Lassiter 2426 - Jack Slade - E-Book

Lassiter 2426 E-Book

Jack Slade

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Beschreibung

Die Schüsse auf dem Hof vor dem Palazzo ließen Michael Stapleton zusammenzucken, und sein Vater strich ihm beruhigend über den Kopf. "Nur die Ruhe", murmelte er und trat vorsichtig ans Fenster.
"Dad, bist du verrückt?", stieß der Junge mit großen Augen hervor, doch der Konsul winkte gelassen ab. Das Krachen der Gewehre und Revolver ließ den Kriegsveteranen nicht einmal mit der Wimper zucken. "Sie ziehen sich zurück. Auf Ortega ist Verlass."
"Vater, bitte! Wir müssen hier weg!"
Stapleton nickte grimmig. "Keine Sorge, mein Sohn. Man bringt uns fort von hier, das verspreche ich dir."
Im selben Moment schlug eine Kugel durchs Fenster und erwischte Stapleton im Rücken. Michaels Schreie drangen hinaus bis auf den Vorplatz.

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Witwe in Weiß

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Boada/Norma

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7617-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Witwe in Weiß

Die Schüsse auf dem Hof vor dem Palazzo ließen Michael Stapleton zusammenzucken, und sein Vater strich ihm beruhigend über den Kopf. »Nur die Ruhe«, murmelte er und trat vorsichtig ans Fenster.

»Dad, bist du verrückt?«, stieß der Junge mit großen Augen hervor, doch der Konsul winkte gelassen ab. Das Krachen der Gewehre und Revolver ließ den Kriegsveteranen nicht einmal mit der Wimper zucken. »Sie ziehen sich zurück. Auf Ortega ist Verlass.«

»Vater, bitte! Wir müssen hier weg!«

Stapleton nickte grimmig. »Keine Sorge, mein Sohn. Man bringt uns fort von hier, das verspreche ich dir.«

Im selben Moment schlug eine Kugel durchs Fenster und erwischte Stapleton im Rücken. Michaels Schreie drangen hinaus bis auf den Vorplatz.

Zehn Tage zuvor in Camp Stockton, Texas

Das bierselige Gegröle in der heruntergekommenen Bierschwemme brachte die Luft zum Schwingen, und Milton Huxley war versucht, sich die Ohren zuzuhalten, während er den rauchgeschwängerten Schankraum durchquerte, um nach hinten zu gelangen. Dorthin, wo das Geschrei noch lauter wurde und der Grund dafür zu finden war, weshalb die Gäste des Trinity derart außer Rand und Band waren.

Er setzte seine Ellenbogen ein, um sich durch die immer dichter stehende Menge zu schieben. Jetzt erkannte er bereits das von einem Drahtgitter umgebene Rund. Die Stimmen des vielköpfigen Publikums schwollen im Rhythmus dumpfer Laute an und ab wie Brandungswellen.

Als er an den letzten Stehtischen vorbei war, wurde das Licht heller und die zuvor niedrige Decke erhob sich jetzt fast zwanzig Fuß hoch. Selbst auf der umlaufenden Galerie schien keine Fläche mehr frei zu sein, die größer als ein Handtuch war. Alle Blicke waren gebannt auf den Ring in der Mitte gerichtet, in der ein Kampf ohne Regeln seinem Ende zuging.

Huxley zwängte sich zwischen zwei Männern hindurch und erreichte das Gitter im selben Moment, in dem einer der beiden Kontrahenten mit Wucht gegen die Metallstangen geschleudert wurde.

Der vierschrötige Kämpfer schüttelte benommen den Kopf. Blut und Schweiß spritzten Huxley entgegen, und er wich unwillkürlich eine Handbreit zurück. Das grelle Licht der tief von der Decke hängenden Lampen setzte Glanzlichter auf den Stiernacken und die muskelbepackten Schultern des Hünen, der sich zu seiner vollen Größe von über sechs Fuß aufrichtete und einen gutturalen Laut ausstieß, bevor er im nächsten Moment wieder auf seinen Gegner losging.

Doch offenbar hatte er schon einiges eingesteckt und war dementsprechend schwerfällig. Der andere Kämpfer, ein drahtiger, hochgewachsener Kerl mit fast schulterlangem, sandfarbenen Haar und markanten Zügen, hatte keine Probleme, dem allzu vorhersehbaren Angriff auszuweichen. Wie ein tumber Stier taumelte der Hüne ins Leere und krachte unter dem Johlen der Menge mit dem Gesicht gegen die Gitterstäbe. Der Drahtige drehte sich leichtfüßig zur Seite, faltete die Fäuste und hob sie über den Kopf, um sie im nächsten Moment mit aller Wucht auf den Nacken seines Kontrahenten niedersausen zu lassen.

Das Publikum tobte, als der Hüne auf den mit Sägespänen bedeckten Boden stürzte, als hätte ihn ein Blitz gefällt. Er drehte das blutverschmierte Gesicht zur Seite und spuckte Blut und Zähne aus, während er die Linke in den Boden drückte und versuchte, wieder hochzukommen.

Sein Gegner lächelte schmal und besaß die Dreistigkeit, die Arme vor der Brust zu verschränken und sich abzuwenden. Er hob den Kopf und schaute zu den Zuschauern auf der Galerie hinauf, was von beifälligem Gelächter beantwortet wurde. Geschmeidig bewegte er sich in die Mitte des Rings und wandte dem Hünen weiter den Rücken zu, während der all seine Kräfte zusammennahm und sich hochstemmte.

Der Drahtige hatte einen Cut am linken Auge und eine Schwellung am Kinn, schien aber ansonsten nicht viel abbekommen zu haben. Das Blut, das auf den weißen, knielangen Leinenhosen, seinem nackten Oberkörper und den mit Mull umwickelten Fäusten zu sehen war, stammte offensichtlich zum überwiegenden Teil von dem massigen Burschen, der hinter ihm mühsam wieder auf die Beine kam.

Huxley hob die Augenbrauen, als der Riese den Kopf senkte und die Schultern straffte, während der Drahtige nur drei Schritte vor ihm stand und den Applaus zu genießen schien, der jetzt unmerklich leiser wurde, als das Publikum die drohende Gefahr wahrnahm.

Mit einer Energie, die man dem angezählten Muskelberg nicht mehr zugetraut hätte, stampfte er plötzlich voran und streckte die Pranken aus wie ein Grizzly. Die Menge hielt den Atem an, als zweihundertzwanzig Pfund Muskelmasse auf den Rücken des jungen Kämpfers zuschossen.

Der drehte sich nicht um, um dem Angriff zu begegnen, und Huxley machte sich darauf gefasst, dass der Ansturm dem Drahtigen das Kreuz brechen würde.

Doch es kam anders.

Katzengleich und schneller, als seine Augen der Bewegung folgen konnten, ging der Bursche in die Knie und krümmte den Rücken. Der Hüne riss überrascht die Augen auf, als seine schaufelartigen Hände erneut ins Leere griffen. Mit den Schienbeinen lief er stattdessen gegen seinen Gegner wie gegen eine Bank, stolperte und flog, vom eigenen Schwung getragen, in hohem Bogen durch die Luft, bevor er unsanft auf dem Bauch landete und über die Sägespäne rutschte. Ein Scheppern war zu hören, als sein kahler Schädel gegen die Eisenstäbe prallte.

Binnen eines Augenblicks war der junge Bursche wieder auf den Beinen. Huxley erkannte, dass der Aufprall des bulligen Gegners auf seiner Seite schmerzhaft gewesen war, dennoch bewegte er sich, befeuert vom Beifall der Menge, tänzelnd auf seinen Gegner zu und hob dabei abwartend die Fäuste in Brusthöhe.

Ein paar Augenblicke verstrichen, während er auf den schwer atmenden Kämpfer zu seinen Füßen hinunter starrte, dann hob der Hüne kurz die rechte Hand und streckte die Finger empor, bevor er kraftlos zusammensackte.

Eine Geste der Kapitulation. Der Kampf war vorüber.

Mit breitem Grinsen und unter tosendem Applaus ging der Drahtige am Gitter entlang und berührte Dutzende von Händen, die sich ihm entgegenstreckten. Gegenüber öffnete sich ein schmaler Ausgang aus der Arena, und zwei Männer mit Schlachthofschürzen betraten den Ring, um sich des Verlierers anzunehmen. Der junge Kämpfer ließ sich ein Handtuch geben und wischte sich nachlässig Blut und Schweiß vom Körper, während er sich den Weg durch die Menge bahnte. Leute klopften ihm auf die Schulter oder boxten ihm begeistert gegen die Brust.

Milton Huxleys Blicke folgten ihm über die Köpfe der Menge hinweg. Der junge Mann nahm in einer Nische am Ende der Theke Platz, während der Geräuschpegel allmählich erträglicher wurde.

Als er sich wenig später auf dem freien Platz neben dem jungen Burschen niederließ, stellte der Bartender gerade einen Bierkrug und ein Whiskeyglas vor ihm ab.

»Für mich dasselbe«, sagte Huxley. »Und seine Drinks gehen auf mich.«

Der Drahtige hatte kaum einen Blick für ihn übrig. Er wischte sich mit dem Handtuch über die Stirn. »Danke, Mister, aber nicht nötig. Ich muss hier ohnehin nicht bezahlen.« Er leerte den Whiskey in einem Zug und verzog dabei leicht die Lippen. Huxley vermutete, dass einige Schläge wohl doch nicht spurlos an dem jungen Helden vorübergegangen waren, obwohl der sich das nicht anmerken lassen wollte.

»Hat’s Ihnen gefallen?«

Huxley legte den Kopf schief, bevor er leicht nickte. »War etwas spät dran und habe nur noch den Schluss mitbekommen. Aber es war … überzeugend.«

Der Kämpfer lachte leise. »Überzeugend? Interessante Wortwahl. Veranstalten Sie selbst Faustkämpfe? Falls ja, vergessen Sie’s. Ich bin nicht interessiert.«

»Warum nicht, Junge?« Huxley schob einen halben Dollar über den Tresen, als der Barkeeper seine Getränke vor ihm abstellte.

»Ich mache das hier im Trinity nur für eine Weile, um mir ein Zubrot zu verdienen. Als Deputy verdient man nicht besonders viel, wissen Sie? Und ich möchte runter in den Süden, da brauche ich ein paar Dollar, um meine Reisekasse zu füllen.«

»Deputy, verstehe«, entgegnete Huxley, bevor er an seinem Bier nippte. »Und Sie wünschen sich eine Luftveränderung.«

Beides war ihm wohlbekannt.

»Genau so ist es.« Der junge Bursche trank einen kräftigen Schluck Bier und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Als eine junge Dirne hüftschwingend vorbeiging und ihm eine Kusshand zuwarf, grinste er verschmitzt und winkte ihr zu.

»Sie sind Lassiter, richtig?«, fragte Huxley beiläufig und registrierte aus den Augenwinkeln, wie sich die Miene seines Nebenmannes veränderte. Er griff nach seinem Whiskeyglas und schaute bedächtig hinein, während sich Lassiter mit dem rechten Arm am Tresen aufstützte und ihn wachsam musterte.

»Und wer möchte das wissen?«

Huxley drehte den Kopf, unter dem Schnauzbart hoben sich seine Mundwinkel zu der Andeutung eines Lächelns. »Milton Huxley. Und du brauchst nicht gleich aus der Haut zu fahren, Junge. Trigger Bane ist ein alter Kumpel von mir. Ich bin also nicht gekommen, um dir wegen irgendwas am Zeug zu flicken. Ganz im Gegenteil.«

Lassiters Miene entspannte sich etwas, als er Banes Namen hörte.

»Okay«, brummte er. »Wenn Trigger glaubt, wir sollten miteinander reden, werde ich Ihnen zuhören.«

»Eine kluge Entscheidung, Junge …«

»Vorausgesetzt, Sie hören damit auf, mich Junge zu nennen«, knurrte Lassiter. »Könnte sonst sein, dass es ein kurzes Gespräch wird.« Er rieb sich vielsagend die immer noch bandagierten Fäuste.

Huxley trank seinen Whiskey, bevor er nickte. »Okay. Wie lautet denn dein Vorname?«

Lassiter starrte ihn an. »Ich heiße Lassiter. Einfach nur Lassiter.«

Huxley erwiderte seinen Blick für ein paar Sekunden. »Das macht die Sache einfacher, nicht wahr?« Jetzt wurde sein Grinsen breiter. »Trigger hat nicht zuviel versprochen. Du scheinst ein ziemlich eigensinniger Bursche zu sein, aber ich glaube, damit komme ich zurecht.«

»Was wollen Sie von mir, Mr. Huxley«, entgegnete Lassiter und lehnte sich gegen die Rückwand. Er gab sich lässig, doch Huxley sah die Neugier in den stahlblauen Augen des jungen Mannes.

»Ich möchte dir ein Angebot machen«, gab er zurück und drehte dabei das leere Whiskeyglas in seinen Händen. »Wenn du einschlägst, brauchst du dir dein Geld nicht mehr mit blutigen Kämpfen in Kaschemmen zu verdienen. Der Lohn liegt deutlich höher, als du dir vorstellen kannst.«

Lassiter nickte skeptisch. Er griff nach dem Bierkrug und nahm einen Schluck. »Ach ja? Und wen muss ich dafür umlegen?«, fragte er mit spöttischer Miene.

Huxleys sah Lassiter eindringlich in die Augen, während er antwortete: »Niemanden, der es nicht verdient hat.«

Lassiter schaute kurz überrascht, dann lachte er auf. »Okay, ich verstehe. Sie sind Kopfgeldjäger, nicht wahr?« Er winkte ab und drehte sich zum Tresen. »Sorry, aber das ist nicht meine Kragenweite.«

Huxley schüttelte den Kopf. »Ich bin kein Blutgeldgeier, Lassiter. Ich vertrete das Gesetz, genau wie Trigger Bane.«

Lassiter warf ihm nur einen kurzen Blick zu, während er nach dem Barkeeper winkte. »Ich sehe keinen Stern an Ihrer Brust, Mr. Huxley. Gesetzeshüter tragen so etwas, möchte ich meinen.«

»Nicht immer«, entgegnete Huxley rätselhaft, doch Lassiter schüttelte den Kopf, ohne ihn anzusehen.

»Denke, unser Gespräch ist beendet. Noch mal dasselbe, Gary!«

Huxley verzog die Lippen. Als der Bartender kurz darauf mit Bier und Whiskey kam, zuckte er die Achseln. Er wartete, bis Gary wieder weg war, bevor er Lassiters Bierglas nahm, einen Umschlag aus der Innentasche seiner Jacke zog, ihn auf die Theke legte und den Bierkrug daraufstellte.

»Ein unverbindliches Angebot, Lassiter. Machen Sie damit, was immer Ihnen beliebt. Aber glauben Sie mir, diese Chance erhalten Sie nur einmal. Trigger Bane sagte mir, Sie seien ein aufrechter Kerl mit Cojones in der Hose, dem die Gerechtigkeit am Herzen liegt und der zu Höherem berufen ist, als irgendwo in einem Kaff den Stern zu tragen.« Er starrte Lassiter an, doch der griff nach dem Whiskeyglas, ohne den Blick zu erwidern. »Wir suchen nach Burschen wie Ihnen, und deshalb werde ich bis morgen Mittag im Glendale Inn auf Sie warten. Mein Zug nach Süden geht um zwölf Uhr dreißig.«

Er klopfte Lassiter auf die Schulter, glitt vom Barhocker und schob sich durch das Gedränge vor der Theke in Richtung Ausgang.

»Wer ist wir?«, murmelte Lassiter und sah dem Fremden nach, bis der weiße Stetson von Huxley hinter den Schwingtüren verschwunden war. Stirnrunzelnd zog er den Umschlag unter dem Bierkrug hervor und öffnete ihn.

Seine Augen weiteten sich, als darin fünf Zehn-Dollarnoten zum Vorschein kamen.

»Du kannst dem Mann vertrauen, Lassiter«, brummte Trigger Bane und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. Seine buschigen, tiefschwarzen Augenbrauen zogen sich wie ein Balken unter der Stirn zusammen. »Ich kenne ihn, seit wir noch Hosenscheißer waren. Wir haben Seite an Seite den Bürgerkrieg überlebt. Milton ist ein harter Hund und tritt dir liebend gern in den Arsch, wenn du nicht spurst, aber er wird dich nie im Stich lassen.«

Der Sheriff richtete sich auf und zeigte mit seiner Zigarre auf den jungen Mann, der ihm gegenübersaß. »Ich habe dir alles beigebracht, was ich konnte, Sohn. Aber jetzt ist es an der Zeit, aus dem Nest zu flattern.«

Lassiter rollte mit den Augen. Er hatte Trigger Bane eine Menge zu verdanken, wahrscheinlich sogar den Umstand, dass er noch am Leben war, statt am Galgen gelandet zu sein. Das väterliche Getue ging ihm aber ab und an ziemlich auf den Geist. Schließlich hatte er selbst schon so einiges durchgemacht.

Vor zwei Jahren hatte der Sheriff ihn aus den Flammen einer Wells-Fargo-Station gezogen. Und wäre er darin umgekommen, hätte er selbst die Schuld daran getragen. Denn er war es gewesen, der sie in Brand gesetzt hatte.

Bane hatte damals zumindest geahnt, dass Lassiter selbst der Feuerteufel gewesen war. Doch statt ihn hinter Gitter zu bringen, hatte der Sheriff ihn gesund gepflegt und sich seine Geschichte angehört, bevor er beschlossen hatte, seine eigene Art von Gerechtigkeit walten zu lassen und Lassiter nicht dem Richter zu überantworten. Lassiters Motive, die ihn zum Gesetzlosen hatten werden lassen, der einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen die übermächtige Wells Fargo führte, hatten Bane berührt und väterliche Gefühle in dem alleinstehenden Mann geweckt.

In langen Gesprächen war es dem Sheriff gelungen, Lassiter den Unterschied zwischen Strafe und Rache, zwischen Gesetz und Vergeltung zu vermitteln. So war aus dem heißblütigen, zornigen jungen Outlaw schließlich ein Mann geworden, der verstand, was Recht bedeutete.

Viele Monate waren seitdem vergangen, und Lassiter wusste nicht, ob die Pinkerton-Agentur noch nach ihm suchte. Das letzte Attentat auf die Wells Fargo, bei dem er um Haaresbreite dem Tod entgangen war, lag lange zurück, und von Sidney Blood hatte er noch länger nichts mehr gehört.

Stattdessen hatte Trigger Bane ihm vor einem Jahr den Stern eines Deputies an die Brust geheftet und beschlossen, dass aus dem Verbrecher nun ein Gesetzeshüter werden sollte.

Lassiter selbst hatte festgestellt, dass ihm diese Rolle durchaus gefiel. Der Zorn, der immer noch in ihm schwelte wegen der Vergangenheit, war nicht gänzlich erloschen. Doch er hatte verstanden, dass man andere Mittel anwenden musste, um zu seinem Recht zu kommen.

Er breitete die Arme aus und starrte den Sheriff fragend an. »Ich verstehe nicht, woher Huxley kommt, Trigger«, sagte er ratlos. »Er sieht aus wie ein Marshal, redet daher wie ein Marshal, aber …«

»… er ist kein Marshal.« Bane nickte nachsichtig. »Ich kann dir auch nicht viel mehr verraten, außer, dass Milton einer geheimen Einheit angehört. Er bekommt seine Befehle direkt aus Washington, verstehst du?«

Lassiters Augen weiteten sich ein wenig. »Aus Washington? Im Ernst?«

Bane schüttelte den Kopf. »Reite mit ihm, oder lass es sein. Er wird dir zu gegebener Zeit alles sagen, was du wissen musst.«

Lassiter fuhr sich durch die sandfarbene Mähne. »Klingt für mich nach einer ziemlich undurchsichtigen Geschichte …«

»Was tust du, wenn eine Wüste hinter dir liegt und die Senke vor dir verdächtig nach Treibsand aussieht, dahinter aber ein See auf dich wartet?«, fragte Bane bedächtig und sog an seiner Zigarre.

Eine Rauchwolke stieg zwischen ihnen auf, während Lassiter überlegte.

»Bin ich zu Fuß unterwegs oder sitze ich im Sattel?«, fragte er schließlich.

»Nicht wichtig«, gab Bane zur Antwort.

Lassiter verzog die Lippen und lächelte. »Ich reite so weit, bis ich festen Grund finde, um zum See zu gelangen.«

Der Sheriff nickte langsam. »Viel Glück dabei, mein Junge.«

Milton Huxley hob die Hand, als sein Brauner in den Waggon getrieben wurde. »Vorsicht! Das brave Tier soll sich nicht schon vor der Reise die Beine brechen.«

»Schon gut, Sir. Wir wissen, was wir tun«, entgegnete der Bahnarbeiter, ein grauhaariger Kerl mit mehr Falten im Gesicht, als der Bundesstaat Flüsse hatte, und schob die Planken mit dem Stiefel lustlos zurecht, bevor der andere das Tier über den Bahnsteig führte.

Huxley schob den Mann beiseite und griff selbst nach den Zügeln seines Pferdes. »Aber klar«, knurrte er und klopfte dem Wallach besänftigend auf die Kruppe.

»Mr. Huxley?«

Er schaute über den Rücken des Pferdes, und seine Miene wirkte ebenso erstaunt wie erfreut, als er Lassiter erkannte, der, eine Satteltasche über der linken Schulter und ein Gewehr in der rechten Hand, mit lässigen Schritten auf ihn zukam.

»Lassiter. Du hast es dir also doch noch überlegt. Hast du mit Trigger gesprochen?«

»Sicher«, gab Lassiter zurück. Sein linker Mundwinkel hob sich um eine Nuance. »Er hat Sie mit Treibsand verglichen.«

Huxley lachte. »Trigger Bane und seine blumigen Geschichten. Irgendwann wird noch ein Prediger aus ihm, wirst sehen.«

Lassiter wandte den Kopf und starrte den Zug an. »Wenn Sie meinen«, brummte er. »Wohin soll’s denn gehen?«

Huxley grinste. »Wolltest du nicht nach Süden? Ich schätze, dieser Wunsch wird dir heute erfüllt werden.«

Eine halbe Stunde später verließ der Zug Camp Stockton, doch entgegen Huxleys Versprechen ging es zunächst westwärts. Nicht ganz unbeeindruckt nahm Lassiter zur Kenntnis, dass sie ein geschlossenes Abteil im Erste-Klasse-Wagen für sich hatten.