein. Flüchtig blickte er über seine Schulter und gab den acht Reitern am Ortseingang mit einer unauffälligen Geste zu verstehen, ihm zu folgen. Dann beschleunigte er seinen Schritt, zog sein Halstuch bis über die Nase und trat die Tür der Bank auf.
"Das ist ein Überfall!", rief er in den Schalterraum und riss seinen Colt aus dem Holster. "Wer sich bewegt, frisst Blei!"
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Seitenzahl: 136
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Der Boss war eine Lady
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4707-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Der Boss war eine Lady
Die Mittagshitze lag wie eine alles erstickende Glocke über Grapevine. Kaum jemand war auf den staubigen Straßen des Örtchens zu sehen. Jene, die ihrer Arbeit nachgingen, sehnten sich nach der Kühle des Abends; alle anderen hatten ihre Häuser aufgesucht und die Vorhänge zugezogen.
Dem Mann, der gemächlich über den Boardwalk der Bank entgegenging, konnte es nur recht sein. Flüchtig blickte er über seine Schulter und gab den acht Reitern am Ortseingang mit einer unauffälligen Geste zu verstehen, ihm zu folgen. Dann beschleunigte er seinen Schritt, zog sein Halstuch bis über die Nase und trat die Tür der Bank auf.
»Das ist ein Überfall!«, rief er in den Schalterraum und riss seinen Colt aus dem Holster. »Wer sich bewegt, frisst Blei!«
Den entsetzten Ausrufen der Anwesenden folgte betretenes Schweigen. Eine Frau mit zwei Kindern erstarrte und wagte kaum zu atmen. Ein älterer, gebeugt dastehender Mann hob abwehrend eine Hand und signalisierte, dass von ihm kein Widerstand zu erwarten war. Lediglich dieser blonde Kerl, der mit dem Rücken zum Bankräuber stand, wirkte unbeeindruckt und tat so, als ginge ihn der Überfall nichts an. Nachdrücklich schlug er mit der Handfläche auf den Tresen, um einen der Clerks zur Ausgabe seines Geldes zu bewegen.
»Hey!«, schrie der Bewaffnete den Blonden an. »Dreh dich um und nimm die Flossen hoch!«
Immer noch erfolgte keine Reaktion, bis einer der Clerks, die eingeschüchtert und mit hüfthoch erhobenen Händen hinter dem Schalter standen, leise sagte: »Er … er kann Sie nicht hören. Der Mann ist taub.«
»Aber sehen kann er doch!«, versetzte der Gangster barsch. »Wenn ihr zwei eure Griffel in den Himmel reckt, sollte ihm das wohl auffallen!« Er eilte heran, packte den Blonden bei der Schulter und riss ihn herum. Sein Coltlauf bohrte sich unterhalb des Kinns in den Hals des Bankkunden. »Rüber mit dir zu der Schnepfe und den Bälgern!« Derb stieß er den Mann von sich.
»Bitte, Mister«, sagte einer der Clerks, ein älteres Kaliber mit Schmerbauch und Doppelkinn, »es ist nicht nötig, Gewalt anzuwenden. Wir geben Ihnen, was Sie verlangen.« Sein jüngerer Kollege zitterte wie Espenlaub und schien nahe daran, die Nerven zu verlieren. Der Bankräuber schwenkte seinen Colt herum und richtete die Mündung auf die Stirn des Mannes.
»Na los! Mach schon! Zeig mir, wer der Herr im Haus ist!« Knackend spannte er den Abzug seiner Waffe und rief dem Älteren zu: »Tresor aufmachen! Pack alles an Scheinen ein, was du finden kannst!«
Auf der Straße wurde Hufgetrappel laut, mit dem sich die Kumpane des Ganoven näherten. Kurz darauf polterten Stiefel über den Boardwalk – und das Echo donnernder Schüsse rollte heran. Im selben Moment wurde die Tür aufgestoßen und ein Maskierter stürzte wie vom Katapult abgefeuert in den Schalterraum.
»Frank!«, schrie er keuchend. »Die haben uns aufgelauert! Wir müssen weg!«
Der alte Clerk verharrte vor der offenen Tresortür; die Farbe im Gesicht seines Kollegen wechselte von aschfahl zu hochrot. Die beiden Kinder begannen zu weinen, und der Gehörlose witterte seine Chance, zum Helden des Tages zu werden.
Aus den Augenwinkeln sah Frank die Rechte des Mannes zum Holster zucken, wirbelte zur Seite und drückte eiskalt ab. Während der Blonde mit durchlöcherter Brust an der Wand entlangrutschte und tot zu Boden sank, stürzte der junge Clerk vor und langte nach einer Waffe, die unterhalb des Tresens lag. Ehe er sie hochgerissen hatte, wurde er bereits von Franks Kugel zurückgeschleudert und knallte auf die Dielen.
»Weiter einpacken!«, schrie der Gangster den Alten an, ging in die Hocke und drehte sich auf dem Absatz der Tür zu. Erst jetzt wurde ihm das Ausmaß des gnadenlosen Gefechts deutlich, das sich auf der Mainstreet abspielte. Das Peitschen von Gewehr- und Revolverkugeln glich einem Gewittersturm. Soweit er es erkennen konnte, kamen die Schüsse von den Balustraden der gegenüberliegenden Gebäude, aber auch von der Straße her. Eine kleine Armee musste sich versammelt haben und schoss seine Leute erbarmungslos nieder. Zwei von ihnen sah er fallen, noch ehe sie im Bankgebäude Deckung finden konnten.
»Da kommen wir nicht mehr raus, Frank!«
»Halt’s Maul, Glen! Ohne den Zaster werde ich garantiert nicht verschwinden!« Noch im selben Moment erkannte er huschende Gestalten hinter den Scheiben der Bank und wischte mehrmals über den Abzug seines Revolvers. Das Splittern des Glases mischte sich mit den Todesschreien der Getroffenen und rief ein Echo prasselnder Kugeln hervor, die die Fenster und Türen durchschlugen und in die Bodenbretter hackten. Heißes Blei fraß sich durch Glens Stiefel und hinterließ ein hässliches Loch darin. Der Mann schrie auf und feuerte blindlings auf alles, was sich vor dem Gebäude bewegte.
»Hör auf!«, platzte es verärgert aus Frank heraus. »Du knallst unsere eigenen Jungs ab!« Er machte einen Satz auf seinen Kumpan zu und riss ihn mit sich zu Boden. Seinen Coltgriff schmetterte er ihm gegen die Stirn, packte ihn unterhalb der Achseln und zerrte ihn wieder auf die Füße. Wie einen Schutzschild hielt Frank den benommenen Mann vor sich und spürte die Erschütterungen seines Körpers, als dieser regelrecht zersiebt wurde.
Frank ließ sich fallen. Der Tote stürzte haltlos zurück und begrub ihn zur Hälfte unter sich. An ein Entkommen war nicht mehr zu denken. Die Mainstreet war eine Todesfalle. Die einzige Aussicht, mit heiler Haut davonzukommen, bestand für Frank darin, sich tot zu stellen und darauf zu hoffen, dass die Verteidiger der Stadt keine Bestien waren, die selbst den Leichnamen zur Sicherheit noch eine Kugel verpassten.
Das Schluchzen der Kinder hallte in seinen Ohren nach wie Grabgesang. Wortfetzen des Clerks wehten ihm zu, doch er hörte nicht hin. Erst das Stampfen schwerer Stiefel ließ ihn aufhorchen und die Luft anhalten. Dann ertönten die Stimmen.
»Gut gemacht, Männer! Dem Gesindel haben wir’s gezeigt!«
»Ein Glück, dass wir durch die Überfälle in Lewisville und Coppell vorgewarnt waren.«
»Schaffen wir die Leichen rüber zum Bestatter! Dann herrscht endlich Ruhe.«
Sie durften nichts merken, ansonsten würde Frank am nächsten Galgenbaum hängen. Schon spürte er, wie kräftige Arme nach Glen und ihm griffen.
»He! Der hier hat nicht einen Kratzer, Sheriff!«
Frank riss sich zusammen, auch wenn in seinem Innern Aufruhr entstand.
»Vergiss es! Tot ist tot!«
Zusammen mit den anderen Leichen wurde Frank auf einen Karren geladen, der sich alsbald rumpelnd in Bewegung setzte. Das Atmen fiel ihm schwer unter der Last der Toten, die auf ihm lagen, und die Beengung drängte ihn mit Macht dazu, sich Luft zu verschaffen. Doch er hielt durch. Jetzt galt es, den günstigsten Zeitpunkt für seine Flucht abzupassen. Und sollte sie ihm tatsächlich gelingen, würde er in Zukunft andere Wege finden müssen, zu Geld zu kommen.
Aber auch für diesen Fall hatte er sich bereits vor geraumer Zeit einen Plan zurechtgelegt.
***
Als Lassiter Grapevine erreichte, hatte er bereits eine klare Vorstellung, auf welche Weise er seine Ermittlungen durchzuführen gedachte. Die Banküberfälle der letzten Monate hatten sich innerhalb eines Radius von gut zwanzig Meilen abgespielt, sodass davon auszugehen war, dass die Bande ein Versteck im näheren Umkreis unterhielt. Dass ihr bisher nicht das Handwerk gelegt werden konnte, lag zum einen an der dünn gesäten Schar von Gesetzeshütern, zum anderen an der Unwilligkeit der County-Verwaltung, groß angelegte Suchaktionen zu starten. Bequemer war es da, ein Amtshilfeersuchen an Washington zu senden, um die Angelegenheit in den Griff zu bekommen.
Vor dem Sheriff’s Office stieg Lassiter von seinem Grauschimmel, trottete über den Boardwalk und betrat nach kurzem Anklopfen das Büro. Hinter seinem Schreibtisch sitzend, sah der Sternträger auf und legte seinen Revolver beiseite, dessen Trommel er mit einer Drahtbürste gereinigt hatte. Fragend schaute er den Mann der Brigade Sieben an. »Womit kann ich Ihnen helfen, Mister?«
»Ich bin die Verstärkung, die Sie angefordert haben«, gab Lassiter zurück.
Der Sheriff winkte ab. »Da muss ein Missverständnis vorliegen. In Grapevine gibt es nichts, was wir nicht selbst regeln können.« Kritisch musterte er sein Gegenüber. »Sind Sie so eine Art Bundes-Marshal? Wenn ja, dann sollten Sie Ihren Stern auch deutlich sichtbar an die Brust heften.«
Lassiter schürzte seine Lippen und schüttelte verhalten den Kopf. »Kein Bundes-Marshal, Sheriff. Ich bin wegen dem Überfall vor acht Tagen gekommen.«
»Dann haben Sie den Weg umsonst gemacht. Die Leichen der Bankräuber liegen längst auf dem Boothill.«
Verdutzt hob Lassiter eine Braue. »Die Kerle sind allemal tot?«
»Ja, meine Güte! Wir verscharren keine Lebenden!«
Gelassen nahm der Agent die Information zur Kenntnis und fragte sich, weshalb er sie erst vor Ort erhielt. In den Unterlagen der Brigade Sieben hatte nichts dergleichen gestanden. Trotzdem hakte er noch einmal nach. »Die Bande wurde also vollkommen aufgerieben? Oder gibt es Anhaltspunkte, dass sie weiterhin ihr Unwesen treiben könnte?«
Missmutig lehnte sich der Sheriff in seinem Stuhl zurück. Seinen nachfolgenden Worten war jedoch zu entnehmen, dass sich seine Übellaunigkeit nicht gegen Lassiter richtete. »Es hat neun tote Banditen gegeben. Das dachten wir zumindest. Aber irgendwie ist dem Undertaker einer abhandengekommen …«
Lassiter schmunzelte in sich hinein. »Ein Glück«, meinte er spöttisch, »sonst wären Sie Ihren Prinzipien noch untreu geworden.«
»Was soll das heißen?« Der Tonfall des Sheriffs war scharf und angereichert mit aufkeimendem Zorn.
»Lebende zu verscharren«, erklärte der Brigade-Mann gelassen.
»Wissen Sie was?«, stieß der Lawman hervor. »Lassen Sie mich mit Ihrem Unsinn in Ruhe! Bei uns gibt es nichts mehr zu tun! Falls Sie zu viel Zeit haben, schwatzen Sie doch mit dem Bestatter!«
Lassiter nickte. »Das hatte ich vor.« Er verließ das Office und stieg auf sein Pferd. Gemächlich ließ er den Hengst die Straße hinuntertraben und fand rasch, wonach er suchte. Die hagere Gestalt, die durch die Scheiben des Bestattungsunternehmens zu sehen war, lüftete ihren Zylinder und grüßte freundlich. Lassiter tippte an die Krempe seines Stetson und betrat kurz darauf den kleinen Laden.
»Der Sheriff schickt mich zu Ihnen«, begann Lassiter. »Ich benötige noch einige Details zu dem Banküberfall vor einer guten Woche. Vor allen Dingen über den Toten, der Ihnen entwischt ist …«
Über das Gesicht des Undertakers huschte der Anflug eines Lächelns.
»Guter alter Sheriff Foster«, raunte er mit hoher Stimme. »Was habe ich deswegen für eine Litanei über mich ergehen lassen müssen. Dabei kann ich gar nichts dafür. Wer bei mir abgeliefert wird, läuft im Regelfall nicht mehr davon.«
»Anscheinend haben wir es mit der berühmten Ausnahme dieser Regel zu tun«, erwiderte Lassiter. »Und das bedeutet nichts anderes, als dass wir weiterhin von einer Bedrohung durch diese Bande ausgehen müssen.
Der Bestatter zeigte sich skeptisch. »Was sollte ein einzelner Mann wohl ausrichten können …?«
Die Frage verwunderte Lassiter, dennoch erklärte er dem Mann seine Bedenken. »Erstens könnte der Kerl neue Banditen um sich scharen, zweitens ist nicht bekannt, ob die Bande nicht aus weiteren Mitgliedern besteht, die sich nicht in Grapevine aufgehalten haben.« Eine Weile betrachtete er die Züge seines Gesprächspartners, der augenscheinlich über Lassiters Aussagen nachzudenken schien, und stellte seine nächste Frage. »Konnten die Toten identifiziert werden? Gibt es Hinweise, woher sie kommen und um wen es sich bei dem Flüchtigen handeln könnte?«
Bedauernd hob der Undertaker seine Schultern. »Foster hat nichts von Übereinstimmungen mit Steckbriefen gesagt. Ich glaube, er war einfach nur froh, die Sache sauber erledigt zu haben. Und wenn ich genau darüber nachdenke, hat sich auch niemand die Mühe gemacht, den Toten die Halstücher vom Gesicht zu nehmen …«
Es war nicht zu ändern. Lassiter stand mit leeren Händen da. Von einer Befragung der Beteiligten nahm er Abstand, da er keine brauchbaren Aussagen erwartete. Für gewöhnlich handelte es sich bei den Menschen der Bürgerwehr um Farmer, die lediglich zu ihren Rifles griffen, damit sie nicht rosteten. Und da sie sich lediglich im Umfeld des Städtchens aufhielten, war es mehr als unwahrscheinlich, dass ihnen bei den Banditen bekannte Gesichter aufgefallen waren.
»Danke für Ihre Hilfe«, sagte Lassiter und wandte sich ab. Nachdenklich schwang er sich in den Sattel seines Grauschimmels und wollte davonreiten. Als der Bestatter vor die Tür seines Geschäfts trat, hielt er jedoch inne. »Wo bekommt man hier einen ordentlichen Whiskey?«
»Immer der Nase nach, Mister.« Ein schelmisches Grinsen verzog die Mundwinkel des Mannes. »Sollten Sie allerdings etwas Ausgefalleneres suchen als bloß einen Drink, nehmen Sie die zweite Querstraße.«
Sofort war Lassiter klar, worauf die blasse Gestalt in dem schwarzen Frack anspielte. Und wenn er ehrlich war, war er einem Stelldichein mit einem rassigen Girl nicht abgeneigt.
Mit einem leichten Schenkeldruck trieb er seinen Hengst an.
***
Der Mann, der stocksteif vor dem Fenster seines Zimmers saß und blicklos hinaus in die Prärie starrte, ließ mit keiner Regung erkennen, dass er die Stimme seiner Tochter gehört hatte. Starr wie eine Marionette hockte er da, als wäre er Bestandteil eines Panoptikums.
»Dad!«, rief ihm Deborah Mouldon zu. »Würdest du bitte etwas sagen! Es ist schon schwer genug, dass du …« Mitten im Satz stockte die junge Frau. Ihr Vater hatte ihr sein Gesicht zugedreht, so weit es ihm in seiner Sitzhaltung möglich war. Doch bereits an seinem Konterfei erkannte Deborah die eingefallenen Züge und die bestürzende Mutlosigkeit, die der Rancher ausstrahlte. Es versetzte ihr einen Stich ins Herz. So vieles hatte sich in den vergangenen Wochen verändert, und es war nicht abzusehen, ob sich die Zustände auf der Four-Wheel-Ranch jemals wieder normalisieren würden.
»Was willst du, Kind?«, fragte Jerry Mouldon. Jedes Wort schien ihn Überwindung zu kosten. An den kraftstrotzenden und energischen Geschäftsmann, der er einst gewesen war, erinnerte kaum noch etwas.
»Wir haben schon wieder ein verendetes Rind gefunden! Allmählich wächst mir die Aufgabe über den Kopf. Ich habe keine Ahnung, was ich tun soll.«
Schweigen. Mouldon drehte sich wieder dem Fenster zu. Einzig an seinen Händen, die sich um seine dürren Beine krallten, war abzulesen, was in ihm vorging.
»Ehrlich, Dad«, fuhr Deborah fort, »ich bin nicht geeignet, die Ranch zu leiten! Von dem Geschäft habe ich keinen Schimmer! Und außerdem hassen mich die Cowboys!«
»Du musst …«, murmelte Mouldon vor sich hin, »… dich durchsetzen. Es sind raue Burschen …«
»Soll ich jeden Einzelnen verprügeln?«, entfuhr es Deborah. »Einer der Wrangler hat sich bereits die Knochen gebrochen! Wenn es so weitergeht, müssen wir Rangehelfer anfordern!«
»Dann tu das …«
»Verdammt!« Wütend stampfte die Dunkelhaarige auf. »Überlass die Ranch doch Templeton! Der hat die Leute im Griff und kennt sich aus!«
Es war, als hätte Deborah einen Kiesel geworfen und damit eine Lawine ausgelöst. Ruckartig fuhr Jerry Mouldon herum und wäre beinahe von seinem Stuhl gestürzt. Die Apathie war von seinen Zügen gewichen, und in seinen Augen glomm verhalten jenes Feuer, das früher einen Waldbrand entfacht hätte. »Nein!«, stieß er aus. »Die Ranch gehört der Familie! Ich werde sie nicht einem Fremden überlassen!«
Erschrocken weiteten sich Deborahs Augen. Eine derartige Reaktion hatte sie nicht erwartet. Entsprechend zurückhaltend war ihre anschließende Entgegnung. »Ich verstehe dich, aber du musst auch mich verstehen. Ich bin jetzt neunundzwanzig Jahre und will nicht den Rest meines Lebens auf der Ranch versauern. Diese stinkenden Viecher habe ich schon von klein auf nicht gemocht. Und nun zwingst du mich dazu, mich auch in Zukunft mit ihnen abgeben zu müssen! Das ist nicht fair, Dad!«
Mouldons Finger entkrampften sich. Schlaff ließ er seine Arme vom Oberkörper herabfallen. »Du hättest schon vor Jahren gehen können, als deine Mutter noch am Leben war.« Er gab ein unmissverständliches Knurren von sich. »Du bleibst bei mir! Das ist mein letztes Wort!«
Mehrmals noch versuchte Deborah auf ihren Vater einzureden, doch er ignorierte seine Tochter. Aufs Neue versank er in dumpfes Brüten und schien der Welt entrückt.
Gereizt machte Deborah kehrt und wagte gar nicht daran zu denken, welche Hiobsbotschaften man ihr an diesem Tage noch zutragen mochte. Kaum jedoch trat sie auf die Veranda und wurde von den sengenden Strahlen der Sonne erfasst, beruhigte sich ihr Gemüt. Der größte Teil der Mannschaft befand sich auf der Range. Bis auf ihren Vater, die Haushälterin Juliette und den jungen Wrangler Tom war sie allein auf der Ranch. Und wenn sie an Tom dachte, wurde ihr nicht nur warm ums Herz. Der Cowboy war drahtig und recht muskulös. Sicher gab es für ihn auch noch eine andere Verwendung, als ihn zusammen mit den anderen ständig herumzuschubsen, um sich Autorität zu verschaffen.