Lassiter 2380 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2380 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Dicht an dicht schoben sich die Wagen des Siedlertrecks über die Plains. Vor Kurzem erst hatten die Familien die texanische Grenze überquert, hatten Wind und Wetter getrotzt, um am Wolf Creek eine neue Heimat zu finden. Nun hatten sie ihr Ziel fast erreicht.

"Du bist so still", wandte sich Betsy Harden an ihren Verlobten, der neben ihr auf dem Kutschbock saß. "Freust du dich denn nicht?"

Eddy Caine blickte weiterhin starr geradeaus und drehte nur leicht den Kopf zur Seite, als würde er nach Geräuschen lauschen, die nur er hörte. "Du weißt, weshalb wir wirklich hier sind", murmelte er vor sich hin. "Für uns fängt das Abenteuer erst an."

Trotz der Hitze lief Betty ein Schauer über den Rücken. Und nicht zum ersten Mal zweifelte sie daran, ob es richtig gewesen war, sich auf dieses Wagnis einzulassen.

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EPUB

Seitenzahl: 135

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Blutpfad der Apachen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5959-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Blutpfad der Apachen

Dicht an dicht schoben sich die Wagen des Siedlertrecks über die Plains. Vor kurzem erst hatten die Familien die texanische Grenze überquert, hatten Wind und Wetter getrotzt, um am Wolf Creek eine neue Heimat zu finden. Nun hatten sie ihr Ziel fast erreicht.

»Du bist so still«, wandte sich Betsy Harden an ihren Verlobten, der neben ihr auf dem Kutschbock saß. »Freust du dich denn nicht?«

Eddy Caine blickte weiterhin starr geradeaus und drehte nur leicht den Kopf zur Seite, als würde er nach Geräuschen lauschen, die nur er hörte. »Du weißt, weshalb wir wirklich hier sind«, murmelte er vor sich hin. »Für uns fängt das Abenteuer erst an.«

Trotz der Hitze lief Betsy ein Schauer über den Rücken. Und nicht zum ersten Mal zweifelte sie daran, ob es richtig gewesen war, sich auf dieses Wagnis einzulassen.

Unwillkürlich warf sie einen Blick hinter die Sitzbank auf den unscheinbaren Leinenbeutel, in dem sich nicht nur einige Wäschestücke befanden, sondern auch jener Gegenstand, der sie und ihren Verlobten bewogen hatte, sich dem Siedlertreck anzuschließen. Betsy Harden holte mit der Rechten aus und legte schützend die Handfläche auf den Beutel.

Kaum berührte sie den Stoff, schrak sie zusammen. Ihre Fingerspitzen zuckten zurück, als hätte sie sich daran verbrannt. Es waren die donnernden Echos krachender Revolver und Rifles, die sie bis ins Mark erschütterten. Und auch das dumpfe Rauschen, das sie zuvor wahrgenommen hatte, entsprang nicht dem Steppenwind, sondern den trommelnden Hufen heranjagender Pferde.

»Ich wusste, dass es Ärger geben würde!«, entfuhr es Eddy Caine. »Verdammt! Ausgerechnet jetzt muss es uns erwischen!« Fluchend riss er an den Zügeln der Zugpferde, als der Wagen vor ihm plötzlich zum Stillstand kam.

»Vielleicht sind es nur ein paar Cowboys, die sich einen Spaß erlauben«, meinte Betsy und schaute über ihre Schulter. Viel sehen konnte sie nicht. Einige der Planwagen hinter ihnen waren ausgeschert und versperrten ihr die Sicht. Der Treckführer gellte den Männern und Frauen zu, eine Blockade zu errichten und das Feuer zu eröffnen.

Caine zog seinen Peacemaker und sprang vom Bock. Die Angreifer waren noch ein gutes Stück entfernt, aber ihre Kugeln flogen zielsicher heran, durchschlugen die Planen der Wagen und hackten in das Holz der Fuhrwerke. »Wenn das ein Scherz sein soll, kann ich nicht darüber lachen«, raunte er aufgebracht. »Das sind verfluchte Banditen! Sie werden uns alles nehmen, was wir besitzen!« Er kniete sich neben das vordere Speichenrad und legte seinen Revolver an. Wahllos schoss er in die dunkle Phalanx aus Reitern, die höchstens noch dreihundert Yards entfernt war.

»Baut eine Schützenreihe auf!«, schrie der Treckführer. »Stellt euch doch nicht an, als könntet ihr nicht bis drei zählen!«

Unwillkürlich verzog Eddy Caine seine Mundwinkel zu einem bitteren Lächeln. Der Mann hatte nicht ganz unrecht. Die Siedler mochten mit einem Pflug und einem Ochsenkarren umgehen können, aber mit der treffsicheren Handhabung ihrer Gewehre waren sie anscheinend hoffnungslos überfordert. Ziellos jagten sie die Kugeln aus den Magazinen ihrer Rifles, wenn sie denn überhaupt zum Feuern kamen. Einige scheiterten bereits beim Nachladen der Munition.

»Komm wieder auf den Wagen, Edward!«, rief Betsy. »Du bringst dich nur unnötig in Gefahr!« Wie die meisten Frauen nannte sie ihn bei seinem Geburtsnamen, wenn sie sich durchsetzen wollte.

Caine zögerte, als er zwei Männer schreiend zusammenbrechen sah, während die Angreifer unaufhaltsam näherkamen. Sie waren erfahren im Umgang mit ihren Waffen, verschwendeten keine Patrone und würden alles niederschießen, was sich ihnen in den Weg stellte. Auch Gary Henderson, der Treckführer, schien das Dilemma zu erkennen.

»Feuer einstellen!«, brüllte er kehlig und senkte seine Henry Rifle. »Steckt die Waffen weg und ergebt euch!«

»Was … was werden diese Kerle uns antun?«, flüsterte Betsy Harden ihrem Verlobten zu.

Eddy Caine zuckte die Achseln, steckte seinen Revolver ins Holster und stemmte einen Fuß gegen das Steigbrett des Wagens. »Wenn wir Glück haben, nehmen sie uns nur unser Hab und Gut«, presste er hervor. »Wenn wir Pech haben, auch unser Leben …«

Betsy fröstelte und beobachtete die ausschwärmenden Reiter. Sie umrundeten die Blockade aus drei Planwagen, hielten die Siedler weiterhin in Schach und schufen eine breite Gasse, durch die ein einzelner Mann ritt. Zwanzig Yards vor dem Treck zügelte er seinen Rappen, ließ seinen Colt mit einer kunstvollen Drehung im Holster verschwinden und beugte sich mit verschränkten Armen über sein Sattelhorn.

Caine machte gegenüber Betsy eine beschwichtigende Geste und eilte zu den vorderen Wagen. Er wollte keinesfalls versäumen, was der Fremde zu sagen hatte.

»Mein Name ist Carter Byrne«, sagte der Mann. »Ihr werdet mich nicht kennen, aber nach dem Feuergefecht dürften keine Zweifel mehr an meinen Absichten bestehen.«

Schnaufend schob sich Henderson voran, stampfte an Caine vorüber und baute sich vor Byrne auf. »Ich führe diesen Treck!«, brummte er. »Nehmen Sie sich, was Sie wollen. Wir werden keinen Widerstand leisten.«

Byrne zeigte ein schmieriges Lächeln. Er wirkte noch recht jung, bestenfalls um die Mitte dreißig. Doch die Verschlagenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben, wie die Lebenserfahrung eines Greises sich an seinen Runzeln ablesen ließ. »Man trifft nur wenige vernünftige Männer in meinem Gewerbe«, spöttelte Byrne. »Fast schon bedauerlich. Ich hatte mich auf ein Gemetzel eingerichtet.« Grinsend richtete er sich im Sattel auf und ließ seinen Blick schweifen. Dann nickte er und sagte: »Also schön, Ladys und Gentlemen! Packt eure Wertsachen zusammen und legt sie vor den Wagen auf den Boden. Ich will Dollars und Schmuck sehen. Und falls der eine oder andere ein besonders hübsches Erbstück mit sich führt, sollte er sich auch davon trennen, denn ich werde es ohnehin finden.«

»Sie bekommen alles, was wir haben«, versicherte Gary Henderson. »Niemand wird Ihnen Schwierigkeiten bereiten.«

Gemächlich stieg Carter Byrne vom Rücken seines Pferdes, klopfte sich den Staub von seiner schwarzen Jacke und grinste noch eine Spur breiter. »Das will ich hoffen. Heldentaten kann ich auf den Tod nicht ausstehen.« Bezeichnend klopfte er auf den Griff seines Revolvers. »Und mein Witwenmacher auch nicht.«

Eine knappe Viertelstunde verging, in der sich Kassetten, Beutel und Taschen anhäuften. Mehrere von Byrnes Leuten untersuchten den Inhalt, schmissen Unbrauchbares fort und packten die Wertgegenstände in einen Jutesack. Mit brennendem Blick hatte Eddy Caine zugeschaut, sich abgewandt und war zu seinem Wagen zurückgeeilt. Aufgeregt erklomm er den Kutschbock und langte nach dem Leinenbeutel. »Wir müssen ihn verstecken!«, zischte er Betsy zu. »Er darf diesen Halunken auf keinen Fall in die Finger geraten!«

Seine Verlobte erschrak! Doch nicht wegen seinen eindringlichen Worten, sondern wegen dem durchdringenden Ratschen eines Repetierbügels. Sie fuhr auf dem Kutschbock herum und starrte unmittelbar in die Mündung einer Winchester.

»Was immer ihr vor dem Boss versteckt – ich will es sehen!«, knurrte ein bärtiger Kerl, der urplötzlich neben dem Wagen aufgetaucht war.

Eddy Caine ballte in verzweifeltem Zorn seine Fäuste. »Ihr habt doch schon alles, was ihr wolltet!«, stieß er aus. »Was du verlangst, ist unmöglich!«

Der Bärtige verzog keine Miene. »Ich bekomme dein Zeug sowieso! Du kannst dir aussuchen, ob ich dazu erst über deine Leiche gehen muss!« Er schwenkte seine Rifle von Betsy auf Caine und drückte seinen Abzugsfinger leicht durch.

»Gib ihm den Beutel!«, entfuhr es der jungen Frau. »Vielleicht jagen wir nur einem Phantom nach! Ich will nicht wegen einer vagen Hoffnung sterben, Eddy!«

Es war Caine anzusehen, dass er mit sich rang. Seine Kiefer mahlten, und er verkrallte seine Finger in dem Stoffbeutel, als wollte er seinen Inhalt zerquetschen. »Es ist keine vage Hoffnung«, zischte er seiner Verlobten zu, »aber die Aussicht auf ein unbeschwertes Leben …« Schlagartig entspannten sich seine Züge. Ein unergründliches Lächeln hellte seine Miene auf. Entschlossen packte er den Beutel, hob ihn hoch und hielt ihn dem Reiter entgegen.

»Bist ein schlauer Bursche«, sagte der Bandit. »Und jetzt wirf den Sack auf den Boden!«

Eddy Caine folgte dem Befehl und sah im selben Moment den Anführer der Horde herantraben. Kurz verständigte er sich mit seinem Kumpan, stieg vom Pferd und sammelte den Leinenbeutel auf. Rasch fand er darin, was Caine wie seinen Augapfel gehütet hatte.

»Eine Karte«, murmelte Carter Byrne und rollte das Papier auf. Seine Augen huschten darüber, doch es war offensichtlich, welches Geheimnis sie barg. Finster richtete sich sein Blick auf Caine. »Was bedeutet der Eintrag ›Sanctuary‹?«, wollte er wissen.

Der Angesprochene lächelte schmallippig. »Es handelt sich wohl um ein Heiligtum«, erklärte Eddy Caine. »So habe ich es aufgefasst.«

»Von wem hast du die Karte?«

»Von einem greisen Indianer aus Iowa.«

Byrne nickte. »Ich hab schon davon gehört, dass die Vorfahren der Rothäute Gold gehortet haben«, meinte er nachdenklich. »Auf der Karte ist eine Stadt eingezeichnet, aber es gibt keinen Hinweis darauf, wo sie sich befindet.«

»Er ist in meinem Kopf«, erwiderte Caine. »Und dort wird er auch bleiben.« Lässig stützte er sich auf die Lehne der Sitzbank und grinste frech. »Aus mir bekommt ihr nichts heraus.«

Byrne gab ihm ein Grinsen zurück, doch es lag keine Freundlichkeit darin. »Vielleicht lockt uns diese Karte ja auch nur auf eine falsche Fährte«, teilte er mit, »vielleicht aber auch nicht. Ich habe nichts zu verlieren, du schon.« Hinterhältig schaute er Betsy Harden an. »Ist sie deine Frau?«

»Nein …«, brachte Caine zögerlich hervor und ahnte mit einem Mal, was der Halunke beabsichtigte. »Sie ist … meine Verlobte.« Sein Leben hätte er für diese Karte gegeben, aber er wusste, dass man ihm nichts tun würde. Diese Strolche würden ihn dort packen, wo sie ihm mehr Schmerzen zufügen konnten als mit bloßen Schlägen.

»Eine wirklich schöne Frau«, raunte Carter Byrne. »Aber sie wird nie mehr so schön sein, wie sie ist, wenn du weiter dein Maul hältst.« Mit weiteren Drohungen hielt sich der Banditenboss nicht auf. Eine stumme Geste bedeutete seinem Handlanger, auf der Stelle zur Tat zu schreiten.

»Fass sie nicht an!«, schrie Caine und wollte sich auf den Bärtigen stürzen. Doch bereits einen Lidschlag darauf krachte eine Faust wie aus Gusseisen gegen sein Kinn und schleuderte ihn vom Kutschbock in den Staub. Den blitzenden Funken vor seinen Augen folgte tiefste Finsternis.

***

Sand, Felsen und unbarmherzige Hitze – Texas zeigte sich nicht zimperlich, einem Mann alles abzuverlangen, um in der Wildnis zu überleben. Fast schon wehmütig dachte Lassiter an eine seiner letzten Missionen zurück, die ihn in die verschneiten Berge Nebraskas geführt hatte. Ein wenig der winterlichen Kälte hätte ihm in diesen Augenblicken gutgetan.

Begonnen hatte der neue Auftrag des Brigade-Agenten in Amarillo, der größten Stadt des texanischen Panhandles. Dort waren ihm die Unterlagen aus Washington übergeben worden. Und schon beim ersten Überfliegen der Dokumente hatte Lassiter festgestellt, dass ihm eine Aufgabe übertragen worden war, die die meisten Gesetzeshüter überfordert hätte. Es bedurfte eines Spezialisten, um die Banditenmeute, die im Norden des Bundesstaates ihr Unwesen trieb, unschädlich zu machen.

Wo sich das Nest dieser Brut befand, ließ sich lediglich schätzen. In den Weiten der Prärie gab es nicht wenige Totenstädte, die ein idealer Unterschlupf für jene waren, die das Licht der Öffentlichkeit scheuten. Anhand der gemeldeten Überfälle aber konnte Lassiter seinen Suchradius eingrenzen. Er war überzeugt, nicht länger als eine Woche zu benötigen, um die Horde aufzuspüren. Wie es danach weiterging, würde er vor Ort entscheiden.

Etwa dreißig Meilen östlich von Amarillo tauchte das erste Wüstenkaff auf. Das unbeholfen zusammengenagelte Ortsschild wies es als Kingsmill aus. Die Lettern waren in groben Strichen aufgetragen, die Farbe stellenweise abgebröckelt. Und so wie das Schild wirkte auf den ersten Blick auch das gesamte Städtchen. Ein windschiefes Haus reihte sich an das nächste. Der Staub und Sand der Straße lag wie eine Pulverschicht auf den Boardwalks und schien niemanden zu stören. An der präriewärts gerichteten Hauswand des ersten Gebäudes hatten Tumbleweeds ihre Wurzeln geschlagen. Im Herbst würden sie brechen, austrocknen und vom Wind in die Grassteppen geweht werden. Für einen Reiter stellten sie eine nicht unbeträchtliche Gefahr dar, da die scharfkantigen Blätter der Steppenläufer die Beine seines Pferdes verletzen konnten.

Mit diesen Gedanken überquerte Lassiter die Stadtgrenze und trabte auf seinem Grauschimmel gemächlich voran. Viel zu sehen gab es nicht. Die Stadt wirkte wie ausgestorben. Zumindest bis zu jenem Augenblick, als die Tür eines Saloons geöffnet wurde. In herrischer Pose, die Hände in seinen Taschen, trat ein Kerl mit weißem Stetson, silbergrauem Haar und buschigem Schnauzbart ins Freie, lehnte sich an den Hitchrack und fixierte Lassiter mit eisernem Blick. Nach und nach kamen drei weitere Männer aus dem Saloon und bauten sich neben dem Grauhaarigen auf. Auch sie ließen Lassiter nicht aus den Augen.

»Schöner Tag zum Ausreiten«, meinte plötzlich einer und grinste.

Auf Höhe der vierköpfigen Gruppe hielt Lassiter sein Pferd an. »Wie jeder Tag im Süden«, meinte er. »Ich bin auf der Suche nach einer Unterkunft. Können Sie mir eine empfehlen?«

Jetzt war es der Grauhaarige, der seine Stimme erhob. »Reiten Sie weiter nach Hoover. Es sind bloß zehn Meilen.« Er verzog seine Lippen zu einem abfälligen Lächeln, während die Umstehenden laut lachten.

»Was spricht dagegen, mir in Kingsmill eine Bleibe zu suchen?«, erkundigte sich Lassiter.

»Ich!«, sagte der Schnauzbärtige und bekam augenblicklich Unterstützung von seinen Kumpanen.

»Zeig ihm, wo’s langgeht, Silverman!«, krähte einer der Umstehenden.

»Du bist hier unerwünscht!«, meldete sich ein Zweiter zu Wort. »Zieh Leine, bevor es dir schlecht ergeht!«

Lassiter schürzte seine Lippen, ließ die Provokation jedoch an sich abgleiten. »Ich werde nicht lange bleiben«, teilte er mit. »Ein, zwei Tage werden wir wohl miteinander auskommen, denke ich.«

Der Kerl namens Silverman zog seine Hände aus den Taschen und kam näher. Wenige Yards vor Lassiter blieb er stehen und verschränkte seine Arme vor der Brust. »Haben Sie Probleme mit den Ohren? Wenn ja, sollte ich vielleicht eine deutlichere Sprache sprechen, Mister …«

»Gibt es in dieser Stadt ein Gesetz, das Fremden den Aufenthalt verbietet?« Lassiters Blick wandte sich nicht eine Sekunde von Silverman ab. Situationen wie diese waren ihm nicht neu. Und er wusste, worauf sie hinausliefen.

»In dieser Stadt gibt es kein Gesetz«, antwortete der Grauhaarige, »außer dem, das ich vertrete. Und glauben Sie mir, dass ich genau weiß, wie ich es durchsetzen kann.«

»Davon bin ich überzeugt«, ließ Lassiter den Mann wissen. Flüchtig sah er hinüber zu Silvermans Spießgesellen, die aber keine Anstalten machten, einen Angriff zu starten.

Grüßend tippte der Brigade-Agent an die Krempe seines Stetsons und setzte seinen Weg fort. Im einsetzenden Getuschel schnappte er noch den Namen »Byrne« auf, war aber rasch außer Hörweite, sodass ihm der Rest der Unterhaltung entging.

Am Ende der einzigen Straße von Kingsmill fand er schließlich, wonach er suchte. Im Fenster eines zweistöckigen Hauses sah er den Hinweis »Room for Rent«, zügelte sein Pferd und stieg aus dem Sattel. Über drei knarrende Stufen ging er zur Veranda hoch, drückte die Tür auf und wurde vom hellen Klingen einer Türglocke empfangen.

Neben einem wurmstichigen Tresen hockte ein Mann mittleren Alters, der sein spärliches Haar quer über den Kopf gekämmt hatte und leidlich interessiert zu seinem Gast aufblickte. Er murmelte etwas vor sich hin, das Lassiter nicht verstand, legte seine Zeitung beiseite und stand auf. »Was kann ich für Sie tun, Mister?«, fragte er und gähnte.

»Sie haben ein Zimmer zu vermieten«, sagte Lassiter. »Ich würde es gern nehmen.«

In den Augen des Clerks blitzte es auf. »Endlich kommt mal ein bisschen Geld in die Kasse«, freute er sich und wirkte mit einem Mal wie ausgewechselt. »Es kommt nicht oft vor, dass ich Gäste habe.« Er hielt inne und seufzte. »Eigentlich kommt es gar nicht mehr vor, seit …« Der Mann mit dem schütteren Haar unterbrach sich, als wäre er dabei gewesen, etwas auszuplaudern, das nur ihn anging.

Neugierig fragte Lassiter nach. »Seit was geschehen ist?«

Statt eine Antwort zu geben, tat der Clerk so, als hätte er die Frage überhört. »Wo sind meine Manieren? Ich heiße Leroy. Seien Sie herzlich willkommen! – Haben Sie außer einem Zimmer noch weitere Wünsche?«

»Hafer für mein Pferd und einen Unterstellplatz.«

»Sollen Sie bekommen«, meinte Leroy dienstbeflissen. »Hinter dem Haus gibt es einen kleinen Stall. Das Futter besorge ich Ihnen.«