Lassiter 2394 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2394 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der straff gespannte Hanfstrick knarrte über dem Haken, als der Wind den Gehenkten in Bewegung versetzte und ihm damit scheinbar neues Leben einhauchte. Die Schaulustigen hatten den Platz längst verlassen und waren nach Hause oder in den Saloon gegangen. Nur ein paar Präriehexen taumelten um das Schafott und leisteten dem Unglückseligen Gesellschaft, während sich düstere Wolken über dem Abendhimmel zusammenballten.
Sheriff Jeffery Dunbar nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, bevor er den Stummel auf die Straße warf, die Hände auf die Lehnen stützte und sich von seinem Stuhl erhob.
"Was passiert jetzt mit meinem Mann, Sir?", fragte die Frau neben der Tür und versuchte, seinen Blick einzufangen. Doch Dunbar ging an ihr vorbei in sein Büro, als wäre sie weder sichtbar noch zu hören.

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EPUB

Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Jennifers Liste

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6635-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Jennifers Liste

Der straff gespannte Hanfstrick knarrte über dem Haken, als der Wind den Gehenkten in Bewegung versetzte und ihm damit scheinbar neues Leben einhauchte. Die Schaulustigen hatten den Platz längst verlassen und waren nach Hause oder in den Saloon gegangen. Nur ein paar Präriehexen taumelten um das Schafott und leisteten dem Unglückseligen Gesellschaft, während sich düstere Wolken über dem Abendhimmel zusammenballten.

Sheriff Jeffery Dunbar nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, bevor er den Stummel auf die Straße warf, die Hände auf die Lehnen stützte und sich von seinem Stuhl erhob.

»Was passiert jetzt mit meinem Mann, Sir?«, fragte die Frau neben der Tür und versuchte, seinen Blick einzufangen. Doch Dunbar ging an ihr vorbei in sein Büro, als wäre sie weder sichtbar noch zu hören.

Dabei bot sie einen Anblick, den zu ignorieren schwerfiel. Hochgewachsen, mit großen, graublauen Augen und in ein schlichtes, aber hübsches auberginefarbenes Kleid gewandet, das ihre Figur aufs Vorteilhafteste zur Geltung brachte, stand sie auf den Dielen des Sidewalks wie eine Blume in der Wüste und schien den Sheriff wortlos anzuschreien.

Sie hielt eine lederne Tasche in den Händen, und ihre Finger kneteten die Riemen des Griffes, während sie sich vorbeugte und ihm nachsah, als er durch das Büro schlenderte und hinter seinen Schreibtisch trat. Die schmalen Stiefel aus dunklem Leder, nur mit niedrigen Hacken versehen, bewegten sich über den Brettern vor und zurück wie scharrende Hufe eines jungen Tieres, ohne dass sie sich dabei wirklich von der Stelle rührte.

Dunbar ließ sich auf einen altersschwachen Rattanstuhl fallen, der unter seinem Gewicht leise knirschte, setzte sich eine Nickelbrille auf die Nase und griff nach ein paar Papieren, die vor ihm lagen. Das Sonnenlicht fiel durch das Seitenfenster und wurde von den kreisrunden Brillengläsern reflektiert. Es sah aus, als trüge er Silbermünzen über den Augen.

»Mr. Dunbar. Sir?« Sie trat einen Schritt vor bis unter den Türsturz. »Können Sie mir bitte sagen, was …«

»Ginforth, der Undertaker, wird ihn vom Galgen holen«, unterbrach sie der Sheriff, ohne dabei aufzusehen. Seine Stimme klang, als würde er zu sich selbst sprechen. »Aber erst morgen früh. Dann wird er am Stadtrand verscharrt. Kein Kreuz. Die Kosten dafür übernimmt die Gemeinde.« Er knurrte unwillig und setzte seine Unterschrift unter ein Dokument.

Die Frau schluckte, und hätte man nicht geglaubt, dass sie noch bleicher werden könnte, wurde man in diesem Moment eines Besseren belehrt.

Sie schwankte und griff Halt suchend nach der offenen Tür. Ihre Finger schlossen sich um den Knauf, und sie sank ein wenig in den Schultern ein. Einen Moment lang sah es fast so aus, als würden sie die Kräfte verlassen, doch dann straffte sich ihr Körper plötzlich wieder, und sie hob tief einatmend den Kopf. Die üppigen dunkelbraunen Haarsträhnen fielen wie Wellen über das fahle Gesicht und die Schultern.

Von der anderen Seite des Platzes klang leise Musik zum Büro des Sheriffs hinüber. Jemand hatte das automatische Klavier im Saloon in Gang gesetzt, und die muntere Melodie wurde bald von grölenden Gesängen begleitet.

Der Tote bewegte sich dazu im auffrischenden Wind, und seine Stiefelspitzen stießen sanft gegeneinander. Dabei entstand ein Geräusch, so leise, dass es selbst dem Teufel entgangen sein mochte, der an diesem Tag wohlwollend auf Deepwells blickte.

Die Wolken füllten nun den Himmel aus, und in der Ferne grollte Donner. Ein Gewitter zog von Westen heran. Rasch wurde es dunkler.

Die Frau atmete schwer und hatte Mühe, die Tasche, die sie nun nur noch in einer Hand hielt, nicht fallen zu lassen. Für eine ganze Weile stand sie da im geöffneten Eingang, ohne dass Dunbar eine Reaktion zeigte. Ihre dringlichen Blicke fanden keine Antwort.

Schließlich straffte sie die Schultern, strich sich das lange schwarze Haar aus dem Gesicht und wandte sich ab.

Vorn am Zügelholm stand ein gesattelter Grauschimmel. Das Pferd drehte ihr den Kopf zu und wieherte leise. Die tiefschwarzen Augen des Tieres schienen die Frau zum Aufbruch drängen zu wollen.

»Dieser Bastard hat seine Schuldigkeit getan«, hörte sie Dunbars vom Whiskey leicht verwaschene Stimme hinter sich. »Aber in Deepwells wird nichts mehr so sein, wie es einmal war.«

Ihre Lippen verzogen sich zu einem bitteren Lächeln, denn in dieser Beziehung gab sie Dunbar recht. Doch statt einer Antwort stolperte sie die Stufen auf den Platz hinunter und ging zu ihrem Pferd. Sie brauchte eine volle Minute, um die Tasche mit einem Lederriemen hinter dem Sattel festzubinden. Dann zog sie sich auf den Rücken des Grauschimmels und klopfte dem Tier auf den Hals.

Das Pferd setzte sich in Bewegung und trug die Reiterin am Galgen vorbei. Mit Mühe hielt sie sich im Sattel und hielt den Blick starr voraus gerichtet, während ihr Pferd zur Stadt hinaus und den Hügel hinauf trabte, bis sie wie ein Geist hinter den Mesquitesträuchern verschwand.

Dunbar blickte stirnrunzelnd auf, als hätte ihn etwas im Nacken berührt, bevor er sich von seinem Stuhl erhob. Er trat vor die Tür und starrte zum Galgen hinüber. Drüben im Saloon wechselte das Klavier zu einer getragenen Weise, die ihn an die alte Heimat auf der anderen Seite des Ozeans erinnerte.

Er spitzte die Lippen, bevor er auf die Dielen des Sidewalks spuckte.

Seine kantigen Züge verbargen die Unruhe, die seine Seele immer noch bewegte, obwohl die Geschichte mit dem Toten am Strick nun wohl doch noch ein gutes Ende genommen hatte. Er schaute zum Hügel hinauf, dem herannahenden Unwetter entgegen, und allmählich entspannte sich seine Miene.

Zehn Jahre später. New Mexico, ein Kaff zwanzig Meilen westlich von Deepwells.

Den beiden jungen Burschen war schon von Weitem anzusehen, dass sie Ärger bedeuteten, und Melody Hawkins hatte einen langen Weg hinter und noch ein paar Meilen vor sich. Sie war alles andere als in der Stimmung dazu, sich mit gelangweilten Dorfrowdys abzugeben. Deshalb hob sie Simon, ihren kleinen Sohn, mit einem leisen Ächzen zurück auf den Kutschbock und beeilte sich, ihm zu folgen.

Der Kleine quengelte, weil er hungrig war und ihm der Hintern wehtat – ihr ging es nicht viel anders –, aber dies schien nicht der richtige Ort für eine längere Rast zu sein.

Sie griff nach den Zügeln, die um die Halterung der Peitsche geschlungen waren, und versuchte, sich dabei nicht zu schnell zu bewegen, während sie sich hilfesuchend umsah.

Doch außer den beiden Galgenvögeln, die sie vom Sidewalk vor dem verschlossenen Drugstore aus beobachtet hatten, seit sie den Einspänner neben dem Brunnen zum Halten gebracht hatte, um ihre Wasserflasche aufzufüllen, war weit und breit keine Menschenseele zu entdecken. Das Kaff wirkte wie ausgestorben. Nicht ungewöhnlich um die Mittagszeit in der Gluthitze, obwohl das Nest ihr nicht nur verschlafen vorkam, sondern geradezu tot.

Von allen guten Geistern verlassen.

Melody ließ die Zügel knallen, und der alte Richard, ihr treuer Morgan, setzte sich folgsam in Bewegung.

Er kam nur zehn Yards weit, bis die beiden Youngster breitbeinig auf die Straße stiefelten und ihrem Pferd den Weg verstellten.

»Hola, Ma’am, auf ein Wort«, rief der Größere der beiden, ein schlaksiger Kerl mit fettig glänzenden aschblonden Haaren, die ihm unter einem verschossenen Hut bis auf die spitzen Schultern fielen, und grinste auf eine Art, die er vermutlich für lässig und einnehmend hielt. In Melodys Augen wirkte die Grimasse verschlagen und ein wenig debil – eine unangenehme Mischung. »Nur nicht so eilig. Wohin soll’s denn gehen?«

Er klopfte Richard freundlich auf den Hals, während sein Kumpel vorn am Pferd vorbei ging und sich neben der Kutsche aufbaute. Er zwinkerte Simon freundlich zu, doch der senkte schüchtern den kleinen Kopf und griff nach ihrem Rock. Sie spürte, wie sich die kleinen Finger ihres Sohnes durch den Stoff hindurch verängstigt in ihren Oberschenkel krallten.

Melody versuchte sich an einem Lächeln, das etwas in Schieflage geriet – aber immerhin. »Ich bin auf dem Weg nach Deepwells und habe noch ein paar Meilen durch die Berge vor mir. Wenn Sie also bitte den Weg freimachen würden …?«

Der Blonde ignorierte ihren Wunsch und streichelte dem Morgan den Kopf. Richard schnaubte zufrieden.

Dieser dämliche, treuherzige alte Gaul!

»Mein Name ist Dustin. Dustin McGuffin«, brummte der Bursche und tippte sich dabei an die Krempe seines verbeulten Hutes, ohne Melody anzusehen. Stattdessen starrte er Richard in die trüben Pferdeaugen. »Und der hässliche Kerl da drüben hört auf den Namen Leo Kendrick.«

Wenn Melody ein Urteil hätte abgeben sollen, wäre Dustin mit seiner kartoffelförmigen Nase, den Schweinsäuglein und der von Aknenarben entstellten Haut ihrer Meinung nach der Hässlichere von den beiden – Leo war zwar genau so ungepflegt wie sein Kumpel, hatte aber immerhin ein Gesicht, das auf grobschlächtige Art nicht unattraktiv wirkte. Doch sie nickte nur.

»Und wie heißt du, Schätzchen?«, fragte Leo.

Grobschlächtig stimmte, das »attraktiv« nahm sie postwendend zurück, als Leo sie wollüstig angrinste und dabei ein dunkelgelbes, äußerst lückenhaftes Gebiss präsentierte.

»Hören Sie, ich habe es wirklich eilig«, versuchte sie noch einmal, den einfachen Weg zu beschreiten. »Also gehen Sie gefälligst zur Seite und lassen mich ziehen.« Dabei glitt ihre Hand unauffällig in die Jutetasche, die zwischen ihr und Simon auf dem Kutschbock stand.

Dustins Miene verfinsterte sich, und er trat am alten Richard vorbei auf Melody zu. Dabei langte er nach den Zügeln und riss sie ihr mit einem Ruck aus den Händen. »Wir haben uns wie Gentlemen freundlich bei dir vorgestellt, Lady«, das letzte Wort sprach er so gedehnt und verächtlich aus, als hätte er eigentlich einen weniger respektvollen Begriff im Sinn gehabt, »und du bist dir zu fein, uns wenigstens deinen Namen zu nennen? Hältst du dich vielleicht für etwas Besseres, oder was?«

»Ich habe das Gefühl, wir müssen dieser Schlampe mal Manieren beibringen, Dustin«, ließ sich sein Kumpel von der anderen Seite der Kutsche her vernehmen, und Simons Finger gruben sich nun so tief in ihr Fleisch, dass sie sich sicher war, dort mindestens blaue Flecke zu entdecken, wenn sie heute Abend nachschaute.

Nun, das könnte in der näheren Zukunft ihr geringstes Problem darstellen. Sie spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach und das Kleid am Rücken und unter den Achseln feucht wurde und an der Haut zu kleben begann.

Ein leises Knurren hinter der Lehne des Kutschbocks ertönte, und innerlich rollte sie mit den Augen. Herrje, auch das noch.

»Was war das denn?«, knurrte Leo argwöhnisch und trat näher an den Einspänner heran. Die Pickel auf seinen Wangen und auf der schmalen Nase leuchteten rot in der Sonne. Er starrte auf die helle Plane, mit der die kleine Ladefläche hinter Melody und Simon abgedeckt war, und sie hatte Mühe, ihr gleichmütiges Mienenspiel aufrechtzuerhalten.

»Das ist Baby!«, rief Simon plötzlich aus und starrte dem Galgenvogel trotzig in die eisblauen Augen.

»Das ist Baby«, äffte Dustin den Jungen hämisch nach, bevor er Melody amüsiert musterte. »Sag bloß, du hast da hinten noch ein Balg versteckt? So gebärfreudig siehst du doch gar nicht aus!«

Leo lachte meckernd und warf dabei den Kopf in den Nacken, als wäre das ein großartiger Witz gewesen, während Melody ihrem Sohn einen kurzen Befehl zuraunte, der ihm wohlbekannt war: »Nach unten, Schatz.«

Der Junge gehorchte sofort. Er rutschte vom Kutschbock und verkroch sich unter der Bank. Dahinter ertönte wieder ein Knurren, immer noch leise, fast wie ein Wimmern. Aber klügere Männer als Dustin und Leo hätten die Warnung möglicherweise verstanden.

»Hey, Dustin. Der Kleine hat Schiss vor uns, schau dir das an! Macht sich gleich in die Hose!« Leo fuhr sich kratzend durch die verfilzten Haare, und Melody glaubte tatsächlich, im nächsten Moment ein paar Läuse aus dem schmutzigbraunen Schopf springen zu sehen, die wie dunkle Staubpartikel vom Präriewind erfasst und davon geblasen wurden.

»Warum lassen Sie uns nicht einfach weiterfahren?«, fragte sie und starrte Dustin, der sich klammheimlich nach vorn geschoben hatte und inzwischen direkt neben ihr stand, aus verengten Augen an, während ihre rechte Hand den Griff des Peacemakers in der Tasche umschloss und ihr Zeigefinger sich vor den Abzug bewegte. Sie versuchte, den Finger ruhig zu halten; der Bügel der schweren Waffe war verflucht empfindlich.

Dustin erwiderte ihren Blick und hob dabei die Augenbrauen. Der Ausdruck dieser beiden eng zusammenstehenden Augen beraubte sie der letzten Hoffnung, die Angelegenheit friedlich klären zu können. Es gab nun keinen Zweifel mehr daran, was die beiden Kerle mit ihr vorhatten.

»Warum? Ja, warum nur?« Er hob beide Hände und richtete die ausgestreckten Zeigefinger wie Pistolenläufe gen Himmel. »Ich schätze, weil wir gerade nicht in der Stimmung sind, eine so leckere Chica wie dich nur noch von hinten zu sehen, bevor sie am Horizont verschwindet.« Er legte die Stirn in Falten und setzte eine leidende Miene auf.

»Du musst nämlich wissen, dass das hier eine verflucht einsame Gegend ist. Und zwei junge Kerle wie ich und Leo, nun ja, wir stehen voll im Saft, ohne dass wir so oft, wie es nötig wäre, die Gelegenheit bekommen, damit ein williges Mädchen glücklich zu machen. Ist nämlich schon eine ganze Weile her, seit so ein süßes Früchtchen wie du hier vorbeigekommen ist.«

Melody schüttelte unwillig den Kopf, weil ein Summen sich in ihrem Hirn ausbreitete. Warum musste es nur immer wieder so ablaufen? Abermals ließ sie den Blick über die Häuser links und rechts der Straße wandern, und nun wurde ihr schlagartig klar, warum ihr immer noch niemand zu Hilfe kam.

Diese beiden Männer waren die einzigen lebenden Menschen in der namenlosen Siedlung. Entweder, weil das Nest schon vorher eine Geisterstadt gewesen war.

Oder weil der smarte Dustin und Leo, sein charmanter Begleiter, alle Einwohner dieses gottverlassenen Kaffs umgebracht hatten, bevor das Schicksal beschlossen hatte, sie und Simon in diese tödliche Falle zu führen.

Für eine Sekunde schloss sie die Augen und verfluchte sich selbst dafür, dass sie nicht auf dem Overland Trail geblieben war. Sie hatte geglaubt, ein paar Stunden Zeit zu sparen.

Doch es war möglich, dass sie mit dieser Entscheidung weit mehr als nur ein paar Stunden an Lebenserwartung einbüßte.

Dustin hob die Hand und hielt sie ihr entgegen, als wollte er ihr galant vom Kutschbock helfen. Er lächelte. »Komm schon, Baby. Dein Sohn muss es ja nicht mit ansehen. Wir gehen einfach rüber in den Mietstall, da ist es schön schattig. Es wird dir gefallen, glaub mir.«

Melody fletschte die Zähne und hoffte, dass das Arschloch vor ihr das als Lächeln missverstand. Der Schweiß lief ihr an der Wirbelsäule hinab, und sie drückte das Kreuz durch.

»Moment noch. Ich will das Baby sehen«, ließ sich Leo vernehmen. Er leckte sich die Lippen und grinste breit, bevor er eine vorwurfsvolle Miene aufsetzte. »Was bist du überhaupt für eine Mutter, dass du dein Kind so unter der Plane liegen lässt.«

Er griff nach dem Stoff hinter dem Kutschbock und zog die Abdeckung mit einem Ruck zurück.

Die Sonne spiegelte sich in den dunklen Augen des Rottweilers, der Leo wütend entgegen starrte.

»Fass, Baby«, murmelte Melody und riss den Peacemaker aus der Tasche. Unter ihren Beinen schloss Simon fest die Augen und presste sich die beiden kleinen Fäuste auf die Ohren.

Während der Hund dem Befehl gehorchte, sich wie ein Geschoss auf Leo stürzte und seine scharfen Zähne in das Gesicht des Mannes verbiss, feuerte Melody nur eine einzige Kugel ab, die Dustin aufgrund des großen Kalibers und der kurzen Distanz nahezu den gesamten Kopf wegriss. Der Schuss hallte von den Bergen im Westen wider, während Dustin tot auf den Rücken fiel und ein breiter Blutschwall den Staub unter ihm rot färbte.

Baby war eine blutdürstige Kampfmaschine, aber auch so gehorsam wie ein treuer Soldat. Deshalb genügte ein kurzer Befehl, damit der Rüde nur wenig später von seinem Opfer abließ.

»Aus! Baby.«

Der Hund hob den bulligen Kopf, von seinen Lefzen tropfte Blut, und Hautfetzen klebten an der stumpfen Nase. Zwischen den Zähnen hing ein halbes Ohr, und er bewegte langsam und ein wenig schuldbewusst die breiten Kiefer. Erwartungsvoll sah er zu Melody hinauf. Sie deutete hinter sich, und der Hund sprang mit einem eleganten Satz hoch hinter den Kutschbock und legte sich folgsam nieder. Er brummte leise, und es klang zufrieden.

Sie erhob sich und beugte sich vor, um zu Leo hinab zu schauen, der neben der Kutsche auf der Seite lag und sich nicht mehr rührte. Das Gesicht des Mannes sah aus wie etwas, was im Schlachthaus in den Abfallkübeln lag.

»Dumme Jungs, die sich für mächtig clever halten. Keine Mischung für ein langes Leben«, murmelte sie leise, als sie Simons Hand an ihrer Ferse spürte. Eine wortlose Frage.

»Noch einen Moment, mein Spatz«, sagte sie, schob den Peacemaker in den Beutel zurück und nahm die Zügel in die Hand. Sie schnalzte mit der Zunge und ließ die Lederriemen auf den Rücken von Richard niedergehen; ein wenig fester, als der alte Bursche es gewohnt war. Der Morgan reagierte mit einem überraschten Wiehern, bevor er sich in Bewegung setzte und an den Häusern vorbei gen Norden trabte.

Dieser blöde Gaul hielt tatsächlich jeden, der ihm den Kopf tätschelte, für einen Freund.

Als Lassiter vor dem schmucken, weiß gestrichenen Gebäude aus dem Sattel stieg, spürte er jeden Knochen im Leib. Er war zwei Tage durch die Sangre de Cristo Range geritten und hatte sich und seinem Wallach in der Nacht nur eine kurze Rast gegönnt.

Das Telegramm von Nigel Summers war so kurz wie beunruhigend gewesen, und deshalb hatte er keine Zeit verloren, um den Kontaktmann der Brigade Sieben, der für New Mexico zuständig war, in Santa Fé aufzusuchen.

Die Namen, die der Marshal in seiner Nachricht genannt hatte, riefen Erinnerungen in ihm wach, die schon tief unter den Staubschichten der Vergangenheit verborgen gewesen waren. Doch die dürren Sätze, mit denen Summers sie verband, hatten die Ereignisse schnell wieder in sein Bewusstsein zurückgeholt.

Er band die Zügel am Hitchrack fest und stieg die Stufen zum Sidewalk hinauf, als Summers aus der Tür seines Büros trat und ihm mit ernster Miene die Hand entgegenstreckte.

Lassiter ergriff und schüttelte sie.

»Kommen Sie herein«, brummte Summers mit einer Stimme, die Bilder von rostigen Scharnieren heraufbeschwor, und Lassiter folgte ihm in sein Büro, in dem angenehme Kühle herrschte. Er blickte zur Decke und registrierte den elektrisch betriebenen Deckenventilator, der seine hölzernen Flügel sanft unter den Balken kreisen ließ.