Lassiter 2367 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2367 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Unter dem hellen Klingen der Türglocke zuckte der Ladeninhaber zusammen und warf einen flüchtigen Blick über den Tresen. Ihm war nicht anzusehen, was er von der Gestalt hielt, die mit kaltem Lächeln eintrat und interesselos ihren Blick schweifen ließ. Der Kerl wirkte abgerissen und ungepflegt. Seine Ausstrahlung verhieß nichts Gutes.
"Sie sind Nathan Howard, nicht wahr?", fragte der Fremde schließlich.
"So steht es draußen auf dem Schild." Howard setzte eine ernste Miene auf. "Kennen wir uns, Sir?"
Der Mann lachte verhalten. "Das würde ich nicht sagen", meinte er, ging zur Ladentheke und beugte sich darüber, "aber nach dem heutigen Tag werden Sie mich keinesfalls wieder vergessen..."

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EPUB

Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Aufstand der Todgeweihten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: DelNido/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5561-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Aufstand der Todgeweihten

Unter dem hellen Klingen der Türglocke zuckte der Ladeninhaber zusammen und warf einen flüchtigen Blick über den Tresen. Ihm war nicht anzusehen, was er von der Gestalt hielt, die mit kaltem Lächeln eintrat und interesselos ihren Blick schweifen ließ. Der Kerl wirkte abgerissen und ungepflegt. Seine Ausstrahlung verhieß nichts Gutes.

»Sie sind Nathan Howard, nicht wahr?«, sagte der Fremde schließlich.

»So steht es draußen auf dem Schild.« Howard setzte eine ernste Miene auf. »Kennen wir uns, Sir?«

Der Mann lachte verhalten. »Das würde ich nicht sagen«, meinte er, ging zur Ladentheke und beugte sich darüber, »aber nach dem heutigen Tag werden Sie mich keinesfalls wieder vergessen …«

Der Besucher hatte im Plauderton gesprochen, doch die unterschwellige Drohung ließ Nathan Howard aufhorchen. Die kalten Augen des Mannes musterten ihn, als wollten sie seine Stirn durchdringen, um in seinen Gedanken zu lesen.

»Wie kann ich mich an Sie erinnern«, fragte Howard mit mühsam beherrschter Stimme, »wenn ich nicht einmal Ihren Namen weiß?«

»Clifford Baine«, sagte der unheimliche Besucher. »Meine Freunde nennen mich Cliff, aber ich gehe schwer davon aus, dass Sie mich niemals zu Ihrem Freundeskreis zählen werden.« Kurz verhielt er, tippte mit der Spitze seines Zeigefingers mehrmals auf die Thekenablage und sagte: »Allmählich wird es Zeit …«

Erneut ging die Türglocke. Vier Männer schoben sich in den kleinen Laden und verteilten sich darin. Einer drehte das Türschild von »Open« auf »Closed«, die anderen hakten die Daumen in ihre Revolvergurte und schienen auf weitere Anweisungen zu warten.

»Alles einpacken!«, stieß Baine plötzlich aus und warf einen Jutesack auf die Theke.

Howard schüttelte sich. »Wie bitte?«

»Stellen Sie sich nicht dümmer an, als Sie sind!«, fuhr Baine ihn an. »Sie sind Goldschmied und Juwelier! Ich will kein Almosen von Ihnen, sondern alles, was von Wert ist!« Gemächlich zog er seinen Revolver aus dem Holster, schwenkte ihn über die Regale und Vitrinen und richtete die Waffe im Anschluss auf Howard. »Sie können mitspielen oder sich abknallen lassen. Es liegt ganz bei Ihnen. Für mich macht es keinen Unterschied.«

Unschlüssig stand Nathan Howard da, blickte erst Baine, dann nacheinander dessen Männer an. Zwei von ihnen hatten ihre Colts gezogen, vollführten kleine Kunststücke damit und taten so, als wären sie nur unbeteiligte Zuschauer. Den Kerlen war jedoch anzusehen, dass ihre Spielerei sich rasch in tödlichen Ernst verwandeln würde.

»Was machen Sie denn da?«, fragte Baine plötzlich und spannte den Abzug seines Revolvers. »Ich will Ihre Hände über dem Tresen sehen und nicht darunter!«

»Ich … ich bin nervös …«, gab der Ladenbesitzer zur Antwort. Auf seinen Zügen zeigte sich deutlich, dass er nur die halbe Wahrheit gesagt hatte.

»Denken Sie nicht einmal daran, nach einer Flinte zu greifen«, knurrte der Bandit. »Lange bevor Sie Ihre Finger krumm gemacht haben, liegen Sie bereits mit einem Loch im Schädel in der Ecke.«

Nathan Howard hob beide Hände an. Am Finger der Rechten baumelte eine goldene Taschenuhr an einem Kettchen. »Ein Erbstück«, erklärte er. »Sie können alles haben, aber bitte lassen Sie mir diese Uhr.«

»Wir feilschen nicht!«, zischte Clifford Baine. »Her mit der Uhr, oder es vergeht kein Tag, und die Würmer futtern aus Ihrer Stirnhöhle!«

Erneut machte Howard eine unbedachte Bewegung – und brach zusammen, noch ehe das Donnern von Baines Colt verhallt war. Rücklings stürzte er gegen das Regal einer offenen Vitrine und kippte zur Seite weg.

»Hast wohl geglaubt, dass ich scherze!«, rief Baine dem Toten zu, drehte sich zu seinen Leuten um und fauchte: »Glotzt nicht so dämlich! Packt alles ein, was funkelt und glitzert! Und beeilt euch! Ich habe keine Lust, dem Sheriff in die Arme zu laufen!«

Die bislang untätig dastehenden Männer sprangen vor, rissen die Türen von Glasschränken auf und räumten die Ablagen leer. Einer setzte über den Tresen hinweg und wischte mit dem langen Arm das Geschmeide aus den Regalen. Sogleich langten sie nach den am Boden verstreuten Edelsteinen und filigranen Goldschmiedearbeiten, stopften sie in den Jutesack und waren innerhalb weniger Minuten bereit zum Abmarsch.

Baine war derweil hinter die Theke getreten und beugte sich hinab zu der Leiche. Mit triumphierendem Grinsen entwand er Howard die Golduhr und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden.

»Draußen braut sich was zusammen, Boss!«, rief einer der Kerle und hielt seinen Revolver schussbereit in der Hüfte.

»Dann nichts wie raus hier!«, befahl Baine. Die gaffenden Anwohner, die durch den Schuss aufgeschreckt worden waren, machten ihm keine Sorgen. Problematisch mochte es werden, sobald der Sheriff aufkreuzte. Es war bekannt, dass er eine gut ausgebildete Truppe Deputies um sich versammelt hatte. Eine Konfrontation mit den Gesetzeshütern würde rau werden.

Schon als Baine mit seinen vier Begleitern vor die Tür trat, spürte er, das Unheil in der Luft lag. Und noch ehe er auf dem Rücken seines Pferdes saß, fühlte er den eisigen Schauer, der ihn beim Ausruf eines Passanten durchlief.

»Kommen Sie her, Sheriff! Schnell! Die Hundesöhne wollen abhauen!«

»Macht die Bande fertig!«, zischte Baine seinen Kumpanen zu. »Schießt euch durch! Lasst keinen am Leben!«

Nahezu gleichzeitig bellten vier Colts auf. Die Banditen zügelten ihre scheuenden Pferde und hetzten sie unmittelbar auf die Front aus Sheriff und Deputies zu. Sofort sprangen die Sternträger auseinander, erwiderten das Feuer und fegten einen von Baines Männern aus dem Sattel. Die restlichen drei schossen, was ihre Revolver hergaben, würden auf Dauer aber keine Chance gegen ihre Widersacher haben. Der Sheriff hatte nahezu doppelt so viele Helfer aufgetrieben und riegelte den Stadtausgang nach Redington ab. Genau dort aber hatte Clifford Baine eine Verabredung, die er auf keinen Fall verpassen wollte. Würde er Tucson in die andere Richtung verlassen, stand ihm ein strapaziöser Ritt durch die Berge bevor, ganz abgesehen von dem meilenweiten Umweg, der ihn unnötige Zeit kostete.

Dicht hinter seinen Männern suchte Baine Deckung, schoss nach links und rechts, während ihm die Kugeln um die Ohren pfiffen. Am liebsten hätte er laut aufgeschrien, als der Reiter mitsamt ihrer Beute die Arme hochriss und im vollen Galopp in den Straßenstaub stürzte.

Baine fackelte nicht lange, lenkte sein Pferd auf den Boardwalk und duckte sich hinter den Hals seines Tieres. Rüde schlug er eine Bresche in die flanierenden Männer und Frauen, die entsetzt aufschreiend zur Seite sprangen, und fühlte sich halbwegs geschützt vor den brüllenden Revolvern der Gesetzesmänner.

»Cliff! Mich hat’s erwischt!«

Das war Donny! Aus den Augenwinkeln sah Baine ihn verkrümmt im Sattel sitzen, scherte sich aber nicht weiter um seinen Gefährten. Für ihn gab es nur eins: Raus aus der Stadt!

Das Ende des Boardwalks kam näher. Danach würde sich zeigen, ob Baine mit heiler Haut entkommen konnte. Er hoffte, dass Donny und Rick die Lawmen noch ein paar Sekunden ablenken konnten. Falls es ihnen gelang, würde Baine bereits außer Schussreichweite sein.

Wie aus dem Nichts tauchte ein schwarzer Cowboy in einem Hauseingang auf, sah den Banditen heranschnellen und zog seinen Colt. In Baines Revolver war keine Kugel mehr – und er tat, was nur ein Verzweifelter wagte.

Mit einem Aufschrei zerrte er an den Zügeln seines Pferdes, riss seinen Kopf herum und brachte das Tier zu Fall. Krachend flog es gegen eine Holzfassade und hätte den Schwarzen unter sich begraben, wäre dieser nicht blitzschnell zurückgewichen. Donnernd löste sich eine Kugel aus dem Pistolenlauf des Mannes, sirrte jedoch weit über Baine hinweg und schlug in eine Balustrade. Da war Baine aber schon bei ihm und versetzte dem Kerl einen Stiefeltritt unters Kinn. Eilig nahm er den Revolver des Schwarzen an sich, schwang sich auf sein Pferd, das gerade wieder aufgestanden war, und hetzte es in rasantem Galopp aus der Stadt.

Die Schüsse von Sheriff und Deputies verfolgten ihn noch eine Weile, und es war nicht ausgeschlossen, dass sie ein Suchkommando zusammenstellen würden. Bis dahin aber war Clifford Baine längst wieder beim Rest seiner Bande. Und diese raubeinigen Halunken bekamen gar nicht genug davon, Sternträger auf den Boothill zu schicken.

Vier Tote für eine verdammte Taschenuhr!, zog Baine in Gedanken eine ernüchternde Bilanz, schob die Rechte in seine Hosentasche – und griff ins Leere!

Die goldene Uhr war fort, musste ihm beim Zusammenstoß mit diesem Schwarzen entglitten sein.

Zähneknirschend nahm Baine es zur Kenntnis. Hätte er nicht ein weiteres lukratives Geschäft in Aussicht, wäre ihm der Tag gründlich verdorben worden.

***

Lassiter hatte sich in Green Valley aufgehalten, das etwa auf halber Strecke zwischen Nogales und Tucson lag. Dort waren ihm auch die neuen Auftragsunterlagen der Brigade Sieben übergeben worden. Anscheinend hatte man in Washington keine Zeit verstreichen lassen, denn der Vorfall, zu dessen Aufklärung man Lassiter beordert hatte, lag kaum sechs Tage zurück.

Ein Juwelierladen war überfallen, der Eigentümer ermordet worden. Auf ihrer Flucht hatte eine fünfköpfige Banditenschar nicht nur eine Handvoll Deputies erschossen, sondern ebenfalls den Sheriff. Vier der Räuber und Mörder waren draufgegangen, ein Fünfter unbekannt entkommen. Die Verantwortlichen bei der Brigade vermuteten nicht nur das Treiben einer kleinen Meute hinter dem Überfall, sondern das Werk einer vielköpfigen Bande. Details hatte man Lassiter nicht mitgeteilt, doch der Agent vertraute den Einschätzungen seiner Vorgesetzten.

Die Spuren, die er in Tucson vorfand, waren dürftig. Auch Deputy Walton Isaac, den er im Sheriff’s Office aufsuchte, konnte mit seiner Schilderung des Gefechtsablaufs nur wenig Neues beisteuern. »Die Bastarde haben wie die Verrückten um sich geschossen«, sagte der ergraute Mann, der die Mitte der Fünfzig bereits überschritten haben musste. »Wir sind zwar selbst ein verwegener Haufen, der keine Gefahr scheut, aber diese Halunken stellen alles in den Schatten. Ich habe niemals zuvor Männer mit solcher Verbissenheit bis in den Tod kämpfen sehen.«

Geduldig hatte Lassiter zugehört. »Sie haben mehr als die Hälfte ihrer Leute verloren, wenn ich das richtig mitbekommen habe.«

»Ein hoher Blutzoll«, gab der Mann zu. »Zumindest konnten wir die Beute sicherstellen …« Es hörte sich an wie das Eingeständnis völligen Versagens. »Die Umgebung habe ich mit ein paar Deputies bereits nach dem Flüchtigen durchkämmt, leider jedoch ohne Ergebnis.«

»Der Kerl ist nach Osten entkommen?«, fragte Lassiter.

»Das vermuten wir. Die Schießer hätten auch in die Berge türmen können, doch sie wollten mit Gewalt unsere Blockade durchbrechen.«

»Immerhin ein guter Hinweis.« Nachdenklich griff Lassiter in seine Hemdtasche und holte einen Zigarillo hervor. Nachdem er ihn angezündet und den ersten Zug genommen hatte, fragte er: »Gibt es eine größere Stadt östlich von Tucson? Was würden Sie sagen, weshalb der Bandit ausgerechnet diese Richtung gewählt hat?«

Isaac zuckte die Achseln. »Da kann ich nur raten. Knapp dreißig Meilen von hier liegen die Ortschaften Redington und Cascabel. Noch einmal dreißig Meilen weiter finden Sie Fort Thomas. Ansonsten gibt es da draußen nur Prärie und Berge.«

»Gibt es Zeugen, die eine Beschreibung des Mannes abgeben könnten?«

Walton Isaac lachte. »Dieses Gaunerpack gleicht sich doch wie ein Ei dem anderen. Fragen Sie zehn Leute aus der Stadt, und Sie bekommen zehn unterschiedliche Aussagen.«

Genau so hatte sich Lassiter den Sachverhalt vorgestellt. Er stieß den Rauch seines Zigarillos aus und sagte: »Es ist wie das Stochern in einem Heuhaufen. Man muss eine Menge Geduld aufbringen.«

Die letzte Bemerkung ließ den Deputy aufhorchen. »Ich habe immer noch nicht genau verstanden, was Sie mit der Angelegenheit zu schaffen haben«, meinte er vorsichtig.

Lassiter setzte ein Schmunzeln auf. »Manche Fragen sollten besser unbeantwortet bleiben, Deputy. – Danke für Ihre Hilfe.« Lässig tippte der Mann der Brigade Sieben an seinen Stetson und verließ das Office. Es würde das Vernünftigste sein, wenn er sich nach Redington begab, um dort seine Ermittlungen fortzuführen. Allzu viel versprach er sich nicht davon. Der Killer konnte überall und nirgends sein. Doch wenn Lassiter sich einmal festgebissen hatte, ließ er so schnell nicht los.

Kaum hatte er den linken Fuß in den Steigbügel seines Grauschimmels gehakt, hörte er die gedämpfte Stimme eines Mannes, der ihm zuvor nicht aufgefallen war. Gleich einem Phantom war er aus dem Nichts erschienen. Noch außergewöhnlicher jedoch war, dass der Kerl Lassiter mit seinem Namen ansprach.

»Aha!«, machte der Mann, als er Lassiters Reaktion bemerkte. »Da hatte ich wohl den richtigen Riecher!«

»Schön, dass Sie mich kennen«, brummte der Agent und betrachtete das Männlein, das gut zwei Köpfe kleiner war als er und ein eigentümliches Drahtgeflecht über seine Strickmütze gestülpt hatte. »Haben Sie auch einen Namen, Mister?«

»Fortescue!«, platzte es aus dem Kerlchen heraus. »Daniel Elijah Fortescue!«

»Hm«, meinte Lassiter, »hört sich für mich wie eine Auflistung biblischer Propheten an.«

»Meine Eltern war streng gläubig«, erklärte Fortescue, »und haben es an mir ausgelassen.« Flink wieselte er um Lassiter herum, beäugte erst ihn von Kopf bis Fuß, dann sein Pferd. »Ein robustes Tier! Sicher ist es extrem ausdauernd.«

»Es steht nicht zum Verkauf«, gab Lassiter zurück und stellte gleich darauf jene Frage, die ihm am drängendsten unter den Nägeln brannte. »Was, zum Teufel, wollen Sie von mir? Und woher kennen Sie meinen Namen?«

»Haha!«, lachte Fortescue und streckte seinen rechten Zeigefinger in die Luft. »Die Neugier ist es, die uns alle beflügelt! Habe ich Recht?« Er pirschte um den Grauschimmel herum, hob kurz dessen Schwanz an und nickte bekräftigend, als er am Hinterteil vorbei zu Lassiter hinübersah. »Ein prächtiger Hengst! Nehmen Sie das Beste von ihm und das Beste einer reinrassigen Stute – und Sie erhalten einen Spross, den selbst die Götter des Olymps mit Ehrfurcht und Respekt behandeln würden.«

»Ich will nicht unhöflich sein«, unterbrach der Brigade-Agent den Redeschwall des vorwitzigen Kauzes, »aber ich habe noch eine Menge zu erledigen. Entweder sind Sie so freundlich und beantworten mir meine Fragen – oder Sie scheren sich zum Teufel!«

Daniel Elijah Fortescues Gesicht verschwand hinter dem Pferd und tauchte gleich darauf wieder auf. »Arbeiten Sie für eine geheime Organisation, Mister Lassiter? Mir schleicht so ein Begriff durch den Kopf …« Er gab sich Mühe, den Ausdruck angestrengten Nachdenkens aufzusetzen und schnippte sogleich mit den Fingern. »Brigade Sieben! Das war es! Ein ungewöhnlicher Name für eine sicher nicht minder ungewöhnliche und exquisite Gesellschaft.«

Es war noch nicht oft vorgekommen, dass ein Außenstehender von der Brigade Sieben Wind erhalten hatte. Zumeist hatte Lassiter aufklären können, wie die jeweilige Person zu ihrem Wissen gelangt war. In der Regel war es von Personen gekommen, denen Lassiter sich anvertraut hatte und die von seinen Gegnern zum Reden gezwungen worden waren. Hier aber lag der Fall anders. Fortescue machte weder den Eindruck eines Erpressers, noch war ihm zuzutrauen, Kontakte nach Washington zu unterhalten. Alles in allem wurde er mit jedem Wort, das er sprach, rätselhafter.

»Ihr Schweigen verrät Sie«, sagte der kleine Mann grinsend, hoppelte vor und beschirmte seinen Mund mit dem Handrücken seiner Linken. »Bei mir ist Ihr Geheimnis in guten Händen«, flüsterte er und zwinkerte Lassiter zu.

Ganz wohl war dem Agenten nicht zumute. Dieser Mann schien eine Menge zu wissen, was nicht für die Allgemeinheit bestimmt war. Und niemand konnte vorhersehen, wie er seine Kenntnisse verwenden würde. Trotz all der offenen Fragen hatte Lassiter keine Zeit, sich mit diesem eigenwilligen Menschen aufzuhalten. »Reden ist Silber, Schweigen ist Gold«, ließ er Fortescue wissen. »Ich kann Ihnen nur raten, sich an diesen Grundsatz zu halten.«

Ohne ein weiteres Wort hievte er sich in den Sattel, stieß ein Schnalzen aus und trabte davon. Fortescues Beteuerungen, die ihm hinterherhallten, hörte er nicht mehr zu. Er hatte eine Mission zu erfüllen – und Redington war seine erste Anlaufstelle.

***

In der Bar war es düster und schwül. Flackernde Talglichter und einige wenige Petroleumlampen verbreiteten matten Schein, doch es gab genügend dunkle Ecken und Winkel für diejenigen, die die Öffentlichkeit scheuten.

Lieutenant Bruce Newton hatte seine Uniform gegen gewöhnliche Straßenkleidung getauscht. Unauffälligkeit nach außen hin war bei dem, was er vorhatte, unerlässlich. Trotzdem blickte er sich laufend um und schien nie das Gefühl verdrängen zu können, unbeobachtet zu sein. Irgendwann wurde es dem Mann, der ihm an dem kleinen runden Tisch in einer Mauernische gegenübersaß, zu bunt.

»Entspann dich, Bruce! Hier sitzen doch bloß ein paar Army-Kumpel, die sich über ihre gemeinsame Dienstzeit unterhalten.«