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Lassiters verzweifelter Angriff auf die Supreme Society endete in einem Fiasko und brachte den letzten Agenten der Brigade Sieben in höchste Gefahr. Nahezu hilflos muss Lassiter mitansehen, wie die Feinde Amerikas die Flucht ergreifen, um nun endgültig zum Schlag gegen den Präsidenten auszuholen.
Die Vorkehrungen, die Kardinal Vincenzoni getroffen hat, zeigen Früchte. Nicht nur kommt es zu öffentlichen Ausschreitungen, die die Absetzung von Benjamin Harrison fordern, es wird auch ein Anschlag vorbereitet, der die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen soll.
Doch das Misstrauen, das man in Rom der Supreme Society entgegenbringt, ruft völlig unerwartet eine dritte Partei auf den Plan - und plötzlich hat Lassiter es mit schier unüberwindlichen Gegnern zu tun. Ihm steht die schwerste Bewährungsprobe seines Lebens bevor!
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Seitenzahl: 124
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Der Pfad der Gerechten
Vorschau
Karte Washington D.C.
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-6855-0
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Der Pfad der Gerechten
Lassiter entkoppelte den Trageballon und spürte seinen Segelgleiter noch im selben Moment absacken. Die Holzverstrebungen der Schwingen knarrten; unter der Textilbespannung fing sich die Luft und blähte sie geringfügig auf. Ein wenig zu hektisch bediente der Brigade-Agent die Steuerung, sodass sein Fluggefährt flatterte und vom Kurs abzukommen drohte. Rasch jedoch bekam er ein Gefühl für den Gleiter und stabilisierte seinen Flug.
Hinter ihm blieb die Anheuser-Busch-Brauerei im grellen Licht dutzender Explosionen zurück. Zu seiner Linken schlängelte sich das blaue Band eines Missouri-Bayous. Und voraus sah er den Sonderzug der Supreme Society, den er mit allen Mitteln aufzuhalten gedachte.
»Betritt nicht den Pfad der Frevler, und geh nicht auf dem Weg der Bösen. Meide ihn, folge ihm nicht, beachte ihn nicht und geh weiter. Denn sie können nicht schlafen, wenn sie nichts Böses tun, und es raubt ihnen den Schlaf, wenn sie niemanden zu Fall bringen können. Sie essen das Brot des Frevels und trinken den Wein der Gewalttat. Doch der Pfad der Gerechten ist wie der Glanz am Morgen, er wird immer heller bis zum vollen Tag.«
Buch der Sprüche 4,14-18
Die Führungsspitze seiner Feinde hatte sich abgesetzt, darunter General Archer, Major General West, Innenminister Reginald Ferguson und Kurienkardinal Alberto Vincenzoni. Es war der traurige, aber nicht minder gefährliche Rest der Supreme Society. Und der Anschlag auf die deutsche Brauerei war nur eines von vielen Unterfangen, mit der diese verbrecherische Organisation ihre Machtbestrebungen durchsetzen wollte. Präsident Benjamin Harrison stand nach wie vor ganz oben auf ihrer Liste, und nach dem misslungenen Attentat auf seinen Panzerkreuzer würde man andere Mittel und Wege finden, ihn aus dem Verkehr zu ziehen und den vormaligen Präsidenten, Grover Cleveland, erneut einzusetzen.
Konnte es tatsächlich sein, dass es eine Schattenregierung gab, und selbst der Präsident nur eine Marionette war, die gänzlich anderen Interessen diente, als man den Wählern weismachte? War es möglich, dass in der Politik lediglich Statisten agierten, deren Hintermänner niemand kannte?
Die Supreme Society war ein amerikanischer Geheimbund, doch die Anwesenheit des römischen Kardinals Vincenzoni zeigte deutlich, dass ihre Aktivitäten weit über das Gebiet der Vereinigten Staaten hinausgingen. Nicht nur bis Europa, sondern vermutlich auch bis ins Herz der Kolonialmacht Großbritannien.
All diese Gedanken gingen Lassiter durch den Kopf, als er zum Bombardement auf den enteilenden Zug ansetzte. Der Brigade-Agent hatte schnell gelernt und die Ruderklappen seines Segelgleiters inzwischen im Griff. Eisern war sein Blick auf den hintersten Waggon des Sonderzuges gerichtet, der sich rasant näherte. Es würde außerordentlich schwierig werden, die Dynamitladung zielgenau abzuwerfen. Und für einen Moment überlegte Lassiter, ob er den sichereren Weg wählen und die Gleise vor dem Zug zerstören sollte.
Er verwarf den Gedanken. Auch in diesem Fall war eine Erfolgsgarantie nicht gegeben. Womöglich verfehlte er den Schienenstrang und hätte eine weite Schleife fliegen müssen, um einen zweiten Angriff zu starten. Wie lange sein Gleiter aber in der Luft bleiben würde, konnte er nur ahnen. Es lief darauf hinaus, dass Lassiter jede Gelegenheit nutzen musste, um so viel Zerstörung wie möglich anzurichten. Seine Gegner durften weder nach Washington noch an einen anderen Ort entkommen.
Der Wind schnitt durch Lassiters Gesicht und ließ seine Augen tränen. Schon überflog er die Wagen des Zuges und arretierte die Seilzüge der Steuerung. Diese Vorrichtung war von Konstrukteur Montgomery lediglich für den Kriegseinsatz entwickelt worden und tauchte in seinen früheren Entwürfen nicht auf.
In seiner engen Kabine langte Lassiter nach dem Messingkasten und dem Zündmechanismus. Er musste sich blind auf das reibungslose Funktionieren seines Fluggefährts verlassen, um die Lunte entflammen zu lassen.
Eisige Kälte breitete sich in Lassiter aus. Er handelte mit der Präzision einer Maschine – gefühllos und nicht mehr zu stoppen. Sein Leben war in diesen Momenten unwichtig. Nur die Ausführung seines Auftrags zählte. Und sollte er trotz aller Entschlossenheit sterben, wollte er die Feinde Amerikas mit sich ins Grab reißen.
Der Segelgleiter schoss auf die Lokomotive zu – und Lassiter warf seine tödliche Ladung ab. Noch während sie durch die Luft segelte, griff er bereits nach dem nächsten Dynamitbündel. Allerdings kam er nicht mehr dazu, die Lunte über den daumenlangen Hebel zu entzünden.
Ohrenbetäubender Donner jagte über ihn hinweg. Gleichzeitig wurde der Gleiter von einer Druckwelle erfasst und gegen den Tender der Washington 9 geschleudert. Berstend zersplitterte das Landegestell, während die Tragflächen Feuer fingen und von einer lodernden Flammenbrunst umhüllt wurden. Lassiters Kopf schlug frontal auf; eine Hitzewelle fegte über seinen Nacken hinweg. Das Heck des Fluggefährts scherte aus und kippte nach unten. Mit durchdringendem Knirschen zog es eine Furche neben den Gleisen und riss den Gleiter vom Tender.
Die Welt um Lassiter herum verwandelte sich in ein wirbelndes Chaos. Himmel und Erde wurden eins. Von allen Seiten schien es auf seinen Körper einzuprügeln, bis die Hiebe schlagartig aussetzten und nur die Glut leckender Flammenzungen blieb.
Die verdammte Lunte!, hämmerte es in den Gedanken des Brigade-Agenten. Sie war nicht nur zu kurz gewesen, sondern auch viel zu schnell abgebrannt.
Noch einmal mobilisierte Lassiter all seine Kräfte. Viel war nicht mehr übrig. Jeder Knochen in seinem Leib schmerzte; sein Körper schien eine einzige Wunde zu sein. Doch die Aussicht, bei lebendigem Leib zu verbrennen und von den verbliebenen Sprengladungen zerfetzt zu werden, spornte ihn zu einem unvergleichlichen Kraftakt an. Einen Kampfschrei auf den Lippen, schälte er sich aus den Trümmern des Segelgleiters, schaffte es sogar, auf die Füße zu kommen und schwankend davonzurennen.
Flämmchen züngelten über seine Kleidung, doch Lassiter hatte nur Augen für den Zug. Lokomotive, Kohlenwagen und der erste Waggon waren unversehrt geblieben und rasten davon. Reflexhaft griff der Brigade-Agent nach seinem Remington, als könne er den Zug mit ein paar Bleigeschossen noch aufhalten. Doch der Revolver schien wie aus Blei gegossen. Lassiter bekam ihn kaum gehoben, geschweige denn zielgenau angelegt.
Noch einmal unternahm er jede Anstrengung, sich vom Segelgleiter zu entfernen, brach schließlich zusammen und hörte lediglich ein alles umfassendes Rauschen in seinen Ohren, als die Dynamitladungen hochgingen. Ein feuriger Orkan fegte über ihn hinweg, doch er war nicht mehr in der Lage, Schmerzen wahrzunehmen oder den spitzen Schreien Aufmerksamkeit zu schenken, die den abklingenden Donnerhall übertönten.
Bäuchlings lag Lassiter im Staub neben dem Schienenstrang. Seine Lider wurden schwer. Mit brechendem Blick erkannte er verwaschene Gestalten, die wie weiße Tupfen vor dem Blau des Himmels waren.
Dann verlor er endgültig das Bewusstsein.
☆
»Das hätte auf keinen Fall passieren dürfen!« General a. D. Reginald Ferguson, amtierender Innenminister in Washington, war außer sich und starrte lange Sekunden betroffen aus dem Fenster seines Zugabteils. Die Fassungslosigkeit über den Anschlag auf den Sonderzug der Supreme Society hatte sich tief in seine Züge gegraben. Und sein erschrockenes Erstaunen steigerte sich noch durch die Gelassenheit von Kardinal Vincenzoni, der ungerührt in den roten Lederpolstern seines Sessels saß.
Der römische Geistliche war die Ruhe in Person, ganz so, als wäre er nur ein Beobachter der Explosion, aber nicht beteiligt gewesen. Seine asketischen Züge strahlten eine Dominanz aus, die sämtliche Ereignisse in die Knie zwang. Wofür auch immer er sich hielt, zeigte er offen, wie wenig ihn die Geschehnisse belasteten. Und offensichtlich hätte er nicht einmal auf Fergusons Einwand reagiert, rang sich aber doch noch einen Kommentar ab. »Wer in das Schicksal eingreift«, meinte er tonlos, »wird oftmals überrascht von seiner Dynamik. Sie haben doch nicht ernstlich erwartet, dass Sie schalten und walten können, wie es Ihnen beliebt …«
Scharf sog Ferguson die Luft ein. Sein Gemüt war erhitzt, sein Gesicht gerötet. »Wollen Sie den Vorfall mit Ihren gelackten Äußerungen abtun? Es hat nicht viel gefehlt, und wir wären allemal draufgegangen!« Er keuchte unbeherrscht. »Major General West und General Archer haben sich im hinteren Teil des Zuges befunden! Und der hat sich in Rauch aufgelöst!«
War es ein mildes Lächeln, das Vincenzonis Züge umspielte? Der Innenminister war nicht sicher. Doch die nachfolgende Bemerkung des Kardinals bestätigte seinen Eindruck.
»Sie müssen das große Ganze sehen, Ferguson«, erwiderte der Kardinal, faltete seine Hände und legte sie in seinen Schoß. »Unsere Sache trägt nicht den Namen irgendwelcher Personen. Die Beteiligten würden gar nicht lange genug leben, um das endgültige Ziel zu erreichen. Sie sind wichtige Figuren, ohne Zweifel, aber es wird nur einigen Wenigen vorbehalten sein, am Ende des Weges die Macht in ihren Händen zu halten. Weder Sie noch ich gehören dazu.«
Reginald Ferguson schnaufte und strich mit einer Hand durch seinen weißen Bart. »Macht?«, blaffte er. »Von welcher Macht reden Sie?«
Der Kardinal winkte ab. »Die Supreme Society hat uns gute Dienste geleistet«, meinte er gutmütig. »Aber sie ist ersetzbar. Wir alle sind es. Daran sollten Sie keinen Zweifel hegen.«
»Das ist doch ausgemachter Unsinn!«, stieß Ferguson aus. »Uns gibt es schon seit dem Unabhängigkeitskrieg! Wir haben uns gegen alle Widernisse behauptet! Nur ein Narr könnte unsere Erfolge infrage stellen!«
Ausdruckslos musterte Vincenzoni sein Gegenüber. »Wer ist der größere Narr?«, fragte er. »Der Narr – oder jener, der ihm folgt?«
Der Blick des Innenministers flackerte. Er war nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. »George Washington persönlich hat seine schützende Hand über uns gehalten. Die Tradition der Supreme Society setzte sich von Generation zu Generation fort. Wir haben Kriege angezettelt und das Denken von Millionen beeinflusst. Wir haben getan, was immer nötig war, um diese – unsere – Nation zu ihrer jetzigen Größe zu führen. Und sie wird wachsen. Nach unseren Vorstellungen!« Fergusons Puterröte schwoll an, nur um Sekunden darauf zu verblassen.
Kardinal Vincenzoni schaute ihn beinahe mitleidig an. »Sie sehen einen Teil, aber nicht das gesamte Bild. Falls Sie wirklich der Meinung sind, die Supreme Society hätte die Geschicke dieses Landes gelenkt, steht Ihnen eine herbe Enttäuschung bevor.« Auch jetzt zeigte der Geistliche keinen Triumph oder überhaupt ein Gefühl. »Sie wurden groß, weil wir es wollten. Weil Sie uns nützlich waren. Verabschieden Sie sich von dem irreführenden Gedanken, ein einzelnes Individuum oder eine kleine Organisation könne den Lauf der Welt beeinflussen. Es ist die Bruderschaft, die alle Fäden in der Hand hält. Man findet sie überall, in jedem Land. Einzelne Glieder können ausfallen, doch die Gesamtheit bleibt bestehen. Unsichtbar. Unfassbar. Unangreifbar. Die Bruderschaft ist ein Gedanke, keine bestimmte Gruppe von Menschen. Und der Gedanke überdauert die Ewigkeit …«
Stumm hatte Reginald Ferguson gelauscht. Die Worte des Kardinals waren entwürdigend, ganz besonders in Anbetracht der Opfer, die der Innenminister erbracht hatte. Opfer etwa wie seine Tochter. Sie war ein Mensch aus Fleisch und Blut gewesen, keine Idee oder ein Gedanke. Ihr Verlust schmerzte Ferguson, doch er hatte ihn im Hinblick auf ein größeres Ziel hingenommen.
»Harrison wird verschwinden«, wechselte er abrupt das Thema. »Die Vorkehrungen dazu habe ich längst getroffen.«
Nun lächelte Alberto Vincenzoni ganz offen. »Das ist gut. Sie haben in Ihren eigenen Reihen aufgeräumt und widmen sich erneut der gemeinsamen Sache. Ich hoffe jedoch, Sie sind mir nicht gram, wenn auch ich gewisse Vorsichtsmaßnahmen in die Wege geleitet habe …«
Ferguson stutzte. »Sie vertrauen mir nicht mehr?«
»Vertrauen«, erwiderte Vincenzoni, »ist ein Ausdruck von Gleichgültigkeit. Versprechungen zu glauben wiederum ein Ausdruck von Vertrauen. Ich habe nicht den weiten Weg in Ihr Land unternommen, um mich von halbherzigen Behauptungen berieseln zu lassen. Ich bin hier, um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.«
Unangenehm berührt, schluckte Ferguson. »Wollen Sie mich einweihen?«, fragte er schüchtern.
Der Kardinal antwortete nicht direkt. »Die vermeintliche Freiheit der Amerikaner hängt am seidenen Faden. So viel habe ich Ihnen bereits zu verstehen gegeben. Freiheit ist etwas, mit dem man umgehen können muss. Sie gehört nicht in die Hände derer, die dem Begriff einen schwammigen Inhalt geben. Umso dringlicher ist es, die Grenzen der Freiheit festzulegen und sie jenen zu überlassen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.« Ein Schmunzeln huschte über Vincenzonis Lippen. »Die Schwarzen in Ihrem Land glauben noch heute an einen Kampf, der sie aus der Sklaverei führen sollte, obwohl Lincoln dies öffentlich dementiert hat. Menschen aber, die nur ihrem Glauben anhängen, sind nicht frei. Sie können nicht frei sein, und sie werden es niemals sein. Glaube ist Schwäche. Und die Schwachen werden stets den Starken unterliegen. Dies wollen wir demonstrieren.«
Von der Lokomotive wehte ein durchdringender Pfeiflaut heran. Ferguson eilte zum Abteilfenster und sah hinaus. Eine neuerliche Gefahr war nicht zu erkennen. Vermutlich wollte der Lokführer lediglich signalisieren, dass alles in Ordnung war.
Mit einem undurchschaubaren Blick musterte der Innenminister den Kardinal. Du brauchst mir nicht zu vertrauen, flüsterten seine Gedanken. Ich werde dir zeigen, dass man sich blind auf die Supreme Society verlassen kann.
☆
Benommen schlug Lassiter die Augen auf, als er die sanften Berührungen auf seinen Wangen, den Schultern und der Brust spürte. Verschwommene Ovale wurden zu liebreizenden Frauengesichtern. Die Sorge darin verwandelte sich in Erleichterung, kaum dass Lassiter sich wieder regte.
»Ein Glück, er lebt!«, rief eine Rothaarige aus und schaute freudestrahlend ihre Begleiterinnen an.
»Sie haben uns einen ordentlichen Schrecken eingejagt«, wandte sich eine junge Frau mit goldblonden Locken an den Brigade-Agenten. »Und das liegt nicht nur daran, dass wir Sie im ersten Moment für tot gehalten haben.«
Der Angriff auf den Zug!, schoss es Lassiter durch den Kopf. Er musste den Frauen höllische Angst eingejagt haben. Der große Mann erinnerte sich, sie beim Wäschewaschen am Bayou flüchtig gesehen zu haben. Mit zusammengebissenen Zähnen richtete er sich auf und sah hinüber zum Schienenstrang. Immer noch lag dichter Rauch in der Luft, der die entgleisten Waggons einhüllte. Vereinzelt schlugen Flammen in die Höhe, die das Interieur auffraßen. Weit entfernt jedoch schleppte sich die Washington 9 über die Schienen, hinter sich den Tender und einen Passagierwagen.
Die Feinde entkamen. Zumindest war dies Lassiters erster Eindruck. Doch um sicherzugehen, musste er die teilweise zerstörten Wagen neben den Gleisen untersuchen. Ächzend erhob er sich und wies eine Brünette zurück, die ihm ein nasses Wäschestück auf die Stirn legen wollte. »Ich komme später darauf zurück, Ma’am«, brummte er. »Danke für Ihre Hilfe.« Ganz kurz nur glitt sein Blick durch die Runde der Frauen. Ihre Blusen und Röcke saßen nachlässig am Körper. Offenbar hatten sie nicht nur ihre Wäsche im Nebenarm des Missouri gewaschen, sondern auch selbst ein Bad genommen. Unter anderen Umständen hätte Lassiter sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, die Kleidung der Damen zu richten oder sie im günstigsten Fall sogar auszuziehen. Jetzt aber galt es, sich ein Bild der Lage zu machen. Und sollte es Lassiters Ansprüchen nicht gerecht werden, musste er sich auf dem schnellsten Wege nach Washington aufmachen.
Schwerfällig setzte er sich in Bewegung. Der Wind drehte und trieb ihm die Rauchschwaden ins Gesicht. Hustend stampfte Lassiter voran, stieg zwischen den Deichseln der umgestürzten Waggons hindurch und bahnte sich einen Weg ins Innere.