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Das zweistöckige Haus in der Wentmore Street lag in tiefstem Dunkel und trug eine dünne Schneeschicht auf dem Dach. Dass es in Philadelphia schneite, war selten genug, aber dass der Schneefall in dieser Nacht eingesetzt hatte, spielte Pearson S. Clark in die Hände.
Der künftige Mörder zog das Messer aus dem Futteral. Geduckten Hauptes schlich er zwischen den penibel gestutzten Koniferen hindurch, die den Garten des Ehepaares Blakesley prägten, und pirschte sich an die steinerne Grundmauer des Wohnhauses heran.
Aus dem Fenster über ihm drang Kerzenschein. Den kostbar geschmückten Weihnachtsbaum der Blakesleys würde Clark nicht anrühren. Er würde sich bloß die Kehle von Abigail Blakesley vornehmen, wie man es ihm aufgetragen hatte.
Drinnen erklang leiser Gesang...
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Seitenzahl: 130
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Verrat am Boston Creek
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5871-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Verrat am Boston Creek
Das zweistöckige Haus in der Wentmore Street lag in tiefstem Dunkel und trug eine dünne Schneeschicht auf dem Dach. Dass es in Philadelphia schneite, war selten genug, aber dass der Schneefall in dieser Nacht eingesetzt hatte, spielte Pearson S. Clark in die Hände.
Der künftige Mörder zog das Messer aus dem Futteral. Geduckten Hauptes schlich er zwischen den penibel gestutzten Koniferen hindurch, die den Garten des Ehepaares Blakesley prägten, und pirschte sich an die steinerne Grundmauer des Wohnhauses heran.
Aus dem Fenster über ihm drang Kerzenschein. Den kostbar geschmückten Weihnachtsbaum der Blakesleys würde Clark nicht anrühren. Er würde sich bloß die Kehle von Abigail Blakesley vornehmen, wie man es ihm aufgetragen hatte.
Drinnen erklang leiser Gesang …
Andächtig stimmte Abigail Blakesley die letzten Zeilen von Näher, mein Gott, zu Dir an, dessen Melodie aus dem verbeulten Trichter des Grammophons drang. Die Gattin von Hugh Blakesley, dem Vize-Direktor der angesehenen Oregon Trade Company, konnte sich noch gut an den Tag erinnern, an dem das Grammophon beschädigt worden war.
Es war der Tag ihrer Hochzeit gewesen.
Wie an diesem Weihnachtstag hatten sie nach der Zeremonie Näher, mein Gott, zu Dir gesungen, und dabei war Hugh mit dem Hintern gegen den Musikapparat gestoßen. Es hatte gescheppert, und für einige Sekunden war die Hochzeitsgesellschaft mucksmäuschenstill gewesen.
Dann hatte der Saal heiter gelacht.
Die anfängliche Beklommenheit in Abigails Herzen war jener gelassenen Freude gewichen, die bis zu diesem Tag ihre Ehe mit Hugh auszeichnete. Sie hatten selten gestritten, und wenn sie es taten, war es um handfeste Dinge und nicht um Bagatellen gegangen.
»Anna!«, rief Abigail streng und zog eine Augenbraue hoch. »Anna, ich kann dich sehen!«
Hinter den Flügeltüren, die den Salon vom Korridor des Hauses abtrennten, stob ein Schatten über die Treppe nach oben. Schon die hektische Eile, mit der sich der Schatten bewegte, verriet Abigail, dass es sich bei ihm nur um ihre jüngste Tochter Anna handeln konnte.
Das Mädchen hielt es partout nicht in ihrem Zimmer aus.
Seufzend erhob sich Abigail, nahm die Nadel von der Schellackplatte und stellte den Drehmechanismus des Grammophons ab. Sie warf sich den Hausmantel über und lief zur Tür.
Anna blickte sie mit großen Augen von der Treppe aus an.
Einige Momente lang versuchte sich Abigail in erzieherischem Ernst, bevor ihre strenge Miene verschwand und mütterlicher Wärme Platz machte. Sie ging auf die Treppe zu und blickte Anna fragend an. »Was hast du, Schätzchen? Es ist der erste Weihnachtsfeiertag. Du solltest längst schlafen.«
»Wo ist Vater?«, flüsterte Anna und blinzelte ihre Mutter durch das gedrechselte Geländer hindurch an. »Er wollte längst zuhause sein.«
Selbst Abigail wusste inzwischen, dass ihre Tochter zu klug war, um sich mit halbseidenen Ausreden abwimmeln zu lassen. Sie konnte sich an Hughs Worte erinnern, mit denen er Anna versprochen hatte, dass er spätestens am ersten Weihnachtsfeiertag die Eisenbahn nach Philadelphia nehmen würde. Er hatte Geschäfte irgendwo im Mittleren Westen erledigen wollen, und gewohnheitsmäßig dauerten solche Unterredungen länger als gewollt.
»Nur noch etwas Geduld«, sagte Abigail und lächelte ihre Tochter mitfühlend an. Sie wusste, wie innig Anna ihren Vater vergötterte. »Er kommt gewiss morgen früh. Er lässt uns an Weihnachten nicht allein.«
Plötzlich erklang von der Tür her ein Klopfen.
Abigail wandte sich um und runzelte die Stirn, weil sie nicht verstand, weshalb ihr Mann nicht den bronzenen Türklopfer benutzte. Sie schüttelte den Kopf und ging einige Schritte den Flur hinunter.
»Wenn es Vater ist«, rief ihr Anna nach, »schickst du ihn zu mir hinauf?«
Amüsiert hielt Abigail inne und spitzte streng die Lippen. »Sollte es Vater sein, wird er äußerst ungehalten darüber sein, dass du noch nicht schläfst, Anna. Ich würde dir raten, dich still und leise ins Bett zu legen.«
Von der Treppe kam ein schweres Atmen. »Ist gut, Mama. Ich gehe schlafen.«
Nachdem das halbe Dutzend Schritte verklungen war, dass ihre Tochter brauchte, um in ihr Zimmer zu gelangen, begab sich Abigail zur Tür. Sie spähte durch eines der seitlichen Fenster und konnte den gefütterten Gehrock ihres Mannes im Dunkel erkennen. Seine Schultern waren voller Schnee.
»Hugh?«, fragte Abigail und schob gleichzeitig den Riegel unter der Tür auf. »Du musst den letzten Zug genommen haben, mein Ärmster!«
Kaum schwang die Tür auf, wandte sich der Mann davor um und fegte sich den Schnee von der Kleidung. Er starrte Abigail an und lächelte kühl.
Vor dem Haus stand Hughs Angestellter Pearson D. Clark.
»Pears!«, begrüßte ihn Abigail erstaunt. »Was suchst du um diese Zeit hier?«
Erst jetzt fiel Abigail die zehn Zoll lange Klinge über Pearsons rechter Hand auf. Sie spiegelte den zertretenen Schnee zu seinen Füßen.
»Schönen guten Abend, Abbie!«, grüßte Pearson und grinste noch breiter. »Mach Platz und lass mich rein!«
Die Messerklinge tanzte vor Abigails Gesicht auf und ab, als gehorchte sie einem stummen Musiker, der ein morbides Lied für sie spielte. Sie reflektierte nun abwechselnd den Schnee und die geschnitzte Türeinfassung.
»Pears«, sagte Abigail erneut und trat einige Schritte vor der Tür zurück. Sie hielt den Atem an, als ihr Pearson in federndem Gang folgte. »Was … was willst du bei uns? Hugh ist nicht da.«
Pearson leckte sich nervös über die Oberlippen und wechselte mit dem Messer von einer Hand zur anderen. Er starrte Abigail unentwegt an und kniff die Augen zusammen. »Hör zu, ich will nicht zu Hugh! Ich will zu dir, du verdammtes Drecksstück! Jetzt mach mir keinen Ärger und halt still!«
Aus Abigails Kehle wollte ein Schrei dringen, der alle im Haus aus dem Schlaf riss, selbst den dunkelhäutigen Gärtner in seiner Kammer neben der Küche. Er wollte aus ihrer Kehle und blieb dennoch darin stecken, als könnte er sich nicht gegen jene stählerne Hand behaupten, die sich gerade um Abigails Hals schloss.
»Halt still!«, wiederholte Pearson und kam bedrohlich nah auf Abigail zu. »Tut mir nicht um ’nen verdammten Penny leid, was gleich passiert! Tut mir nicht leid, Hurenweib!«
Z-schack, z-schack!
Die Messerstiche kamen so unerwartet und schnell, dass Abigail nichts von ihnen spürte. Sie durchstießen ihren Magen und ihre rechte Hüfte, dann zwei weitere ihre Brust oberhalb des tropfenförmigen Muttermals, von dem Pearson nichts wissen konnte.
»Pears!«, hauchte Abigail und fühlte warmes Blut auf ihrer Hand.
***
Von der stählernen Brücke über den Willamette River schallte das Getöse einer Militärkapelle herüber, die zu einem Marsch über das festlich geschmückte Bauwerk angesetzt hatte. Die Kapelle spielte einen flotten Marsch und stimmte im Anschluss den Star-Spangled Banner an.
»O nein!«, stöhnte Goldie und stemmte sich gegen den kräftigen Oberkörper ihres Geliebten. Sie richtete sich halb auf und schaute zum Fluss hinüber. »Ich soll die Brücke weihen! Man wartet gewiss schon auf mich, Lassiter!«
Der Mann der Brigade Sieben drückte den schönen Rotschopf sanft ins Gras zurück und stieß mit den Lenden zu. Er küsste Goldies schmales Gesicht, das sogleich seinen erregten Ausdruck zurückerhielt. »Eine halbe Stunde wirst du noch haben, Kleines! Du kannst mich nicht so zurücklassen!«
Das Paar lag in dem Streifen aus kniehohem Gras, der den Flusslauf des Willamette River säumte und sie vor den Blicken annähernd zweihundert Stadtbewohner schützte, die zur Eröffnung der Stahlbrücke gekommen waren. Die Männer und Frauen des nahen Salem trugen fast ausnahmslos Sonntagstracht und hätten das unzüchtige Treiben am Ufer zweifelsohne missbilligt.
»Was redest du da!«, erwiderte Goldie und spreizte die Beine noch weiter. Sie trug nur noch den Strumpfhalter aus schwarzer Spitze. »Als ob ich jetzt aufhören könnte, du Teufel! Mir ist die Zeremonie jetzt schon egal!«
Die schöne Rothaarige mit dem schlanken Körper und dem ausladenden Busen wäre Lassiter am Bahnsteig der Southern Pacific Railroad auch dann nicht entgangen, hätte sie ihn nicht mit jenem verführerischen Wimpernaufschlag bedacht, der sie letztendlich ans Ufer des Willamette River geführt hatte. Sie war ein prachtvolles Frauenzimmer, das – wie Lassiter jetzt feststellte – jede seiner Mühen wert gewesen war.
Goldie stöhnte vor Lust. Sie hatte die fein gezeichneten Lippen einer Schauspielerin und die zarten Schultern einer Nymphe, der zu widerstehen jedem Mann innere Pein bereitet hätte. Sie gab sich Lassiters heftigen Stößen bis in die letzte Faser ihres Körpers hin.
Sie wechselten abermals die Stellung, und nun setzte sich Goldie auf Lassiter, stützte sich mit beiden Armen auf ihm ab und ritt ihn genussvoll. Von der Brücke schallte der Beifall hinunter, den einer der Redner für seine Worte einstrich.
»Wann musst du zur Brücke?«, fragte Lassiter und rang zugleich um Luft. Er ließ Goldies energischem Ritt freien Lauf. »Du bist hoffentlich keine Rednerin?«
Abermals stöhnte Goldie laut auf und ließ sich mit dem ganzen Gewicht ihres zartgliedrigen Körpers auf Lassiter nieder. »Nein … nein, wo denkst du hin? Erst sprechen …« Sie schrie leise auf. »Erst sprechen der Bürgermeister und der Plantagenbesitzer, dem die Obstplantagen drüben auf der anderen Flussseite gehören.«
»Und dann?«, fragte Lassiter und stöhnte nun ebenfalls. Die warme Enge von Goldies Schoß nahm seinen Pint gänzlich in sich auf.
Goldies Ritt wurde grober und hemmungsloser, als wollte sie verhindern, dass irgendeine lästige Pflicht sie um den Genuss brachte. »Halt die Klappe jetzt! Ich komme gleich! Oh, mir kommt’s gleich!«
Einige Sekunden darauf krampfte sich Goldies schlanker Leib zusammen und wurde von einer Welle aus lustvollen Schauern erschüttert. Die Rothaarige biss sich auf die Unterlippe, hob und senkte das Becken und seufzte tief und befriedigt.
Im selben Augenblick kam es auch Lassiter.
»Gott im Himmel!«, rief Goldie aus und bedeckte ihre geröteten Wangen mit den Händen. Sie lachte und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Auf was habe ich mich mit dir nur eingelassen! Du hättest mich nicht so anschauen dürfen!«
»Du hättest mich nicht anlächeln dürfen«, konterte Lassiter und grinste. »Komm, beeil dich! Wir müssen zur Zeremonie!«
Sie hatten wenig über die Einweihung der neu errichteten Brücke gesprochen, und Lassiter hatte zudem wohlweislich verschwiegen, dass er in seiner Jacke ein Telegramm aus Washington mit sich trug, das ihn zu eben jener Willamette Bridge beorderte. Sein Mittelsmann – so hieß es im Telegramm – war der Stahlkonstrukteur Adam J. Bergman.
Unterdessen war Goldie aufgesprungen und hatte sich ihr Kleid wieder übergeworfen. Sie brachte ihr aufgelöstes Haar in Ordnung und fasste dann nach Lassiters Hand. »Wie schön diese Stunde war, mein Lieber! Bleibst du noch einige Tage in Salem?«
Die Militärkapelle hatte zu einem neuen Stück angesetzt und zog mit schmetternden Posaunen zur Mitte der Brücke. Der Wind griff in die zahllosen Fähnchen, die in den Nationalfarben die Fachwerkträger schmückten.
»Nein«, sagte Lassiter und schürzte die Lippen. »Ich fürchte, dass ich bald wieder abreisen muss. Aber ich begleite dich zur Brücke, falls du es wünschst?«
Mit besorgter Miene sah sich Goldie zu der geschmückten Brücke um und schüttelte den Kopf. »Ich habe einen Verlobten dort, der dich nicht sehen darf.« Sie küsste ihn rasch auf die Wange. »Aber sei mir nicht böse! Es war eine gute Stunde mit dir!«
Sie winkte ihm und eilte durch das Gras davon. Als sie verschwunden war, griff Lassiter nach dem Revolvergurt, den er abgelegt hatte, und schnallte ihn sich wieder um die Hüfte.
Er hatte keinen Grund, Goldie etwas übel zu nehmen.
***
Unter den mächtigen Stahlträgern der Willamette Bridge herrschte reges Treiben, auf das Lassiter eine halbe Stunde darauf wie die übrigen Stadtbewohner von Salem zuschlenderte. Er hielt weiterhin nach Goldie Ausschau, die er nach der Weihezeremonie aus den Augen verloren hatte, und sah sich nach einer Weile seufzend nach seinem Mittelsmann Adam J. Bergman um.
Der Konstrukteur stand inmitten einer Gruppe von Geschäftsleuten und beantwortete geduldig deren Fragen. Er trug den beigefarbenen Schal um den Hals, den das Telegramm Lassiter als Erkennungszeichen beschrieben hatte.
»Außergewöhnlich!«, sagte einer der Geschäftsmänner gerade und nahm den Zylinder vom Kopf. Er blickte zur Brücke empor und hob den rechten Arm. »Wie elegant diese Trägerarchitektur ist! Sie werden einmal zu den Größten Ihres Faches zählen!«
»Hört, hört!«, rief ein anderer Herr und sah Bergman streng an. »Wie dieser Tage zu erfahren ist, beginnt man bald auch in Paris mit dem Bau eines Stahlturmes! Ein Herr Eiffel treibt das Vorhaben voran!«
Bergman nickte freundlich und nahm die Danksagungen mit bescheidenem Kopfnicken entgegen. Als er Lassiter im Getümmel erspähte, blickte er den Mann der Brigade Sieben zweimal an und sprach dann weiter. »Eiffel … Gewiss, ein guter Mann! Man wird noch viel von ihm hören! Aber lassen Sie uns doch zur Willamette Bridge zurückkehren!« Er hielt inne und blickte Lassiter erneut an. »Sie, Sir! Wollen Sie zu mir?«
Die Geschäftsleute wandten die Köpfe zu Lassiter und blickten ihn mit fragenden Gesichtern an. Zwei der Männer machten Platz und ließen Bergman hindurch.
Der Brückenkonstrukteur blieb vor Lassiter stehen und musterte ihn aufmerksam. Er hatte fast knabenhaft junge Züge, die nicht recht zu der langjährigen Erfahrung passten, die er als Baumeister offenkundig besaß.
»Lassiter«, stellte sich der große Mann vor. »Ich muss mit Ihnen sprechen, Mr. Bergman.«
Unter den Geschäftsleuten brach Unruhe aus. »Wir alle müssen mit ihm sprechen, Mister! – Er ist der wichtigste Mann an diesem Tag! – Sie werden uns Mr. Bergman nicht abspenstig machen, nicht wahr?«
Höflich wandte sich der Konstrukteur zu seinen Gästen um. »Sie müssen entschuldigen, Herrschaften! Es geht um eine dringende geschäftliche Angelegenheit, die keinen Aufschub duldet!« Er lächelte freundlich. »Ich bin bald wieder bei Ihnen!«
»Unerhört!«, schnaubte einer der Geschäftsleute und marschierten stürmischen Schritte davon. Die übrigen Männer sprachen kurz miteinander und entfernten sich ebenfalls.
Einige Minuten darauf waren Lassiter und Bergman allein.
»Sie kommen von der Brigade Sieben?«, fragte der Brückenkonstrukteur und wies zu einem ruhigeren Teil des Flussufers. Sie umrundeten einige Fahnenverkäufer. »Es ist mir eine Freude, Ihnen als Mittelsmann zur Verfügung zu stehen.«
»Das Telegramm erwähnte nichts von der Brücke«, entgegnete Lassiter und hob den Kopf. »Die Herren haben recht. Es ist ein ausgesprochen schönes Bauwerk.«
»Aufrichtigen Dank!«, sagte Bergman und stemmte die Arme in die Seiten. Er sah zum gegnerischen Flussufer, auf dem die Brücke einen weiteren Pfeiler erreichte. »Die Obstplantagen auf der anderen Seite des Willamette River sind von großer Bedeutung für Salem. Sie müssen rasch und leicht zu erreichen sein.«
Nachdenklich drehte sich Bergman wieder zu Lassiter um und schwieg einen Augenblick lang. Er dämpfte die Stimme, ehe er weitersprach. »Aber kommen wir zu Ihrem Auftrag, Mr. Lassiter. Es gibt Schwierigkeiten am Boston Creek, wie Sie vielleicht wissen.«
»Boston Creek?«, fragte Lassiter und schüttelte den Kopf. »Das Telegramm hat diesen Ort nicht genannt.«
»Weil es zu gefährlich wäre«, gab Bergman zur Antwort und nickte. Er schaute auf den Willamette River hinaus. »Der Boston Creek ist ein Zufluss dieses Flusslaufes. Er durchquert einige hundert Meilen von hier die Cascade Range.«
»Ist er schiffbar?«, erkundigte sich Lassiter und deutete unbestimmt zu den vertäuten Lastkähnen jenseits der Brücke. »Wird er genutzt?«
Gemeinsam liefen sie ein Stück, bis sie der Trubel des Weihefestes wieder einholte. Sie ließen einige spielende Kinder passieren, die eine Holzlokomotive und einige Waggons hinter sich herzogen.
»Der Boston Creek ist eine Handelsader«, erklärte Bergman und presste die Lippen zusammen. Er nahm einen tiefen Atemzug. »Die Oregon Trade Company befährt den Fluss mit einem halben Dutzend Flussbooten. Seit einigen Monaten werden sie von Banditen überfallen, die sich selbst Sons of Liberty nennen.«
»Sons of Liberty?«, wiederholte Lassiter. »Wie die Rebellen bei den Tea-Party-Rebellen in Boston?«
»So ist es«, stimmte ihm Bergman bei. »Nach unseren Kenntnissen sind die Sons of Liberty eine Kolonistengruppe, die sich von der Oregon Trade Company bedroht fühlt. Sie stiehlt und vernichtet die Schiffsladungen und droht damit, den ganzen Staat Oregon in Unruhe zu stürzen.«