Lassiter 2362 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2362 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Am Tag, als Mary Scott aus dem Gefängnis ausbrechen wollte, regnete es in Strömen. Sie lag auf ihrer Pritsche in der Zelle und starrte zur vergitterten Fensterluke. Immer wieder musste sie an den Mann denken, der sie in den Knast gebracht hatte.

"Lightning", so nannte sich der Hurensohn. Sie fluchte lästerlich. Jamie und Kate, ihre Zellengenossinnen, achteten nicht auf sie. Die beiden saßen am Tisch und spielten Poker mit selbst gemachten Karten.
"Full house!", meldete Jamie.
"Vier Neunen", konterte Kate.
Jamie Prentiss, wegen Raubmordes zu zwanzig Jahren verurteilt, warf der Mitspielerin die Karten ins Gesicht. Kate Allen packte ihre Rivalin am Hals. "Miststück! Ich mach dich kalt!" Die beiden Frauen gingen aufeinander los. Erst als Blut floss, griff Mary ein. Sie schlug beide zu Boden.

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EPUB

Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Lightning

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Timo Wuerz

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5422-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Lightning

Am Tag, als Mary Scott aus dem Gefängnis ausbrechen wollte, regnete es in Strömen. Sie lag auf ihrer Pritsche in der Zelle und starrte zur vergitterten Fensterluke. Immer wieder musste sie an den Mann denken, der sie in den Knast gebracht hatte. »Lightning«, so nannte sich der Hurensohn. Sie fluchte lästerlich. Jamie und Kate, ihre Zellengenossinnen, achteten nicht auf sie. Die beiden saßen am Tisch und spielten Poker mit selbst gemachten Karten.

»Full House!«, meldete Jamie.

»Vier Neunen«, konterte Kate.

Jamie Prentiss, wegen Raubmordes zu zwanzig Jahren verurteilt, warf der Mitspielerin die Karten ins Gesicht. Kate Allen packte ihre Rivalin am Hals. »Miststück! Ich mach dich kalt!« Die beiden Frauen gingen aufeinander los. Erst als Blut floss, griff Mary ein. Sie schlug beide zu Boden.

Kate Allen rappelte sich als Erste auf. Stöhnend befühlte sie ihren Kiefer, der rasch anschwoll.

Mary rieb ihre schmerzende Faust. »Wenn du noch mehr willst, bitte sehr.«

»Nein, nein, Thunder, alles gut.« Kate wich einen Schritt zurück.

Mary wandte sich Jamie Prentiss zu. Die Raubmörderin lehnte an der Wand und schnappte nach Luft. Beide Hände hatte sie auf ihre Magengrube gepresst. Jamie war eine harte Nuss, aber ein Schlag auf den Herzmuskel war nicht jedermanns Sache.

Jamies dunkle Augen funkelten niederträchtig.

»Du verlierst nicht gern, was?« Mary stemmte die Hände in die Seiten. »Aber wenn du nicht verlieren kannst, lass die Finger von den Karten.«

Jamie sammelte Speichel und spuckte aus. »Leck mich, blöde Schlampe!«

Auf einmal war es im Zellentrakt still wie auf dem Meeresgrund. Kate Allen zog sich in den hintersten Winkel der Zelle zurück. Jamie Prentiss hob die Fäuste, als wolle sie angreifen.

Mary blieb kalt. »Sag das noch mal«, sagte sie.

Jamie, eine stämmige Frau mit kurzen Haaren, flachem Busen und dickem Hinterteil, mahlte mit den Zähnen, dass es knirschte. Sie hatte die Ärmel ihrer Jacke bis zu den Ellbogen hochgekrempelt. Auf ihren Unterarmen wimmelte es von Tätowierungen: Totenköpfe, Kreuze, magische Symbole, die Initialen von verflossenen Liebhabern.

»He, hat’s dir die Sprache verschlagen?« Mary war bereit, ihre Gegnerin k.o. zu schlagen, wenn die es darauf anlegte.

Für längere Zeit herrschte Schweigen. Jamie schien nachzudenken. Dann sagte sie: »Warum soll ich mich wiederholen? Du weißt genau, was ich gesagt habe.«

»Ich will’s aber noch mal hören«, versetzte Mary.

»He, Mädels, vertragt euch!«, tönte Kate aus der Ecke. »Wenn Johnson mitkriegt, dass es in unserer Bude Zoff gibt, ist das Wasser auf seine Mühlen. Der freut sich doch, wenn er uns eins auswischen kann. Gebt euch die Hand und vergesst den Streit.«

Lee Johnson war der Oberaufseher im Central Prison von Denver. Er schikanierte die gefangenen Frauen, wo es nur ging. Bei den geringsten Vergehen verfügte er drastische Strafen. Gestern hatte er Kates Pritsche aus der Zelle räumen lassen, weil sie nach dem Abendessen angeblich die Teller nicht sauber genug abgewaschen hatte. Kate hatte die Nacht auf dem kalten Steinboden der Zelle verbringen müssen.

Mary starrte ihre Widersacherin an. »Okay, vergessen wir das Ganze. Heb die Karten auf und leg sie hin, wo sie hingehören, Jamie.«

Die Mörderin blähte ihren Brustkorb. »Von dir lass ich mir gar nichts sagen. Wenn dir was nicht passt, dann mach’s doch selbst!«

»Karten aufheben!« Mary hatte die Stimme gehoben. »Ich rate dir, mich nicht zu reizen.«

Jamie zitterte das Kinn vor unterdrückter Wut.

»Wäre ich du, würde ich machen, was Thunder sagt«, warnte Kate aus der Ecke.

»Und wenn ich’s nicht tue?«

Mary betrachtete ihre langen, spitz zugefeilten Fingernägel. »Dann ritze ich dir ein Muster in deine Visage«, sagte sie kalt. »Was ist dir lieber? Ein Kruzifix oder ein Pentagramm?«

Jamie war sichtlich beeindruckt. »Das wagst du nicht«, keuchte sie.

»Doch«, erwiderte Mary. »Ich wage es. Wetten?«

»Mit dir wette ich nicht.«

Mary genoss das Machtspiel. Okay, Jamie war ein harter Brocken, aber sie, Mary »Thunder« Scott, war die Stärkere. Das hatte sie im Central Prison oft genug unter Beweis gestellt. Alle Mitgefangenen zollten ihr einen Heidenrespekt. Letzte Woche war sie beim Hofgang von der Schwarzen Lucy beleidigt worden. Lucy hatte ein Bordell in Dodge City besessen und »vergessen« die fälligen Steuern zu entrichten. Ein unzufriedener Freier hatte sie denunziert, es gab eine Gerichtsverhandlung, und Lucy landete im Frauengefängnis von Denver. Diese Lucy besaß eine verdammt lose Zunge und hatte Mary mit einer abfälligen Bemerkung bedacht, worüber sich die umstehenden Frauen und Wachleute köstlich amüsiert hatten. Mit einem kapitalen Uppercut hatte Mary die Spötterin zu Boden geschlagen. Lucy verlor einen Schneidezahn und wurde fortan hinter vorgehaltener Hand Spooky Tooth genannt.

»Die Karten«, sagte Mary halblaut.

Jamie gab klein bei. Mit einem knurrigen Ton klaubte sie die Spielkarten vom Boden und legte sie auf die eine Tischkante.

Mary beobachtete sie dabei. Ich muss mich vorsehen, dachte sie. Jamie heckt was aus. Der Schlange traue ich alles zu. Vielleicht überfällt sie mich, wenn ich ihr mal den Rücken zudrehe.

Doch im Moment war die Mörderin nicht auf Rache aus. Ohne ein weiteres Wort legte sie sich auf ihre Pritsche und drehte sich mit dem Gesicht zur Wand.

Kate kam aus ihrer Ecke hervor. »Wollen wir ein Spielchen machen, Thunder?«

Mary schüttelte den Kopf. Auf Karten hatte sie jetzt keine Lust. Sie wollte sich wieder hinlegen und in ihren Fantasien schwelgen. Wenn alles gut ging, war sie in ein paar Stunden frei.

Mary hatte sich alles genau überlegt: Heute Abend, gleich nach dem Hofgang, sollte die Party steigen. Ein Sprung über die Mauer, dann ein Sprint in das nahe gelegene Waldstück, über den Fluss und dann hinauf auf die Yampa Hills, hinter denen die Eisenbahnstrecke Denver-Kansas City lag.

Egal wie, der Ausbruch musste gelingen.

In drei Tagen wollte man sie in das Zentralgefängnis nach Fort Leavenworth bringen. Das war der Vorhof zur Hölle. An Flucht war dort nicht mehr zu denken. Die Gefangenen in Leavenworth wurden besser bewacht als das Regierungsgold.

Also musste sie flitzen, solange es noch ging.

Mary spann den Faden weiter. Sobald sie in Freiheit war, würde sie versuchen, mit ihrem ehemaligen Partner Theo Hendrix Kontakt aufzunehmen. Er war vor vierzehn Tagen aus dem County Jail von Battle Rock getürmt. Auf der Flucht hatte er einen Wärter erwürgt und mit der erbeuteten Waffe einen zweiten Wachmann zum Krüppel geschossen. Die spektakuläre Aktion war in aller Munde. Inzwischen waren fünftausend Dollar auf Hendrix ausgesetzt, tot oder lebendig.

Ein hübsches Sümmchen.

Marys Gedanken wurden unterbrochen.

Schwere Schritte hallten auf den Gang hinter der Zellentür. Ein Aufseher kam. Metall klirrte, als er die schwere Verbindungstür aufschob. Mary hoffte, dass es nicht dieser Quälgeist Lee Johnson war. Seine Gemeinheiten waren das Letzte, was sie jetzt brauchte.

Die Schritte stoppten vor der Zellentür.

»Es ist Johnson«, raunte Kate. »Ich rieche das Schwein zehn Meilen gegen den Wind.« Sprach’s und warf sich schnell auf ihr Bett.

Jamie Prentiss lag da und rührte sich nicht. Sie tat, als ob sie schlief.

Mary nahm sich die Bibel von dem Bücherbrett, legte das dicke Buch auf den Tisch und schlug aufs Geratewohl eine Seite auf.

Ein Schlüssel drehte sich im Schloss.

Die Tür öffnete sich mit einem hässlichen Quietschton. Der massige Leib des verhassten Gefängniswärters schob sich in die Zelle.

Er ist allein, ging es Mary durch den Kopf. Seltsam. Was mag der Kerl von uns wollen?

Ein Streichholz wurde angerissen.

Mary sah zu, wie der Oberaufseher eine Kerze anzündete. Die Schatten des unsteten Lichts warfen spukhafte Figuren an die kahlen Zellenwände.

»Na, wie geht’s euch, meine Süßen?«, fragte Johnson und hielt die Kerze hoch.

Keine der Frauen gab Antwort.

Johnson holte tief Luft, dann brüllte er: »Alle nach hinten an die Wand!«, befahl er. »Ich will eine blitzsaubere Meldung sehen!«

Alarmstufe eins!

Die Frauen sprangen auf, eilten zur rückwärtigen Wand und nahmen nebeneinander Aufstellung.

Mary stand zwischen Kate Allen und Jamie Prentiss. Sie fixierte den Mann in der blauen Uniform und erkannte, dass Johnson betrunken war. Sein aufgedunsenes Gesicht glich einer reifen Tomate. Seine Ohren glühten wie Kohlestücke. Er bleckte sein lückenhaftes Gebiss und krauste fortwährend die Nase.

»Wo bleibt die Meldung, ihr Hühner?«, schnauzte er.

Mary nahm Haltung an. »Zelle neun vollzählig angetreten: Jamie Prentiss, Kate Allen und Mary Scott.«

Der Mann starrte sie an. »Das soll eine gottverdammte Meldung sein?« Er rollte mit seinen blau geäderten Säuferaugen. »Ich fasse es nicht. Das kannst du besser, Thunder! Also los, noch mal das Ganze, aber richtig! Comprende?«

Mary legte die gestreckten Finger an ihre Hosennaht. »Sir, Zelle neun vollzählig angetreten: Jamie Prentiss, Kate Allen und Mary Scott, Sir!« Die letzten Worte hatte sie besonders laut betont.

Das gefiel Johnson. Er rieb sein unrasiertes Doppelkinn und griente. »Heute ist euer Glückstag, Girls. Eine von euch hat Besuch bekommen.«

Besuch? Mary staunte. Es war das erste Mal, dass eine von ihnen Besuch bekam. Wer mochte das sein? Kate Allens Bräutigam? Jamie Prentiss’ Onkel?

Johnson legte eine Hand auf seinen großen Revolver, den er an der Hüfte trug. »Na, ihr Hühner? Was meint ihr? Wer von euch ist die Glückliche?«

Sie blickten einander an und zogen lange Gesichter.

»Keine Ahnung«, sagte Mary.

»Keine Ahnung, Sir«, berichtigte der Oberaufseher.

»Keine Ahnung, Sir!«, bellte Mary.

Johnson nickte. »Na also, klappt doch.« Er sah sie der Reihe nach an. Sein Blick blieb auf Mary hängen.

Sie hob fragend die Brauen.

Johnson löste die Handschellen von seinem Gürtel. »Streck deine Hände vor, Thunder«, sagte er.

Mary zögerte. »Heißt das, ich habe Besuch?«

Johnson zwängte die Eisenringe über ihre Handgelenke. »Genau, meine Süße. Da ist ein Gentleman, der dich zu sehen wünscht, eine sehr hochgestellte Persönlichkeit. Also benimm dich manierlich, Thunder.« Er ließ die Schellen zuschnappen. »Weiß der Henker, was er ausgerechnet von einem Teufelsbraten wie dir will!«

***

Lee Johnson machte die Tür hinter sich und Mary Scott zu.

»Hier ist die Gefangene, Sir«, sagte er mit fester Stimme.

»Danke, Johnson«, antwortete George Sutton, der Direktor.

Mary kam aus dem Staunen nicht heraus. Der Oberaufseher hatte sie in das Zimmer des Gefängnisdirektors geführt. Sutton saß an dem Konferenztisch einem kleinen Mann mit dunklem Gehrock gegenüber, der sie neugierig durch seine runde Brille musterte.

»Sie können gehen«, sagte Sutton zu dem Wachmann. »Aber bleiben Sie in der Nähe. Ich rufe Sie, wenn ich Sie brauche.«

»Zu Befehl, Sir.« Johnson salutierte wie ein Soldat auf dem Exerzierplatz und ging.

»Nehmen Sie doch Platz, Miss Scott«, sagte der Direktor und rückte ihr einen Stuhl zurecht.

Mary war baff. In ihrem Schädel schwirrte es wie in einem Bienenkorb. Was hatte das alles zu bedeuten? Wer war der Winzling mit der albernen Brille?

In diesem Augenblick ging eine Seitentür auf. Die Ordonnanz brachte ein Tablett, auf dem drei große Becher Kaffee dampften. Fachgerecht setzte der Kellner die Getränke auf dem Tisch ab.

»Kondensmilch, Miss?« Sutton hob die kleine Dose mit dem bunten Etikett.

»Ja, sehr gern.« Sie hob die gefesselten Hände.

»Moment.« Der Direktor griff in seine Rocktasche, brachte einen Schlüssel zutage und öffnete die Schellen. Nachdem er Mary die Eisenringe von den Händen gestreift hatte, lächelte er. »Habe ich Ihr Versprechen, dass Sie keinen Fluchtversuch unternehmen?«

»Das haben Sie, Sir«, antwortete Mary.

Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Was führten der fremde Herr und der Direktor im Schilde? Sie rieb ihre entzündeten Gelenke, griff dann nach der Kondensmilch und goss einen Schluck in den Kaffee.

»Der Gentleman hier ist Paul Lawrence«, sagte Sutton, »der Assistent des Gouverneurs von Colorado.«

Mary war baff. »Freut mich, Sie kennen zu lernen«, sagte sie mechanisch.

»Sie sind also Mary Scott, genannt Thunder«, sagte der Kleine.

»Ja, das bin ich.« Mary nahm das Kaffeegefäß in beide Hände.

Lawrence wandte sich an den Direktor. »Und Sie haben ihr noch nichts über die Sache gesagt, George?«

»Nicht eine Silbe.«

»Okay«, sagte der Kleine und sah sie durch seine Gläser prüfend an. »Ich will nicht lange um den heißen Brei reden, Miss Scott. Die Sache eilt, deswegen komme ich gleich zum Punkt: Es gibt eine Chance, dass Sie Ihre Strafe nicht verbüßen müssen.«

Mary horchte auf, doch sie verbarg ihre Überraschung.

Für Sekunden herrschte Stille.

»Na, was sagen Sie dazu?«, forschte Lawrence.

Sie stellte den Becher auf den Tisch. »Habe ich das richtig verstanden? Sie sind im Auftrag des Gouverneurs gekommen?«

»Ganz recht.« Er lächelte dünn. »Ich habe alle Befugnisse.«

»Was sind das für Befugnisse?«

»Ich könnte, vorausgesetzt, wir beide kommen überein, dafür sorgen, dass Sie binnen kürzester Zeit aus dem Jail entlassen werden.«

Mary atmete schneller. Die Freiheit winkte. »Was ist mit meiner Reststrafe?«

»Wird Ihnen erlassen.«

Mary rang um Fassung. »Das hört sich ja großartig an. Wie der Jackpot bei der Lotterie. Aber die Sache hat sicher einen Haken. Nun, Mr. Lawrence, was muss ich tun, um frei zu sein.«

Er wechselte einen raschen Blick mit dem Direktor. Dann wandte er sich Mary zu. »Es geht um Ihren ehemaligen Komplicen – Theo Hendrix.«

Mary hielt den Atem an. »Was ist mit ihm?«

»Hendrix ist aus Battle Rock geflohen, vor zwei Wochen, aber das pfeifen ja inzwischen die Spatzen von den Dächern.«

»Ja, hab davon gehört.«

»Und dass er dabei zwei Wachleute umgebracht hat, wissen Sie das auch?« Lawrence lächelte nicht mehr.

Er starrt mich an wie eine Schlange das Kaninchen, dachte Mary. »Bis eben dachte ich, es gäbe nur einen Toten«, sagte sie. »Dass der zweite Wachmann auch gestorben ist, wusste ich nicht. Hm, und was zum Kuckuck habe ich damit zu tun?«

Lawrence kramte eine Schachtel Zigaretten hervor. »Rauchen Sie?«

»Gelegentlich.« Sie nahm sich ein Stäbchen und schob es zwischen ihre Lippen.

Lawrence hielt ihr ein flammendes Schwefelholz hin. »Wir wollen, dass Sie Hendrix aufstöbern und unschädlich machen.«

Fast wäre ihr der Glimmstängel aus dem Mund gefallen. »Wie? Was? Unschädlich machen?«

»Ihre Zigarette«, wies der Direktor sie zurecht.

Sie reckte den Hals und nahm einen tiefen Lungenzug. Von einem leichten Schwindel befallen, blies sie den Rauch in Richtung Decke.

»Und wieso glauben Sie, dass gerade ich Ihnen bei dieser Angelegenheit behilflich sein könnte?«, erkundigte sie sich.

»Eine kluge Frage.« Lawrence nahm sich auch eine Zigarette und zündete sie an. »Sie kennen Hendrix besser als jeder andere. Wenn eine Person es schafft, diesen Ausbrecher zu überlisten und kaltzustellen, dann Sie, Thunder.«

Mary nippte an ihrem Kaffee. Ihre Hand zitterte, aber nur ein wenig. »Was Sie da verlangen, geht mir nicht auf. Ich bin Theos Partnerin gewesen. Über längere Zeit. Und jetzt soll ich ihn über die Klinge springen lassen? Das wäre Verrat. Warum zum Geier sollte ich Hendrix aus dem Weg schaffen?«

»Um sich zehn Jahre Zuchthaus in Leavenworth zu ersparen«, entgegnete Lawrence. »Ein verlockendes Angebot, finden Sie nicht?«

Mary saugte gierig an ihrer Zigarette.

»Sie sind eine junge, gut aussehende Frau, Miss Scott«, fuhr Lawrence fort. »Noch sind Sie das. In zehn Jahren, da gebe ich Ihnen Brief und Siegel, werden Sie ein Wrack sein. Leavenworth ist kein Sanatorium. Begnadigungen sind seltener als Gürteltiere mit Cowboyhüten. Und so viel ich weiß, hat es dort noch nie einen erfolgreichen Ausbruch gegeben. Trübe Aussichten. Sie sind erledigt, Miss Mary. Ihr Leben ist im Eimer. Möchten Sie sich das wirklich antun? Jetzt, wo Sie die Wahl haben, das Ruder noch mal herumzureißen?«

Eine Weile sprach niemand ein Wort.

Mary rauchte ihre Zigarette, trank hin und wieder einen Schluck Kaffee und ließ ihre Gedanken kreisen. Was Lawrence da gesagt hatte, stimmte haargenau. In Leavenworth erwartete sie das Fegefeuer. »Ich brauche Bedenkzeit«, sagte sie schließlich.

»Abgelehnt«, erwiderte der Vertreter des Gouverneurs.

»Ich muss mich sofort entscheiden?«

Lawrence hüllte sich in Rauch. »Akkurat.«