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"Hast du das gehört?" Geraldine Knoxville fuhr hoch und griff nach der Schulter ihres Mannes. Der grunzte unwillig und drehte sich auf den Rücken. Benommen blinzelte er seine Frau an. "Was meinst du? Ich habe geschlafen, Herrgott noch mal..."
"Da war ein Geräusch auf der Treppe!", flüsterte sie erstickt. "Ich bin mir sicher! Bitte, Herman, schau nach."
Er runzelte die Stirn und strich sich dünne Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Es ist mitten in der Nacht, Weib. Und draußen halten vier Leute Wache. Wer sollte da wohl die Treppe hochkommen? Ein Geist vielleicht?" Doch er schwang sich seufzend aus dem Bett und stieg in seine Pantoffeln, weil er wusste, dass seine Frau sonst keine Ruhe geben würde. Als er zur Schlafzimmertür schlurfte und sie öffnete, klickte es leise, und er blickte in die Mündung eines Revolvers.
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Seitenzahl: 150
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Legenden sterben zweimal
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7122-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Legenden sterben zweimal
»Hast du das gehört?« Geraldine Knoxville fuhr hoch und griff nach der Schulter ihres Mannes. Der grunzte unwillig und drehte sich auf den Rücken. Benommen blinzelte er seine Frau an. »Was meinst du? Ich habe geschlafen, Herrgott noch mal …«
»Da war ein Geräusch auf der Treppe!«, flüsterte sie erstickt. »Ich bin mir sicher! Bitte, Herman, schau nach.«
Er runzelte die Stirn und strich sich dünne Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Es ist mitten in der Nacht, Weib. Und draußen halten vier Leute Wache. Wer sollte da wohl die Treppe hochkommen? Ein Geist vielleicht?« Doch er schwang sich seufzend aus dem Bett und stieg in seine Pantoffeln, weil er wusste, dass seine Frau sonst keine Ruhe geben würde. Als er zur Schlafzimmertür schlurfte und sie öffnete, klickte es leise, und er blickte in die Mündung eines Revolvers.
Entgeistert stolperte er rückwärts in das Schlafgemach zurück und hob langsam die Hände. Der Eindringling war ein schlaksiger, mittelgroßer Bursche, der sich sein Halstuch über Mund und Nase gezogen hatte. Der Revolver in seiner Faust glänzte matt im Mondlicht, das durch die Fenster ins Zimmer fiel, als er Herman Knoxville folgte und die Waffe sofort auf dessen Frau richtete.
»Keinen Laut, Ma’am. Sonst muss ich Sie beide töten!«, zischte er warnend, und Geraldine presste sich die Faust vor den Mund. Ihr Gesicht wurde aschfahl, während ihr Gatte kraftlos mit dem Hintern auf die Matratze sackte.
Der Einbrecher war nicht allein. Entsetzt erkannten die Eheleute, wie zwei weitere Männer durch die Tür kamen, deren Gesichter ebenfalls unter den Augen von Bandanas verhüllt waren.
»Wie … wie sind Sie … hier reingekommen?«, fragte Knoxville mit stockender Stimme. Verstohlen warf er einen Blick zum geöffneten Fenster hinüber und fragte sich, wofür er seine Nachtwächter bezahlte.
»Ab jetzt öffnen Sie Ihren Mund nur noch, wenn ich Ihnen eine Frage stelle, verstanden?« Der Maskierte starrte ihn an und hob dabei auffordernd die Augenbrauen, bis Knoxville nickte.
»Sehr vernünftig«, raunte der Mann und wandte sich seinen beiden Begleitern zu. »Na los!«, sagte er mit leiser Stimme.
Einer der beiden ging um das Bett herum und hielt zwei Seile in seinen Händen. Als er sich Geraldine näherte, riss die Frau die Augen auf, und ihre Lippen bildeten ein entsetztes »O«.
»Bleiben Sie still und machen Sie keine Zicken, Lady!«, befahl der Anführer. »Ihnen wird nichts geschehen, wenn Sie tun, was wir sagen.«
Ein leises Krächzen kam aus der Kehle der Frau, doch es gelang ihr, den Schrei, der hinauswollte, im letzten Moment zu unterdrücken.
»Wir werden Sie beide jetzt fesseln. Danach beantworten Sie mir ein paar Fragen zu Ihren Habseligkeiten, insbesondere zum Bargeld und dem Schmuck Ihrer geschätzten Gattin, Mr. Knoxville. Sollten Sie sich als kooperativ erweisen, sind Sie uns schneller los, als Sie morgens Zeit auf dem Abort verbringen.«
»Damit kommt Ihr nicht davon, Ihr Schweinehunde«, stieß Knoxville hervor und ballte die Fäuste. »Ich werde euch …«
Er erstarrte, als er die kalte Mündung des Revolvers auf seiner Stirn spürte. »Kein Wort ohne Frage, schon vergessen?«, knurrte der Maskierte. »Ich treibe keine Späße, alter Mann!«
»Jetzt sei doch ruhig, Herman«, wimmerte Geraldine leise, und er drehte sich halb zu ihr um, um zu sehen, wie sie von dem Banditen an das schmiedeeiserne Kopfteil des Bettrahmens gebunden wurde.
Herman Knoxville knirschte mit den Zähnen und schob voller Zorn das Kinn vor, doch er zwang sich zu schweigen.
Sie banden ihm die Hände auf dem Rücken zusammen und legten seiner Frau noch einen Knebel um, gingen dabei aber wenigstens einigermaßen glimpflich mit ihr um. Als Geraldine hilflos ans Bett gefesselt war, zog ihn einer der Männer auf die Beine. Erstaunt spürte er, wie kraftlos sich seine Beine plötzlich anfühlten. Die Muskeln unterhalb der Hüften schienen sich in Gelee verwandelt zu haben, und hätte ihn der maskierte Bandit nicht unter der Achsel festgehalten, wäre er wohl zu Boden gegangen.
»Sie haben Angst. Das ist keine Schande«, raunte ihm der Anführer zu, während er den Lauf seines Revolvers in Knoxvilles vorspringenden Bauch bohrte. »Halten Sie an ihr fest. Sie könnte Ihnen das Leben retten.«
Knoxville stieß scharf die Luft aus. Nur mit Mühe gelang es ihm, seine Blase unter Kontrolle zu halten.
»Wo ist Ihr Safe?«
Als Knoxville in die Augen über dem Tuch sah, die ihn schmal und fuchsartig fixierten, glaubte er für einen Moment, dass er diesen Blick irgendwo schon einmal gesehen hatte.
Der Bursche hob die linke Augenbraue. »Das war eine Frage, also dürfen Sie jetzt sprechen.«
Knoxville ließ die Schultern hängen, dann deutete er mit einer Kopfbewegung zu einem Gemälde an der Wand. »Er ist hinter dem Bilderrahmen dort«, brachte er leise hervor.
Der hochgewachsene Kumpan mit dem dunkelgrünen Halstuch vor seinem langgezogenen Gesicht ließ ihn los, und er blieb schwankend stehen, während der Mann das Bild von der Wand nahm und beiseitestellte.
Dahinter kam ein Wandtresor zum Vorschein, nach neuester Bauart mit drei Rädchen versehen, auf denen Zahlenkränze eingestanzt waren.
»Die Zahlen, Mr. Knoxville«, forderte der Anführer ihn auf, und der Rinderbaron nannte sie ihm.
Der Bandit vor dem Tresor drehte die Rädchen in die entsprechenden Positionen, legte den Hebel um und öffnete die Tür des Tresors. Seine Augen weiteten sich ein wenig, er griff hinein und holte ein paar Dollarbündel hervor, die er dem Anführer mit triumphierender Geste entgegenstreckte.
Der nickte zufrieden. »Einpacken«, befahl er seinem Kumpan und winkte dem anderen Mann zu, der immer noch neben Knoxvilles Gattin am Bett stand. »Hilf ihm dabei.«
Während die beiden Banditen Jutesäcke aus den weiten Taschen ihrer Langjacken zogen, wandte sich ihr Anführer wieder Knoxville zu. »Der Schmuck Ihrer Frau. Wo werde ich den wohl finden?«
Geraldine riss die Augen auf und wimmerte unter dem Knebel leise vor sich hin, doch der Maskierte zuckte nur die Schultern. »Die Dame wird es verschmerzen, Sir«, sagte er, und Knoxville war sich sicher, dass der Bastard unter dem Tuch hämisch grinste.
»Drüben in der Lade des Schminktischs«, presste er hervor und warf Geraldine dabei einen bedauernden Seitenblick zu. »Eine grüne Schatulle. Aber bitte lassen Sie Ihr wenigstens den Goldring mit dem Smaragd. Er ist ein Erbstück meiner Großmutter und ihr Ehering.«
Der Maskierte drückte ihn mit der linken Hand zurück auf das Bett, bevor er zum Toilettentisch hinüberging und die Schublade darunter aufzog. Er nahm die Schatulle heraus, öffnete sie und warf einen langen Blick auf den Inhalt.
»Herrje, Herman«, brummte er. »Das muss wohl wahre Liebe sein. Sie haben sich ja richtig in Unkosten gestürzt, möchte ich meinen.« Mit dem Lauf seines Revolvers kramte er in der Schatulle herum, bevor er den Deckel wieder schloss und sie in seine Manteltasche gleiten ließ.
Seine beiden Begleiter hatten mittlerweile alles aus dem Tresor in ihre Beutel gestopft und sahen nun fragend zu ihrem Anführer.
»Der Ring. Bitte …«, rang sich Knoxville eine weitere Demütigung ab.
Vergeblich. »Wäre Ihr der Ring so wichtig, würde Sie ihn doch wohl am Finger tragen, denke ich«, entgegnete der Maskierte. »Nichts für ungut, Herman. Aber Leute wie Sie müssen lernen, dass zu viel protziger Reichtum den Charakter verdirbt. Sie haben ohnehin noch Unmengen an Geld auf der Bank und all diese Rinder auf Ihren Weiden, sodass sich die Verluste, die Sie heute verschmerzen müssen, dagegen wie ein Furz im Wind ausnehmen.«
Er trat vor das Bett und schlug Knoxville auf die Schulter. Eine Geste, die fast freundschaftlich hätte wirken können, wäre der Hieb dafür nicht deutlich zu kräftig ausgefallen. Der Rancher zuckte zusammen und blickte wütend zu dem Banditen auf.
»Sie werden nicht davonkommen, Sie Dreckskerl«, stieß er hervor, »Wie immer auch Ihr Name lautet, ich werde Sie jagen lassen, bis Sie am Galgen enden!«
Der Maskierte nickte langsam, dann wandte er sich zu seinen Männern um. »Knebeln und an das Bett binden«, befahl er, und die beiden gehorchten. Nur zwei Minuten später lehnte der Rancher genau wie seine Gattin zu Bewegungslosigkeit und Schweigen gezwungen neben ihr am Kopfende des Ehebettes.
»Vielleicht hilft es Ihnen, wenn Sie unseren Besuch als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit verstehen, Mr. Knoxville«, sagte der Anführer der Einbrecher, während seine Begleiter bereits zur Tür hinaus waren. »Obwohl ich Ihnen eine derart christliche Gesinnung ehrlich gesagt nicht zutraue.« Er griff nach dem Türknauf und schob dabei den Revolver ins Holster. »Und wenn Sie dem Sheriff einen Namen nennen wollen, habe ich einen Vorschlag: Sagen Sie einfach, Billy the Kid hätte seine Aufwartung gemacht, um Ihnen etwas von der Last des unverdienten Reichtums abzunehmen.«
Mit diesen Worten schloss sich die Tür vor dem Maskierten, und Knoxville benötigte eine Weile, um zu kapieren, was er gerade vernommen hatte.
☆
»Billy the Kid?«
Lassiter musterte sein Gegenüber sekundenlang aus verengten Augen, weil er an einen Scherz glaubte und an diesem Nachmittag absolut nicht in der Stimmung war, sich hinter die Fichte führen zu lassen.
Die malträtierten Rippen würden jedes Lachen sofort mit üblen Schmerzen beantworten, und das Pflaster über der Wange, das eine noch nicht ganz verheilte Schnittwunde verbarg, konnte nicht mal ein schmales Lächeln vertragen, ohne sich abermals von der Haut zu lösen.
Der letzte Auftrag hatte einige Spuren bei ihm hinterlassen, und eigentlich hatte er die Kanzlei von Douglas Kirk nur aufgesucht, um seinen Abschlussbericht abzugeben und sich danach für eine oder zwei Wochen in Albuquerque auszukurieren.
Doch Kirk war kein Mann, dem der Schalk im Nacken saß. Der Advokat mit dem hageren Raubvogelgesicht und den dünnen weißen Haaren, die sorgfältig von den Seiten über den kahlen Schädel gelegt waren, hatte in etwa soviel Sinn für Humor wie ein angeschossener Grizzlybär. Deshalb musste er davon ausgehen, dass der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches seine Behauptung ernst meinte.
Dennoch breitete Lassiter die Hände aus. »Ich bitte Sie, Kirk! Wir wissen beide, dass William Bonney vor knapp einem Jahr erschossen wurde und längst unter der Erde liegt. Jeder von hier bis oben nach Boston weiß das!«
»Weil keine Zeitung der Vereinigten Staaten es versäumt hat, darüber zu berichten«, entgegnete der Notar. »Pat Garrett ist seitdem eine Berühmtheit, und er kann es an Prominenz fast schon mit Wyatt Earp und Wild Bill Hickock aufnehmen.«
Lassiter zuckte nur die Achseln. Er war beiden Genannten schon begegnet und froh, nicht in deren Haut zu stecken. Ruhm gehörte zu den nicht greifbaren Errungenschaften, nach denen er noch nie gestrebt hatte.
Der Notar zupfte sich an seinem ausschweifenden Schnurrbart, mit dem er vermutlich die schrumpfende Haarpracht weiter oben ausgleichen wollte. »Aber das alles mag täuschen. Wir – beziehungsweise die Brigade Sieben – sind uns nach den neuesten Erkenntnissen nicht sicher, ob der Sheriff von Lincoln County wirklich der Held ist, für den ihn jedermann hält«, sagte Kirk und sah Lassiter dabei mit ernster Miene an.
Der Mann der Brigade Sieben erwiderte den Blick, dabei hob sich ein Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. »Sie glauben, dieses Drama war einfach nur … Beschiss?«
Kirk lehnte sich mit indignierter Miene in seinen Lehnsessel zurück. »Zunächst einmal würde ich einen anderen Ausdruck wählen, Lassiter«, entgegnete er und schürzte die Lippen. »Eine Art Ablenkungsmanöver, vielleicht sogar ein geheimer Pakt unter Männern, die sich näher gekommen sind. Aber wir können uns darüber nicht sicher sein. Selbstverständlich ist es immer noch möglich oder gar wahrscheinlich, dass Garrett Bonney tatsächlich erschossen hat.«
»Dafür gab es schließlich eine ganze Reihe von Zeugen, oder?«, wandte Lassiter ein.
»Sicher.« Kirk nickte. »Aber mindestens ebenso viele Menschen bezeugen nun, dass ein Bursche, der sich als Billy the Kid ausgibt, sie überfallen hat. Darunter sind im Übrigen auch ein paar namhafte Persönlichkeiten.«
Lassiter wedelte abfällig mit der Hand. »Ein Strauchdieb, der sich mit glänzenden Federn schmückt, damit die Leute Angst vor ihm haben! Das und nicht mehr wird hinter dieser Geschichte stecken.« Er beugte sich vor. »Glauben Sie wirklich, das ist eine Aufgabe für die Brigade, Sir? Garrett wurde zum Sheriff gewählt. Wenn die Menschen, die dabei waren, als er William Bonney zur Strecke brachte, ihm vertrauen, wüsste ich nicht, warum wir das infrage stellen müssen.«
Kirk setzte ein schmales Lächeln auf. »Wenn es sich so verhält, wie Sie glauben, dürfte dieser Auftrag nur wenige Tage Ihrer Zeit in Anspruch nehmen. Aber die Brigade Sieben ist der Meinung, dass es einer Überprüfung bedarf. Schauen Sie Garrett auf die Finger und befragen Sie die Leute in der Gegend. Wenn sich alles als ein Sturm im Wasserglas herausstellt …« Er hob die Hände, »… umso besser.«
Lassiter lehnte sich zurück, und die Männer starrten sich für Sekunden in die Augen, bevor der Agent der Brigade Sieben ein Nicken andeutete.
»Okay, Kirk«, knurrte er. »Wenn Sie so versessen darauf sind, einen Helden vom Thron zu stürzen …«
»Da unten an der Grenze ist Garrett nur noch für wenige Menschen ein Held, Lassiter«, widersprach ihm der Notar. »Das Kopfgeld musste er sich von den Ranchern mit Hilfe eines Anwalts erstreiten. Und es gab immer wieder Gerüchte darüber, dass er Billy mehrmals die Chance zur Flucht über die Grenze nach Mexiko angeboten hat.« Kirk lächelte, doch in der Bewegung seiner Lippen lag keine Spur von Humor. »Die Leute, die ihm vor zwei Jahren den Stern an die Brust hefteten, wären ihn heute vermutlich gern wieder los. Mit seiner Selbstherrlichkeit hat er sich ziemlich unbeliebt gemacht. Andererseits ist er offenbar kein Mann, der schnell klein beigibt.«
»Sie scheinen wirklich zu glauben, dass Bonney noch lebt«, stellte Lassiter fest und fuhr sich über die Bartstoppeln.
»Viele der armen Menschen dort unten im Grenzland halten Billy the Kid immer noch für eine Art Robin Hood«, gab Kirk statt einer Antwort zurück. »Deshalb sollten Sie vorsichtig sein und sich nicht zu erkennen geben, wenn Sie Ihre Ermittlungen anstellen.«
Lassiter schwang sich aus dem Sessel und grinste grimmig. »Schon klar, Kirk. Ich mache meinen Job nicht erst seit ein paar Wochen, wie Sie wissen.« Er deutete auf eine schmale Mappe, die vor ihm auf der polierten Mahagoniplatte des Schreibtisches lag. »Ist das für mich bestimmt?«
Kirk streckte die Hand aus und schob ihm das Dossier zu. »Selbstverständlich«, bestätigte er. »Ein paar Informationen über Garrett und Bonney, die so nicht in den Gazetten zu lesen waren. Vielleicht helfen Sie Ihnen.«
»Wir werden sehen.« Er langte nach den Papieren, rollte sie zusammen und ließ sie in der Innentasche seiner Lederjacke verschwinden, bevor er sich mit zwei Fingern an die Hutkrempe tippte und zur Tür wandte.
»Bonne chance, Lassiter«, rief ihm Kirk nach, als die Tür vor dem Agenten zufiel.
☆
Die Fremden sahen eindeutig nach Ärger aus.
Schon, als sie vor dem Sidewalk aus den Sätteln glitten und die Zügel ihrer Pferde nachlässig um den Hitchrack wickelten, wusste Milly, dass dieser Tag kein gutes Ende nehmen würde.
»Peter!«, fuhr sie den jungen Burschen an, der gerade den Besen zur Hand genommen hatte, um die Dielen des Schankraumes zu fegen, und er riss erschrocken die Augen auf.
»Was … issen?«, nuschelte er schuldbewusst in der Annahme, etwas verkehrt gemacht zu haben. Milly schüttelte den Kopf und nahm ihm den Besen ab.
»Geh nach hinten raus und lauf rüber zum Sheriff’s Office, hörst du?«, raunte sie ihm zu. »Sag Mister Dash, er soll in den Saloon kommen.« Sie überlegte kurz. »Aber besser nicht allein, klar?«
Peter rollte mit den Augen und blickte beunruhigt zum Eingang hinaus. Jetzt nahm auch er die Männer wahr, die sich anschickten, den Schankraum zu betreten. Er nickte eifrig und verschwand durch den Durchgang zur Küche nach hinten.
Die Flügeltüren knarrten, als die Männer sie passierten, und Milly O’Rourke rang sich ein Lächeln ab. Sie hoffte, dass es besser aussah, als es sich anfühlte.
»Messieurs, was kann ich für Sie tun?«
Der vordere der Vier trug einen weiten, sandfarbenen Mantel, der für die Jahreszeit viel zu schwer war, darunter eine offene Weste und zwei Revolvergürtel übereinander, in deren Holstern großkalibrige Sechsschüsser steckten. Sein Hut war mit einem schmalen Band verziert, dessen Stickerei von Navajoindianern stammen mochte. Die dunkelbraunen Haare waren nachlässig geschnitten und fielen ihm bis an den Kragen; seine leuchtend blauen Augen zuckten nervös hin und her, während er wachsam den Schankraum ausspähte.
Es gab nichts zu entdecken, weil Milly den Saloon erst vor zehn Minuten geöffnet hatte, deshalb schien der Bursche sich ein wenig zu entspannen, als er auf sie zukam.
Seine Begleiter – ein hochgewachsener, breitschultriger Kerl mit struppigem Vollbart über einem länglichen Pferdegesicht, ein ganz in Schwarz gekleideter untersetzter Kahlkopf, der stetig blinzelte, als hätte er etwas im Auge, und der älteste der Gruppe, ein Männchen von höchstens fünf Fuß mit einem grauen, lockigen Bart, der ihm bis zum Gürtel reichte – sahen sich unschlüssig um, bis der Oldtimer einen Stuhl ergriff und sich an den erstbesten Tisch neben den Schwingtüren setzte. Kurz darauf nahmen auch die anderen Platz.
»Wünsche einen schönen Tag, Ma’am«, knurrte der Mantelträger und stützte sich lässig auf der zerkratzten Platte des Tresens ab. »Was mich angeht, ist er jetzt schon gerettet … bei dieser unverhofften Augenweide.«
Er grinste frech, während seine Blicke unverhohlen über ihren Körper wanderten. Millys linke Hand legte sich unwillkürlich über ihr offenherziges Dekolleté, und im Geiste ärgerte sie sich darüber, dass sie die obersten Knöpfe ihrer Bluse wegen der Hitze nicht geschlossen hatte.
»Möchten Sie etwas trinken, Sir?«, fragte sie.
Der Mann wandte sich zu seinen Leuten um. »Sie fragt, ob wir etwas trinken wollen, Jungs.«
Dröhnendes Gelächter war die Antwort, und Milli schluckte, als sich der junge Bursche ihr wieder zuwandte. »Ich schätze, das war ein Ja«, sagte er leise und lächelte dabei anzüglich.
»Was möchten Sie?«
»Bier und doppelte Whiskeys für meine Jungs, ich nehme Tequila«, kam postwendend die Antwort.
Milly nickte mit gesenktem Kopf und war froh, sich hinter das Bierfass flüchten zu können und damit seinen Blicken zu entkommen.
»Setzen Sie sich, ich bringe Ihnen die Drinks an den Tisch«, rief sie über das Fass und schob dabei einen Krug unter den Zapfhahn.
Im nächsten Moment spürte sie eine Hand, die beherzt ihren Hintern umfasste. »Soll ich dir helfen, Schätzchen?«, fragte der Bursche und tätschelte ihren Po.