Lassiter 2423 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2423 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Der letzte Schuss hallte noch von den Bergen wider, als Desmond Kane die langläufige Browning sinken ließ. Ein schmaler Rauchfaden stieg aus der Mündung in den Abendhimmel.
"Verflucht noch mal, was für ein Treffer!", rief der Mann links von ihm aus und klatschte begeistert in die Hände. "Genau zwischen die Schulterblätter!"
"Höchstens drei Sekunden, dann wäre er außer Sicht gewesen. Das war wirklich knapp", knurrte der Mann auf Kanes anderer Seite.
"Dann hättet ihr ihm folgen müssen", gab Kane ungerührt zurück. "Ihr wisst, dass wir niemanden davonkommen lassen." Er deutete auf die Leichen, die rund um die drei Reiter im kniehohen Gras lagen. "Tragt die Bastarde zusammen und zündet sie an. Als Warnung für die anderen Hurensöhne da draußen, die darüber nachdenken, sich mit mir anzulegen."

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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Inhalt

Cover

Impressum

Kein Weg hinaus aus Laramie

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Prieto/Norma

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7469-8

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Kein Weg hinaus aus Laramie

Der letzte Schuss hallte noch von den Bergen wider, als Desmond Kane die langläufige Browning sinken ließ. Ein schmaler Rauchfaden stieg aus der Mündung in den Abendhimmel.

»Verflucht noch mal, was für ein Treffer!«, rief der Mann links von ihm aus und klatschte begeistert in die Hände. »Genau zwischen die Schulterblätter!«

»Höchstens drei Sekunden, dann wäre er außer Sicht gewesen. Das war wirklich knapp«, knurrte der Mann auf Kanes anderer Seite.

»Dann hättet ihr ihm folgen müssen«, gab Kane ungerührt zurück. »Ihr wisst, dass wir niemanden davonkommen lassen.« Er deutete auf die Leichen, die rund um die drei Reiter im kniehohen Gras lagen. »Tragt die Bastarde zusammen und zündet sie an. Als Warnung für die anderen Hurensöhne da draußen, die darüber nachdenken, sich mit mir anzulegen.«

Lassiter verzog die Lippen, als der Zug über eine Bodenwelle ratterte und den Pullman-Wagen ins Schwanken brachte. Geistesgegenwärtig griff er nach der Kaffeetasse, die über den Tisch in Richtung Kante rutschte. Er bekam sie gerade noch zu fassen, bevor sie auf den Teppich fallen konnte.

Ein dumpfes Scheppern hinter ihm verriet, dass jemand anderes nicht so schnell gewesen war.

»In drei Teufels Namen!«, schimpfte eine Frau mit dunkler Stimme. »Ist das hier der Erste-Klasse-Speisewagen oder ein Maultierkarren?«

Lassiter grinste verhalten, während der Stewart mit eiligen Schritten an ihm vorbei hastete, um sich des Malheurs und dem aufgebrachten Fahrgast anzunehmen.

»Drüben an der Ostküste haben die Tische kleine, runde Mulden, damit so etwas nicht passiert«, bemerkte sein Gegenüber. »Dieser Pullman-Wagen verfügt zwar über Vorrichtungen, die die Stöße abfangen sollen, aber bei einer Strecke wie dieser …«

»Ich habe schon Schlimmeres erlebt, Mr. Ellis«, entgegnete Lassiter achselzuckend.

»Das glaube ich Ihnen aufs Wort.« Preston Ellis grinste, zumindest vermutete Lassiter das. Unter dem eisengrauen Bart, der hufeisenförmig Mund und Kinn umrahmte, war das leichte Zucken der Mundwinkel nicht zweifelsfrei zu identifizieren. »Ich habe so einiges von Ihnen gehört, Lassiter. Ein paar der Geschichten, die man sich über Sie erzählt, böten Stoff für eine Dime Novel.«

Der Mann der Brigade Sieben nickte gleichmütig. »Der größte Teil wird aus Übertreibungen und Erfindungen bestehen, Sir. Ähnlich wie in den Heftchen über Wyatt Earp und Wild Bill Hickock, die Sie meinen.«

Ellis nahm einen Zug von seiner Zigarre und blies den Rauch in Richtung Decke, bevor er sich etwas vorbeugte. »Nur keine falsche Bescheidenheit. Ich bin froh, Sie an meiner Seite zu wissen. Diese Sache in Laramie wird kein Kinderspiel, darauf dürfen Sie wetten.«

»Sicher, Sir«, stimmte Lassiter zu, denn diese Sache konnte sich in der Tat als brandgefährlich erweisen.

Er hatte den Auftrag, Bundesmarshal Preston Ellis und seine Männer nach Laramie zu begleiten, vor vier Tagen in Denver erhalten. Gerade einmal eine knappe Woche war ihm zugestanden worden, um sich von seiner letzten Mission zu erholen, die ihm einige Blessuren eingetragen hatte, unter anderem ein Streifschuss an der Hüfte, der immer noch einiges Unbehagen bereitete.

Es ging darum, das Gesetz in Laramie, einem Kaff im Niemandsland und Grenzposten der Zivilisation zwischen den Great Plains und den Rocky Mountains, endlich konsequent durchzusetzen. Denn offenbar waren Recht und Ordnung Begriffe, die dort keinen besonders hohen Stellenwert genossen.

In der Stadt gab es weder einen ordentlich gewählten Sheriff noch eine Gerichtsbarkeit, was in den dünn besiedelten Landstrichen von Wyoming zunächst einmal keine Seltenheit war. Aber durch den Umstand, dass die Union Pacific Railway Company ihre Bahnlinie über den Bridger-Pass nach Westen stetig vorangetrieben hatte, war aus Laramie – noch vor wenigen Jahren nicht viel mehr als ein Bahnsteig mit Zisterne und einem Verschlag für Feuerholz – eine prosperierende Kleinstadt geworden, die neben Trappern, Golddiggern und abenteuerlustigen Siedlern auch allerlei Gesindel angelockt hatte.

Die Bahngesellschaft hatte geglaubt, die Probleme selbstständig lösen zu können, als immer mehr ihrer Züge, aber auch die Jäger und Händler, die die Bahnstation nutzten, von Banditen überfallen wurden. Sie setzte eigene Männer ein, um für die Sicherheit in Laramie zu sorgen. Für eine Weile schien das gut zu funktionieren.

Bis der Trupp der Wächter selbst zum Problem wurde. Denn die Sicherheitsleute, insbesondere deren Anführer Desmond Kane, schienen mittlerweile vor allem eigene Interessen zu verfolgen, statt sich um die Anliegen ihrer Brotgeber oder gar die Gesetze der Vereinigten Staaten zu scheren. Gerüchte über Schutzgeldzahlungen, brutale Willkür gegen Reisende und Bürger sowie blutige Auseinandersetzungen mit den Siedlern der Umgebung häuften sich und hatten die Union Pacific dazu bewogen, in Washington um Hilfe nachzusuchen.

Wyoming galt von jeher als ein Staat, der sich der Zentralregierung und den zweifelhaften Segnungen der fortschreitenden Zivilisation so hartnäckig und störrisch verweigerte wie ein bissiger Maulesel. Die unwegsame Landschaft und das oft menschenfeindliche Klima stellten sich dem ebenso entgegen wie ihre Bewohner, die bewusst die Einsamkeit und die damit verbundene persönliche Freiheit suchten. Auch die Ureinwohner – Lakota, Cheyenne, Pawnee und Arapaho – zählten immer noch zu den widerspenstigsten Stämmen des Kontinents.

Dennoch hatte Lassiter keinen Zweifel daran, dass auch der bockende Esel Wyoming über kurz oder lang gezähmt werden würde. Auch wenn er nicht sicher war, ob ihm das gefiel.

»Dieser blasierte Bursche im schicken Dreiteiler, der uns heute beim Frühstück immer so dämlich zulächelte … ist das unser Aufpasser von der Bahngesellschaft?«, fragte er Ellis.

Der Marshal seufzte und deutete mit seiner Zigarre auf Lassiter. »Gut beobachtet. Obwohl ich Timothy McGuire nicht unbedingt als Aufpasser bezeichnen würde.« Ellis klopfte die Asche am Rand seiner leeren Kaffeetasse ab. »Da überschätzen Sie den Mann nämlich gewaltig.«

»Mr. Ellis!« Die eigentümlich hohe Fistelstimme hinter Lassiter ließ ihn einen kurzen Blick über die Schulter werfen, während der Marshal die dunklen Augenbrauen hob.

»Wenn man vom Teufelchen spricht«, murmelte der Sternträger durch zusammengebissene Zähne hindurch.

McGuire trat an ihren Tisch und tippte mit einer leichten Verbeugung an die schmale Krempe seines Hutes. Als er lächelte, entblößte er dabei zwei Reihen kleiner, spitzer Zähne, die an das Gebiss von Nagetieren erinnerten. Die nervös blickenden Augen und die vorspringende Nase unterstützten diesen Eindruck noch.

»Schön, dass ich Sie hier antreffe, Sir«, sagte McGuire, »es gäbe noch das ein oder andere, dass ich mit Ihnen besprechen möchte, bevor wir Laramie erreichen. Dürfte ich für ein paar Minuten Platz nehmen?«

Widerwillig rückte Ellis auf seiner Bank ein Stück in Richtung Fenster. »Wenn Sie meinen«, brummte er.

»Herzlichen Dank.« McGuire zog ein Taschentuch aus seiner Rocktasche und breitete es mit einer gezierten, aber geschickten Bewegung auf dem Leder der Sitzbank aus, bevor er sich vorsichtig darauf niederließ.

Ellis betrachtete die Prozedur stirnrunzelnd, enthielt sich aber eines Kommentars und deutete stattdessen auf den Mann, der ihm gegenübersaß. »Darf ich vorstellen …«

»Mr. Lassiter, nicht wahr?« McGuire hüstelte und streckte dem Brigade-Agenten über den Tisch hinweg die Hand entgegen. Lassiter zögerte kurz, bevor er sie ergriff und kräftig schüttelte.

»Timothy McGuire. Sehr erfreut …« McGuire zog lächelnd die Hand zurück und zauberte ein weiteres Tuch hervor, mit dem er sich die Hand abwischte, die Lassiter gerade berührt hatte.

»Man hört so einiges über Sie in Washington, und ich bin sehr erfreut darüber, dass Sie Mr. Ellis unterstützen.«

Der Marshal strich sich über den Bart. »Was gibt es denn noch zu besprechen, McGuire?«, knurrte er ungeduldig. »Ich dachte eigentlich, dass unsere Instruktionen eindeutig wären. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Sie nicht befugt sind, mir irgendwelche Anweisungen zu erteilen.«

Indigniert hob McGuire die Hand an den Hals, um den ein kunstvoll gebundenes violettes Seidentuch geschlungen war, und lehnte sich zurück. »Entschuldigen Sie, Sir – aber das würde ich mir doch auch niemals erlauben.«

»Schön«, entgegnete Ellis grimmig. »Was wollen Sie dann?«

McGuire legte den Kopf von links nach rechts, bevor er sich an einem freundlichen Lächeln versuchte. Lassiter erinnerte die Vorstellung an einen Raubvogel, der den Eindruck erwecken wollte, eine Taube zu sein.

»Nur um ein wenig Geduld bitten, Messieurs«, antwortete McGuire. »Als Regionsvertreter der Union Pacific Railroad für Wyoming vertrete ich die Interessen meiner Company und bin dafür mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet worden.« Der schmächtige junge Mann blähte die Brust und warf sich in Positur. »Daher möchte ich Sie bitten, mich zunächst selbst mit Mr. Kane sprechen zu lassen, bevor Sie voreilig tätig werden.«

Ellis’ Augen verengten sich. Er wollte an seiner Zigarre ziehen, musste aber feststellen, dass sie erloschen war. Also legte er sie bedächtig auf der Untertasse ab, bevor er sich etwas vorbeugte und McGuire mit eisigem Blick fixierte.

»Wollen Sie mir etwa vorschreiben, was ich zu tun habe, Mr. McGuire?«, fragte er, und seine Stimme klang dabei wie dünnes Eis unter schweren Stiefeln.

Lassiter war überrascht, als McGuire nur eine Handbreit zurückwich und eine entschlossene Miene bewahrte.

»Keinesfalls, Sir.« Die Hand des jungen Mannes strich über die Tischplatte, vor und zurück, dann schlossen sich die manikürten Finger zu einer Faust. »Ich möchte mich lediglich bemühen, unnötige Gewalt zu vermeiden. Das ist mein Job, so wie Sie Ihren haben. Wir sind beide demselben Ziel verpflichtet, nämlich Recht und Ordnung in Laramie einkehren zu lassen.«

»Und Sie glauben, Mr. Kane wird sich unseren Anweisungen beugen, wenn Sie mit ihm gesprochen haben?«, mischte sich Lassiter ein.

Ellis und McGuire wandten ihm ihre Köpfe zu, und der Marshal musterte Lassiter stirnrunzelnd.

»Davon bin ich überzeugt, Mister«, beeilte sich McGuire zu versichern. »Desmond Kane hat seit vielen Jahren gute Dienste für unsere Company getan, auch wenn ihm in der jüngeren Vergangenheit vielleicht ein wenig die Pferde durchgegangen sind.«

»Das dürfte wohl etwas untertrieben sein, McGuire!«, blaffte Ellis. »Es hat Tote gegeben, und die Berichte, die wir erhalten haben, sprechen von einer Art Alleinherrschaft, die Ihr Mr. Kane in Laramie errichtet hat!«

McGuire hob abwehrend die Hände. »Bitte, Sir, beruhigen Sie sich. Diese Berichte, von denen Sie sprechen, sind größtenteils nicht mehr als Erzählungen und Gerüchte aus zweiter und dritter Hand. Sie wissen beide, Messieurs, wie es hier im Wilden Westen abläuft. Die Revolver sitzen locker, und ein Menschenleben ist nicht viel mehr wert als das Pferd, auf dem der Reiter sitzt! Kane musste mit harter Hand das Recht durchsetzen, um friedliche Menschen zu verteidigen. Ich bin überzeugt davon, dass wir alles klären können, wenn Sie mir die Chance geben, vorher mit ihm darüber zu reden. Mehr verlange ich nicht.«

Sekundenlang starrten sich Ellis und McGuire an, ohne dass ein Wort fiel. Das Licht aus den Fenstern gegenüber ließ die Falten auf der Stirn des Marshals hervortreten wie Rillen, die ein Bildhauer mit einem Meißel in Granit getrieben hatte.

»Es kann nicht schaden, wenn Mr. McGuire mit Kane redet«, sagte Lassiter. »So lange bei diesem Gespräch kein Zweifel darüber gesät wird, dass wir Gesetzesverstöße nicht hinnehmen werden.«

Ellis warf Lassiter einen kurzen Seitenblick zu, dann lehnte er sich langsam zurück. »Also gut«, knurrte er mürrisch, »Sie dürfen mit Kane reden, bevor wir ihn uns vornehmen.«

McGuire erhob sich, und seine Miene drückte Erleichterung aus. »Vielen Dank, Gentlemen. Sie werden es nicht bereuen, glauben Sie mir.«

»Das hoffe ich, Mr. McGuire.« Der Marshal verzog die Lippen. »Sollte sich etwas anderes herausstellen, dürfen Sie sich darüber sicher sein, dass ich Sie dafür persönlich zur Verantwortung ziehe.«

McGuire nickte. »Selbstverständlich.« Er machte kehrt und ging mit schnellen Schritten davon.

»Warum habe ich den Eindruck, dass wir und die Union Pacific Railroad nach wie vor auf entgegengesetzten Fronten stehen«, murmelte Ellis und wollte nach seiner Kaffeetasse greifen, bis er feststellte, dass sie leer, mit Asche verunstaltet und von seinem Zigarrenstumpen flankiert war.

»Weil das wohl den Tatsachen entspricht, zumindest nach dem Stand der Dinge«, musste Lassiter zugeben. »Obwohl sie selbst die Dinge ins Rollen gebracht haben, ist Desmond Kane immer noch ein Angestellter der Bahngesellschaft, zumindest offiziell. Er hat seine eigenen Vorstellungen entwickelt, was die Arbeit für die Railway-Company angeht, und das mögen seine Arbeitgeber nicht mehr gutheißen. Aber er könnte auch den Ruf seiner Firma beschmutzen, deshalb möchten Sie es lieber selbst und diskret regeln.«

»Diese Vorgehensweise hat ja wohl genau zu den Zuständen geführt, weshalb wir jetzt diese Reise antreten, oder nicht?«

Lassiter begegnete Ellis’ zornigem Blick mit einem humorlosen Lächeln. »Dem kann ich nichts hinzufügen, Marshal.«

Ein leichtes Rucken ging durch den Zug und brachte ihre Kaffeetassen zum Zittern. Die Männer schauten zum Fenster hinaus.

»Cheyenne«, murmelte Ellis, als ein paar Hütten, die waghalsig in die Felshänge gebaut worden waren, an ihnen vorüberzogen.

Hohlwangige Bergarbeitergesichter starrten ihnen entgegen. Magere Kinder saßen wie Vögel auf Ästen am Rand des Bahndamms und folgten dem vorbeifahrenden Zug mit großen Augen, als wäre er eine göttliche Erscheinung. Die Schienen führten in einer sanften Kurve zwischen hoch aufragenden Felshängen hindurch, bis sie den Bahnhof der Hauptstadt von Wyoming erreichten.

»Hier möchte man nicht mal begraben sein«, verkündete Ellis schmallippig, als er sich vom Fenster zurückzog und die Lokomotive schwerfällig mit kreischenden Bremsen zum Stehen kam.

Lassiter sah auf den Bahnsteig hinaus und bemerkte eine Gruppe junger Frauen in Rüschenkleidern aus grellfarbenen, glänzenden Stoffen, die schwatzend an den Wagen entlanglief. Er schmunzelte, als er beobachtete, wie sich eine der Damen suchend umsah und dann eilig zurückmarschierte, um einen Kofferträger zurechtzuweisen, der mit einem überladenen Handwagen in die falsche Richtung unterwegs war.

»Schau an«, murmelte er. »Madame DeLaRousse.«

Ellis runzelte die Stirn, bevor er Lassiters Blicken folgte und kurz darauf interessiert die Augenbrauen hob.

»Kennen Sie die Damen etwa, Lassiter?«

Der Mann der Brigade Sieben grinste. »Könnte man sagen, Sir.«

»Verdammt noch mal, Dad! Das geht so nicht weiter!«

Leslie Kane fuhr herum und stützte ihre Hände auf der glänzenden Schreibtischplatte ab. Ihr hübsches Gesicht war von Zorn gerötet.

»Du benimmst dich wie Kaiser Nero! Irgendwann werden Sheriffs kommen und dich aufhängen!«

Desmond Kane lehnte sich in seinem Ledersessel zurück und unterdrückte ein Seufzen, während er sich die Stirn rieb. Die Kopfschmerzen, die ihn schon seit Wochen fast ohne Unterlass plagten, nahmen immer dann unerträgliche Ausmaße an, wenn er sich mit seiner Tochter auseinandersetzen musste.

Er liebte das Mädchen abgöttisch. Aber in Momenten wie diesem gingen ihm Phantasien durch den Kopf, in denen er die Schublade seines Schreibtischs öffnete, den Peacemaker hervorholte und eine Kugel durch diesen plärrenden Schädel jagte, der ohne Punkt und Komma mit enervierendem Organ auf ihn einredete, damit endgültig – oder wenigstens für eine Weile – Stille herrschte.

»Hast du mir überhaupt zugehört?!«

Kane blinzelte und nickte leicht. »Natürlich, mein Kind«, brummte er. »Ich höre dir immer zu. Aber deshalb werde ich dir noch lange nicht das Kommando übergeben.«

Das junge Mädchen schüttelte den Kopf und schürzte die Lippen. Sie richtete sich auf und ging wieder vor dem Schreibtisch auf und ab, ruhelos wie eine Raubkatze in einem Käfig. »Gott bewahre, als wenn ich das wollte! Tante Pat wäre da wohl eher geeignet. Sie sagt genau wie ich, dass du damit aufhören musst.«

»Womit soll ich aufhören? Diese Stadt gegen Diebe und Wegelagerer zu verteidigen? Hat deine Tante das behauptet?« Kane schnaubte. »Das würde mich wundern.«

»Natürlich nicht. Sie würde deine Autorität niemals in Zweifel ziehen, und das weißt du auch. Aber sie macht sich Sorgen, genau wie ich.« Leslie stand mit geballten Fäusten vor dem Wandschrank, und für einen Moment befürchtete Kane, dass sie ausholen und eine ihrer schmalen Fäuste in die Glasscheiben zimmern würde, die die Bücher dahinter vor Staub schützten.

Als seine Tochter die Schultern hob, öffnete er den Mund, um sie mit einem Ruf davon abzuhalten, doch stattdessen machte das Mädchen kehrt, warf ihm nur noch einen flammenden Blick zu und riss die Tür auf, um sie einen Augenblick später krachend hinter sich zuzuschlagen.

Kane sank aufatmend in seinen Sessel zurück und rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel, um den bohrenden Druck hinter der Stirn zu lindern.

Es funktionierte nur unzureichend, aber mit Hilfe eines Whiskeys gelang es ihm nach ein paar Minuten, sich etwas zu entspannen.

Auch wenn es ihm schwerfiel, sich das einzugestehen, hatte Leslie Recht damit, dass es so nicht weitergehen würde. Das Schreiben der Union Pacific Railway Company, das ihm vor ein paar Tagen zugestellt worden war, sprach Bände und formulierte weniger drastisch, aber ebenso deutlich, was seine Tochter ausgesprochen hatte.

Man kündigte ihm an, dass ein Bundesmarshal in Kürze in Laramie eintreffen würde, um ihm als offizieller Gesetzeshüter das Heft aus der Hand zu nehmen. Doch damit nicht genug, warnte ihn die Company auch davor, dass er mit Ermittlungen zu rechnen habe, die sein Vorgehen in der Stadt betrafen.

Ein Mann namens Timothy McGuire sollte dafür sorgen, dass er gegenüber den Gesetzeshütern vertreten wurde, und man ginge davon aus, zu einer gütlichen Einigung zu kommen … blablabla.

Kane fuhr hoch und knirschte mit den Zähnen. Er ballte die Fäuste, während er kehrtmachte und an das Fenster trat, von dem aus er auf die Prärie schauen konnte.

Meilenweit erstreckte sich die Ebene bis zu den Bergen im Westen, die sich düster wie schlafende Riesen vor dem Himmel erhoben.

Er hatte hier die Ordnung aufrechterhalten, als niemand sonst dazu bereit gewesen war. Er und seine Männer hatten die Outlaws im Zaum gehalten, sich Kugeln eingefangen und Knochen brechen lassen, damit die Züge unbeschadet ihr Ziel erreichten.

Und nun sollte er abserviert werden. Schlimmer noch, man wollte ihm am Zeug flicken und als Verbrecher dastehen lassen.

»Nicht mit mir«, knurrte er. »Wenn ihr glaubt, dass ich die Suppe ganz allein auslöffle, werdet ihr euch noch wundern.«

Natürlich wusste er, dass die Ankunft eines Bundesmarshals – der nicht allein kommen würde – eine Zeitenwende ankündigte. Doch Kane war nicht bereit, sich dem einfach zu ergeben wie ein Schaf.

Es würde nach seinen Regeln laufen. Schließlich war Laramie seine Stadt. So lange, bis er es zuließ, sie in andere Hände zu übergeben.

»Lassiter?!«

»In voller Größe.« Mit breitem Grinsen ergriff Lassiter den riesigen Koffer von Hermione DeLaRousse und wuchtete ihn die Stufen hinauf in den Wagen.

Die Frau mit dem Hut von der Größe eines Wagenrads fiel ihm stürmisch um den Hals. »Herrgott, Schätzchen, wie lange ist das jetzt her?«

Lassiter hob den Blick zum Himmel und überlegte. »Oh, das müssten so in etwa …«

Sie legte ihm die behandschuhten Finger über die Lippen. »Gott, sag es nicht, das erinnert mich nur daran, wie alt ich geworden bin!«