Lassiter 2401 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2401 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die beiden Männer standen sich in der bleichen Sonne Wyomings einander unbeweglich gegenüber und sprachen kein Wort. Sie waren zur vereinbarten Zeit am Fluss erschienen, und jeder von ihnen trug ein Kuvert in der Jackentasche bei sich.


"Kelly Dugan", sagte der Ältere und übergab seinen Umschlag. "Sie ist seit einem Tag tot."
"Lassiter", sagte der andere und händigte seinen Brief ebenfalls aus. "Die Brigade Sieben setzt ihn auf den Fall an. Er kommt nach Wyoming."
"Die Brigade Sieben ist Vergangenheit", knurrte der Alte und mahlte mit den Zähnen. "Tot wie ein gottverdammter Kojote."
"Jedenfalls die meisten von ihnen", erwiderte der Jüngere. "Washington hat gute Arbeit geleistet."

Der Alte schob sich den Umschlag unter das Revers und nickte. "Ich kümmere mich darum."

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EPUB

Seitenzahl: 129

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Mein ist die Rache

Vorschau

Karte Washington D.C.

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-6642-6

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Mein ist die Rache

Die beiden Männer standen sich in der bleichen Sonne Wyomings unbeweglich gegenüber und sprachen kein Wort. Sie waren zur vereinbarten Zeit am Fluss erschienen, und jeder von ihnen trug ein Kuvert in der Jackentasche bei sich.

»Kelly Dugan«, sagte der Ältere und übergab seinen Umschlag. »Sie ist seit einem Tag tot.«

»Lassiter«, sagte der andere und händigte seinen Brief ebenfalls aus. »Die Brigade Sieben setzt ihn auf den Fall an. Er kommt nach Wyoming.«

»Die Brigade Sieben ist Vergangenheit«, knurrte der Alte und mahlte mit den Zähnen. »Tot wie ein gottverdammter Kojote.«

»Jedenfalls die meisten von ihnen«, erwiderte der Jüngere. »Nevod hat gute Arbeit geleistet.«

Der Alte schob sich den Umschlag unter das Revers und nickte. »Ich kümmere mich darum.«

»Die Rache ist mein; ich will vergelten. Zu seiner Zeit soll ihr Fuß gleiten; denn die Zeit ihres Unglücks ist nahe, und was über sie kommen soll, eilt herzu.«

Mose 1, 35

Durch Lassiters Schädel tobte ein Sturm aus finsteren Gedanken, als der Mann der Brigade Sieben im vierten Stock des altehrwürdigen Ebbitt House aus dem Schlaf schreckte. Er war schweißgebadet und starrte in die ängstlichen Augen von Laura Milligan.

»Was hast du?«, fragte das Freudenmädchen mit den aschblonden Haaren. Sie wälzte sich auf die Seite und zupfte das goldene Diadem vom Kopf, das sie noch immer trug. »Du hast mir eine Heidenangst eingejagt.«

Allmählich kehrten Lassiters Erinnerungen an den vergangenen Abend zurück. Er hatte Laura auf dem Maskenball aufgelesen, der im Speisesaal des verschwenderisch reich ausgestatteten Hotels stattgefunden und buchstäblich die halbe Washingtoner Hautevolee angezogen hatte. Unter den Gästen waren selbst Vizepräsident Morton und seine Frau gewesen.

»Nichts«, sagte Lassiter und schwang die Beine über die Bettkante. »Ich hatte nur einen schlechten Traumund zu viel getrunken.«

»Du hattest nur zwei Bourbon«, erwiderte Laura und stieg ebenfalls aus dem Bett. Sie trug ein fast durchsichtiges Nachtgewand, das bei jedem Schritt verführerisch um ihre schlanken Waden spielte. »Einen unten im Saal, den zweiten von meinen Lippen.«

Die wenigen Schritte bis zur Dachgaube der Suite, deren Fenster zur belebten 14th Street wies, reichten aus, um Lassiter die Erinnerung an die St. Augustine Church zurückzubringen. Er sah die glänzende Gatling Gun vor sich, hinter der Kelly Dugan gestanden hatte, und jene zarten Hände, die an der monströsen Waffe wie Fremdkörper gewirkt hatten. Er hatte diese Frau erschossen, und dieser Tod verfolgte ihn inzwischen bis in seine Träume.

»Noch einen Bourbon?«

Der Mann der Brigade Sieben vernahm das Klirren der Gläser, mit denen Laura in seinem Rücken hantierte, und stützte sich mit dem Arm gegen den Fensterrahmen. Auf der 14th Street ratterten die Fuhrwerke und Droschken und schlugen mit ihren stahlbeschlagenen Rädern bisweilen Funken auf dem Kopfsteinpflaster. Um Lassiters Hals schlang sich ein seidenweicher Arm.

»Cheers«, sagte Lassiter und nahm das Glas Bourbon entgegen. Er wartete nicht darauf, dass Laura mit ihm anstieß, und leerte das Glas in einem Zug. »Ich muss bald fort, Laura. Man erwartet mich unten im Foyer.«

»Nicholas Coleman?«, fragte Laura und nippte an ihrem Glas Bourbon. Sie warf einen Blick auf die Straße hinunter und lächelte geheimnisvoll. »Du hast den Namen einige Male erwähnt, als du schliefst. Ich glaube zumindest, dass es Coleman oder Holeman hieß.«

Einen Augenblick lang kam es Lassiter unverzeihlich vor, dass er unbedarft von einem Mittelsmann gesprochen hatte, dann fiel ihm die toten Vorgesetzten der Brigade Sieben ein. Sie waren wie die Tiere in jenem qualmenden Sprengstoffinferno gestorben, das ein Komplott aus heimtückischen Mördern ihnen bereitet hatte. Es war buchstäblich niemand mehr am Leben, der Lassiter hätte rügen können.

»Coleman«, sagte Lassiter und nickte. »Er ist Uhrmacher.«

Die weiche Hand glitt von seinem Hals bis zu seinem Brustkorb hinunter und krallte sich in seine Haut. Lauras aschblonder Haarschopf erschien neben ihm. »Du ziehst mir einen Uhrmacher vor? Nach allem, was wir in der letzten Nacht miteinander getrieben haben?«

Starr sah Lassiter noch immer auf die Straße hinunter. Er hob den Kopf und spähte nach den Umrissen des Präsidentensitzes, der jedoch von den Kolonnaden des Schatzministeriums verdeckt war. »Ich muss ihn treffen, Laura. Er muss etwas Geschäftliches mit mir besprechen.«

Sanft und bestimmt zog Lauras Hand ihn herum, bis Lassiter seiner Bettgenossin wieder gegenüberstand. Sie hatte die obersten Knöpfe ihres Nachthemdes gelöst und es wie zufällig von den Schultern rutschen lassen. »Kein einziges Stündchen kannst du noch entbehren?«

Der große Mann und sie sahen einander eine Weile reglos an, bevor Lassiter sie mit beiden Armen ergriff und zurück zum Bett trug. Er riss Laura das Nachthemd vom Leib, schob ihr eine Hand zwischen die gespreizten Beine und ließ in seinem Begehren erst nach, als das Freudenmädchen vor Lust leise aufschrie.

Keine Minute später waren sie beide nackt.

Mit der Rechten hielt Laura fest seinen Pint umklammert, der ihr schon zu nächtlicher Stunde leidenschaftliche Wonnen beschert hatte, und führte ihn zielstrebig an ihre feuchte Scham. Sie blickte Lassiter tief in die Augen und forderte ihn mit einem Nicken auf, sich zu nehmen, was ihm zustand.

Der volle Busen der Blonden hob und senkte sich im Takt ihrer Atemzüge.

Sie trieben es eng umschlungen miteinander, als könnte allein die Wärme jener fremden Frau die kühlen Gedächtnisfragmente tilgen, die Lassiter wieder und wieder in den Sinn kamen. Er konnte nicht anders, als an die St. Augustine Church zu denken, und weil er es nicht wollte, nahm er Laura so hart, dass sie ihn mit einer Hand sanft bremste.

»Oh, Lassiter!«, stöhnte Laura und warf das Haar von einer Seite auf die andere. Sie öffnete ihre Beine ein Stück weiter. »Du verstehst dich auf Frauen, weißt du das? Ich … ich habe noch nie einen Kerl so tief in mir gespürt wie dich.«

Vor dem Fenster landete eine Krähe und klopfte mit dem Schnabel einige Male gegen das Glas. Sie flatterte wieder davon und stürzte sich über der 14th Street in die Tiefe.

Laura ließ sich von dem Störenfried nicht ablenken.

Sie hatte Lassiter ganz auf sich herabgezogen und seine Lenden mit den Schenkeln umfangen. Als er ihr Gesicht mit beiden Händen fasste und die junge Washingtonerin fest küsste, kam Laura zum Höhepunkt. Sie schloss die Augen und genoss seine gekonnten Hüftstöße, die einen Schauer aus Erregung durch ihren Körper jagten.

Fast zur gleichen Zeit kam auch Lassiter.

Er vertrieb für einige Minuten die St. Augustine Church und alles, was darin vorgefallen war, aus seinem Geist und tat, was die Natur jedem Mann aufgetragen hatte, der mit einer Frau wie Laura das Bett teilte. Sie sanken erschöpft nebeneinander in die Kissen und sprachen ein paar Minuten lang kein einziges Wort.

»Du musst gehen«, flüsterte Laura danach. »Sonst vergesse ich mich und zwinge dich zu einer dritten Runde, weißt du?«

Mit einem Lächeln wandte Lassiter den Kopf zu ihr. »Was spricht dagegen?« Er kramte nach der Taschenuhr in seiner Weste. »Eine knappe Stunde bleibt mir noch.«

Der Uhrmachermeister Nicholas Coleman war ein weißhaariger Mann mit gezwirbeltem Schnurrbart und gebücktem Gang. Er trug den gleichen gepflegten Gehrock, den Lassiter von seiner ersten Begegnung mit dem Mittelsmann kannte, und steuerte geradewegs auf den Mann der Brigade Sieben zu. Ein Bediensteter des Ebbitt House geleitete die Männer in ein Separee neben der Empfangshalle.

»Sie müssen sich diese Uhren ansehen«, sagte Coleman und hob den Lederkoffer auf den marmornen Tisch vor ihnen. Er schaute sich unauffällig nach den Angestellten des Hotels um und dämpfte die Stimme. »Sie sind zu dieser Stunde meine einzige Tarnung.«

Die flinken Hände des Uhrmachers glitten über die stählernen Verschlüsse und entriegelten sie. Unter dem Kofferdeckel kam eine samtene Einlage mit Dutzenden silbernen und goldenen Chronometern zum Vorschein. Einige Uhren trugen Embleme des britischen Königshauses, andere waren mit orientalischem Dekor verziert.

»Was haben Sie für mich?«, fragte Lassiter und nahm eine der Uhren zur Hand. Er betätigte den Stiftknauf am oberen Ende und ließ die silberne Abdeckung aufspringen. »Ich hatte gehofft, dass Sie mir früher ein Telegramm senden.«

»Seien Sie nicht töricht!«, murmelte Coleman und hantierte mit den anderen Zeitmessern. Seine Hände zitterten vor Aufregung. »Die Brigade Sieben ist in Auflösung begriffen. Der Führungsstab ist tot bis auf den letzten Mann.« Er neigte den Kopf zu Lassiter. »Wir müssen größte Vorsicht walten lassen.«

Ein älteres Ehepaar passierte das Separee und wandte sich nach wenigen Schritten dem sprudelnden Springbrunnen in der hinteren Ecke des Foyers zu. Die Gattin hatte sich untergehakt und ließ ihren Mann nun allein, um die steinernen Blumen am Brunnen zu bewundern.

Nachdenklich betrachtete Lassiter das fein ziselierte Ziffernblatt der Uhr in seiner Hand. »Das Ebbitt House steht im Herzen von Washington D.C., Mr. Coleman. Sie hätten einen geeigneteren Ort vorschlagen können.« Er legte die Taschenuhr zurück und nahm eine zweite. »Die Stadt ist nicht mehr sicher für uns.«

»Nirgendwo im Land ist es noch sicher für uns«, meinte Coleman und geriet für ein paar Sekunden aus der Fassung. Er sammelte sich und täuschte mit ein paar Gesten vor, dass er Lassiter zu der Uhr in dessen Händen beriet. »Sie werden sich mit Charles D. Matthews treffen. Es gibt da eine bedeutende Angelegenheit, über die er Sie persönlich in Kenntnis setzen möchte.«

Die große Standuhr in der Nische schlug neun Uhr und spielte den Westminsterschlag ab, wie er auch aus dem Geläut des Big Ben erklang. Das Ehepaar am Springbrunnen machte kehrt und betrachtete neugierig das Angebot des Uhrmachers auf dem Tisch. Als der Mann lächelte und seine Frau sanft zum Rezeptionstresen drängte, beugte sich Lassiter über den Tisch nach vorn. »Wo hält sich Matthews derzeit auf?«

Rasch legte Coleman die Uhr, die Lassiter ihm reichte, auf den mit Samt bespannten Zwischenboden seines Koffers zurück. Er schwieg kurz und musterte den Mann der Brigade Sieben. »Smithsonian Grounds«, sagte Coleman im Anschluss. »Er wartet in den Smithsonian Grounds auf uns.«

Zwischen den dichten Hortensienbüschen entlang des schmalen Weges im nordöstlichen Teil der Smithsonian Grounds glich Charles D. Matthews fast einem Spaziergänger, der sich in der Richtung geirrt hatte. Er strebte fort von den rötlichen Ziegelmauern des Normannenschlosses, das gewöhnlich die Besucher des Smithsonian anzog und mit seinen Turmhauben die umliegenden Baumkronen überragte. Als er die beiden Männer bemerkte, die ihm folgten, verharrte er und zog eine Ausgabe der Harper’s Weekly unter dem Mantel hervor.

Die Wochenzeitung war das vereinbarte Zeichen.

»Matthews«, raunte Coleman Lassiter zu und sah sich nach allen Seiten hin um. Sie waren bisher keiner einzigen Menschenseele in den Gärten begegnet. »Er ist es.« Der Uhrmacher machte eine knappe Geste. »Gehen Sie zu ihm. Ich achte darauf, dass die Luft rein bleibt.«

Durch Charles D. Matthews ging ein Ruck, als Lassiter auf den einstigen Gouverneur von Utah zuschritt. Er wusste von Coleman, dass Matthews blutjung unter Ulysses S. Grant gekämpft und an der Offensive gegen Paducah teilgenommen hatte. Er war gewiss nicht jener gramgebeugte Mann, der im Augenblick in den Smithsonian Grounds stand.

»Mister Lassiter«, sagte Matthews und streckte seine Hand aus. »Die Lage ist ernster als erwartet. Und daran sind Sie nicht ganz unschuldig.«

Lassiter bemerkte die Blässe im Gesicht des Senatsabgeordneten. »Wovon reden Sie, Sir?«

»Vor Ihrer Entlassung aus dem Gefängnis wurden Sie gebeten, eine Frau zu identifizieren«, erwiderte Matthews und lud den Mann der Brigade Sieben mit einer Handbewegung zu einem Spaziergang ein. »Laut Protokoll der US Capitol Police haben Sie sie nicht gekannt.«

»Ich muss nicht jeden kennen, den ich erschieße«, versetzte Lassiter und ahnte immer noch nicht, worauf dieses Gespräch hinauslief. »Diese Frau war eine eiskalte Mörderin und hat mit einer Gatling Gun …«

Ruckartig blieb Matthews stehen und unterbrach den großen Mann mit einer scharfen Geste. »Die Waffe stammte aus den Beständen der Brigade Sieben!«, presste er hervor und beherrschte sich mühsam. »Die Frau, die Sie getötet haben, hieß Kelly Dugan und war eine unserer Agentinnen!«

Lassiter war es, als hätte er einen Schlag ins Gesicht erhalten. Äußerlich ließ er sich seine Betroffenheit kaum anmerken, doch in seinem Innern rumorte es. In Gedanken ließ er die Geschehnisse bei der St. Augustine Church Revue passieren und kam zu einem fatalen Schluss. »Sie meinen«, raunte er, »dass die Leute, die ich zu schützen versuchte, unsere eigentlichen Feinde waren?«

Die Hortensienblüten hingen welk an den Stängeln, besaßen jedoch noch genug von ihrer violetten Farbe, um nicht kraftlos und matt zu wirken. Die Gärtner des Smithsonian hatten die Sträucher bisweilen mit Stangen und Holzpfosten gestützt.

»Ihre Auffassungsgabe spricht für Sie«, bemerkte Matthews zynisch. »Wen nehmen Sie sich als Nächsten vor? Bin ich es oder vielleicht Coleman?«

Widerstand regte sich in Lassiter. »Ich handle gemäß den Informationen, die mir vorliegen«, verteidigte er sich, konnte ein flaues Gefühl in seiner Magengegend aber nicht unterdrücken. »Und diese waren spärlich gestreut. Ich musste eine Entscheidung treffen – und genau das habe ich getan!«

Zwischen Matthews’ buschigen Brauen bildeten sich zwei tiefe Falten. Durchdringend richtete er den Blick auf seinen Gesprächspartner. »Kelly Dugan war den Hintermännern der ›Dunklen Brigade‹ auf den Fersen«, sagte er leise und überwand seinen Ärger. »Einige Namen konnte sie in Erfahrung bringen, doch wir können nicht offen gegen diese Leute vorgehen. Dazu fehlen uns die Beweise. Letztlich war Kellys Angriff eine Verzweiflungstat, die von mir nicht angeordnet wurde …«

Erst jetzt wurde Lassiter das Ausmaß seines Eingreifens bewusst. Er sah Kellys leblosen Körper vor sich, ihre halb geöffneten Lippen und starrte in ihre anklagend aufgerissenen toten Augen. Wie betäubt ging er neben Matthews her. Sie erreichten eine Kreuzung zwischen den Hortensienbüschen, hinter der ein Weg zum östlichen Ausgang der Smithsonian Grounds abzweigte. Ein zweiter Pfad führte zu den größeren Hauptwegen der Gartenanlage zurück.

»Sie handelten nach bestem Wissen«, machte Matthews nach längerem Schweigen ein Zugeständnis. Aus seinen Worten sprach aufrichtige Anteilnahme. »Vermutlich hätte ich an Ihrer Stelle einen ebensolchen Entschluss gefasst.«

Die Ungeheuerlichkeit seiner Tat stieg in Lassiter wie eine giftige Schwade empor, die jeden Gedanken umgab und Überzeugungen ins Gegenteil verkehrte. Er hatte niemanden gerettet, hatte niemanden vor größerem Übel bewahrt. Er hatte der Brigade Sieben einen Bärendienst erwiesen.

Charles D. Matthews verschränkte die Hände auf dem Rücken und blieb stehen. »Wir müssen nach vorn schauen«, sagte er mit fester Stimme. »Deswegen erteile ich Ihnen einen neuen Auftrag.«

»Einen Auftrag?«, wiederholte Lassiter und lächelte ungläubig. »Habe ich in der St. Augustine Church nicht schon genügend Schaden angerichtet?«

»Hören Sie auf!«, wehrte Matthews den Einwand unwirsch ab. »Gerade in dieser Zeit kann ich auf unsere besten Leute nicht verzichten. Sie werden nach Wyoming reisen, zur Lodge der Dugans am Jackson Lake. Wir wissen, dass Kelly Dugan ihre Familie ins Vertrauen gezogen hat und ihr eine Postsendung zukommen ließ. Offenbar für den Fall, dass Kelly etwas zustieße. Über den Inhalt der Dokumente können wir nur spekulieren, doch möglicherweise finden sich darin Anhaltspunkte, die die Agentin uns nicht mehr mitteilen konnte.« Er schnalzte mit der Zunge und schürzte die Lippen. »Leider müssen wir davon ausgehen, dass unser Gegner ebenfalls über die Postsendung informiert ist. Die Dugans könnten in höchster Lebensgefahr schweben.«

»Ich soll die Unterlagen sichern und das Leben der Familie schützen«, fasste Lassiter zusammen und nickte knapp.

»Nicht nur das«, meinte Matthews. »Sie sollten die Gelegenheit nutzen, bei den Dugans um Verzeihung zu bitten. Machen Sie mit der Familie Ihren Frieden.«