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Das Dorf bestand aus einer Handvoll ärmlicher Hütten, zwei windschiefen Scheunen und einer Baracke, über deren Eingang in ungelenker Schrift die Lettern BODEGA auf einem Holzbrett verblassten. Von den Hügeln aus hatte der Reiter noch ein paar Menschen auf der Straße gesehen. Doch nun, als er sein Pferd an den Hütten vorbei lenkte, saß nur noch ein halbwüchsiger Ziegenhirte auf dem Zaun, hinter dem seine Tiere grasten.
Er beugte sich zu dem Jungen hinab. "Dos Gringos? Con un carruaje?"
Der Hirte schüttelte heftig den Kopf, doch seine Augen waren vor Angst geweitet und blickten verstohlen am Hals des Wallachs vorbei zur Scheune gegenüber. Der Reiter verzog die Lippen, während seine Rechte sich unauffällig dem Griff des Revolvers näherte.
Eine Falle. Vermutlich blieben nur noch wenige Augenblicke, bis ihm die Kugeln um die Ohren flogen.
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Die Teufelin in Rot
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: Boada/Norma
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7618-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Teufelin in Rot
Das Dorf bestand aus einer Handvoll ärmlicher Hütten, zwei windschiefen Scheunen und einer Baracke, über deren Eingang in ungelenker Schrift die Lettern BODEGA auf einem Holzbrett verblassten. Von den Hügeln aus hatte der Reiter noch ein paar Menschen auf der Straße gesehen. Doch nun, als er sein Pferd an den Hütten vorbei lenkte, saß nur noch ein halbwüchsiger Ziegenhirte auf dem Zaun, hinter dem seine Tiere grasten.
Er beugte sich zu dem Jungen hinab. »Dos Gringos? Con un carruaje?«
Der Hirte schüttelte heftig den Kopf, doch seine Augen waren vor Angst geweitet und blickten verstohlen am Hals des Wallachs vorbei zur Scheune gegenüber. Der Reiter verzog die Lippen, während seine Rechte sich unauffällig dem Griff des Revolvers näherte.
Eine Falle. Vermutlich blieben nur noch wenige Augenblicke, bis ihm die Kugeln um die Ohren flogen.
»Okay, Muchacho. Vamos«, knurrte Lassiter und hob die Augenbrauen. Mit einer winzigen Kopfbewegung unterstrich er die Aufforderung, und der Junge glitt zögernd vom Zaun, um sich steifbeinig am Corral entlang zurückzuziehen.
Er hatte die Siedlung eine Weile mit dem Fernglas beobachtet, das er in Milton Huxleys Satteltaschen gefunden hatte, doch nun wurde ihm klar, dass das wohl nicht lang genug gewesen war.
Seine Ungeduld konnte ihm jetzt zum Verhängnis werden.
Betont langsam stieg er aus dem Sattel und zwinkerte, als ihm ein Schweißtropfen von der Augenbraue auf die Wimpern fiel. Er warf einen kurzen Blick auf die Scheune, die einen knappen Steinwurf entfernt auf der anderen Seite der Straße stand. Der rechte Torflügel war halb offen und hing nur noch an einem Scharnier; im Halbdunkel dahinter glaubte er eine Bewegung ausgemacht zu haben.
Er klopfte seinem Braunen aufs Hinterteil. Der Wallach schnaubte, bewegte sich ein paar Schritte nach vorn – und im selben Moment brüllte ein großkalibriger Revolver auf.
Damit hatte Lassiter gerechnet. Während sein Pferd einen Satz nach vorn machte, duckte er sich geistesgegenwärtig, riss den Remington aus dem Holster und feuerte zweimal auf den Mündungsblitz im Spalt zwischen den Flügeln des Scheunentors. Er ging in die Hocke und warf sich mit einem Satz hinter einen Pferdetrog, der vor der Bodega stand.
Eine Kugel schlug in den Querbalken des Hitchracks ein, eine zweite traf den steinernen Trog und pfiff als jaulender Querschläger davon. Zwei weitere Projektile flogen dicht über seinen Kopf hinweg und stanzten Löcher in das Wasserfass in seinem Rücken. Wasserstrahlen leckten hinaus wie glitzernde Zungen und benetzten seinen Rücken.
Der Hirtenjunge schrie auf, doch mit einem Seitenblick sah Lassiter, wie er unverletzt und wieselflink die Straße hinab floh.
Er kam auf die Beine, hob den Remington, visierte nur eine Sekunde und zog dabei bereits den Stecher durch. Als im Dunkel der Scheune ein Schmerzensschrei ertönte, hoben sich seine Mundwinkel zu einem grimmigen Grinsen.
Eine Bewegung in den Augenwinkeln ließ ihn herumfahren, und wie aus dem Nichts stürmte ein Mexikaner mit Vollbart, einem Gewehr im Hüftanschlag und Mordlust in den Augen auf ihn zu.
Der Bursche musste sich hinter dem Maultierkarren versteckt haben, der ein paar Schritte weiter vor dem Zaun des Corrals stand.
»Goddam!«, zischte er, als der Lauf des Bandoleros Feuer spuckte und ein Geschoss ihm den Stetson vom Kopf riss. Er brachte den Remington hoch und drückte erst ab, als der Gesetzlose schon auf vier Schritte herangekommen war, doch seine Kugel fand ihr Ziel. In die Brust getroffen, stoppte der Bandido mitten im Lauf, als wäre er gegen eine unsichtbare Mauer gerannt. Er verdrehte die Augen und ließ das Gewehr, einen altertümlichen Vorderlader, fallen. Ein Röcheln entrang sich seiner Kehle, dann stürzte er mit dem Gesicht voran in den Staub.
Das Knarren des Scheunentors warnte Lassiter, und er warf sich zu Boden. Keine Sekunde zu früh, denn im selben Moment zischte eine ganze Serie von Projektilen über ihn hinweg. Durch das Krachen der Gewehre hindurch hörte er die Flüche der Angreifer, robbte am Trog vorbei und spähte um seine Deckung.
Einen Fluch auf den Lippen, hob er seinen Revolver, zielte und schoss. Den vorderen der beiden Galgenvögel, die auf ihn zukamen, traf er zwischen die Beine, und der Bandit jaulte auf wie ein geprügelter Hund. Er warf die Arme in die Luft, die Waffe segelte davon und er drehte eine Pirouette in der Mitte der Straße, bevor er zu Boden ging.
Der andere bewegte sich deutlich schwerfälliger, was zum einen an seinem mächtigen Kugelbauch, zum anderen an der Wunde in der Schulter liegen mochte, die sein schmutziges Hemd dunkel färbte. Das musste der Bandit sein, den Lassiters Schuss ins Dunkle zuvor bereits getroffen hatte, und der hasserfüllte Gesichtsausdruck des Outlaws unterstützte diese Vermutung.
Lassiter verengte die Augen und hob den Lauf seines Sechsschüssers, bis er auf die Stirn des Banditen zeigte.
»Lass die Waffe fallen!«, rief er, doch die Warnung schien den Dicken nicht zu beeindrucken. Mit einem Grunzlaut stolperte er weiter auf Lassiter zu und hob dabei sein Gewehr. Der Lauf der Flinte schwankte mit jedem Schritt, den der Gesetzlose zurücklegte, eine Handbreit hin und her, doch als er auf sechs Yards heran war, drückte Lassiter ab.
Die Kugel traf den Mexikaner über der Nasenwurzel und riss seinen Kopf in den Nacken. Er ging in die Knie und öffnete den zahnlosen Mund zu einem erstaunten O, als wäre Lassiters Reaktion eine Überraschung für ihn gewesen.
Im nächsten Moment ertönte ein markerschütternder Schrei in seinem Rücken. Lassiter wirbelte herum und richtete sich halb auf, als ein Bandit durch die Flügeltüren der Bodega stürmte und sich, eine Machete in der erhobenen Hand, auf ihn stürzte.
Er zog den Abzug durch, doch es klickte nur, als der Hammer auf die leere Trommel traf.
Der Bandido flog auf ihn zu, und die tödlich scharfe Klinge sauste nieder.
Im letzten Moment warf Lassiter sich zur Seite. Die Machete ging eine Handbreit an seiner Schulter vorbei und schlug eine tiefe Kerbe in den trockenen Lehmboden, doch der massige Körper des Angreifers landete mit voller Wucht auf seiner Brust und trieb ihm die Luft aus den Lungen. Der Revolver war plötzlich nicht mehr in seiner Hand, und er roch den fauligen Atem des Banditen.
Lassiter holte mit der Linken aus und hämmerte dem Mann über ihm mit aller Macht die Faust gegen die Schläfe. Er glaubte, das Knacken von Knochen zu hören, doch kurz darauf grinste der Bursche ihm höhnisch ins Gesicht. Er spürte den kalten Stahl der Machete auf seiner Kehle.
»Jetzt fährst du zur Hölle, Hurensohn«, zischte der Mexikaner höhnisch. Speichel sprühte Lassiter ins Gesicht, und die dunklen Augen des Gesetzlosen loderten nur zwei Handbreit über ihm vor heiterer Mordlust.
Aus den Augenwinkeln sah Lassiter die dicht behaarte Faust seines Gegners am Griff des Messers und dessen andere Hand, die das Ende der Klinge umfasste. Der Bandido richtete sich über ihm auf und straffte die Schultern, um im nächsten Moment mit dem Gewicht seines Körpers den scharfen Stahl hinab zu drücken und erst seine Kehle, dann den Hals zu durchtrennen wie mit einer Guillotine.
Lassiter schloss die Augen, bereitete sich auf höllische, aber wohl nur Sekunden währende Schmerzen vor und verabschiedete sich von der Welt.
Doch stattdessen donnerte ein Gewehr in nächster Nähe und brachte seine Trommelfelle zum Klingeln. Das Blut, das er kurz darauf auf Lippen und Gesicht spürte und schmeckte, war nicht sein eigenes. Er öffnete die Augen, und der Kopf des Banditen war plötzlich verschwunden.
Ächzend schob Lassiter den toten Körper von sich und richtete sich schwer atmend auf. Als er sich mit dem Hemdrücken über das Gesicht wischte, stand eine Latina vor ihm, die langsam den Doppellauf einer Schrotflinte senkte. Aus der linken Mündung stieg Pulverdampf auf, und die junge Frau nickte ihm mit gefurchter Stirn zu.
»Muchas gracias«, brachte er hervor.
»Te nada«, antwortete sie, das hübsche Gesicht vor Anspannung verzerrt. »Warum kommen Sie her nach Los Barros? Ihr Gringos bringt uns immer nur Ärger.«
Lassiter nickte. »Sorry, Señorita. Aber ich hatte keine Wahl.«
☆
»Cuidado!«
Der Ruf, so scharf wie ein Peitschenknall, ließ Donna Stapleton erschrocken zusammenzucken. Hätte man sie nicht fest auf den Sattel ihres Pferdes gebunden, wäre sie vielleicht vom Rücken des Tieres gestürzt. Ihr Kopf ruckte ängstlich nach links und rechts, doch die Augenbinde verhinderte, dass sie den Grund für den Befehl hätte erkennen können.
Pferdehufe auf festem Boden waren zu hören, die sich ihr näherten, und einen Augenblick später strich ihr eine Hand über das Gesicht. Unwillkürlich wich sie vor der Berührung zurück, was von einem kehligen Lachen beantwortet wurde.
»Tranquilo, Chica«, raunte ihr eine Stimme zu. »Wir sind bald am Ziel, dann befreien wir dich aus der unbequemen Lage.«
Donna hatte so ihre Zweifel, dass sich die Lage dort, wo man sie hinbrachte, sonderlich bessern würde. Und einen Grund zur Gelassenheit gab es schon gar nicht. Doch sie presste die Lippen zusammen und schwieg.
Jedes Wort, das man mit diesen Verbrechern wechselte, konnte eines zu viel sein. Das war ihr spätestens in dem kleinen Dorf klar geworden, in dem die beiden Texas Ranger auf ihre Auftraggeber getroffen waren.
Captain Bright, der korrupte Anführer der Ranger, die eigentlich zu ihrem Schutz nach Chihuahua gekommen waren, hatte geplappert wie ein Backfisch bei der Beichte, kaum dass die Gesetzlosen im Dorf aufgetaucht waren. Vermutlich hatte er damit nur seine Nervosität überspielen wollen, denn vorher hatten sie bereits zwei oder drei Stunden dort ausgeharrt, und Bright war mit jeder Minute, die ereignislos verstrich, unruhiger geworden.
Donna hatte sofort bemerkt, dass Brights Geschwätzigkeit nicht dazu beitrug, die Stimmung zu verbessern, ganz im Gegenteil.
Der Anführer der Banditen, ein schlanker, fast hagerer junger Mann mit stechendem Blick und sorgfältig getrimmtem Bart, ganz in Schwarz gekleidet und geschmeidig wie eine Raubkatze, hatte dem Sermon des Captains mit wachsender Ungeduld zugehört, bis es ihm schließlich zu viel wurde.
Während die Verbrecher sie aus der Kutsche gezerrt hatten, war auch Jeff Mulligan, Brights Komplize bei ihrer Entführung, darauf verfallen, die schweigsamen Banditen wortreich nach ihrer Entlohnung zu fragen.
Man hatte Donna hinausgeführt auf die Straße, sodass ihr der Anblick der Antwort erspart blieb, die die Texas Ranger wenig später erhielten. Doch das Donnern der Schüsse in der Scheune reichte aus, um ihr klar zu machen, dass Bright und Mulligan ihren schäbigen Verrat in der Hölle bereuen würden.
Keiner der Dorfbewohner hatte sich auf der Straße blicken lassen; nur ein paar ängstliche Gesichter waren hinter den halbblinden Scheiben der Bodega zu sehen gewesen, und die vage Hoffnung, dass ihr jemand zu Hilfe käme, hatte sie schnell aufgegeben.
Immerhin waren die Banditen einigermaßen zurückhaltend mit ihr umgegangen, als sie sie auf ein Pferd bugsiert, gefesselt und ihr die Augen verbunden hatten. Vermutlich ging es ihnen darum, von der amerikanischen Regierung oder ihrer Familie ein hohes Lösegeld zu fordern, und deshalb durfte die »Ware« vorerst nicht beschädigt werden.
Doch Donna glaubte nicht, dass dieser Umstand ihr körperliche Unversehrtheit garantierte. Sie hatte Berichte darüber gelesen, dass diese Banden ihre Entschlossenheit gern damit unterstrichen, Finger oder gar eine Hand ihrer Geiseln den Nachrichten an die Menschen beizufügen, die sie erpressen wollten.
Sie stieß einen spitzen Schrei aus, als jemand ihrem Reittier kräftig aufs Hinterteil klopfte und das Pferd daraufhin mit ärgerlichem Wiehern einen Satz nach vorn machte. Um sich herum hörte sie die Stimmen ihrer Entführer, die sich leise auf Spanisch unterhielten. Der Dialekt, in dem sie sprachen, klang fremdartig und bedrohlich. Sie verstand kaum ein Wort von dem, was die Männer sagten – außer, dass sie müde, hungrig und durstig waren. Da ging es ihr nicht anders.
Donna betete darum, dass es Milton Huxley und dem jungen Mann namens Lassiter, der ihr in der fürchterlichen Nacht des Überfalls auf das Konsulat das Leben gerettet hatte, inzwischen wenigstens gelungen war, ihre drei Kinder sicher über die Grenze zu bringen.
Michael, Stephen und die kleine Charlotte. Als die Gesichter ihrer Liebsten in ihrem Geist erschienen, wurden ihre Augen feucht. Was hatten sie nur für ein Grauen erleben müssen. Und natürlich trug ihr toter Vater einen Teil der Schuld dafür.
Aber sie wollte Daniel nichts mehr vorwerfen. Er war tot, gestorben auch wegen der Handelsverträge, die er mit verantwortet hatte und die Mexiko letzten Endes in die Lage versetzt hatten, in der sich die junge Demokratie nun befand. Doch was half es, wenn sie den Zorn auf ihren ermordeten Gatten weiter in ihrem Herzen trug?
Er war nun Teil der Vergangenheit, und ihre Kinder waren die Zukunft. Für sie musste sie stark bleiben und durfte die Hoffnung auf Rettung nicht aufgeben.
Der Weg stieg steil an, und mehrfach wurde sie in ihrem Sattel nach links und rechts, nach vorn und hinten geworfen, als ihr Pferd sich offenbar mühsam den Weg über unwegsames Gelände bahnen musste. Sie spürte, dass die Luft kühler und dünner geworden war. Vermutlich befanden sie sich ziemlich weit oben in den Bergen, sicherlich deutlich höher als in dem Dorf am Morgen.
Wie lange waren sie seitdem unterwegs gewesen? Sechs Stunden? Oder nur vier? Donna fiel es schwer, das genauer zu bestimmen. Blind und orientierungslos, dazu in dieser Haltung mit den straff gefesselten Armen – da wirkte eine Stunde wie ein halber Tag.
Doch trotz der Augenbinde glaubte sie, noch Sonnenlicht auf ihrem Gesicht zu spüren.
Ihr Pferd wurde gestoppt, und neben ihr stieg jemand aus dem Sattel. Das leise Sirren von Sporenrädern war zu vernehmen, als der Reiter über knirschenden Kies ein paar Schritte tat. Worte wurden gewechselt, dann hörte sie ein tiefes Knarren vor sich.
Ein Tor?
Donna atmete tief ein und wieder aus. Plötzlich erfasste sie eine innere Unruhe, und sie wusste nicht genau, warum.
Eine Stimme tief in ihrem Unterbewusstsein flüsterte ihr zu, dass, wenn sich dieses Tor erst einmal hinter ihr geschlossen hatte, jede Hoffnung auf Rettung vergebens war.
Sie zerrte an ihren Fesseln und begann zu schreien.
☆
»Ich hatte keine Wahl.«
Stimmte das?
Wenn Lassiter sich selbst gegenüber aufrichtig sein wollte, musste er diese Frage verneinen. Denn natürlich hatte er eine Wahl gehabt. Und das nicht nur einmal in den letzten drei Wochen, die sein Leben auf dramatische Weise verändert hatten.
Als der mysteriöse Milton Huxley im Trinity, der schäbigen Spelunke in Camp Stockton, aufgetaucht war, hätte er dessen Angebot einfach ausschlagen können.
Dieser hagere Typ mit dem Gesicht eines aufrechten Gesetzeshüters hatte ihn nach einem Faustkampf aufgegabelt und mit derart vielen Dollars gewunken, dass er von Anfang an hätte misstrauisch werden müssen. Doch Trigger Bane, sein väterlicher Freund, hatte für Huxley gebürgt.
Und wenn Trigger jemandem sein Vertrauen schenkte, ihn sogar anpries als jemanden, der für Lassiter ein Glücksfall war, dann glaubte Lassiter das ohne Zögern.
Der Sheriff von Camp Stockton hatte ihm das Leben gerettet und einen anständigen Kerl aus ihm gemacht. Seine Worte stellte Lassiter seitdem höher als die Bibel. Deshalb war er schließlich auf Milton Huxleys Angebot eingegangen, ihn nach Mexiko zu begleiten, obwohl der Lassiter bis zuletzt im Dunkeln gelassen hatte über ihre Auftraggeber.
Lassiter wusste bis zu diesem Tag nicht mehr darüber als das, was ihm Trigger Bane erzählt hatte: Huxley arbeitete für eine geheime Einheit, die ihre Befehle direkt aus Washington, von der Bundesregierung erhielt.
Die Fragen, die er Milton während ihrer Reise gestellt hatte, waren stets ausweichend oder gar nicht beantwortet worden. Und ab einem gewissen Punkt hatte Lassiter auch darauf verzichtet, nachzuhaken. Denn als ihm gesagt wurde, weshalb sie in Richtung Rio Grande reisten, gerieten diese Dinge in den Hintergrund.
Huxley und er waren nach Chihuahua geschickt worden, um den amerikanischen Botschafter und seine Familie zurückzubringen in die Staaten, weil in Mexiko die öffentliche Ordnung in dramatischer Weise außer Kontrolle geriet. Stetig wachsende Banden von Gesetzlosen brachten den Norden des Landes allmählich unter ihre Kontrolle, und die mexikanische Regierung unter ihrem neuen Präsidenten Lerdo de Tejada schien dieser Anarchie nichts mehr entgegenzusetzen.
Das hehre Ziel, eine Diplomatenfamilie in Sicherheit zu bringen, hatte Lassiters Argwohn zerstreut, und sie waren in Begleitung eines Trupps von Texas Rangern von Guadalupe aus aufgebrochen in Richtung der Hauptstadt von Mexiko, ohne dass er Milton mit weiteren Fragen bedrängt hatte.
Die weiteren Erlebnisse hatten sie gehörig in Atem gehalten, und Lassiter hatte Gefallen gefunden an Huxleys ruhiger, souveräner Art. Sie waren sich nahegekommen, fast wie es mit ihm und Bane gewesen war. Er hatte Vertrauen zu Huxley gefasst, der ihm das Gefühl gab, gebraucht zu werden und Teil einer wichtigen, gerechten Mission zu sein.
Doch nach der blutigen Nacht im amerikanischen Konsulat, und nach dem verheerenden Desaster am Bahnhof von Chihuahua, das gerade einmal zwei Tage zurücklag, hatte sich Lassiters Meinung über Milton Huxley ins Gegenteil verkehrt.