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"Ruhig ... Gebt ihnen noch etwas Zeit."
Emily Vain wandte den Blick zu ihren Begleitern, die feixend mit den Gewehren in den Händen neben ihr auf der Lauer lagen. Die Gesichtszüge der jungen Frau waren wie in Stein gemeißelt und verbargen damit die Vorfreude auf das Kommende. Ihre Männer gehorchten und konzentrierten sich.
Drüben am anderen Flussufer waren die Squaws mit dem Waschen von Kleidungsstücken beschäftigt, doch sie war davon überzeugt, dass es vergebene Lebensmüh war. Den Schmutz in den Seelen dieser Wilden konnte der Red River nicht auswaschen. Als eine der Rothäute wachsam den Blick hob, wusste sie, dass der Zeitpunkt gekommen war. "Feuer!", stieß sie mit unterdrückter Stimme hervor und zog den Bügel ihrer Rifle durch.
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Seitenzahl: 154
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Blutroter Fluss
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6304-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Blutroter Fluss
»Ruhig … Gebt ihnen noch etwas Zeit.«
Emily Vain wandte den Blick zu ihren Begleitern, die feixend mit den Gewehren in den Händen neben ihr auf der Lauer lagen. Die Gesichtszüge der jungen Frau waren wie in Stein gemeißelt und verbargen damit die Vorfreude auf das Kommende. Ihre Männer gehorchten und konzentrierten sich.
Drüben am anderen Flussufer waren die Squaws mit dem Waschen von Kleidungsstücken beschäftigt, doch sie war davon überzeugt, dass es vergebene Liebesmüh war. Den Schmutz in den Seelen dieser Wilden konnte der Red River nicht auswaschen. Als eine der Rothäute wachsam den Blick hob, wusste sie, dass der Zeitpunkt gekommen war. »Feuer!«, stieß sie mit unterdrückter Stimme hervor und zog den Bügel ihrer Rifle durch.
Ein Kugelhagel ging auf das benachbarte Flussufer nieder, und die Frauen gerieten in Panik. Die Projektile peitschten in die Wasseroberfläche, die aufspritzte, als würden sich kleine Tiere mordgierig auf die Squaws stürzen wollen. Kopflos rannten sie kreischend durcheinander und ließen dabei alles stehen und liegen. Eine der jungen Frauen schien einen Streifschuss abbekommen zu haben; Sie schrie auf und geriet ins Taumeln, bevor sie von einer Gefährtin aufgefangen und mitgezogen wurde.
Emily Vain lachte heiser, als sie beobachtete, wie zwei der jungen Komantschen-Squaws in blinder Flucht zusammenstießen und dabei zu Boden gingen. Ein einziges Tohuwabohu, das ganz in ihrem Sinne war und wieder einmal zeigte, wie primitiv diese Wesen waren, von denen man behauptete, sie seien Menschen.
Nur ein kleines Feuerwerk, und man erzeugte Panik unter ihnen.
Es war so leicht wie ein Kinderspiel.
Ein kehliges Grunzen neben ihr ließ sie den Blick wenden. Es handelte sich unverkennbar um Jacks Stimme.
Jack »Redneck« Collins klopfte ihr rustikal auf die Schulter, was sie mit einem breiten Grinsen beantwortete. Der knapp sechs Fuß große, ehemalige Südstaatenoffizier war ein grober Klotz und wirkte mit seinem dichten rotbraunen Bart und dem wilden, kupferfarbenen Haar unter der Mütze aus Biberfell wie ein Waldschrat, war dabei aber viel intelligenter, als er aussah.
Die Männer neben ihnen feuerten noch ein paar Schüsse in Richtung des anderen Ufers ab, obwohl die jungen Frauen bereits hinter den Büschen in Richtung der Tipis verschwunden waren und sich damit außer Reichweite ihrer Gewehre befanden. Dann erhoben sie sich und eilten lachend mit schnellen Schritten zu ihren Pferden.
Jack packte sie, als sie bereits in den Sattel steigen wollte, und sie küssten sich voller Leidenschaft. Die Berührung fühlte sich an, als würde sie ihr Gesicht in trockenes Moos stecken, und sie wusste, dass sie noch heute Nacht – so schnell wie möglich – Sex haben würden, der so heiß und leidenschaftlich war wie der Hass auf die räudigen Rothäute am anderen Ufer des Red River.
Zwei Dinge gab es, die Emily und Jack miteinander verbanden: die schier unstillbare Lust an körperlicher Liebe sowie der Wunsch, das Volk der Komantschen ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen.
Was der Armee bei den blutigen Auseinandersetzungen im vergangenen Jahr nicht gelungen war. Die Komantschen unter ihrem Kriegshäuptling Quanah Parker hatten letztlich kapituliert und sich in ihr Reservat zurückgezogen, als sie erkennen mussten, dass sie der geballten Feuerkraft der uniformierten Truppen nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Doch für Emilys Eltern war der Friedensschluss zu spät gekommen.
Redneck hob sie mit einer kräftigen Bewegung in den Sattel und klopfte ihr auf den Hintern, bevor er mit schnellen Schritten zu seinem eigenen Pferd ging. Emily sah ihm nach und fröstelte ein wenig, denn die Nacht war kühl. Sie warf einen kurzen Blick zum Fluss zurück und lächelte grimmig, als sie von dort aus erregtes Stimmengewirr wahrnahm.
»Weg hier, Leute!«, rief sie mit unterdrückter Stimme, und kurz darauf hatte die Dunkelheit die Reiter verschluckt.
Nachdem sie die Hügel jenseits des Flussufers überquert hatten, zügelten sie ihre Pferde. Unter ihnen lag die langgestreckte Senke, in der sich ihre Zukunft befand.
Borderline. Eine Siedlung unweit des Indianerreservats, die man den Siedlern und Büffeljägern zugestanden hatte, nachdem der Krieg gegen die Komantschen, Kiowa und Cheyenne beendet worden war.
Eine Vereinbarung, die allen hier lebenden Menschen zu einem friedlichen Miteinander verhelfen sollte. So klang es aus dem Mund der Regierung. Doch Emily war nicht bereit, diesen aus ihrer Sicht vergifteten Frieden zu akzeptieren.
Ihr Vater und ihre Mutter hatten nur ein paar Meilen weiter westlich den Tod gefunden, durch die Hand der Komantschen. Robert Vain hatte es als Büffeljäger zu bescheidenem Wohlstand gebracht und war einer der Gründer der kleinen Siedlung Borderline gewesen, die nun allmählich zu einer Stadt heranwuchs. Gemeinsam mit seiner Frau Eleanor hatte er sich gegen die Indianer zur Wehr gesetzt, die die Weißen nicht duldeten und das Land, aber vor allem die riesigen Büffelherden als ihr Eigentum ansahen. Immer wieder den heimtückischen Angriffen der Rothäute ausgesetzt, war ihr Vater froh gewesen, die Kinder Emily und Tolliver bei seiner Schwester in Gainesville zurückgelassen zu haben, obwohl er und Eleanor sie täglich vermissten.
Als im Sommer des vergangenen Jahres endlich die Armee einschritt und unter General Miles einen Feldzug gegen die Präriestämme begann, der in Bezug auf Material- und Personaleinsatz alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte, hoffte Robert Vain, seine Familie schon bald wieder vereint zu sehen und hier am Ufer des Red River ein friedliches, gottgefälliges Leben führen zu können. Ein kleines Stück Land hatte er sich bereits von offizieller Seite registrieren lassen, und nach der Vertreibung der Indianer beabsichtigte er, sein Brot mit Viehzucht statt mit der Büffeljagd zu verdienen.
Die Armee hatte einen Tagesritt nördlich von Borderline am anderen Ufer des Flusses einen Stützpunkt errichtet, Fort Sill. Danach waren die Truppen mit gnadenloser Härte gegen die Indianer vorgerückt, und die Siedler und Jäger am Ufer des Red River wähnten sich in trügerischer Sicherheit. Der totale Sieg über die blutrünstigen Rothäute schien nur noch eine Frage von wenigen Wochen zu sein. Der letzte Brief ihrer Mutter, der Emily erreicht hatte, war erfüllt von freudiger Erwartung gewesen, obwohl sie sie und Tolliver noch um etwas Geduld gebeten hatte, weil dein Vater immer noch von innerer Unruhe und düsteren Ahnungen getrieben nur wenig Schlaf findet.
Möglicherweise hatte Robert Vain trotz der Beteuerungen der Armee, die die Region am Red River mittlerweile als sicher erklärt hatte, seinem Instinkt vertraut.
Wenn dem so gewesen war, hatte Emilys Vater Recht behalten.
Als sie die Nachricht vom Tod ihrer Eltern erhalten hatten, waren sie und Tolliver sofort aufgebrochen nach Borderline. Sie hatten nicht auf den nächsten Treck zum Red River gewartet, sondern ihre Ersparnisse und wenigen Habseligkeiten genommen, um zwei Pferde zu kaufen und auf eigene Faust an den Ort zu reiten, an dem ihre Eltern von den Rothäuten ermordet worden waren. Vater und Mutter hatten ihnen ein kleines Haus, einen Acre Land dahinter, etwas Geld und zwei Gräber am Rande der Stadt hinterlassen.
Borderline.
Ihre Mundwinkel zuckten, und ihr Gesicht verzog sich zu einer bitteren Miene.
Ein Name, der behauptete, für eine Stadt zu stehen.
Stattdessen war es das Wort für einen Krieg, der noch nicht beendet worden war.
»Besser, wir reiten zur Südseite«, knurrte Jack und warf ihr einen kurzen Blick zu. »Muss ja nicht gleich jeder wissen, wo wir gewesen sind.«
Sie nickte und zog an ihren Zügeln. In sanftem Trab lenkten sie und ihre Männer die Pferde auf den kleinen, entlang der Hügelkuppe verlaufenden Pfad.
☆
»Lassiter!«
Unter dem schneeweißen Schnauzbart des Mannes hinter dem Schreibtisch öffneten sich die Lippen zu einem erfreuten Lächeln, und Benjamin Nickelback erhob sich schwungvoll aus seinem Ledersessel. Durch das große Fenster hinter ihm schien die Abendsonne hinein und umrahmte die schmale Statur des Notars mit einer leuchtenden Aureole.
Lassiter schloss die Bürotür hinter sich und blinzelte. »Benjamin. Verdammt lang her …«
Nickelback trat am Tisch vorbei mit ausgreifenden Schritten auf ihn zu und ergriff die rechte Hand des Mannes der Brigade Sieben, um sie kräftig zu schütteln. »Es freut mich, dass Sie so schnell kommen konnten. Ein glücklicher Zufall, Sie ganz in der Nähe in New Mexico zu wissen. Deshalb erschien es mir ratsam, Ihre Unterstützung anzufordern.«
Der Advokat wandte sich halb um und deutete auf den anderen Gast, der auf einem Stuhl vor dem Schreibtisch saß. »Darf ich die Gentlemen einander vorstellen?«
Lassiter blickte auf einen breiten Rücken, der sich langsam über der Stuhllehne aufrichtete, als der Mann aufstand und sich zu ihnen umwandte, wobei er den Anschein erweckte, dies nur widerwillig zu tun.
»Sheriff Steve Desmond, designierter Ordnungshüter von Borderline. Lassiter, ein … nun ja … Mann für spezielle Aufgaben im Dienste der Bundesregierung.«
Desmonds Mundwinkel hoben sich leicht zu der Andeutung eines Lächelns, das seine Augen nicht erreichte. Wortlos tippte er sich an die Krempe seines dunkelbraunen Stetsons, der von einem Hutband aus Silbermünzen geschmückt wurde.
Lassiter nickte unmerklich. Die beiden Männer starrten sich sekundenlang taxierend an, bis Nickelback Lassiter eine Hand auf den Rücken legte und ihn mit sanfter Gewalt in Richtung des Schreibtisches schob.
Es war offenkundig, dass der Notar bereits mit Desmond über ihn gesprochen hatte und der Sternträger alles andere als begeistert über seine Beteiligung an der bevorstehenden Mission war.
»Sie müssen sich nicht gleich um den Hals fallen und abküssen. Aber tun Sie mir bitte auch den Gefallen, hier in meinem Büro keinen Boxkampf zu veranstalten, Messieurs«, brummte Nickelback, weil ihm die scheinbar elektrisch geladene Luft zwischen den beiden Männern nicht entgangen war. Er schob sich die mit einem fein ziselierten goldenen Rahmen gefassten Brillengläser zurecht, bevor er an ein Sideboard trat, auf der ein paar Karaffen und Flaschen neben glänzend polierten Gläsern standen.
Er füllte drei Gläser zwei Finger hoch mit bernsteinfarbener Flüssigkeit, nahm zwei davon und wandte sich seinen Gästen zu, die sich immer noch schweigend gegenüberstanden. Angesichts ihrer Mienen wunderte er sich fast, dass sie nicht die Fäuste ballten. Er unterdrückte ein Seufzen und reichte seinen Besuchern ihre Drinks, bevor er sein eigenes Glas nahm und sich wieder hinter dem Schreibtisch niederließ.
»Würden Sie bitte Platz nehmen, Gentlemen?«, fragte er, und der Aufforderung wurde zögerlich Folge geleistet. Dabei nahm Nickelback die argwöhnischen Seitenblicke wahr, die sich Lassiter und Desmond zuwarfen wie Ringer, die man mitten in einem Kampf unvermittelt voneinander getrennt hatte.
»Also …«, begann der Notar und dehnte das Wort wie einen langen Satz. »Sie wissen beide, warum Sie hier sind. Der Versorgungstreck, der morgen nach Westen aufbrechen soll, wird angesichts der neuen Lage am Red River eine nicht ungefährliche Unternehmung darstellen. Es hat offenbar wieder Übergriffe von Indianern gegeben, vermutlich sind die Komantschen dafür verantwortlich. Um zu gewährleisten, dass die Menschen und die Versorgungsgüter wohlbehalten in Borderline ankommen, braucht es Männer wie Sie. Und zwar Sie beide.«
Lassiter nickte gleichmütig. »Ich habe das Telegramm gelesen, Ben. Beunruhigend, dass der gerade geschlossene Frieden mit den Präriestämmen schon wieder brüchig wird. Sie haben mich angefordert, weil ich Quanah Parker einmal begegnet bin, aber das heißt nicht, dass ich mit einem kurzen Gespräch alles wieder ins Reine bringen kann. Offenbar weiß niemand, wer dort zuerst die Faust gehoben hat, Weiße oder Rote, Komantschen, Cheyenne oder Kiowa? Trotzdem bin ich natürlich bereit, den Treck zu führen.«
Er unterdrückte ein Lächeln, als er den wütenden Blick seines Nachbarn aus den Augenwinkeln bemerkte.
»Ich habe meinen Standpunkt vorhin bereits klargemacht, Mr. Nickelback«, stieß Sheriff Desmond hervor, mühsam um Beherrschung bemüht. Die Haare seines semmelblonden Schnurrbarts, der an den Mundwinkeln bis hinunter zum kantigen Kinn verlief, zitterten über den Lippen wie Gerste im Wind. »Es war vereinbart, dass ich den Treck anführe! Ich wurde als Sheriff für Borderline berufen und erhalte morgen den Stern des Marshals für die Region. Es gibt keinen Grund, mir jemand vor die Nase zu setzen, der …«
»Zügeln Sie sich bitte, Mr. Desmond«, fiel ihm der Notar ins Wort und hob mahnend die Hände. Sein scharfer Blick erreichte, was die Worte allein wohl nicht vermocht hätten: Der junge Sternträger schnaufte zwar wie eine Lok, die bei voller Fahrt in die Eisen ging, aber es gelang ihm immerhin, die Lippen zu schließen.
Nickelback sah abwechselnd seine beiden Besucher an und versuchte dabei, sie wortlos ins Gebet zu nehmen, bevor er fortfuhr.
»Für diese Unternehmung werden Sie beide gebraucht, meine Herren. Darüber sollten Sie sich möglichst bald bewusst werden. Hier sind keine Hahnenkämpfe gefragt, sondern Teamgeist. Ich werde kaum dazu in der Lage sein, Ihnen beizubringen, sich zu mögen. Aber wenn Sie – oder was viel wichtiger ist, die Menschen, die Ihnen ihr Leben anvertrauen – an Ihr Ziel gelangen wollen, müssen Sie sich zusammenraufen. Ich hoffe, dass Sie sich darüber bewusst sind.«
Lassiter und Desmond tauschten einen kurzen Blick aus verengten Augen aus, bevor sie sich wieder dem Notar zuwandten und fast gleichzeitig nickten, wenn auch mit sichtbarem Widerwillen.
»Na wunderbar«, seufzte Nickelback wenig überzeugt und beugte sich über die Papiere, die vor ihm lagen.
»Der Treck besteht aus einem guten Dutzend Planwagen und Lastkarren. Auf zwei Wagen sollten Sie besonders achten. Sie sind mit Waffen und Munition beladen, außerdem mit Medikamenten und Verbandszeug. Ansonsten werden eine Reihe von Gütern transportiert, die mir im Detail nicht bekannt sind. Genauere Informationen erhalten Sie von William Kennedy, der den Treck zusammengestellt hat und als Sprecher der Siedler fungiert. Er ist auch Ihr Ansprechpartner, wenn es Probleme gibt. Zwei Dutzend junge Rinder …«
»Wie bitte?«, fragte Lassiter. »Wir müssen uns auch noch um Vieh kümmern?«
Nickelback blinzelte. »Müssen Sie nicht, Lassiter. Vier Cowboys begleiten die Herde.«
»Gott sei Dank! Dann muss sich der feine Herr wenigstens nicht mit Tieren abgeben, bevor sie auf seinem Teller landen«, knurrte Desmond.
Der feine Herr? Lassiter setzte zu einer wütenden Antwort an, doch Nickelbacks mahnender Blick bewog ihn dazu, innezuhalten.
»Vierunddreißig Männer und Frauen, außerdem sechs Kinder zwischen acht und vierzehn Jahren werden mit Ihnen reisen, dabei handelt es sich um Familien von Siedlern und auch ein paar Angehörige der Einwohner von Borderline. Außerdem sind zwei Wagen mit sieben Damen dabei, die in der Stadt Ihrem Gewerbe nachgehen wollen.«
»Ihrem Gewerbe? Sie meinen …?«, fragte Desmond und hob neugierig die Augenbrauen.
Nickelback nickte und lächelte säuerlich. »Sie haben mich ganz richtig verstanden, Sheriff. Madame Poussard und ihre leichten Mädchen sind Prostituierte, die einen Sinn fürs Abenteuer haben. Der Inhaber des örtlichen Saloons, Mister …« Er sah kurz auf die Unterlagen vor sich, »Richard Havens wird sie in Empfang nehmen und hat für sie gebürgt.«
Lassiter registrierte die Information wortlos, verzog dabei aber leicht die Lippen. So sehr er attraktive weibliche Begleiterinnen schätzte, wusste er auch um das erhöhte Risiko, wenn es zu Begegnungen mit Indianern kam. Gerade bei Komantschen waren weiße Frauen als Squaws begehrt oder auch als Geiseln, die vermeintlich leicht zu kontrollieren waren.
»Die sechs Soldaten, die ich am Stall getroffen habe«, knurrte er. »Ist das etwa unsere gesamte Eskorte?«
Nickelback hob bedauernd die Hände, bevor er nickte. »Tut mir leid, Lassiter. Mehr Männer konnte Fort Sill offenbar nicht entbehren, aber es soll sich um hervorragende, kampferprobte Soldaten handeln. Meines Wissens hat auch Mr. Kennedy noch zwei bewaffnete Begleiter rekrutiert, aber das ist dann auch die Zahl an professioneller Unterstützung, mit der Sie auskommen müssen.«
Er beugte sich vor und sah die beiden Männer durchdringend an. »Ein Grund mehr, sich heute Abend zusammenzusetzen und die Hände zu reichen, meinen Sie nicht?«
Als sie das Büro des Advokaten verlassen hatten und gemeinsam aus dem Gebäude auf die Mainstreet von Wichita Falls traten, beschloss Lassiter, sich Nickelbacks Ratschlag zu Herzen zu nehmen. Er war der Ältere und stand damit wohl in der Pflicht, über seinen Schatten zu springen und den Anfang zu machen.
»Also, Desmond, der alte Ben hat wohl recht, meinen Sie nicht?«, brummte er. »Wie wäre es, wenn wir im Saloon noch ein Bier trinken und darüber reden, wie wir den Treck gemeinsam führen wollen?«
Desmond musterte ihn einen Moment lang. »Mr. Nickelback hat sich ziemlich vage ausgedrückt, was Ihre genaue Funktion angeht. Er hat etwas von einer Regierungsbehörde gemurmelt, und dabei wahnsinnig wichtig mit den Augen gerollt, als wären Sie direkt dem Präsidenten unterstellt.«
»Das stimmt so nicht ganz«, erwiderte Lassiter und verzog die Lippen. Wenn Nickelback den Sternträger nicht vollends aufgeklärt hatte, musste er davon ausgehen, dass es auch ihm nicht gestattet war, Desmond über die Brigade Sieben, eine streng geheime Gruppe, die im Auftrag des Justizministeriums arbeitete, in Kenntnis zu setzen. »Es tut mir leid, aber mehr als das, was Sie schon wissen, kann ich Ihnen auch nicht verraten.«
Desmond nickte, seine Miene verfinsterte sich. »Mir wurde klar gesagt, dass Sie der Boss sind. Also wüsste ich nicht, was wir weiter zu bereden hätten, Mr. Lassiter. Wünsche noch einen schönen Abend. Wir sehen uns morgen früh.«
Brüsk wandte er sich ab und stiefelte die Straße hinunter. Lassiter sah ihm einen Moment nach, bevor er achselzuckend die Mainstreet überquerte und durch die Schwingtüren des Sweety Mellow Saloons den Schankraum betrat.
☆
Gelbe Hand verengte die Augen, als er durch den dünnen Rauch des Lagerfeuers sah, wie die jungen Männer sich zwischen den Tipis am Rand des Dorfes zusammenrotteten. Ihre Stimmen waren gedämpft, doch die Sprache ihrer Körper verriet ihm, welcher Geist sich ihrer Herzen bemächtigt hatte.
Er richtete sich in einer fließenden Bewegung aus dem Schneidersitz auf und schaute kurz in das Zelt hinter sich. Seine Augen trafen auf die seiner Squaw, Zwei-Steine-im-Bach, die seinen Blick beunruhigt erwiderte. Ihre Tochter Sternlicht hatte das Gesicht im Schoß seiner Frau gebettet, während Zwei-Steine-im-Bach ihre Platzwunde an der Stirn versorgte.
Er reagierte auf die Frage in ihren großen, tiefbraunen Augen nur mit einem Kopfschütteln, bevor er am Feuer vorbei zu den jungen Kriegern ging.
»Was habt ihr vor, Falkenfeder?«, fragte er den hochgewachsenen Krieger, von dem er wusste, dass er nicht nur der Rädelsführer der jungen Männer des Stammes, sondern auch jemand war, der das Temperament eines hungrigen Pumas im Herzen trug.
Falkenfeder schob sein Kinn vor und trat einen Schritt auf den Häuptling des Dorfes zu. Dann noch einen, bis er die unsichtbare Grenze zur Respektverletzung erreicht hatte.
»Wir werden den Weißen endlich antworten!«, zischte er, die Augenbrauen über der Nasenwurzel zusammengezogen. »Sie schießen feige aus der Dunkelheit auf unsere Frauen, als wäre niemals ein Pakt geschlossen worden. Es passiert immer wieder, doch dies war das letzte Mal, dass wir es mit gebeugtem Haupt hinnehmen und tun, als wäre nichts passiert.«
Gelbe Hand legte die Stirn in Falten, bevor er langsam nickte.