Lassiter 2349 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2349 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Im Schutz einer mondlosen Nacht näherten sich die Männer der Blockhütte, die einsam am Fuß der hoch aufragenden Berge stand. Sie bildeten einen breiten Halbkreis, und unter ihren Stiefeln knirschte leise der schneebedeckte Kies. "Der Jude hatte seine Chance", knurrte der vierschrötige Hüne, dessen schwarzer Mantel und flacher, breitkrempiger Hut ihm das Aussehen eines Predigers verliehen, der er nicht war. "Aber jetzt ist unsere Geduld am Ende."
Die Umstehenden nickten schweigend, und ihre Hände packten die Gewehre fester. Der Schwarzgekleidete hob die Hand und deutete auf die Hütte. "Wer nicht hören will, soll brennen. Shane, seine Squaw und der Bastard haben ihr Lebensrecht verwirkt!" Mit diesen Worten riss er ein Zündholz an und hielt es an die Pechfackel in seiner Linken.

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EPUB

Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Lassiter in der Totenstadt

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: TXUS/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5111-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Lassiter in der Totenstadt

Im Schutz einer mondlosen Nacht näherten sich die Männer der Blockhütte, die einsam am Fuß der hoch aufragenden Berge stand. Sie bildeten einen breiten Halbkreis, und unter ihren Stiefeln knirschte leise der schneebedeckte Kies. »Der Jude hatte seine Chance«, knurrte der vierschrötige Hüne, dessen schwarzer Mantel und flacher, breitkrempiger Hut ihm das Aussehen eines Predigers verliehen, der er nicht war. »Aber jetzt ist unsere Geduld am Ende.«

Die Umstehenden nickten schweigend, und ihre Hände packten die Gewehre fester. Der Schwarzgekleidete hob die Hand und deutete auf die Hütte. »Wer nicht hören will, soll brennen. Shane, seine Squaw und der Bastard haben ihr Lebensrecht verwirkt!« Mit diesen Worten riss er ein Zündholz an und hielt es an die Pechfackel in seiner Linken.

Jonah Shane lächelte versonnen, als er seine Frau betrachtete, die im Nachthemd vor dem Spiegel saß und sich das lange Haar bürstete, das im Licht der Kerzen glänzend bis weit über ihren Rücken fiel. Er trat hinter sie und legte die Hände auf ihre Schultern, um sie im Spiegel zu betrachten.

»Du bist so schön, Nuri«, murmelte er und küsste sanft ihren Hinterkopf.

Sie sah ihn durch den Spiegel an und zog einen Mundwinkel und eine Augenbraue nach oben – ein Ausdruck, in dem sich Skepsis und Verlegenheit die Waage hielten. »Vor allem werde ich alt, Jonah«, entgegnete sie. »Siehst du die Falten um den Mund herum und auf der Stirn? Zugenommen habe ich auch ganz schön – ich glaube, es geht uns einfach zu gut. Damals, als wir hierher zogen, war ich noch rank und schlank.«

»Weil wir gehungert haben wie Moses und sein Volk auf dem langen Weg ins gelobte Land«, sagte er, während seine Hände unter ihr Nachthemd glitten und ihre vollen Brüste umfassten. »So mag ich dich noch viel lieber. Ich finde es schön, wenn an einer Frau auch etwas dran ist, das man streicheln kann.«

Sie lachte leise und lehnte ihren Kopf an seine Brust, während er ihren Busen massierte und spürte, wie sich die Knospen unter seinen Handflächen aufrichteten.

»Was ist mit dem Jungen?«, flüsterte sie. »Er war ganz aufgelöst heute Abend, wegen dem Ärger mit diesen Leuten.«

»Er schläft den Schlaf des Gerechten«, beruhigte ihr Gatte sie. »Ich habe vorhin noch nach ihm gesehen. Und was die Puritaner angeht, die werden sich schon damit abfinden, dass sie sich nicht nehmen können, was sie wollen. Wir waren zuerst hier, und es bleibt genug Platz für alle. Jetzt komm ins Bett, mein Liebling.«

Sie stand auf und drehte sich zu ihm um. »Ich hoffe, du hast recht, Jon«, sagte sie und legte ihm die Arme um die Hüften. Als er sie an sich zog, spürte sie die Ausbuchtung in seinem Schritt. »Sie machen mir Angst. Vor allem dieser riesige Kerl mit den kalten Augen, der aussieht wie ein Wanderprediger.«

Jonah Shane schnaubte verächtlich. »Der Kerl ist alles andere als ein Gottesmann. Und Hunde, die bellen, beißen nicht. Wenn sie erst mal eingesehen haben, dass wir uns nicht einschüchtern lassen, werden wir uns schon mit ihnen arrangieren. Wer weiß, vielleicht sind wir bald froh, nicht mehr allein in der Einsamkeit leben zu müssen.«

Er zupfte an der Schleife unter ihrem Hals und löste das Band, das ihr Nachthemd am Kragen zusammenhielt. Kurz darauf glitt das dünne weiße Leinen über ihre kupferfarbenen Schultern hinab, und im nächsten Moment stand seine indianische Ehefrau hüllenlos in all ihrer Schönheit vor ihm.

»Du und unser Sohn, ihr wart mir immer Gesellschaft genug«, sagte Nuri und ging an ihm vorbei zum Bett. »Ich habe wirklich nichts vermisst. Schon gar keine ungehobelten Weißen, die sich hier als die neuen Herren aufspielen.«

Sie legte sich rücklings auf die weiche Decke und sah ihm dabei zu, wie er sich das baumwollene Hemd über den Kopf zog und danach aus der langen Unterhose schlüpfte. Sein steifes Glied reckte sich ihr erwartungsvoll entgegen.

»Ich auch nicht, glaube mir«, erwiderte er und legte sich zu ihr. »Aber wir konnten nicht erwarten, das Tal bis ans Ende unserer Tage für uns allein zu haben.«

»Das hatten wir nie. Vergiss nicht meine Brüder und Schwestern vom Stamm der Cheyenne, und die Bären und Wölfe und Hasen und …«

Er verschloss ihre Lippen mit einem zärtlichen Kuss, weil er der Meinung war, an diesem Abend seien genügend Worte gewechselt worden.

Sie schloss die Augen, öffnete ihren Mund und empfing seine Zunge. Rasch loderte nun auch in ihr die Leidenschaft auf, denn sie liebte Jonah immer noch wie am ersten Tag.

Er ließ seine Hände über ihren Körper wandern und liebkoste jeden Zoll davon, als würde er die weichen Rundungen von Nuri in diesen Momenten zum ersten Mal erkunden. Seinen Berührungen war eine Balance aus Sanftheit und Leidenschaft zueigen, die seinem Naturell entsprach und einer der Gründe dafür war, warum sie sich vor zwölf Jahren in den verwegenen Trapper nicht nur verliebt hatte, sondern schließlich auch seine Frau geworden war.

Ihr Herz klopfte schneller, als seine Hand sich streichelnd über ihren Bauch abwärts bewegte, und er spürte die feuchte Erregung zwischen ihren Schenkeln. Nuri stöhnte auf, als seine Finger in sie eindrangen und kundig ihre empfindlichste Stelle fanden.

Eben noch war ihr in ihrer Nacktheit ein wenig kalt gewesen, weil das Feuer im Holzofen schon vor einer Stunde erloschen war. Doch nun breitete sich eine wohlige Wärme in ihrem Körper aus und brachte ihre Haut zum Glänzen.

Ihre tastende Hand fand seinen pulsierenden Schaft, sie umschloss ihn mit ihren schmalen Fingern und ihre Faust begann, sich langsam auf und ab zu bewegen.

Sie spürte, wie sich seine Lippen um die Warze ihrer linken Brust schlossen und daran zu saugen begannen, während sich seine Hand immer noch in ihrem Schoß bewegte.

Mit fast schon ehrfürchtiger Hingabe liebkosten sie einander und steigerten die Leidenschaft des anderen. Ihrer beider Augenpaare blieben dabei geschlossen, weil sie sich nur auf die Empfindungen konzentrierten, die ihre Berührungen bei dem Geliebten entfachten.

Als sich Nuris Finger fester um sein Geschlecht schlossen und sie die Schenkel spreizte, musste sie kein Wort verlieren, um Jonah zu signalisieren, was sie nun von ihm wollte. Er legte sich auf sie und drang langsam in sie ein. Sie stöhnte auf und schlang ihre Arme um ihn, als sich sein pulsierendes Glied tief in ihren Schoß senkte.

»O Liebster«, flüsterte sie und küsste seinen Hals, während er sich in ihr auf und ab bewegte, zunächst langsam und verhalten, dann zunehmend schneller und leidenschaftlicher.

Ihre Bewegungen waren in perfekter Harmonie aufeinander abgestimmt, als würden sie zu einer Musik tanzen, die nur in ihren Köpfen zu hören war. Wie immer, seit ihr Sohn etwas älter geworden war und nun in seinem eigenem Zimmer oben unter dem Dach schlief, gaben sie sich Mühe, ihre Geräusche zu dämpfen, um den Jungen nicht mit Dingen zu konfrontieren, für die er noch zu jung war.

Doch als die Ekstase dem Höhepunkt entgegen strebte, konnte Nuri nicht an sich halten und stieß erstickte Schreie der Lust aus, die von dem tiefen Stöhnen ihres Mannes im Gleichtakt begleitet wurden. Sie hob ihm ihr Becken entgegen und spürte seine wachsende Erregung wie ein loderndes Feuer in sich. Ihre pochenden Herzen schienen im gleichen Takt zu galoppieren wie entfesselte Mustangs.

Jonahs Bewegungen wurden nun noch heftiger, seine Stöße tiefer, während er ihre Brüste mit Küssen bedeckte und die Nägel ihrer Finger tiefe Spuren auf seinem schweißnassen Rücken hinterließen.

Nuri warf den Kopf in den Nacken, als der Höhepunkt wie eine Flutwelle über sie kam, und sie spürte, wie sich Jonah über ihr im selben Moment versteifte und den Rücken durchbog, bevor er sich mit einem leisen Seufzer in sie ergoss.

Schwer atmend sank er auf ihr nieder, und sie streichelte zärtlich sein schulterlanges Haar, das nun feucht vom Schweiß war.

»Es ist immer noch so schön mit dir, Jon«, flüsterte sie, und ein glückliches Lächeln kräuselte dabei ihre Lippen. »Nach all den Jahren scheint es mir gerade wieder, als würden wir uns zum ersten Mal in den Armen liegen.«

Er küsste sie und lächelte, das Gesicht gerötet vor Erschöpfung und seliger Befriedigung. »Dafür können wir Gott danken, Liebste. So lange wir uns haben, kann nichts und niemand mir …«

»Shane! Kommen Sie raus, oder wir holen Sie!« Die raue Stimme, die von draußen an ihre Ohren klang, ließ beide erstarren.

Jonah zog sich aus ihr zurück und sprang vom Bett auf, während seine Frau sich alarmiert aufrichtete und zum Fenster schaute.

Das flackernde Licht einer Fackel erhellte die Nacht hinter der Scheibe. Jonah stieg in seine Unterhose und langte nach dem Hemd, das vor ihm auf einem Schemel lag.

»Nimm das Gewehr und geh nach oben zu Solomon«, stieß er hervor und deutete auf den Karabiner, der in der Ecke neben Nuris Frisiertisch stand. Sein durchdringender Blick trieb sie zur Eile an. »Los!«

Seine Frau stieg aus dem Bett und streifte ihr Nachthemd über. Dabei spähte sie noch einmal durch das Fenster hinaus. Ein halbes Dutzend dunkler Gestalten stand vor der Veranda ihrer Blockhütte. Im Licht der Fackeln, die der massige Hüne in ihrer Mitte und zwei seiner Begleiter in ihren Händen hielten, erblickte sie mit matt glänzenden Läufe von Gewehren.

»Jon«, stieß sie erschrocken hervor. »Sie sind bewaffnet! Sie wollen uns umbringen!«

Ihr Mann war bereits in Hose und Stiefel geschlüpft und zog nun einen Peacemaker aus dem Holster, das auf der Kommode lag. Wieder deutete er auf das Gewehr. »Nuri, bitte! Nimm die Winchester und geh zu unserem Sohn. Sofort!«

Seine wild entschlossene Miene riss Nuri aus ihrer Starre, und sie gehorchte zögernd, obwohl ihre Beine den Befehl verweigern wollten.

»Shane! Meine Geduld ist am Ende!«, brüllte der Mann vor der Hütte und Nuri stieß ein leises Wimmern aus, während sie mit weichen Knien um das Bett herum taumelte und nach dem Gewehr griff. Ihre Hände zitterten, die Waffe rutschte aus ihrer Hand und fiel klappernd auf die Dielen.

»Bitte, Liebling«, hörte sie Jonahs mühsam beherrschte Stimme in ihrem Rücken. »Reiß dich zusammen. Ich kriege das schon hin, aber du musst jetzt sofort zu unserem Jungen unter das Dach.«

Sie packte die Winchester und erhob sich. Dabei spürte sie, wie das Blut in ihren Adern rauschte, und sah für ein paar Sekunden Sterne. Sie wankte, doch dann war Jonah hinter ihr und stützte sie. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und nickte zur Diele hinter der geöffneten Schlafzimmertür hin.

»Also los – du schaffst das«, raunte er.

Ihre nackten Füße fühlten sich taub an, als sie an der Haustür vorbei hastete und kurz darauf die steile Treppe hinaufstieg. Bevor sie die Klappe zum Dachzimmer öffnete, sah sie noch einmal hinunter.

Ihre Blicke trafen sich, und Jonah schwenkte mit grimmiger Miene seinen Peacemaker, bevor er die Tür der Blockhütte öffnete. Er lächelte ihr aufmunternd zu, doch sie kannte ihren Mann zu gut, um die Angst dahinter zu übersehen.

»Ich liebe dich«, flüsterte sie und stieß die Klappe über sich auf.

»Ich dich auch«, hörte sie seine leise Antwort, während sie die letzten Stufen hinaufstieg. Als sich hinter ihr die Klappe schloss, wandte sie sich um und sah in die großen Augen ihres Sohnes.

»Mom?«, fragte er und rieb sich verschlafen über die Stirn. »Was ist denn los?«

Rasch trat sie an das Bett und umarmte ihn. »Keine Angst, mein Kleiner«, murmelte sie und versuchte ihrer Stimme einen beruhigenden Klang zu verleihen. »Dein Vater kümmert sich darum. Es kommt alles in Ordnung.«

***

»Ein prächtiger Bursche, den Sie da haben!«

Der Stalljunge fuhr sich durch das kupferrote Haar, spitzte die Lippen und stieß einen anerkennenden Pfiff aus, als Lassiter aus dem Sattel seines Grauschimmels glitt.

Der Mann der Brigade Sieben drückte dem schlaksigen Burschen die Zügel in die Hand. »Ich weiß. Pass gut auf ihn auf.«

Er zog einen Dollarschein aus der Tasche seiner Weste, musterte den Jungen für einen Moment und hob dann die Hand mit der Banknote nach oben. Der Bursche starrte den Greenbuck an wie einen Goldschatz, und als er den Mund öffnete, bot er dabei einen Ausblick auf Zähne, deren Größe annähernd mit denen der Tiere mithalten konnte, die hinter ihm in den Boxen standen.

»Ich möchte, dass es ihm gut geht, solange ich ihn deiner Obhut überlasse, Hombre«, brummte Lassiter und warf seinem Gegenüber dabei einen strengen Blick zu. »Dieser Schein in meiner Hand ist ein Beweis meines Vertrauens. Verstehen wir uns?«

»Ist so klar wie das Amen in der Küche, Sir!«, rief der Stallbursche begeistert aus.

»… in der Kirche«, berichtigte Lassiter, seufzte und reichte ihm die Banknote, bevor er sich umwandte und den Wallach seinem Schicksal überließ. Er beruhigte sich mit der alten Weisheit, dass bei Stallburschen die Intelligenz nicht wesentlich über der der Pferde liegen sollte, um die sie sich zu kümmern hatten.

Cheyenne im Staate Wyoming … Es war Ewigkeiten her, seit er zum letzten Mal hier gewesen war. Das ehemalige Kaff hatte sich gemausert, seit es vor ein paar Jahren zur Hauptstadt des Staates auserkoren worden war. Zumal sich Cheyenne an diesem Tag für die großen Feierlichkeiten zum Thanksgiving ausstaffierte wie eine erwartungsvolle Braut vor dem Gang zum Altar.

Auf der Mainstreet herrschte bereits jetzt ein Trubel, als würde man in Kürze den Präsidenten erwarten, obwohl sich seit zwanzig Jahren kein einziges Staatsoberhaupt in die gottverlassene Einöde von Wyoming verirrt hatte. Mit Girlanden verzierte Seile spannten sich über die Straße, und jeder zweite Laden hatte große Schilder vor dem Eingang aufgestellt, auf dem besondere Angebote neugierige Kunden anlocken sollten. Hinten auf dem Marktplatz, in den die Hauptstraße mündete, machten sich Fuhrwerke von Gauklern, Quacksalbern und fahrenden Händlern breit, die mit fadenscheinigen Produkten auf leichtgläubige Käufer zu treffen hofften.

Lassiter wich leichtfüßig einer Kutsche aus, die neben ihm stadtauswärts in einer Geschwindigkeit davon raste, als würden ihre Insassen dem Armageddon entfliehen wollen. Er sah der Droschke nach und schob sich kopfschüttelnd den Hut zurecht. Immer mehr nahm das Leben um ihn herum eine Geschwindigkeit an, die er als widernatürlich empfand. Die Menschen schienen sich auf ungesunde Art zu verändern. Wie Parasiten wurden sie nicht satter, sondern hungriger, obwohl sie immer mehr bekamen. Die atemlose Gier, Mutter des überall als Segen gepriesenen Fortschritts der Zivilisation, war ein Detail, das der Schöpfer wohl übersehen haben musste, als er den Menschen erschaffen hatte.

Er ging mit schnellen Schritten über die Mainstreet und trat auf den Sidewalk des Marshal-Office, bevor er sich noch einmal umsah. Das laute Geschrei der Leute um ihn herum dröhnte in seinen Ohren und hatte einen Klang, der ihn an die großen Städte erinnerte. Washington, New York, San Francisco. Lauter Orte, denen er in etwa mit derselben freudigen Erwartung begegnete wie der Aussicht auf eine Beinamputation.

Er stieß die Tür zum Office auf und registrierte überrascht, wie klein und spartanisch ausgestattet der Raum war.

Hinter einem winzigen zerkratzten Schreibtisch hob ein junger Mann seinen Blick, der zuvor auf ein paar Papieren geruht hatte. Sein runder Schädel wurde von ein paar dünnen blonden Strähnen bedeckt, und die abstehenden Ohren hielten eine Nickelbrille mit fingerdicken Gläsern auf der vorspringenden Nase.

»Sir? Was kann ich für Sie tun?«

Lassiter warf einen kurzen Blick in die Runde, bevor er den Mann vor sich fixierte. »Nun, ich möchte den Bundesmarshal sprechen. Wayne DesMoines. Mein Name ist Lassiter, und ich nehme an, er erwartet mich.«

Die Lippen des jungen Burschen verbreiterten sich zu einem verbindlichen Lächeln, als er sich hastig erhob und um den Tisch herumkam, bevor er Lassiter die Hand entgegen streckte.

»Natürlich! Es freut mich außerordentlich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mr. Lassiter! Mein Name ist Wilford Haines, Mr. DesMoines’ Sekretär.«

Lassiter ergriff die Hand des Mannes und schüttelte sie, wobei sein Gegenüber ob des kräftigen Händedrucks leicht das Gesicht verzog. »Okay, Mr. Haines. Und wo finde ich den Marshal?«

Haines grinste verkniffen und rieb sich verstohlen die rechte Hand. »Er erwartet Sie im Midnite Rest, Sir. Ein Saloon nicht weit von hier«, antwortete er. »Der Marshal ging davon aus, dass Sie nach der langen Reise hungrig sein werden. Dort serviert man das beste Steak der Stadt.«

»Klingt ganz hervorragend«, sagte Lassiter, wandte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort das Office.

»Es ist nur hundert Yards die Straße hoch«, sagte Haines leise zu sich selbst und sah dem großen Mann dabei durch die Fenster des Büros nach.

Während sich Lassiter den Weg durch die Menge der Menschen bahnte, die sich auf dem Sidewalk drängte, kreisten seine Gedanken um die Mission, die ihn in diese Stadt geführt hatte.

Die Geschichte war so mysteriös wie unheimlich, und sie hatte sich nicht hier in der Hauptstadt von Wyoming, sondern etwa vierzig Meilen östlich in den einsamen Weiten der Great Plains abgespielt. Marshal DesMoines war sein örtlicher Kontaktmann, der ihn zum Ort des Geschehens begleiten sollte.

Die Informationen, die ihm die Brigade Sieben vor drei Tagen hatte zukommen lassen, waren so dürftig, wie er es gewohnt war. Doch selbst die dürren Sätze aus Washington hatten ihm die Haare zu Berge stehen lassen.