Lassiter 2381 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2381 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Über den Kargletscher unterhalb des mächtigen Josiah Peak fegte ein frostiger Nachtwind. Er trieb Schneegestöber und Eiskristalle vor sich her, die sich in den Bärten zweier Männer fingen, die ihm schon seit einer Stunde unbeirrt trotzten.

Sie starrten zur Hütte von Alfred Spellman hinüber. Der Handelspostenbesitzer hatte das Licht gelöscht und schritt nun mit einer Petroleumleuchte in der Hand hinter den Fenstern umher. Er ahnte von den mörderischen Befehlen nichts, denen seine ungebetenen Gäste draußen im Schnee folgten.

"Du schnappst dir Conrad!", sagte der Ältere und wischte sich den gefrorenen Rotz von der Nase. "Ich kümmere mich um den Alten."

Der andere Bewaffnete nickte und blinzelte wegen des Schneesturms. Die Nacht war so eisig wie ihre Herzen.

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EPUB

Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Verschüttet am Josiah Peak

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Del Nido/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5960-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Verschüttet am Josiah Peak

Über den Kargletscher unterhalb des mächtigen Josiah Peak fegte ein frostiger Nachtwind. Er trieb Schneegestöber und Eiskristalle vor sich her, die sich in den Bärten zweier Männer fingen, die ihm schon seit einer Stunde unbeirrt trotzten.

Sie starrten zur Hütte von Alfred Spellman hinüber. Der Handelspostenbesitzer hatte das Licht gelöscht und schritt nun mit einer Petroleumleuchte in der Hand hinter den Fenstern umher. Er ahnte von den mörderischen Befehlen nichts, denen seine ungebetenen Gäste draußen im Schnee folgten.

»Du schnappst dir Conrad!«, sagte der Ältere und wischte sich den gefrorenen Rotz von der Nase. »Ich kümmere mich um den Alten.«

Der andere Bewaffnete nickte und blinzelte wegen des Schneesturms. Die Nacht war so eisig wie ihre Herzen.

Die Kupferfäden der Generatorspule leuchteten schimmernd auf, als Albert Spellman mit der Petroleumlampe in der Hand die Kammer betrat. Er hielt die Laterne über den massiven Schuyler-Generator, der vor zwei Tagen mit der Frachtkutsche aus Butte gekommen war. Sein Sohn Conrad hatte ihn am Triebrad mit einer Kurbel versehen.

»Gute Arbeit, mein Junge«, sagte Spellman und tätschelte dem Fünfzehnjährigen den Kopf. Die dunklen Haare seines Sohnes glichen denen seiner Mutter. »Es ist Zeit für einen ersten Versuch.«

Der Junge auf der anderen Seite des Tischs blickte ihn aus seinen klaren Augen an. Sie sprachen selten länger miteinander, doch wenn sie es taten, geschah es in jener innigen Vertrautheit, die sie seit ihren Tagen in Ohio miteinander verband.

»Ich schütte die Zuckerkohle auf«, sagte Conrad und gab mit zitternden Fingern einen Löffel des schwarzen Pulvers auf den Schmelztiegel. »Hoffentlich ist uns das Glück diesmal hold.«

Draußen vor den Fenstern pfiff der Westwind, der inzwischen jede Nacht körniges Eis und pulvrigen Schnee über den Gletscher trieb. Sie hatten sich bereits die Wintervorräte bringen lassen, weil sie wussten, dass bald keine Kutsche mehr heraufkam.

Die Bestandteile des Schmelzofens jedoch hatten die meisten Frachtgebühren gekostet. Sie hatten Magnesitblöcke geordert, dazu eine Hartholzplatte und verschiedene Kohlestäbe, die man ihnen aus London geschickt hatte. Die Pläne von Spellmans Freund Moissan waren in einem versiegelten Brief aus Paris gekommen.

»Tritt zurück!«, sagte Spellman und legte die Hand an die Kurbel. Von den nächsten Sekunden hing das Schicksal von Conrads Mutter Nellie und ihrer Familie ab. »Ich legte die Klemmspannung an.«

Du kannst keine Diamanten machen.

Der französische Akzent seines Freundes Henri Moissan, der ihm in dessen Pariser Labor gegenübergesessen und die Hände gefaltet hatte, war Spellman noch im Ohr, als hätte er erst gestern mit dem Franzosen gesprochen. Spellman hatte heftig protestiert und Moissan eine Ferrotypie von Nellie gezeigt.

Die eitrigen Flecken im Gesicht von Spellmans Frau waren selbst auf dem grauen Abbild unübersehbar gewesen.

Künstliche Diamanten sind bloß ein Traum, Albert.

Zum Schluss hatte Moissan dennoch eingewilligt, ihm einen Plan für einen Schmelzofen zu schicken. In solch einem Ofen sprang Elektrizität von einem Kohlestab zum anderen und schmolz das Material in seinem Tiegel bei einer Temperatur von über sechstausend Grad Fahrenheit.

»Fang an!«, sagte Conrad und wich einen Schritt von den Magnesitblöcken auf dem Tisch zurück. Aus den Blöcken ragten rechts und links die beiden Kohlestäbe, die auf zwei Messinghaltern ruhten und über verschiedene Drähte mit dem Schuyler-Generator verbunden waren.

Spellman und sein Sohn wechselten abermals einen Blick miteinander.

Im Stillen bewunderte Spellman die Ernsthaftigkeit seines Jungen, der mit seinen fünfzehn Jahren eher unvernünftig und draufgängerisch sein sollte. Er hatte den Eindruck, dass der Knabe ganz nach ihm schlug, obwohl er feinfühliger und sanftmütiger als er selbst war. Seine Mutter hatte ihn nur schweren Herzens gehen lassen.

Entschlossen betätigte Spellman die Generatorkurbel.

Die Apparatur der Schuyler Electric Light Company, die man aus Hartford, Connecticut, zu ihnen gesandt hatte und die zu den besten elektrischen Generatoren gehörte, setzte sich langsam in Bewegung. Die Spule summt und knackte leise, und an den Polen rechts der Maschine sprangen zwei kleine Funken ab.

Plötzlich erschütterten stählerne Faustschläge die Hütte.

Die Hiebe hatten der Einlasstür gegolten, die sich am Ende eines schmalen Flurs vor Spellmans Versuchsraum befand. Den Spalt unter der Tür hatte Conrad mit Lumpen abgedichtet.

»Gäste?«, fragte Spellman und ließ den Generator langsam auslaufen. Sie erwarteten weder eine Frachtkutsche noch einen Reiter aus dem Tal. »Um diese Stunde?«

Die Nacht brach am Josiah Peak gewöhnlich rasch herein und löschte den letzten Funken Tageslicht binnen einer halben Stunde aus. Mit der Schwärze kamen im Winter die Stürme und die von Eiskörnern erfüllte Luft.

»Soll ich gehen, Pa?«, fragte Conrad und zwängte sich bereits am Tisch vorbei. »Die Eisenprobe muss abkühlen.«

Kaum hatte Conrad den letzten Satz gesprochen, war er schon über die Schwelle. Spellman hörte ihn das Gewehr von den Haken nehmen, wie sie es gewöhnlich taten, wenn sie niemanden den Weg hatten heraufkommen sehen.

»Mr. Spellman?«

Die Stimme des Fremden klang düster und ging im heulenden Wind vor der Tür unter. Conrads schüchterne Erwiderung war lediglich ein blasses Raunen. Ein dumpfes Gefühl regte sich in Spellmans Magen, von dem er später behaupten würde, dass es wie der Atemhauch des Todes war.

»Sir!«, hörte er Conrad im Flur rufen. »Sir, Sie …!«

Zwei Schüsse schlossen sich an, denen ein scharrendes Geräusch folgte, wie es ein Kornsack verursachte, den jemand gegen eine Wand warf. Aus dem Flur war nur ein Wimmern zu vernehmen.

Im nächsten Moment erschien Conrads blutüberströmter Schädel in der Tür.

Der Junge krallte sich mit beiden Händen an den Türrahmen und deutete zum Fenster. Er schüttelte das Haupt und blickte seinen Vater flehend an.

Spellman begriff auf der Stelle, was Conrad von ihm verlangte.

Er sollte die Hütte verlassen, und zwar auf dem schnellsten Wege, wie sie es für den Fall der Fälle miteinander vereinbart hatten. Würden sie eines Tages angegriffen, hatten sie einmal gesagt, würde der eine den anderen warnen, sodass Zeit blieb, sich außer Gefahr zu bringen.

Conrad!

Wie ein höllisches Traumgespinst setzte sich das Bild des blutenden Jungen in Spellmans Bewusstsein, doch zugleich wusste er, dass es für Conrad zu spät war. Sein Junge sah bereits dem Tod ins Auge, und er verwandte seine letzte Kraft darauf, seinen Vater zu warnen.

Spellman blieben nur Sekunden zur Flucht.

***

Über dem gefrorenen Schlamm der Mercury Street lag ein Schleier pulvrigen Schnees, der unter den Stiefeln wie Daunen davonstob. Er wirbelte mit dem leichten Wind in die Luft, der um die Häuser fegte und auch den Zweispänner ergriff, der an der Ecke zur Claim Street hielt.

»Vierzehn Dollar«, sagte der Kutscher und beugte sich zum Fenster hinunter. »Die Täubchen danken Ihnen ein hübsches Trinkgeld. Sie sollten’s nicht vergessen, Mister. Die Täubchen brauchen es, so wahr ich hier oben sitze.«

Der Mann im Inneren der Kutschtür steckte dem Wagenlenker die geforderte Summe zu und stieg die beiden Trittstufen hinunter. Er war mit einem langen Ledermantel bekleidet, dessen hoher Kragen die wie aus einem Stück gemeißelten Gesichtszüge verbarg. Einige Schneeflocken verfingen sich in seinen Bartstoppeln.

»Zu Trixie«, sagte der Fremde durch den Türschieber des Versailles Palace. »Sie erwartet mich bereits.«

Das zarte Gesicht hinter dem Holzschieber verschwand und gab den Blick auf die üppigen Brokatvorhänge frei, die sich hinter der schweren Bordelltür befanden. Das Lokal war für seine exotischen Prostituierten bekannt, die aus allen Ecken der Welt stammten und ihre Dienste oft nur für Wochen feilboten.

»Lassiter!«

Die Haitianerin mit den schwarzen Locken, die einige Sekunden darauf die Tür aufschloss und ihren Gast hereinbat, war die rühmliche Ausnahme des Versailles. Sie hatte dem Mann der Brigade Sieben schon vor einem Jahr die Nächte versüßt, als er wegen eines geflohenen Attentäters in der Gegend gewesen war.

»Trixie«, begrüßte Lassiter das junge Mädchen und tippte sich mit zwei Fingern an den vor Frost glitzernden Hut. Er schüttelte den Schnee vom Mantel und trat ins Foyer des Bordells. »Du hast meine Botschaft erhalten.«

»Ein Rosenstrauß mitten im Winter?«, erwiderte Trixie vergnügt und zupfte sich die Korsage zurecht. Ihre schlanken Beine steckten in verzierten Reiterstiefeln, die gewiss noch keinem Steigbügel begegnet waren. »Wer könnte mir sonst solche Präsente schicken?«

Zärtlich schlangen sich Trixies ockerbraune Arme um Lassiters Hals und lotsten Lassiter Stück für Stück in eine Kammer im oberen Stockwerk. Die Wände waren mit Samt ausgeschlagen, wie es für das Versailles typisch war, und auf dem Nachttisch brannte eine orientalisch anmutende Ölleuchte.

»Wohin willst du?«, fragte Trixie und erlöste Lassiter von seinem Mantel mit dem angetauten Schnee darauf. Sie hängte das Kleidungsstück auf den Haken und wies zu ihrem frisch bezogenen Bett hinüber. »Eine Stunde hast du für mich, oder?«

Notfalls würde Lassiter sogar zwei oder mehr Stunden für Trixie opfern, sollte das Freudenmädchen darauf bestehen, denn das Telegramm in seiner Manteltasche besagte, dass er erst am folgenden Tag mit dem Mittelsmann der Brigade Sieben zusammentreffen würde. Er hatte die Eilnachricht in Helena erhalten und war umgehend in die Expresskutsche nach Butte gestiegen.

»Uns bleibt genug Zeit«, sagte Lassiter und sah Trixie dabei zu, wie sie mit einer verführerischen Bewegung aus der Korsage stieg. Ihre vollen Brüste kamen unter der Spitze zum Vorschein und schwangen bei jeder Bewegung hin und her. »Wie hast du den Sommer verbracht?«

Die lustvolle Amazone, die sich soeben vor Lassiters Augen entblättert hatte, warf ihn mit einem Ruck aufs Bett. Sie stieg über den großen Mann, drückte ihn wie eine Beute in die Kissen und riss ihm das Hemd auf. »Meinen Sommer? Mit todlangweiligen Kerlen, die nichts davon verstehen, wie eine Frau angefasst werden will!«

Sie küssten einander leidenschaftlich und wälzten sich quer über das Laken.

»Du weißt es hoffentlich noch?«, hauchte Trixie und griff in Lassiters sandblonden Haarschopf. »Wie ich dich kenne, hast du bei genügend anderen Frauenzimmern die Nacht verbracht.«

Ohne Trixies Behauptung zu widerlegen, zog Lassiter seiner Bettgenossin die Stiefel von den Füßen und überhäufte die filigranen Waden des haitianischen Mädchens mit Küssen. Er sog den Duft ihrer Haut ein, der irgendwo zwischen Jasmin und Sandelholz schwankte und das Zeug hatte, einen Mann um den Verstand zu bringen.

»Küss mich kräftiger!«, flüsterte Trixie und befreite Lassiter von dessen Hosen. Sie nahm einen tiefen Atemzug, als sie den prallen Riemen ihres Zimmergastes erblickte. »Oder lass die Küsse und besorg’s mir damit!«

Schweigend warf Lassiter das Mädchen aus dem Versailles Palace auf den Rücken und spreizte mit sanftem Druck ihre Schenkel. Er drang vorsichtig und kraftvoll zugleich in sie ein.

»O Lassiter!«, seufzte Trixie und schloss die Augen. Sie presste die vollen Lippen zusammen, bis ihr Gesicht ein einziges Gemälde der Lust war. »Nicht … nachlassen …«

Dann trieben sie es eine Viertelstunde lang.

Seine Stöße waren hart, wie sie eben ein Mann ausführte, der zu lange auf Frauen verzichtet hatte. Der zurückliegende Einsatz hatte Lassiter in ein einsames Städtchen namens Manilow geführt, in dem er einen Senator und dessen Sekretär aus der Gewalt eines Viehbarons gerettet hatte.

Stöhnend legte Trixie die Arme um seine Hüfte und presste das Becken gegen ihn. Sie war in einen solchen Strudel aus Lust und Begierde geraten, dass sie seine Stöße geradezu einforderte.

»Noch einen winzigen Moment!«, keuchte Trixie nach einer Weile und küsste Lassiter. »Du weißt in der Tat, wie man Frauen glücklich macht.«

Ehe Lassiter das Kompliment erwidern konnte, kam es Trixie. Sie wurde von einer Woge der Befriedigung überrollt, die sich in jedes ihrer Glieder ausbreitete und erst nach guten zwei Minuten verebbte.

»Alles in Ordnung?«, fragte Lassiter und strich der Haitianerin durch die schwarzen Locken. Er war selbst inzwischen ebenfalls gekommen. »Du solltest dich nicht so verausgaben.«

»Schuft!«, schimpfte Trixie mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen. Sie zog ihn an sich heran und drehte ihn auf den Rücken. »Wohin musst du diesmal? Bleibt es bei einer Nacht?«

»Hinauf in die Berge«, entgegnete Lassiter. »Ein Freund hat mich zur Wapitijagd eingeladen. Ich gehöre dir aber die ganze Nacht.«

»Wapitis?«, wiederholte Trixie verblüfft. »Du schleppst lieber ein Schießeisen durch die Eiseskälte, statt dich mit mir durch die Kissen zu wälzen?«

»Nein«, lachte Lassiter und küsste sie. »Aber ich habe meine Pflichten.«

***

Der Mann der Brigade Sieben entsann sich Trixies Worte, als er einen halben Tag darauf bis zum Hals im Schnee lag und über den Lauf eines gut geölten Repetiergewehres starrte. Er fror bis in die Zehenspitzen, ließ sich aber gegenüber seinem Mittelsmann nichts anmerken.

»Still!«, sagte Charles Mullen und brachte seine Winchester ebenfalls in Stellung. Sie hatten einen gewaltigen Wapitihirsch aufs Korn genommen, von dem sie allerdings nur den Schädel und das Geweih hinter einer Schneewehe sahen. »Der Bursche geht mir schon seit Wochen durch die Lappen. Ich muss ihn kriegen.«

Als verantwortlicher Landinspektor hatte Mullen ansonsten mit Goldgräbern und Minenarbeitern zu tun, die ihm weismachen wollten, dass ihnen ein Claim am Josiah-Massiv oder ein Stollen unten im Tal gehörte. Er hatte sich gegenüber Lassiter einen »tapferen Staatsdiener« genannt, der hier und da einen Hirsch schoss und Gott ansonsten einen guten Mann sein ließ.

Der Finger an Mullens Abzug zuckte nervös.

»Wie lange jagen Sie schon?«, fragte Lassiter und zielte auf das linke Ohr des Tieres. »Sie haben kein ruhiges Händchen.«

Anstelle einer Antwort schoss Mullen und verfehlte den Hirsch um eine gute Armlänge. Das Tier trat erschrocken aus und sprang durch den knietiefen Schnee davon.

Gramerfüllt stöhnte Mullen auf und erhob sich. »Zwei verdammte Jahre schon! Man sagte mir, dass man’s hier oben braucht, wenn man nicht ein halbes Jahr lang Dörrfleisch essen will.« Er stellte das Gewehr neben sich ab. »Sie brauchen eine Menge Geduld mit mir, was?«

Der Mann der Brigade Sieben stand ebenfalls auf und schlug sich den Schnee vom Mantel. Er hatte Mullen vor dessen Hütte angetroffen und ihn kurzerhand zur Jagd begleitet. »Das Telegramm aus Washington drängt jedenfalls nicht zur Eile.«

Sie folgten ihren eigenen Spuren, die sie durch eine Verschneidung hindurch zur anderen Talseite brachten.

»Tatsächlich?«, fragte Mullen im Gehen erstaunt und schüttelte den Kopf. »Der Auftrag ist als äußerst dringlich vermerkt worden. Man hat mich zur gleichen Zeit wie Sie benachrichtigt.«

Von Mullens Hütte hatte, sofern Lassiter die eigene Erinnerung nicht trog, ein Kabel über die Bäume hinweg ins Tal geführt. Er hatte die Leitung bei seinem Ritt von Butte aus hinauf in die Berge einige Mal unterquert. »Sie besitzen einen Telegraphen dort oben?«

»Sogar zwei«, berichtete Mullen stolz. »Ich bin unter Trappern aufgewachsen und brauche die Wildnis. Das Leben unten in der Stadt ist mir zu trist.« Er blieb stehen und schulterte das Gewehr, das er zuvor in der rechten Hand getragen hatte. »Aber ich bin auch Landinspektor und brauche die Verbindung ins Tal.«

»Was hat man Ihnen telegraphiert?«, fragte Lassiter und sah die Verschneidung hinunter. Der frische Schnee hatte an Kieferstämmen lange Kämme gebildet.

»Sie müssen einen Verschollenen für uns finden«, sagte Mullen und hob ernst die Brauen. »Vor vier Tagen hat es oben am Josiah Peak einen Mord gegeben. Der Sohn eines Handelspostenbesitzers ist tot aufgefunden worden. Man hat ihm mitten durch den Schädel geschossen.«

»Der Posten oben unter dem Gipfel?«, erkundigte sich Lassiter. »Einen abgelegeneren Platz für einen Mord lässt sich kaum finden.«

»Ganz Ihrer Meinung«, entgegnete Mullen und stieg über einen verschneiten Baumstumpf hinweg. Er blieb stehen und hauchte Atemwolken in die kristallklare Luft. »Uns allen war Mr. Spellman stets ein Rätsel. Er zog sich mit seinem Sohn in die Einöde zurück und lebte nur von den Lieferungen, die er über den Posten erhielt.«