Lassiter 2343 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2343 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Lassiter erstarrte, als er über die Hügelkuppe ritt und in die Senke blickte, durch die sich ein schmaler Flusslauf gen Süden zog. Denn die Szene, die sich ihm bot, war so bizarr, dass er für einen Moment dachte, die Hitze würde ihm das Hirn vernebeln. Doch ein Schrei, der in ein Gurgeln überging, machte ihm endgültig klar, dass es sich weder um eine Halluzination noch um einen derben Spaß handelte.


Zwei Männer und eine ältere Frau standen dort unten im knietiefen Flussbett und versuchten ein junges Mädchen, das sich verzweifelt wehrte, mit vereinten Kräften unter Wasser zu drücken.
Lassiter sah, wie sich die Lippen der Alten bewegten, als würden sie ein Gebet sprechen. Er griff nach der Winchester und zog die Waffe aus dem Scabbard.

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Seitenzahl: 148

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Hüte dich vor Lucky Sue

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: TXUS/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4919-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Hüte dich vor Lucky Sue

Lassiter erstarrte, als er über die Hügelkuppe ritt und in die Senke blickte, durch die sich ein schmaler Flusslauf gen Süden zog. Denn die Szene, die sich ihm bot, war so bizarr, dass er für einen Moment dachte, die Hitze würde ihm das Hirn vernebeln. Doch ein Schrei, der in ein Gurgeln überging, machte ihm endgültig klar, dass es sich weder um eine Halluzination noch um einen derben Spaß handelte.

Zwei Männer und eine ältere Frau standen dort unten im knietiefen Flussbett und versuchten ein junges Mädchen, das sich verzweifelt wehrte, mit vereinten Kräften unter Wasser zu drücken.

Lassiter sah, wie sich die Lippen der Alten bewegten, als würden sie ein Gebet sprechen. Er griff nach der Winchester und zog die Waffe aus dem Scabbard.

Entschlossen stieß er dem Wallach die Hacken seiner Stiefel in die Flanken. Während das Pferd zügellos in die Senke hinunter trabte, hielt Lassiter die Winchester mit beiden Händen, richtete den Lauf in den Himmel und feuerte einen Schuss ab. Der scharfe Knall hallte von den Bergen im Westen wider und die beiden Männer hoben überrascht die Köpfe. Die Alte hingegen stieß nur ein paar unwillige Laute aus, als sie bemerkte, wie ihre Begleiter von der jungen Frau abließen.

Sie versuchte deren Kopf allein unter Wasser zu drücken, doch dafür reichte ihre Kraft nicht aus. Prustend kam das Mädchen an die Oberfläche, entzog sich seiner Peinigerin und wich rückwärts vor ihr zurück.

»Weg von ihr! Sofort!«, rief Lassiter und richtete den Lauf des Karabiners auf das Trio.

Das Mädchen richtete sich im Flussbett auf, die großen dunklen Augen in Todesangst geweitet. Das tiefschwarze Haar hing ihr in feuchten Strähnen ins Gesicht und fiel vorn über ihren üppigen Busen, an dem der dünne, triefnasse Stoff ihres Hemdes haftete wie eine zweite Haut. Rückwärts zog sie sich vor den dreien zurück, dann geriet sie ins Straucheln und fiel einem erstickten Laut in das niedrige Wasser.

Einer der beiden Männer wandte sich in ihre Richtung. Er brüllte etwas in einer Sprache, die Lassiter noch nie zuvor gehört hatte. Dann ruckte sein Kopf wieder herum. Der Bursche starrte ihn an, als würde er dem Leibhaftigen gegenüberstehen, und seine Hand fuhr zum Revolver.

»Tu’s besser nicht«, knurrte Lassiter.

Sekunden schienen sich zu Minuten zu dehnen, bevor sein Gegenüber die Warnung in den Wind schlug und den Colt aus dem Holster riss.

Er war erstaunlich schnell. Doch Lassiter musste nur den Abzug betätigen.

Die Alte brach in schrilles Geschrei aus, als Lassiters Kugel den jungen Mann mitten in die Brust traf und er mit lautem Platschen im Fluss landete. Sein Blut färbte das Wasser rot. Der Revolver rutschte aus seinen kraftlosen Fingern und versank.

Der andere Mann, ein breitschultriger Bursche mit eigentümlich geschnittenem Bart, schulterlangen schwarzen Locken und einem goldenen Ohrring mit dem Durchmesser eines Silberdollars, stieß scharf die Luft aus, als er sah, wie sein Kumpan mit leerem Blick flussabwärts trieb.

Anklagend hob er die Hand und deutete auf Lassiter, der nun seine Waffe auf ihn richtete. Seine schwarzen Augen flackerten wild, und er stapfte, gutturale Laute ausstoßend, auf den Mann der Brigade Sieben zu.

Lassiter verzog die Lippen, senkte den Lauf der Winchester um eine Handbreit und feuerte. Direkt vor den Stiefeln des Mannes spritzte der nasse Sand auf. Doch der Kerl lachte nur und entblößte dabei einen funkelnden goldenen Schneidezahn, ohne seine Schritte auch nur um einen Deut zu verlangsamen.

Plötzlich hielt er einen Dolch in seiner Rechten, ohne dass Lassiter gesehen hätte, von wo er das Messer hervorgezogen hatte. Eine fließende Bewegung seines Armes folgte.

Lassiter ließ sich zur Seite fallen. Das Wurfmesser zischte nur eine Handbreit an seiner Schulter vorbei. Er unterdrückte einen Fluch, als er auf dem Sand landete, sich abrollte und wieder auf die Beine kam.

Da war sein Gegner schon heran. Ein harter Stiefeltritt traf ihn an der Schläfe und er ging postwendend wieder zu Boden. Die Winchester glitt ihm aus den Händen, und für einen Moment explodierten Sterne vor seinen Augen.

Als er blinzelnd die Augen öffnete, sah er, wie sein Gegner sich breitbeinig über ihn beugte. In der Faust hielt er ein weiteres Messer, und die spitze Klinge glitzerte tödlich im Sonnenlicht. Der Mann fletschte hasserfüllt die Zähne und riss den Arm hoch.

Lassiter trat seinem Gegner mit aller Kraft direkt in die Kronjuwelen.

Der Bursche sog die Luft ein wie ein Ertrinkender, und seine Augen traten dabei aus den Höhlen. Die ohnehin schon dunkle Gesichtsfarbe vertiefte sich um mehrere Nuancen, und für ein paar Sekunden schien er vergessen zu haben, was er mit dem Messer vorhatte.

Er wankte. Der Dolch in seiner Rechten sank herab, während ein kehliger Schmerzenslaut aus seiner Brust kam.

Lassiter schob sich mit beiden Händen ein Stück zurück, dann zog er den Remington und richtete die Waffe auf sein Gegenüber. »Lass das Messer fallen«, knurrte er. »Oder …«

Sein Gegner schüttelte den Kopf wie ein nasser Hund, dann stürzte er sich mit einem markerschütternden Brüllen auf ihn.

Der Remington krachte. Lassiter rollte sich geistesgegenwärtig zur Seite, bevor der Mann auf ihm landen konnte. Der Dolch bohrte sich neben ihm in den Prärieboden. Er sprang auf, den Revolver im Anschlag – aber der tödlich Getroffene rührte sich nicht mehr.

Die alte Frau stand nur drei Yards vor ihm. Ihr runzeliges Gesicht unter dem violetten Kopftuch war zu einer Grimasse verzerrt. Sie murmelte etwas in jener fremden Sprache vor sich hin; es klang wie ein endloses Gebrabbel.

Mit ihrer linken Hand umklammerte sie einen eigentümlich geformten Krummdolch mit reich verzierter Klinge. Das Messer schien arabischen Ursprungs zu sein und sah kostbar aus. Sie wedelte damit herum, machte dabei aber keine Anstalten, sich ihm zu nähern. Offenbar war ihr klargeworden, dass ein Angriff sinnlos war.

Stattdessen hob sie die andere Hand, in deren knochigen Fingern ein zusammengerolltes Pergament steckte. Damit deutete sie hinter sich und starrte Lassiter durchdringend an.

Im niedrigen Flussbett hatte das junge Mädchen inzwischen schwankend das Ufer erreicht und sah zu ihnen herüber. Es rührte sich nicht von der Stelle.

Lassiter sah kurz zu dem Messerschwinger hinab. Der Mann regte sich nicht mehr, und unter ihm breitete sich eine Blutlache auf dem Sand aus, die rasch in den heißen Boden sickerte.

»Was ist in euch gefahren?«, fuhr er die Alte an. »Das alles hätte nicht sein müssen.«

Verwundert sah er, wie sich ein bitteres Lächeln auf den zerfurchten Zügen der Frau ausbreitete. Langsam wiegte sie den Kopf hin und her. »Großer Fehler …«, krächzte sie, und der Blick ihrer unnatürlich hellen Augen schien durch ihn hindurchzugehen.

Sie warf ihm das Pergament vor die Füße, und als es vor seinen Stiefeln im Staub landete, entrollte es sich zur Hälfte. Ein kurzer Blick darauf ließ ihn vermuten, dass es sich um eine Landkarte handeln könnte.

»Hören Sie«, sagte er. »Ich weiß nicht, was …«

Ihr Kopfschütteln brachte ihn zum Schweigen. Sie hob das Messer, doch in dieser Bewegung lag keine Drohung.

»Du hast großen Fehler gemacht, gelbhaariger Mann«, murmelte sie. »Das Wasser hätte Rettung gebracht. Nun bist du gezeichnet. Sehr dumm von dir.«

Lassiter runzelte die Stirn. »Ich habe verhindert, dass Sie eine junge Frau ertränken wie eine Katze, Lady. Schon möglich, dass Sie das für dumm halten, aber ich werde Sie und das Mädchen zum nächsten Sheriff bringen, der dazu wahrscheinlich eine andere Meinung hat. Lassen Sie das Messer fallen und verraten Sie mir besser, wo Ihre Pferde stehen!«

Die Alte deutete auf das Pergament zu Lassiters Füßen. »Pass gut darauf auf«, flüsterte sie. Dann legte sie den Krummdolch an ihren Hals und schlitzte sich mit einer einzigen entschlossenen Bewegung die eigene Kehle auf.

***

Träge blickte Sheriff Danny Morton von seiner Zeitung auf, als eine leise Melodie sein Ohr erreichte. Es hörte sich wie eine munter gespielte Fidel an und schien von den Hügeln westlich der Stadt zu kommen. Die Töne, die der Wind zu ihm herübertrug, wirkten ebenso fremdartig wie faszinierend.

Er legte die Zeitung neben sich auf das Bord vor dem Fenster des Office, das ihm als Ablage diente, wenn er auf den Dielen des Sidewalks vor seinem Büro im Lehnstuhl saß und ab und an den Blick über die Mainstreet schweifen ließ, um sein karges Honorar als Sternträger zu rechtfertigen.

Denn zum einen befand er sich lieber hier draußen an der frischen Luft, als in seinem stickigen Büro zu sitzen. Und zum anderen konnte ihn hier jeder seiner Mitbürger sehen. Selbst wenn es nichts für ihn zu tun gab, bewies er damit, dass er seinen Job machte, und setzte sich nicht dem Verdacht aus, in einer der leeren Zellen hinter dem Büro einen weiteren ereignislosen Tag zu verschlafen.

Allerdings war er sich nicht völlig sicher, ob er nicht bei der Lektüre des zwei Wochen alten Käseblatts vorhin kurz eingenickt war, und wenn ihn dann jemand schnarchend im Stuhl erwischt hätte, wäre das auch nicht gerade ein Ausweis von Diensteifer gewesen.

Doch niemand in Jericho hätte ihm dafür ernsthaft Vorwürfe machen können. Der Job des Sheriffs in diesem Kaff war in etwa so aufregend, als würde man in den Spiegel starren und seinen Barthaaren beim Wachsen zusehen. Das aufregendste Verbrechen, das er in den drei Jahren, seit er den Stern vom alten Hugo Blacksdale übernommen hatte, hatte aufklären dürfen, war der Diebstahl von zwei Pferden aus Kenny Hendricks Mietstall gewesen.

Nun ja. Kenny trank gern mal einen über den Durst, und im letzten Herbst hatte ihn ein Blitz getroffen, seitdem brachte er manchmal die Dinge etwas durcheinander.

Danny hatte ausgiebig ermittelt, und nach ein paar Stunden war der Fall gelöst gewesen. Hendricks hatte den Corral hinter seinem Stall aufgelassen, bevor er wie üblich zu Daisy in den Saloon gegangen war, was sich die Stute und der Hengst nicht hatten entgehen lassen. Die beiden Tiere waren in die Prärie abgehauen, um sich dort mit Hingabe zu paaren.

Ergebnis: eine trächtige Stute und kein Verbrechen – dafür ein paar Monate später ein zünftiges Gelage nach der Geburt eines prächtigen Fohlens.

»Danny, hörst du das auch?«

Joshua Phipps kam über die Mainstreet auf ihn zu und hielt sich dabei theatralisch die Hand an sein Ohr, als würde er seinen Sinnen nicht trauen. Der alte Mann zog sein rechtes Bein nach, legte dabei aber eine Geschwindigkeit an den Tag, als würde er vor etwas fliehen.

Morton richtete sich auf und nickte. »Scheint, als würden wir Besuch bekommen«, brummte er und zog sich seinen Revolvergurt zurecht.

Phipps kicherte. »Das wäre wirklich mal was Neues, Sheriff«, stellte er fest und deutete mit einem krummen Finger in Richtung des Ortsendes, vor dem sich die grünen Hügel der Weiden erhoben, die Jericho dem schmalen Flusslauf des Green River zu verdanken hatte, der sich von Westen her aus den Bergen kommend vor der Stadt hinzog. »Die Postkutsche kann es nicht sein, die kommt doch immer …«

»Am Mittwoch, das weiß ich, Alterchen«, kam ihm der Sheriff zuvor und trat auf die Straße hinunter. Stirnrunzelnd schaute er auf die Hügel jenseits der Stadt. Die Melodie wurde leiser, dann hörte sie gänzlich auf.

»Vielleicht ein paar scharfe junge Dinger auf dem Weg zu den Bordellen in San Francisco«, flüsterte Phipps neben ihm, und Morton brauchte den Blick nicht zu wenden, um zu wissen, dass der geile alte Bock sich schon bei dieser Vorstellung die Lippen leckte.

Phipps zählte trotz seines hohen Alters zu den wenigen Bürgern, die ab und an mit dem Gesetz in Konflikt gerieten. Dabei ging es allerdings ausschließlich um Bagatellen sexueller Natur wie Spannen oder Belästigung, wobei das Mundwerk des Alten größer war als seine Absichten. Phipps hatte noch nie ernsthaft eine Frau bedrängt, konnte aber sein Schandmaul einfach nicht halten; insbesondere, wenn er zu viel Alkohol intus hatte, was nicht gerade selten der Fall war.

»Träum weiter, Josh«, brummte Morton. Das letzte Mal, dass sich jemand auf dem Weg an die Küste nach Jericho verirrt hatte, war Monate her. Die Poststraße, die durch die Stadt führte, war eine entlegene Nebenstrecke in Richtung San Francisco, und nachdem der Goldrausch vor zwanzig Jahren in einem heftigen Kater geendet hatte, versank Jericho wie so viele andere ehemalige Boomstädte in der Bedeutungslosigkeit. Nur die drei Dutzend halb verfallener Baracken am nördlichen Ende der Gemeinde kündeten noch davon, dass Jericho damals fast dreitausend Einwohner gezählt hatte.

Der Sheriff schlenderte zu Hendricks’ Mietstall hinüber und spähte durch das offene Tor. Vincent, der Stallbursche, schob in einer der leeren Boxen Heu und Mist zusammen und tippte sich grüßend an die Stirn, als er Morton bemerkte.

»Ich nehme mir mal den Falben, Vince«, sagte er, und der Junge nickte.

»Haben Sie die Musik auch gehört, Sir?«, fragte er. »Hörte sich hübsch an. Wer mag das sein?«

»Das möchte ich herausfinden«, entgegnete Morton, legte seinem Pferd den Sattel auf und zog den Riemen unter dem Bauch fest. Er führte den Hengst aus dem Stall hinaus und stieg auf.

»Seien Sie vorsichtig, Sheriff«, sagte Vincent. »Man weiß bei Fremden nie, was sie im Schilde führen.«

Morton nickte nur und stieß dem Hengst die Hacken in die Flanken.

Acht Planwagen standen auf dem Hügel, und das Leinentuch der Fuhrwerke war farbenfroh bemalt. Die unbekannten Besucher – etwa zwei Dutzend Männer und Frauen in fremdartig anmutender Kleidung – waren damit beschäftigt, Holzscheite für ein Lagerfeuer aufzuschichten und ein rundes Zelt jenseits der Kutschen aufzubauen.

Als Morton sich näherte, bemerkte ihn einer der Männer; ein schlanker, hochgewachsener Bursche mit breitkrempigem Hut und einem schwarzen Wildledermantel, dessen goldfarbene Stickereien auf dem Revers den Sheriff an mexikanische Operettenuniformen erinnerten. Er kam mit freundlichem Lächeln auf ihn zu und deutete eine leichte Verbeugung an, als Morton vor ihm den Hengst zügelte.

»Was für ein wunderschöner Tag, Sir«, begrüßte er den Sheriff. Seine sonore Stimme hatte einen kehligen, aber gleichzeitig auch melodiösen Akzent, den Morton nicht einordnen konnte.

»In der Tat«, entgegnete er. »Und ich hoffe, das bleibt auch so.« Forschend musterte er sein Gegenüber, bevor er einen Blick in die Runde warf. »Sieht so aus, als wollten Sie hier kampieren.«

»Mit Ihrer Erlaubnis würden wir gern für ein paar Tage unser Lager aufschlagen, Sheriff. Wir sind fast hundert Meilen durch die Prärie gereist, und die Pferde brauchen dringend eine Pause.«

Er zog den Hut von der hohen Stirn und neigte nochmals den Kopf. »Mein Name ist Simon Matus. Ich bin das Oberhaupt der Sippe Matus und Rose, zu Ihren Diensten.«

»Nun, Mr. Matus«, brummte Morton. »Ich hätte es als höflich empfunden, wenn Sie zuerst zu mir gekommen wären, bevor Sie sich hier breitmachen.«

Matus nickte beflissen und lächelte dabei schuldbewusst. »Natürlich, ich muss mich entschuldigen, Sir. Meine Leute sind völlig erschöpft, und wir haben Gott gedankt, als wir nach der langen Reise endlich wieder auf Anzeichen von Zivilisation stießen. Ich war eben im Begriff, mich auf den Weg zu Ihnen zu machen, bei meiner Ehre.«

Der Sheriff betrachtete ihn skeptisch, bevor er langsam nickte. »Darf man fragen, was Sie in unsere Gegend führt?«

Sein Gegenüber strich sich kurz über den schwarzen Bart, der seine Lippen fast verbarg und sich bis zum Kinn hinunterzog. »Nun, wir sind ein fahrendes Volk, Sir. Es treibt uns mal hier, mal dorthin. Man könnte uns als Unterhaltungskünstler bezeichnen.«

Morton bemerkte einen dünnen Kahlkopf, der vor einem der Planwagen mit drei bunt bemalten hölzernen Kegeln jonglierte. Er warf die keulenförmigen Teile hoch in die Luft, drehte sich blitzschnell um die eigene Achse und fing sie wieder auf. Dadurch, dass sich immer einer der drei Kegel in der Luft befand und die beiden anderen durch die flinken Hände des Mannes wanderten, fiel keine der Keulen zu Boden.

Morton grinste schief. »So eine Art Artistentruppe also«, brummte er. Darbietungen dieser Art waren ihm nur aus der Zeitung bekannt.

»Ganz genau«, stimmte ihm Matus zu. »Meine Sippe verfügt über ein paar außerordentliche Talente. Wenn Sie es uns gestatten, würden wir die Bürger Ihrer schönen Stadt gern zu einer Vorstellung einladen.« Er lächelte einnehmend. »Rufus da drüben kann noch viel mehr als das. Er spuckt Feuer und schluckt einen Armeedegen bis zum Heft.«

Der Sheriff hob die Augenbrauen. »Tatsächlich? Ist das nicht gefährlich?«

»Nicht, wenn man weiß, wie es geht. Diese Technik wurde ihm schon als Kind beigebracht und wird seit Generationen in der Familie Rose gelehrt.«

»Hm, soso.« Morton versuchte, seiner Stimme einen strengen Klang zu verleihen, obwohl es ihm Mühe bereitete, sein Interesse zu verhehlen.

»Wir nehmen nur einen sehr geringen Eintrittspreis für unsere Show, Sheriff. Und selbstverständlich würden wir auch einen Teil davon an die Stadt abtreten dafür, dass wir die Weide für unsere Tiere nutzen können. In drei oder vier Tagen ziehen wir weiter.«

Morton starrte den Mann ein paar Sekunden lang an, doch er konnte in den offenherzigen Zügen von Matus keinerlei Hinterlist entdecken.

Schließlich nickte er. »Also gut, Mister. Wenn Sie keinen Ärger machen, dürfen Sie bleiben. Wir bekommen hier in Jericho nicht oft Besuch dieser Art«, brummte er und untertrieb damit maßlos. »Für das Wasser aus dem Bach und das Gras auf der Wiese wollen wir kein Geld von Ihnen. Aber wenn Sie oder Ihre Leute runter in die Stadt kommen, um Vorräte zu kaufen oder einen Drink in Daisy’s Inn zu nehmen, lassen Sie Ihre Schießeisen besser im Camp zurück. Ist das klar?«

»Glasklar, Sir. Vielen Dank.«

»Okay. Dann herzlich willkommen in Jericho.«

Morton zog an den Zügeln seines Falben, wendete den Hengst und galoppierte ohne ein weiteres Wort zurück in die Stadt.

Dabei kräuselten sich seine Lippen zu einem erwartungsvollen Lächeln. Endlich war mal etwas los, auf das man sich freuen konnte.

***