1,99 €
Der Pinkerton-Detektiv John Gibbons verspürte Todesangst. Er starrte voller Entsetzen auf den einäugigen Mann, der eben in sein Zimmer getreten war. Der Eindringling hatte einen Revolver auf ihn gerichtet.
"Was zum Henker ...?" Gibbons versagte die Stimme.
Der Mann schloss die Tür hinter sich. Es klickte laut, als er den Schlaghahn des Sechsschüssers spannte.
Gibbons schlug das Herz bis zum Hals. Er dachte an seinen Colt, der unter dem Kopfkissen lag. Es war zu spät, um nach ihm zu greifen. In dem Auge des ungebetenen Besuchers funkelte tödliche Entschlossenheit.
"Um Himmels willen, tun Sie's nicht!", keuchte Gibbons.
"Du kennst mein Geheimnis", sagte der Einäugige und schoss.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 129
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Lassiters schärfste Waffe
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Aboy/Monica Filet
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5108-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Lassiters schärfste Waffe
Der Pinkerton-Detektiv John Gibbons verspürte Todesangst. Voller Entsetzen starrte er auf den einäugigen Mann, der eben in sein Zimmer getreten war. Der Eindringling hielt einen Revolver auf ihn gerichtet.
»Was zum Henker …?« Gibbons versagte die Stimme.
Der Mann schloss die Tür hinter sich. Es klickte laut, als er den Schlaghahn des Sechsschüssers spannte.
Gibbons schlug das Herz bis zum Hals. Er dachte an seinen Colt, der unter dem Kopfkissen lag. Es war zu spät, um danach zu greifen. In dem Auge des ungebetenen Besuchers glomm tödliche Entschlossenheit.
»Um Himmels willen, tun Sie’s nicht!«, keuchte Gibbons.
»Du kennst mein Geheimnis«, sagte der Einäugige und schoss.
Das Palace House lag im Zentrum des Amüsierbezirks, ungefähr eine halbe Meile von der Main Street in Albuquerque entfernt.
Im großen Saal des Gebäudes fand heute eine Tanzveranstaltung mit einem Show-Programm statt.
Lassiter bezahlte den Eintritt und betrat das Gebäude. Zur Feier des Tages trug er seinen guten Anzug, blank polierte braune Schnürstiefel und ein schneeweißes Hemd mit beigefarbener Krawatte. Er war ins Palace Hotel gekommen, um nach seiner Geliebten Maria Mendez zu schauen. Sie hatte in dem Etablissement ein Engagement als Tänzerin angenommen.
Im Palace House herrschte reges Nachtleben. Etliche Öllampen tauchten den großen Saal in gelbliches Licht, das von den vielen Spiegeln an den Wänden und Säulen reflektiert wurde. Auf der Tanzfläche drängten sich die Paare. Die Kapelle spielte eine flotte Polka. Am langen hufeisenförmigen Schanktisch lehnten einige übertrieben geschminkte Freudenmädchen, die auf Beutefang waren. In der Mitte des Saales gab es eine breite Treppe, die hinauf auf die Galerie führte. In der oberen Etage lagen die Separees, in denen man mit der Dame seiner Wahl Entspannung finden konnte.
Lassiter schritt gemächlich zum Ende des Tresens. Bevor er Maria einen Besuch abstattete, wollte er sich ein Bier genehmigen. Nachdem er einen Stehplatz ergattert hatte, wurde er ungewollt Zeuge eines Gesprächs.
»By gosh, freue ich mich auf den Auftritt von Maria Mendez«, sagte ein Mann mit Yankeebart zu seinem Nachbarn, der einen teuren Derbyhut trug. »Ein wahrer Augenschmaus, diese blonde Hexe. Ein Paar Mammas hat die – oha! Der möchte ich im Mondschein begegnen.«
»Ich hab die Puppe mal in San Pedro erlebt«, erwiderte der Mann neben ihm. »In der Romero-Bar, wenn ich mich nicht irre. Tolle Show! Sie hat mit ihren Reizen nicht gegeizt. Bis auf das Höschen hat sie alles fallen lassen, was sie anhatte.«
Der Yankee seufzte. »Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen.«
Sein Nachbar klopfte ihm auf die Schulter. »Geduld, Albert. Nur noch eine Stunde, dann kommst du auf deine Kosten.«
»Wie? Noch eine ganze Stunde?« Der Yankee, der Albert hieß, zog eine Grimasse. »Wieso lassen sie uns so lange schmoren?«
»Weil nach der Tanzeinlage erst einmal diese mysteriöse Grandma aus New Orleans auftritt. Madame Latour, die Frau, die angeblich auf jede Frage eine Antwort weiß.«
Das war Lassiter neu. Maria hatte ihm kein Wort davon erzählt. Vermutlich war die New-Orleans-Nummer kurzfristig ins Programm aufgenommen worden.
»Eine Frau, die alles weiß?« Albert zeigte dem anderen einen Vogel. »By gosh, George, das gibt’s doch nur im Märchen. Glaubst du an solchen Humbug?«
Der Mann namens George rückte seinen Derbyhut zurecht. »Lass dich überraschen, mein Freund. Die alte Lady hat es drauf. In den Zeitungen stehen wahre Wunderdinge über sie. Frisco, Omaha, Kansas City, Chicago, St. Louis, Baton Rouge, überall hat sie schon gastiert. Und das mit großem Erfolg.«
Albert winkte lachend ab. »Und wenn schon! Jemanden, der für jeden Topf einen Deckel hat, gibt es nicht. Sie führt die Leute hinters Licht. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer.«
»Du wirst sie dir verbrennen, Al.« George machte die Augen schmal. »Die Dame ist ein wandelndes Lexikon. Bevor sie loslegt, lässt sie sich von ihrer Assistentin hypnotisieren. Wenn sie weggetreten ist, darf ihr jedermann Fragen stellen.«
»Jeder aus dem Publikum?«
George nickte vielsagend.
Lassiter horchte auf. Was der Yankee da berichtete, klang ziemlich abenteuerlich.
»Was sind das für Fragen?«, fragte Albert.
»Alles Mögliche. Zum Beispiel, in welchem Ort Wild Bill Hickok geboren wurde. Oder an welcher Universität Abraham Lincoln studiert hat.«
»Ach so.« Albert wirkte enttäuscht. »Solche Sachen interessieren mich nicht.« Er spähte zu einem schlanken rothaarigen Mädchen hinüber, das an einer Säule lehnte und scheinbar gelangweilt an einer langen Zigarette zog. »Ich würde vielmehr gern wissen, ob der Rotfuchs da mit mir ins Separee geht, wenn ich sie anspreche.«
George lachte. »Um das zu erfahren, brauchst du nicht auf Madame Latour zu warten. Wenn du dem Rotköpfchen einen Vierteldollar zeigst, geht sie mit dir sogar auf den Heuboden in der Scheune.«
Die Kapelle hörte auf zu spielen. Die Tanzpaare gingen auseinander.
Ein Mann im schwarzen Frack betrat die Bühne. Er hob die Arme und bat um Ruhe. Es dauerte eine Weile, bis das Stimmengemurmel im Saal erstarb.
»Verehrtes Publikum!«, rief der Befrackte mit dröhnender Stimme. »Ich freue mich, Ihnen heute die Sensation des Jahres ankündigen zu dürfen: Madame Latour aus New Orleans. Das berühmte Medium befindet sich gerade auf einer Tournee von San Francisco nach Philadelphia. Und sie hat die Zeit gefunden, Ihnen hier im Palace House von Albuquerque eine Kostprobe ihres unglaublichen Könnens zu geben. Ladys und Gentlemen, stellen Sie der weltberühmten Madame Latour Ihre Fragen. Sie wird jede davon beantworten.«
Im Saal brandete Beifall auf. Dazwischen tönten höhnische Zurufe.
»Wer wird der nächste Präsident der Vereinigten Staaten?« – »Hat meine Frau eine Affäre mit dem Hufschmied?« – »Wo ist mein Ehering, den ich letzte Woche verloren habe?«
Die Menge johlte vor Vergnügen.
Dem Moderator perlte der Schweiß auf der Stirn. Er hob abwehrend die Hände. »Hochverehrtes Publikum! Bitte nur ernst gemeinte Fragen. Und immer nur eine!« Er holte kurz Luft. »Ich bitte um Applaus für die einzigartige Madame Latour!«
Die Leute klatschten in die Hände und stampften mit den Füßen. Hier und da wurde ein übermütiger Pfiff laut. Es war ein Krawall, als würde eine Herde Büffel auf einer Stampede durch das Vergnügungsviertel donnern.
Aus einer rückwärtigen Tür trat eine kleine verhutzelte Frau, gefolgt von einer barfüßigen, nicht mehr ganz jungen Dame, die ein knöchellanges schwarzes Leinenkleid trug. Der Ansager stellte zwei Stühle in die Mitte der Bühne. Er wechselte mit den beiden Frauen einige Worte, dann zog er sich in den hintersten Winkel zurück.
Die Leute verstummten. Nur noch vereinzelt war leises Raunen zu vernehmen.
Auch Lassiter war gespannt. Er bestellte sich ein Bier, nippte am Schaum und wartete.
»Pass auf, Albert«, sagte George. »Gleich wirst du dein blaues Wunder erleben.«
Indessen hatten sich die beiden Frauen auf die Stühle gesetzt, mit den Gesichtern zueinander. Die alte Frau, die eine lange Zipfelbluse aus bunten Stoffresten trug, lehnte sich zurück und schloss die Augen.
Einige Helfer drehten die Dochte der Lampen herunter. Im Saal wurde es schummrig. Die Spannung stieg. Aber noch blieb es still.
Für das Publikum unhörbar redete die junge Frau auf der Bühne auf Madame Latour ein. Der Trommler der Kapelle spielte einen immer lauter werdenden Wirbel.
Nach einer Weile stand die Assistentin von Madame Latour auf. Sie gab dem Moderator ein Zeichen und stellte sich an den Rand der Bühne.
Der Mann im Frack trat nach vorn. »Madame ist soweit«, erklärte er halblaut. »Ich bitte um die erste Frage. Aber denken Sie daran, meine Herrschaften: nur seriöse Fragen. Keine Albernheiten, wenn ich bitten darf.« Nach der Ankündigung baute er sich hinter den Stuhl des hypnotisierten Mediums auf.
Schon kam der erste Zuruf: »Wer hat Jesse James erschossen?«
Im Saal war es mucksmäuschenstill. Man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen gehört.
»Bob Ford«, sagte die Hypnotisierte deutlich.
Das war eine einfache Frage, dachte Lassiter. Die hätte wohl fast jeder im Saal beantworten können.
»Wie lautet der erste Vorname von Calamity Jane?«, rief eine Mädchenstimme.
»Martha«, antwortete die alte Frau.
Einige Leute im Saal nickten. »Das ist richtig«, sagte der Mann, der neben Lassiter stand.
Lassiter räusperte sich, dann stellte auch er eine Frage: »In den Zwanziger Jahren gab es mal einen Mann, der in den Rocky Mountains den Angriff eines Grizzlys lebend überstanden hat, aber sich dabei schwere Kopfverletzungen zuzog, die sein Gesicht völlig veränderten. Wer war dieser Mann?«
Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: »Der Trapperkapitän Jedediah Smith.«
Korrekt. Lassiter hakte einen Daumen in seine Gürtelschlaufe. Die Medium aus New Orleans schien sehr belesen zu sein. Womöglich stand sie mit einer großen Zeitung im Bunde, die ihr Einsicht in ihre Archive gewährte.
»Wie alt ist die Theaterschauspielerin Lily Langtry tatsächlich?«, tönte es vom Bartresen.
»Lily Langtry ist am 13. Oktober 1853 geboren«, sagte Madame Latour mit deutlicher Stimme.
Ein kollektives Raunen ging durch die Reihen.
Lassiter rieb sich das Kinn. Bei seinen Missionen war er der berühmten Theaterdiva schon einige Male begegnet, aber ihr Alter hatte er nicht gekannt.
Die nächste Frage schlug ein wie ein Blitz. »Wer hat den Pinkerton-Detektiv John Gibbons ermordet?«, rief eine Männerstimme mit texanischem Akzent.
In diesem Augenblick knallte ein Schuss und der Tank einer Öllampe ging in Flammen auf. Brennendes Öl spritzte auf die Leute.
Im Saal erhob sich ohrenbetäubender Tumult. Männer brüllten und fluchten, Frauen kreischten, Glas splitterte. Stühle fielen um und wurden kaputtgetreten.
Madame Latour schrak zusammen und schlug die Augen auf. Sofort sprang ihre Assistentin auf sie zu, half ihr beim Aufstehen und geleitete sie durch die Hintertür.
Der Mann im Frack fuchtelte mit den Armen. »Keine Panik, meine Herrschaften! Es ist nichts passiert! Bleiben Sie auf Ihren Plätzen!«
Niemand hörte auf ihn.
Lassiter, der sich im Palace House gut auskannte, schlüpfte durch die Seitentür hinter der Bar in einen Nebenraum: die Garderobe der Tänzerinnen.
Maria Mendez saß in ihrem rot schillernden Trikot vor dem Frisierspiegel und malte sich die Lippen an.
Als sie Lassiter erblickte, warf sie den Kopf in den Nacken. »Du wagst dich noch hierher?«, fuhr sie ihn an. »Nach all dem, was passiert ist? Dass du dich nicht schämst!«
Lassiter gab keine Antwort. Wie es aussah, hatte da jemand aus der Schule geplaudert. Maria Mendez war zu Ohren gekommen, dass er ein heißes Schäferstündchen mit ihren Kolleginnen Trish und Jackie gehabt hatte. Jetzt raste sie vor Eifersucht.
»Ich will, dass du gehst!«, rief sie hysterisch. »Ich will dich nie wiedersehen!«
Lassiter sprach kein Wort. Jetzt war jede Diskussion zwecklos. Er kannte Maria gut genug, um zu wissen, dass es tatsächlich das Beste war, wenn man sie mit ihrer Eifersucht allein ließ. Sobald ihr Zorn verraucht war, konnte man wieder vernünftig mit ihr reden.
Die anderen Tänzerinnen bedachten ihn mit bösen Blicken. Offenbar hatte Maria kein gutes Haar an ihm gelassen. Trish und Jackie, die hinter einem Paravent ihre Kostüme anzogen, zwinkerten ihm verstohlen zu.
Verflixte Plappermäuler! Lassiter wandte sich zur Tür und schloss sie von außen.
***
Im Saal regierte immer noch das Chaos. Das Feuer war aber gelöscht, und zum Glück fielen keine weiteren Schüsse. Die Bühne lag verwaist da. Von Madame Latour und ihrer barfüßigen Assistentin war nichts mehr zu sehen. Auch die Musikanten hatten die Flucht ergriffen.
Lassiter entschied sich dafür, den Abend woanders zu verbringen. In Albuquerque gab es eine ganze Menge Bars und Saloons.
Er schob sich am langen Bartresen entlang, bis er die Vordertür erreicht hatte.
Unbehelligt gelangte er auf den Vorplatz.
Er ging ein Stück die Straße entlang, als er plötzlich schnelle, trampelnde Schritte hinter sich hörte.
Ehe er sich versah, rannte ein kleiner dicker Mann ohne Hut an ihm vorbei. Er war ungefähr fünfzig Jahre alt, steckte in einem mausgrauen Gehrock und schnaufte wie ein Walross.
Kurz vor der nächsten Straßeneinmündung warf er einen gehetzten Blick über seine Schulter. Prompt prallte er gegen einen Pfeiler, geriet ins Stolpern und fiel der Länge nach auf den Sidewalk.
Ein großer Mann im Staubmantel überholte Lassiter. Wie ein Geier stürzte er sich auf den Mann, der zu Boden gefallen war.
Der Dicke brüllte auf. Sein Gegner schnappte ihn am Kragen und wirbelte ihn um die eigene Achse.
Brutal schlug er ihm ins Gesicht. Der Kopf des Gejagten wurde hin und her geschleudert. Schließlich versetzte der Angreifer seinem Opfer einen Fußtritt in den Leib.
Der Getretene wälzte sich am Boden und krümmte sich vor Schmerzen.
Kaltblütig riss der Quälgeist ihn auf die Beine und zerrte ihn in Richtung der einmündenden Quergasse. Unter seinem offenen Mantel schimmerte ein großer Revolver im Holster. Es hatte den Anschein, als wollte der Schläger dem kleinen Dicken im Dunkel der Seitenstraße den Rest geben.
Jetzt reichte es Lassiter. Er konnte nicht dulden, dass ein Mensch vor seinen Augen misshandelt oder gar getötet wurde.
Der Dicke wollte seinen Peiniger abschütteln, doch der große Mann erwies sich als der Überlegenere. Wieder schlug er ihm hart ins Gesicht.
Lassiter geriet in Fahrt. Er stürzte sich auf den Wüterich und riss ihn am Mantel zurück. Der Große brüllte vor Zorn und versuchte, sich aus dem Festhaltegriff zu befreien.
Vergeblich. Lassiter packte erneut zu und zwang ihn auf die Knie.
»Lassen Sie mich los!«, keuchte der Große. »Kümmern Sie sich um Ihren eigenen Dreck!«
»Sie gehen jetzt brav nach Hause«, sagte Lassiter ruhig.
Sein Rivale unternahm einen verzweifelten Versuch, sich loszureißen. Aber ein gut gezielter Hieb in die Magengrube besänftigte ihn endgültig.
Der Schläger japste nach Luft. Beide Hände auf den Bauch gepresst, taumelte er zur Seite.
Lassiter wandte sich dem Dicken zu. »Was haben Sie getan, um den Mister so gegen sich aufzubringen?«
Der Angesprochene klopfte sich den Schmutz von seinem Anzug. »Well, ich habe es gewagt, Madame Latour eine Frage zu stellen, die dem Gent nicht gefiel«, sagte er mit texanischem Akzent.
Lassiter erkannte die Stimme des Mannes. Es war der Rufer gewesen, der im Saal nach dem Mörder des Pinkerton-Detektivs gefragt hatte.
»Vorsicht!«, schrie der Dicke da.
Lassiter fuhr herum und sah, dass der Mann im Staubmantel nach seinem Revolver griff.
Blitzschnell zog Lassiter seinen Remington und schoss.
Die Kugel traf den rechten Oberarm seines Widersachers. Er schrie auf, ließ seine Waffe fallen und presste die linke Hand auf die blutende Wunde. Nach einem deftigen Fluch rannte er mit flatternden Mantelschößen davon.
Der Texaner atmete erleichtert auf. »Danke, Mister«, schnaufte er. »Sie haben mir das Leben gerettet.« Nach diesen Worten schaute er sich ängstlich um.
»Vor wem haben Sie Angst?«, wollte Lassiter wissen. »Glauben Sie, Ihr Freund kommt wieder?«
»Ganz bestimmt.« Der Texaner blinzelte nervös. Dann hielt er Lassiter seine Rechte hin. »Charles Prock aus Dallas.«
»Lassiter.«
»Well, freut mich, Sie kennenzulernen, Mister.« Prock senkte seine Stimme. »Ich bin Detektiv bei der Pinkerton-Agentur in Chicago.«
»Ach so?«
Prock grinste dünn. »Das hätten Sie nicht gedacht, was?«
»Ehrlich gesagt, nein.« Mit seinem Kugelbauch und den roten Pausbacken sah der kleine unbewegliche Mann eher wie ein Schreiber aus der Amtsstube aus und nicht wie ein Agent der größten Privatdetektei Amerikas.
»Wenn Sie wollen, Mr. Lassiter, erzähle ich Ihnen eine nette kleine Geschichte.«
»Sehr gern. Einen Pinkerton-Detektiv, der zum Erzählen aufgelegt ist, trifft man nicht alle Tage.«
»Well«, sagte Prock und kniff die Augen zusammen. »Aber eine unbeleuchtete Seitenstraße ist nicht der richtige Ort für einen Plausch.«
Lassiter steckte seinen Remington ein. »Lassen Sie uns in mein Hotel gehen, Mr. Prock.«
»Wo wohnen Sie?«
»Im El Paso Hotel in der Main Street.«
Prock kaute auf seiner Lippe. »Die Adresse gefällt mir nicht«, meinte er zögernd. »Kennen Sie das Buffalo’s Dream?«
»Nein.«